Protocol of the Session on January 24, 2001

Es geht nicht nur einfach darum, freiwillig von einem Beruf in den anderen zu wechseln, sondern darum, den Frauen, die sich oft in Abhängigkeit und Gewaltverhältnissen zu ihrem Zuhälter oder ihrem Bordellbetreiber befinden, die drogenabhängig sind, Alkohol konsumieren und nicht zuletzt große finanzielle und wirtschaftliche Probleme haben, eine Perspektive in einem „normalen“ Beruf anzubieten. Das geht nicht von heute auf morgen.

Das zeigt das angesprochene Projekt Textilwerkstatt. Hier sind im Vorfeld eine Reihe von stabilisierenden Maßnahmen notwendig, um ein Vertrauensverhältnis zwischen den ratsuchenden Frauen und den Beraterinnen aufzubauen. Das bedeutet, daß die dort beratenden Frauen genau die Szene und das Umfeld in Hamburg kennen müssen. Sie müssen sich das Vertrauen aber zum Teil in Gesprächen mit den Prostituierten hart erarbeiten. Um die Frauen auf diesem Weg sensibel zu begleiten, müssen sie sehr nahe

(Karen Koop CDU)

dran sein. Deswegen ist die Textilwerkstatt ein gutes Projekt, das dringend ausgebaut werden muß und auch den kaufmännischen Bereich sensibilisieren kann.

(Karen Koop CDU: Sie sichern Arbeitsplätze!)

Wir haben nach wie vor das Problem, daß sich Prostituierte derzeit nicht sozial versichern können. Das ist auch das Problem dieser Projekte, denn da sich diese Frauen nicht normal versichern können, fehlt ihnen in aller Regel auch die Zugangsvoraussetzung für Fördermaßnahmen nach dem SGB III. Es gibt eine Ausnahme, die Frau Ernst auch schon angesprochen hat.

Hier genau sind wir gefordert, die gesetzliche Änderung durch die Bundesregierung auf den Weg zu bringen, um in Zukunft sicherzustellen, daß sich die Frauen sozial versichern können. Dann ist der Spagat des Ausstiegs oder die Inanspruchnahme einer normalen Förderung nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen des SGB III auch sehr viel einfacher, auch die Projekte haben es leichter. Ich möchte deutlich machen, was das heißt.

Wenn die Frauen aussteigen wollen, bleibt ihnen in aller Regel nur der Gang zum Sozialamt. Das ist in ihren Augen für sie natürlich ein deutlicher finanzieller und ein Prestigeverlust. Deswegen überlegen sie sich das ganz genau.

Wenn sie zum Beispiel bei der Textilwerkstatt ankommen, dann gibt es nach Paragraph 19 BSHG in Hamburg nur die mögliche Förderung der HAB-Arbeitsstellen. Diese Art der Finanzierung ist ein Problem, weil die benötigten Overheadkosten – Ausstattung, Sachkosten, Miete – nicht abgedeckt sind.

Für diese Ausstiegsprojekte ist es um so wichtiger, eine Finanzierung nach den ABM-Vorschriften zu ermöglichen. Hier gibt es eine Ausnahmeregelung, mit der auch die sogenannten Overheadkosten im Projekt mit abgedeckt werden. Das ist sehr wichtig, weil die Projekte das dafür erforderliche Geld in Eigeninitiative nicht erwirtschaften können.

Wir haben auch leider noch das Problem, daß es zwar die Ausnahmeregelung gibt, aber sie gilt noch nicht für alle Hamburger Bezirke. Darüber werden zur Zeit Gespräche geführt – wir müsen auch noch mit Frau Senatorin Roth sprechen –, weil nämlich die aussteigewilligen Frauen aus allen Hamburger Bezirken kommen und alle Bezirke und die örtlichen Arbeitsämter zustimmen müssen, um diese Ausnahmeregelung für eine Finanzierung nach ABM zu bewilligen.

Das zeigt deutlich, daß die Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, eine Reihe von Hürden zu überwinden haben. Ich wünsche mir – da sind die Grünen und ist die SPD in Berlin gefordert –, daß wir genau das durch die Gesetzesänderung erreichen.

Im übrigen, Frau Koop – das haben Sie vorhin erwähnt –, gibt es eine Umfrage zum Urteil über das „Café Psst“. Die Mehrheit der Bevölkerung hat einen Sinneswandel

(Karen Koop CDU: 68 Prozent!)

bei der Beurteilung der Prostitution vollzogen. Von daher sind wir auf dem richtigen Weg. Ich hatte Sie so verstanden, daß Sie diese Zahlen anders interpretiert haben.

(Karen Koop CDU: Nein, nein; ich habe gesagt, daß ein Sinneswandel stattgefunden hat!)

Dann habe ich Sie falsch verstanden.

