Protocol of the Session on February 14, 2001

ren werden. Wir werden es nicht zulassen, daß die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre heruntergesetzt wird. Wir werden nicht das fortschrittliche Jugendstrafrecht, das wir haben und das für den weit überwiegenden Teil aller Jugendlichen, die vor Gericht kommen, richtig ist, so aushebeln, daß es dort nicht mehr auf die Weise greift, wie es das jetzt tut.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir werden es nicht zulassen, daß aufgrund dieses Teilproblems Errungenschaften, die richtig sind, wieder zurückgefahren werden. Wir werden gleichwohl dieses Problem angehen, das sich zwischen SOG, Jugendstrafrecht und Betäubungsmittelgesetz bewegt. Wir werden verhindern, daß sich in diesem Dreieck Leute so bewegen können, wie wir es nicht wollen. Wir reden nicht darüber, wir arbeiten daran.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Mahr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wersich, als ich gehört habe, daß Sie mit der Debatte beginnen, habe ich gedacht, daß die CDU sich dem Thema etwas sachlicher nähern würde.

(Antje Blumenthal CDU: Das machen Sie ja! – Petra Brinkmann SPD: Das ist wohl ein Scherz!)

Leider habe ich mich getäuscht.

In der letzten Woche wurde uns wieder einmal in Wundertütenmanier von Ihnen vorgestellt, was man gegen die Drogenproblematik in Hamburg tun kann. Mehr Polizisten, Verschärfung des Polizeirechts und der Einsatz von Brechmitteln sollen es richten, und dann ist die Welt wieder in Ordnung und Hamburg kann ruhig schlafen. Meine Damen und Herren! Das ist Unsinn. Für wie blöd hält die CDU eigentlich die Menschen in dieser Stadt?

Seit gut zehn Jahren wird mit immer wieder modifizierten Polizeikonzepten und einem deutlich verschärften Polizeirecht versucht, der offenen Szene Herr zu werden. Schon 1991 beklagten sich bei mir Mitarbeiter der Bereitschaftspolizei, welchen Sinn das Vorgehen gegen die Drogenszene hätte. Diese Beamten hatten sehr richtig erkannt, daß sie nur das Elend verwalteten. Sie hatten erkannt, daß diejenigen, die öffentlich den Eindruck erweckten, mit Repression könne man der Drogenproblematik Herr werden, der Bevölkerung Sand in die Augen streuten. Sie waren klüger als mancher Gewerkschaftsfunktionär, der heute öffentlich mit dem Feuer spielt.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Jahr für Jahr werden mehr als 50 000 Platzverweise ausgesprochen. Von 17000 Ingewahrsamnahmen innerhalb von viereinhalb Jahren wurde vom Richter in lediglich 240 Fällen die Fortdauer aus rechtsstaatlichen Gründen aufgehoben. Ja, meine Damen und Herren, der Rechtsstaat gilt auch für diese Menschen.

Wollen Sie das ernsthaft ändern? Wovon reden Sie eigentlich? Wenn der Senat in der Großen Anfrage der SPD mitteilt, daß innerhalb eines Vierteljahres 679 strafrechtlich begründete Festnahmen erfolgt sind,

(Antje Blumenthal CDU: Und gleich wieder freige- lassen!)

(Dr. Martin Schäfer SPD)

frage ich Sie, ab wieviel Festnahmen Ihrer Meinung nach eine erfolgreiche Drogenpolitik stattfindet. Das ist wirklich eine absurde Diskussion, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Die Fragestellung des heutigen Debattenthemas kann man auch auf ganz andere Art und Weise provokativ anders stellen. Können, sollen und wollen wir die Drogenszene unsichtbar machen? Niemand von uns ist angetan, wenn er mit dem Drogenelend konfrontiert wird, es beunruhigt uns, und wir wollen es nicht sehen. Es hat etwas Bedrohliches für unser seelisches Gleichgewicht und stört den Alltag. Wer aber noch ein wenig Menschlichkeit in sich trägt, den muß das Herz zerreißen, wenn er die hektischen Geschäfte beobachtet, in fiebrige Augen blickt und sieht, wie sich Menschen für ein paar Mark verkaufen, um sich den nächsten Schuß zu setzen oder, wie es heißt, Steine zu rauchen.

