Protocol of the Session on January 24, 2001

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

legt wird. Im Bezirk Hamburg-Nord wird überhaupt nichts festgehalten. Wenn wir der Antwort auf die Große Anfrage glauben dürfen, gibt es hier überhaupt keine Fälle. Das glauben wir aber nicht.

Es gibt zum einen offenbar einen unterschiedlichen Maßstab dessen, was man als Übergriff definiert, und zum anderen ein unterschiedliches Problembewußtsein. Wenn im Bezirksamt Hamburg-Nord gar nichts festgehalten wird, zeugt das von einem fehlenden Problembewußtsein.

Wenig überzeugend ist die Rolle, die die Schulbehörde spielt. Wer an den Beratungen im Innenausschuß oder im Haushaltsausschuß teilgenommen hat, wird sich an das Thema „Genehmigung von Nebentätigkeiten“ erinnern. Die Schulbehörde war bis zum Schluß nicht dazu in der Lage, mitzuteilen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer Genehmigungen von Nebentätigkeiten haben. Jetzt sind sie nicht dazu in der Lage, zu sagen, wie häufig es zu Übergriffen gegen diesen Personenkreis gekommen ist. Es wird eine Schätzung dargelegt, nach der es heißt, es gebe ungefähr zehn Fälle pro Jahr. Das glaube ich nicht. Ich halte diese Zahl für absolut geschönt. Ein Lehrer, den ich darauf angesprochen habe,

(Dr. Martin Schmidt GAL: Ich werde es mal glau- ben!)

sagte mir, an seiner Schule, die nicht in einem sogenannten Brennpunktgebiet liegt, habe es in dem genannten Zeitraum eine Handvoll Fälle gegeben. Insofern ist die Zahl von zehn Fällen pro Jahr nicht glaubwürdig, so schön sie wäre. Offenbar spielt hier eine Rolle, daß bestimmte Ereignisse, mit denen man sich nicht rühmen kann, nicht weitergemeldet werden.

(Anja Hajduk GAL: Von wem an wen wird nicht wei- tergemeldet? Das Motto heißt offenbar: Schwamm drüber, den Mantel der Liebe darüber decken, Schnauze halten, das muß nicht nach draußen dringen. Eine solche Haltung wollen wir nicht. Derartige Vorfälle müssen auf den Tisch des Hauses kommen, denn nur wenn wir sie kennen, können wir Maß- nahmen ergreifen. Vertuschen ist die absolut falsche Me- thode. Das ist mein Appell an die Schulleiterinnen und Schulleiter. (Beifall bei der CDU)

Wenn ich die Große Anfrage lese und feststelle, daß es bei der Feuerwehr keine Fälle gibt, habe ich das auch nicht anders erwartet. Daß aber beim Einwohner-Zentralamt, bei der Ausländerbehörde, offenbar kein einziger Fall gewesen sein soll, will ich nicht glauben.

(Helga Christel Röder CDU: Ich auch nicht!)

Ich hoffe, wir erfahren da Genaueres.

Der Senat ist gefordert, an Prävention alles zu tun, was möglich ist. Gesprächskreise, die abgehalten werden, sind sicherlich sinnvoll, aber es gibt auch handfestere Dinge, die geschehen müssen. Teilweise muß baulich etwas verändert werden. Es müssen Schulungen stattfinden, es müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden und beispielsweise Alarmknöpfe installiert werden. Nach unserem Eindruck und nach der Lektüre der Antwort auf die Große Anfrage ist das alles nicht so gut, wie es sein sollte.

(Dr. Holger Christier SPD: Wir wollen doch moderne Kundenzentren; die sind doch offener!)

Das ist ein Abwägungsprozeß, Herr Dr. Christier. Ich habe auch nicht gesagt, die Beamten sollen sich hinter Glas ver

schanzen wie einstmals die Taxifahrer oder wie die Bankangestellten bei der Haspa. Das ist jetzt nicht das Thema. Man muß sich aber über diese Dinge Gedanken machen, man muß auch die Personalvertretungen zu diesen Fragen hören. Das wird eine interessante Diskussion im Innenausschuß. Ich glaube, wir vertreten bei diesem Thema gar nicht so unterschiedliche Auffassungen. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt haben es verdient, daß sich das Parlament, die Vertreter dieser Stadt, für sie einsetzen. Das wollen wir im Innenausschuß tun und gemeinsam darüber beraten. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Anja Hajduk GAL: Das ma- chen wir!)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Wir werden der Überweisung an den Innenausschuß zustimmen. Dort können wir in Ruhe die Antwort des Senats, die dort genannten Zahlen, die Art, wie sie erhoben werden beziehungsweise erhoben worden sind, diskutieren.