Ich möchte noch auf eines hinweisen. Die Textilwerkstatt ist unterstützenswert. Aber es gibt noch eine Reihe anderer Projekte in der Stadt. Bei der KOOFRA ist die Finanzierung nach wie vor noch nicht abschließend geklärt. Diese Koordinierungsstelle betreut Frauen, die sich zwangsprostituieren und die Opfer von Frauenhandel sind. Mit den Projekten „Amnesty for Women“, das „Café Sperrgebiet“ und anderen gibt es eine ganze Reihe von engagierten Beratungseinrichtungen, die niedrigschwellig arbeiten, die ganz nahe dran sind an den Frauen und sie zum Teil an die Textilwerkstatt verweisen. Ohne diese wichtigen Projekte können wir in der Stadt den Tatbestand der Prostitution nicht verbessern oder lösen.

Wir haben hier überhaupt nicht den Punkt zu den Migrantinnen besprochen. Es gibt in Hamburg eine Vielzahl von Frauen aus Osteuropa mit illegalem Aufenthaltstatus, die mit der Prostitution ihren Lebensunterhalt verdienen, drogenabhängig sind und sich in vielfachen Abhängigkeitsverhältnissen befinden. Diesen Frauen haben wir bislang keine Lösungen angeboten, sie können auch nicht die Textilwerkstatt in Anspruch nehmen.

Wir müssen uns darüber klar sein: Wenn wir den Schlepperbanden und den Zuhälterringen wirklich auf die Spur kommen und ihnen effektiv das Handwerk legen wollen, dann müssen wir für diese Frauen auch etwas tun. Das geht nur darüber, daß man ihnen vielleicht für eine befristete Zeit einen Aufenthaltsstatus gibt und ihnen dann die Möglichkeit bietet, eventuell – um mit TAMPEP zu sprechen – als Sexworkerin in der Prostitution zu arbeiten. Alles andere wäre eine Schönrederei der Situation in Hamburg. Das heißt, daß wir Ausstiegsprojekten zustimmen, aber die Verelendungsprostitution auf der anderen Seite gerade auch bei Migrantinnen nicht aus den Augen lassen. Wir dürfen uns nicht herummogeln, sondern wir müssen auch hier eine Lösung anbieten.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Koppke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die ausführliche, inhaltliche Debatte zu diesem Thema ist noch nicht so lange her, nämlich ein halbes Jahr. Auch jetzt sind wieder viele Argumente genannt worden. Insofern mache ich es nur ganz kurz.

Was zum Thema Prostitution realisiert werden soll, ist – da das Bundesgesetz auch noch nicht verabschiedet wurde – nach wie vor folgendes: Es geht um die Abschaffung der rechtlichen Diskriminierung, die Abschaffung der Probleme, daß Prostituierte Steuern zahlen, aber vom Sozialsystem ausgeschlossen sind, daß sie keine regulären Arbeitsverträge schließen können und daß ihnen der Klageweg versperrt ist. Außerdem geht es natürlich um die Bekämpfung der Illegalität gerade von Nicht-EU-Bürgerinnen.

Natürlich gibt es – auch wenn das Bundesgesetz umgesetzt werden sollte – außerdem Probleme, die sich nicht ändern werden und die sich möglicherweise durch das Gesetz noch verschärfen könnten. Das ist zum einen, daß – wie es das Gesetz vorsieht – die Abschaffung der Strafbarkeit der Förderung der Prostitution eventuell die Möglichkeit vermindert, Zuhältern das Handwerk zu legen. Dieser kritische Punkt muß noch genauer angesehen werden.

(Heide Simon GAL)

Zum zweiten: Frau Koop, wenn die Prostitution zukünftig als Beruf anerkannt wird, dann würde dadurch in keiner Weise das gesellschaftliche Phänomen abgeschafft oder überwunden sein, Frauen vielfach als Ware zu betrachten. Aber gerade weil das so ist, daß wir diesen Sachverhalt nicht so schnell überwunden haben oder überwinden werden, ist es notwendig, den Schutz und die Rechte der Prostituierten zu verbessern.

Gegen den Antrag der SPD-Fraktion, den Ausstieg aus der Prostitution zu unterstützen, ihnen vermehrt Hilfen und Beratung zu bieten, kann man nichts haben. Wir sind dafür, wir finden den Antrag gut.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Britta Ernst SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Antrag 16/5433 abstimmen. Wer möchte demselben seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag einstimmig so beschlossen.

Wer stimmt nunmehr einer nachträglichen Überweisung der Drucksache an den federführenden Gleichstellungsausschuß und mitberatend an den Sozialausschuß zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieses ebenfalls einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 48: Drucksache 16/5432: Antrag der Gruppe REGENBOGEN zur Entwicklung eines Hilfekonzeptes für Glücksspielsüchtige.

[Antrag der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Entwicklung eines Hilfekonzeptes für Glücksspielsüchtige – Drucksache 16/5432 –]

Die CDU-Fraktion beantragt eine Überweisung des Antrages an den Gesundheitsausschuß. Wird das Wort begehrt? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Jobs bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 8000 Menschen in Hamburg gelten derzeit als glücksspielsüchtig. Diese Erscheinungsform der Sucht ist nicht neu. Wir kennen sie aus den Kasinos, und auf den Pferderennbahnen gibt es sie schon, seitdem es diese Einrichtungen gibt.