(Ole von Beust CDU: Das stimmt!)

Die CDU hat der SPD angeboten, das Thema Innere Sicherheit aus dem Wahlkampf herauszuhalten, wenn sie mit ihr ein Sicherheitspaket eingeht und ihr Zehn-Punkte-Programm der Version Kusch erfüllt. Die GAL-Fraktion ist Ihnen wirklich sehr dankbar, meine Damen und Herren, daß Sie, ohne es zu merken, klar und deutlich gemacht haben, wie wenig ernst Sie die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt nehmen. Sie wollen nämlich auf Transparenz verzichten.

(Dr. Roland Salchow CDU: Blablabla!)

Sie wären bereit, im Wahlkampf vor diesem Thema zu kuschen, wenn es Ihnen irgendwie den Zugang zur Macht eröffnen würde. Das wird mit uns nicht passieren.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Karl-Heinz Eh- lers CDU: Das ist klar!)

Meine Damen und Herren! Ich habe, weil ich die Arbeit selber gemacht habe, sehr großes Verständnis für Polizeibeamte, die zur Bekämpfung der offenen Drogenszene eingesetzt wurden, die die unbefriedigende Arbeit beklagen und darunter leiden. Doch die einfachen Antworten der CDU oder von Herrn Schill bedienen bestenfalls die Stammtische. Sie delegieren das Problem ein weiteres Mal auf die Polizei, ohne daß Aussicht besteht, daß es damit nachhaltig gelöst wird. Tatsächlich ist die CDU der Bremser und drückt sich um die wirkliche Problemlösung herum.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Hamburg hat mit seinem Methadon-Programm im Ergebnis mehr für die öffentliche Sicherheit getan, als die Polizei mit Repression schaffen könnte. Das Landeskriminalamt hat im letzten Jahr eine Studie vorgestellt und erstmals wissenschaftlich den Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Beschaffungskriminalität und der Vergabe von Suchtersatzstoffen nachgewiesen.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Wissenschaftliche Zusam- menarbeit? So ein Unsinn!)

Dies läßt vermuten, daß die kontrollierte Abgabe von Heroin ähnliche Wirkung zeigen wird.

Wer den Menschen aus dem Teufelskreis von Sucht und Beschaffungskriminalität heraushelfen will, sollte den Senat und die Bundesregierung bei ihren Bemühungen für eine moderne Drogenpolitik unterstützen. Im Alltag wird es immer wieder erforderlich sein, die Auswüchse im Bereich

der offenen Drogenszene durch Polizeipräsenz zu minimieren. Unsichtbar machen können wir sie nicht. Wir sollten auch nicht so tun, daß dies nur mit einer staatlichen Repressionspolitik möglich wäre, die mit einem Rechtsstaat nichts mehr zu tun hätte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dietrich Wersich CDU: Träumer!)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Jobs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mensch Wersich, sonst waren Sie doch in der Lage, sich differenziert an der Debatte zu beteiligen. Hat der Wahlkampf jetzt schon Ihren Realitätssinn vernebelt, daß Sie sich von dieser Fachdebatte verabschieden? Das fände ich schade. Es würde deutlich machen, wie sehr diesem Thema gerade von rechtspopulistischer Seite droht, den Wahlkampf zu einer Schlammschlacht zu machen. Das wäre bitter. Wir haben es in der Stadt immer wieder geschafft, das Thema Drogenpolitik sinnvoll, ruhig und immer wieder auch an den Problemen der Nutzerinnen des Hilfesystems orientiert zu debattieren. Ich hoffe, daß wir dazu auch weiter in der Lage sind.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Hinter dem Schlagwort „offene Szene“ stehen konkrete Menschen mit Rechten, mit Wünschen, mit Bedürfnissen. Die offene Szene ist deshalb nicht nur ein Problem der Unwirtlichkeit der Stadt oder ein Müllproblem, wie die unsägliche Bettlerdrucksache aus dem Jahre 1997/98 nahegelegt hat. Offene Szenen bedienen verschiedene, berechtigte und für die Betroffenen wichtige und unverzichtbare Bedürfnisse. Sie sind so etwas wie ein Marktplatz, ein Kommunikationsort, sie sind ein Treffpunkt. Daraus folgt zwingend: Wer offene Szenen nicht will, muß für diese Bedürfnisse akzeptable Alternativangebote machen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Manfred Mahr GAL)