Aber es geht nicht nur um die nackten Zahlen und nicht nur darum festzuhalten, was, wie erhoben oder erfaßt worden ist, sondern es geht vor allem um die Ursachen für die Gewalt, die ausgeübt wird.

(Beifall bei Andrea Franken GAL)

Wenn man sieht, daß die Zahlen ausgeübter Gewalt wachsen, muß man sehen, welche inneren Ursachen dafür verantwortlich sind. Es muß überlegt werden, wie man den Öffnungsprozeß der Verwaltung hin zu den Bürgerinnen und Bürgern, die nicht mehr als Untertanen wahrgenommen werden, sondern als Kunden servicefreundlich behandelt werden sollen, regeln kann, so daß diese Offenheit und Servicefreundlichkeit erhalten bleibt, aber dennoch ein vernünftiger zwischenmenschlicher Umgang weiter durchgeführt wird, wenn es zu Konflikten kommt.

Selbstverständlich wird es immer dort, wo Bürgerinnen, Bürger und Verwaltung aufeinandertreffen, zu Konflikten kommen können. Deswegen muß daran gedacht werden, das Image des öffentlichen Dienstes zu verbessern. Wir haben Verantwortung und müssen aufpassen, daß wir nicht in alte Vorurteile verfallen und den öffentlichen Dienst als etwas darstellen, auf das man herabblicken kann.

Ich erinnere an eine Äußerung des Oppositionsführers aus dem letzten Wahlkampf, als er mal eben mit einem Handstreich sagte:

„Wenn wir drankommen, werden wir 20 000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen.“

Das suggeriert, daß 20 000 Leute überflüssig sind und den Umgang von schwierigen Bürgerinnen und Bürgern mit der Verwaltung dann, wenn es zu Konflikten kommt, noch ein bißchen schwieriger macht. Auch da sind wir gefragt aufzupassen, daß wir keinen falschen Zungenschlag hereinbringen.

(Beifall bei der SPD)

Es kann nie absolute Sicherheit geben, aber wir müssen darauf achten, daß wir schon im Vorfeld verbale Gewalt ächten, eigene Äußerungen besser reflektieren. Wir müssen, wenn es zu gewalttätigen Übergriffen mit körperlichen

(Heino Vahldieck CDU)

oder seelischen Schäden gekommen ist, uns auch Gedanken darüber machen, wie die Opfer solcher Gewalt finanziell abgesichert werden können. Auch da ist noch etwas offen.

Wir sollten uns also nicht damit begnügen, die nackten Zahlen zu begucken, sondern in diesem Zusammenhang die Ursachen für die zunehmende Gewalt untersuchen und gemeinsam überlegen – da möchte ich Ihren Vorschlag, Herr Vahldieck, aufgreifen –, wie gegen jegliche Form von Gewalt vorgegangen werden kann.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Franken.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Innenpolitiker stellt eine Große Anfrage. Er stellt die Frage nach der Art und Weise der Übergriffe gegen Behördenmitarbeiter, nach dem Umgang mit den Opfern und den Tätern sowie nach Sicherheitsvorkehrungen. Der Senat antwortet ordnungsgemäß. Er zählt die Vorfälle auf, nennt die Anzahl der Strafverfahren, informiert über alle Maßnahmen in Hinblick auf psychische Betreuung und Schulung der Mitarbeiter, und er führt die Sicherheitsmaßnahmen auf. Dem Senat sind, wie Herr Vahldieck es nennt, die Brennpunkte bekannt. Er nennt sie in der Antwort auf die Anfrage.

Wir erfahren sehr viel über die Maßnahmen des Senats. Ich habe der Antwort entnommen, daß er sehr angemessen auf die jeweilige Situation mit unterschiedlichen Angeboten reagiert. Das ist gut.

Herr Vahldieck, ich teile nicht Ihre Auffassung, daß eine zentrale Erfassung alles besser macht. Die Situationen in den unterschiedlichen Bereichen lassen sich nicht miteinander vergleichen. In jedem Bereich der Verwaltung muß vor Ort reagiert werden. Es kann keine einheitlichen Konzepte geben, sondern es müssen vor Ort Lösungen gefunden werden.