Seit den achtziger Jahren verändert sich aber das Bild. Die früher relativ einfachen Daddelautomaten werden permanent aufgerüstet, Spielhallen an allen Straßenecken eröffnet und somit das Suchtmittel Glücksspiel vielen Menschen zugänglich gemacht. Die Glücksspielsucht ist eine der teuersten Süchte für die Menschen, die davon abhängig geworden sind.

Innerhalb kurzer Zeit werden die Einsätze – und damit die Verluste – der Spielenden immer größer, und entsprechend gravierender werden auch die Auswirkungen auf ihr Umfeld, aber vor allen Dingen auf ihre Familien.

Bundesweit betrugen im Jahre 1999 die Umsätze auf dem Glücksspielmarkt knapp 50 Milliarden DM. Diese enormen Summen werden im wesentlichen von süchtigen Spielerinnen und Spielern und deren Familien aufgebracht. In Hamburg betrugen die Verluste 1997 allein in den Spielhallen und den Gaststätten, also ohne die Spielbanken, 144 Millionen DM. Bei dieser Summe muß man sich einmal vergegenwärtigen, wie hoch die dahinterstehende Not

vieler Menschen ist, wenn sie die Summe aufbringen müssen.

Das Netz von Daddelhallen und ähnlichen Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich über die ganze Stadt verbreitet und eine immer größer werdende Anzahl von Menschen in ihren Bann gezogen. Das ist eine Entwicklung, von der wir meinen – nicht nur wir –, daß sie außerordentlich besorgniserregend sein muß.

Diese Entwicklung ist allerdings kaum auf Widerstand gestoßen, denn in dem gleichen Maße, wie sie vielen Menschen Schaden zufügt, stellt sie eine bedeutende Einnahmequelle für die öffentliche Hand dar.

Allein 104 Millionen DM flossen 1999 aus der Spielbank in die Hamburger Staatskasse. Das ist aus unserer Sicht ein nicht unwichtiger Grund, warum die Politik die Spielsucht als Problem immer noch nicht ausreichend wahrnimmt. Diese Einnahmen werden auch in den kommenden Jahren wieder veranschlagt. Sie und damit die Sucht dieser Menschen werden fest eingeplant.

Dagegen wird für Hilfsangebote für Menschen, die in eine derartige Abhängigkeit gerutscht sind, gar nichts veranschlagt. Unser Vorstoß im Rahmen der Haushaltsberatungen, wenigstens einmal ein Modellprojekt zu installieren, wurde abgelehnt. Hamburg möchte lieber weiter die Augen verschließen und die Hand aufhalten. Wenn man auf der einen Seite derartig von der Abhängigkeit vieler Menschen profitiert, ihnen aber andererseits überhaupt keine speziellen Hilfen anbietet, ihre Sucht zu überwinden, dann finde ich das, meine Damen und Herren, zutiefst unanständig.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Dabei hilft ein Blick über die Ländergrenzen hinweg, um vorbildliche Beispiele sehen zu können. Schleswig-Holstein hat beispielsweise ein Hilfskonzept „Glücksspielsucht“ entwickelt. Berlin finanziert eine Beratungsstelle, und Nordrhein-Westfalen stellt zwischenzeitlich eine knappe halbe Million in den Haushalt ein, um diesem Problem auf Landesebene zu begegnen. Nur in Hamburg passiert bisher nichts, und zwar mit dem lapidaren Hinweis, den wir im Haushaltsausschuß zu hören bekommen haben, daß spielsüchtige Menschen oft auch Alkoholprobleme haben und ihnen auf diesem Wege Hilfsangebote gemacht werden. Ich finde, daß das den Problemen der Menschen und ihrer Angehörigen überhaupt nicht gerecht wird. Wir finden, daß in Hamburg an dieser Stelle noch viel mehr passieren muß, so sollte beispielsweise ein Hilfekonzept entwickelt werden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Wir wollen, daß dieses Konzept auf zwei Säulen ruht. Wir wollen zum einen, daß es tatsächliche Angebote in Beratungsstellen für Menschen gibt, an die sie sich wenden können und wo Ihnen geholfen wird, ihre Sucht zu überwinden und einen Weg aus ihr herauszufinden. Diese Einrichtungen für spielsüchtige Menschen müssen in das bestehende Hilfesystem integriert werden.

Zum anderen wollen wir, daß beim Verursacherprinzip angesetzt wird, indem die Betreiberinnen und Betreiber von Spielbanken und Spielhallen zur Teilnahme an der Entwicklung eines Schutzkonzeptes gegen Suchtgefahren verpflichtet werden und daß sie sich an den Kosten der Beratung und Behandlung der süchtigen Menschen zu beteiligen haben.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)