Ein Beispiel sind bedarfsgerechte und szenenahe Konsumräume mit Cafébetrieb, in denen in Ruhe konsumiert werden kann, aber darüber hinaus auch viele andere Gespräche möglich sind. Dies sind Angebote, die es den Süchtigen möglich machen, ihre Sucht zu überleben, in einem Rahmen, in einer Atmosphäre, in der Gespräche entstehen können, um einen individuellen Ausstieg aus der Sucht voranzubringen. Solche Hilfen werden in der Stadt gebraucht. Sie könnten ein hilfreiches Angebot sein, wie die sogenannten offenen Szenen reduziert werden können. Solche Hilfen braucht es und nicht, Herr Wersich, den platten Knüppel aus dem Sack der CDU in dieser Stadt. Da liegen Sie völlig falsch in der Debatte.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Auch wenn es niemand wirklich offen sagen will, offene Szenen sind steuerbar, aber sie sind nicht mit dem Polizeiknüppel steuerbar, sondern über das Angebot. Jeder Junkie in der Stadt braucht seinen Dealer, so wie jeder Alkohol trinkende Hamburger sein Supermarktregal braucht.

(Dietrich Wersich CDU: Welch ein Vergleich! Jeder Süchtige braucht seinen Dealer, und deshalb drücken Sie beide Augen zu!)

Ernst gemeinte Hilfe für Drogenkonsumenten bei gleichzeitiger rigoroser polizeilicher Verfolgung des Drogenan

(Manfred Mahr GAL)

A C

B D

gebots ist inkonsequent, Herr Wersich. Es ist heuchlerisch und zum Scheitern verurteilt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Statt hysterischem Geschrei nach mehr Repression – das kommt inzwischen nicht nur von Ihnen – ist es im Sinne der Drogen- und der Suchthilfe notwendig, eine unideologische Debatte zu führen über kontrollierte Freigabe, über Orte des geduldeten und kontrollierten Drogenhandelns, Verbraucherberatung. Wie so etwas aussehen kann, machen uns die Holländer in Rotterdam vor. Sie haben mit den Basements ein Angebot geschaffen, wie sie den Leuten Hilfe geben und der sogenannten offenen Szene in ihrer Stadt entgegenwirken können. An diesem Beispiel kann sich Hamburg endlich einmal orientieren und seine Drogenpolitik in dieser Frage nach vorne bringen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Polizeilich, wie Sie es vorgeschlagen haben, sind offene Szenen nicht in den Griff zu bekommen. Diese Polizeieinsätze treiben die Szene lediglich von einem Stadtteil zum anderen. Sie überfordern die Polizisten, sie weichen rechtsstaatlichen Grundsätzen aus, und dennoch kreist Ihre Diskussion nur um die Repressionssäule des Drogenhilfesystems.

Die Rede ist von verstärkten BGS- und Polizeieinsätzen und auch vom – im übrigen rechtswidrig nachgewiesenen – Einsatz von Brechmitteln. Von neuen und innovativen Angeboten in der offenen Szene hört man leider auch inzwischen von Regierung, von SPD- und GAL-Senat, nichts mehr.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das stimmt doch nicht!)