Herr Vahldieck, ich teile auch nicht Ihre Botschaft, die Sie hier herübergebracht haben, daß es in Hamburg eine steigende Gewaltbereitschaft gibt, die eventuell in einem Zusammenhang mit dem Klima in dieser Stadt steht. In Ihrer Frage 5 kommt das zum Ausdruck, auch wenn Sie hier ein bißchen erstaunt gucken. Ich möchte Ihre Vermutung zurückweisen, in Hamburg herrscht kein schlechtes soziales Klima. Sie sollten das in Ihren Anfragen nicht immer wieder anführen.

Die Menschen in Hamburg sind nicht gewaltbereiter, sondern wir haben in Bereichen, die von Menschen mit einem hohen Beratungsbedarf aufgesucht werden, aus verschiedenen Gründen eine angespannte Situation. Rotgrün hat sich dieser Situation gestellt. Es ist wichtig, einen Blick über den Tellerrand der Innenpolitik zu werfen. Dafür steht für mich zum Beispiel der Antrag zum Thema „Kundenfreundlichkeit und Sicherheit in den Sozialämtern“, das Sozialamt war hier vom Senat als ein sogenannter Brennpunkt genannt worden.

Wir setzen nicht nur auf Täterverfolgung und Opferhilfe, sondern wir wollen kundenfreundlichere Rahmenbedingungen schaffen, die helfen können, Konflikte zu vermeiden. Herr Vahldieck, wir haben uns mit den Mitarbeitern der Sozialämter unterhalten, und dieses Anliegen war den Mitarbeitern besonders wichtig. Das nehmen wir ernst.

(Dr. Roland Salchow CDU: Schön!)

Es wird mit den Mitarbeitern unter Einbeziehung der Polizei ein Prioritätenkatalog mit vordringlichen Sicherheitsvorkehrungen erarbeitet und umgesetzt. Aber, Herr Vahldieck, die Mitarbeiter haben uns deutlich gemacht, daß sie auf keinen Fall in einem Hochsicherheitstrakt arbeiten wollen, sondern für eine gute Beratung die Möglichkeit gegeben sein muß, ein Vertrauensverhältnis zu den Menschen aufbauen zu können. Wir setzen deshalb nicht nur auf Gefährdungs- und Risikoanalysen, sondern auch auf Bestandsaufnahmen hinsichtlich der Belastungssituation der Mitarbeiter, um auch deren Arbeitssituation zu verbessern.

Gleichzeitig wollen wir aber auch im Interesse der Hilfesuchenden die Kompetenz der Mitarbeiter durch Schulungen stärken, die Hilfegewährung vereinfachen, die Qualität der Beratung erhöhen, die Verständlichkeit der Bescheide verbessern, die Wartezeiten verkürzen und auch die Raumsituation verbessern. Diese Aspekte, Herr Vahldieck, sind in Ihrer Anfrage ein bißchen zu kurz gekommen. Vielleicht setzen Sie sich das nächste Mal mit Kollegen aus anderen Politikbereichen zusammen. Das würde der nächsten Anfrage Ihrerseits gut tun. – Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Sudmann.

Der lahme Applaus zeigt, daß das auch nicht der richtige Umgang war zu sagen, die Anfrage war zu schlecht.

(Beifall bei der CDU)

Aber es gibt schon die Punkte, bei denen wir übereinstimmen.

Niemand in diesem Hause findet es gut, daß die Gewaltbereitschaft steigt. Nur, Frau Franken liegt mit ihrer Analyse falsch. Die CDU würde richtig liegen, wenn sie es ernst meinen und sagen würde, daß die Gewaltbereitschaft natürlich auch etwas mit dem sozialen Klima in dieser Stadt zu tun hat. Gerade die Menschen, die ins Sozialamt kommen, suchen um eine Hilfe nach, die ihr tägliches Leben betrifft. Die befinden sich natürlich in einer ganz anderen Situation, wenn ihnen die Sachbearbeiter sagen, sie könnten nichts für sie tun. Da stellt sich erst einmal die Frage, wie man das sagt.

Ursachenforschung, Herr Schäfer, ja, aber auf beiden Seiten. Ich muß bei den Leuten, die Sie immer Kundinnen nennen, sehen, was dazu beiträgt, daß die Verzweiflung und die Enttäuschung größer wird. Das gilt auch für die Beschäftigten. Da hat der rotgrüne Senat einen Großteil Verantwortung zu tragen.

Die Konsolidierung, die seit Jahren im öffentlichen Dienst läuft, trifft besonders hart die Dienststellen, die täglich mit Publikum zu tun haben, beispielsweise im Sozialamt und im Einwohnermeldeamt. Dort besteht die größte Arbeitsdichte, und dort gibt es am ehesten Probleme. Insofern muß es Ursachenforschung auf beiden Seiten geben.

(Beifall bei Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)