Protocol of the Session on January 24, 2001

Die Bundesregierung hat die Weichen richtig gestellt. Ich denke, daß der Hamburger Verbraucher künftig beim Nahrungsmittelkauf sehr viel kritischer sein und genauer auf Qualität achten wird; das ist gut so. Daher denke ich, daß Bio-Fleisch eine gute Chance für die Hamburger landwirtschaftlichen Betriebe ist. Sie haben genau die Größe für solche Betriebe, und ich bin sicher, daß unsere Landwirtschaft diese Chance auch nutzen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Wersich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren von der SPD! Immer wenn Ihnen nichts Besseres einfällt, kommt der Vorwurf des Wahlkampfes. Nicht daß Wahlkampf etwas Unanständiges wäre, aber ehrlich gesagt, ist das Argument schwach.

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das kommt darauf an!)

Das zweite ist Ihre Überheblichkeit gegenüber Bayern als Agrarland. Das ist ebenso völlig unangebracht; es ist pharisäerhaft als Stadtstaat. Es ist das gleiche wie bei der Ignoranz der EU gegenüber Großbritannien, die gesagt hat: Ihr habt BSE, wir ja nicht. Ich warne davor, diese Denkweise gegenüber Bayern fortzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Ich nenne noch einen dritten Punkt. Die Fehler der Vergangenheit, auch die Fehler, die die CDU verantwortlich in Bund und Ländern gemacht hat,

(Zurufe von der SPD: Genau!)

können nicht als Entschuldigung für Fehler von heute dienen. Im Gegenteil, aus Fehlern lernt man, und man muß es heute besser machen.

(Beifall bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund habe ich die Erwartung, daß Frau Roth ihr Handeln darlegt. Ich stelle jetzt die Fragen, die Sie vorhin nicht zugelassen haben, Frau Roth. Als Sie mit den Ergebnissen der Wurstproben vor die Presse getreten sind, hatten Sie die entsprechenden Bezirksämter informiert?

Zweitens: Hatten Sie mit den zuständigen Bezirksämtern die Konsequenzen abgesprochen? Wußten die, was jetzt zu tun ist?

Drittens: Stimmt es, daß trotz Ihrer Aussage vor der Presse, es handele sich offenbar um 16 betrügerische Fälle, 14 Tage später nur ein Sammelfall bei der Staatsanwaltschaft liegt? Das ist doch Ihr Handeln, das ist Behördenhandeln, und das müssen Sie sicherstellen und keine markigen Worte in der Öffentlichkeit finden.

(Beifall bei der CDU)

Insofern ist die SPD in dieser Aktuellen Stunde die Antwort schuldig geblieben, wodurch Hamburg dem Verbraucherschutz Vorrang gibt oder geben will. Es ist eine reine Behauptung.

(Beifall bei der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zum Begriff der Selbstgefälligkeit finde ich, daß der selbstgefällig ist, der in dieser Debatte sagt, er habe die Lösung für die Probleme gefunden und wüßte genau, wo es lang geht.

(Beifall bei der GAL und SPD)

Das hat hier niemand getan. Das hat auch die Senatorin nicht getan. Das, was sich hinsichtlich der Tests zeigt, macht es uns noch einmal deutlich: Es gibt inzwischen fünf oder sechs entwickelte Schnelltests, und man stellt fest, der eine ist nicht so sicher wie der andere. Es gibt zwei Chemiefirmen – allseits „beliebte“ Chemiefirmen, um noch mal in die kürzere Geschichte zurückzublicken –, die inzwischen sagen, man könne die Tests sogar am lebenden Rind machen. Dafür gibt es bisher noch nicht den Beweis. Niemand hat bisher eine Lösung, die uns aus dieser agrarindustriellen Krise heraus hilft. Das ist schlicht und einfach die Situation.

Was aber wirklich gefährlich ist, und wovon ich dringend abraten möchte, ist, hier zu sagen, es müsse nur der Katalog aus dem CDU-Zusatzantrag, der eben schon vorgelesen wurde, abgehakt werden, bessere Kontrolle hier, besseres Zumischen dort, und dann werde schon alles seinen Gang gehen, und wir essen weiterhin Fleisch wie gewohnt, genau das darf nicht mehr passieren.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir brauchen keine Reparatur an den Symptomen, sondern einen strukturellen Wechsel in der Fleischproduktion. Das hat auch sehr viel mit Ethik und Moral zu tun; diesbezüglich kommt aber von der rechten Seite – von mir aus gesehen – gar nichts. Ich dachte immer, daß das schon noch eine Grundidee von Ihnen sei.

(Beifall bei der GAL und SPD)

Es hat aber auch sehr viel damit zu tun, daß wir bei den Nahrungsmitteln inzwischen die Massenproduktion gewohnt sind. So, wie es zu verunreinigten Nudeln kommen kann, kann es auch – in Anführungsstrichen – zu „verunreinigten tierischen Produkten“ kommen, zu kranken Tieren. Hier ist ein Struktur- und Systemwandel in der Landwirtschaft notwendig. Herr Dose hat das für Hamburg schon sehr klar beschrieben. Hamburg ist im Grunde in einer sehr glücklichen Situation. Wir haben hier keine Agrarfabriken, keine Ställe mit Tausenden von Tieren.

(Dietrich Wersich CDU: Warum denn?)

Das ist eine andere Debatte, die können wir auch mal führen, warum wir die hier nicht haben. Zum Glück haben wir sie nicht.

Wir haben zum großen Teil Betriebe,

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist eine Frechheit!)

die konventionell Fleisch produzieren und daher auch die Chance haben, einen Strukturwandel durch eine Verschiebung von Fördermitteln mitmachen zu können, der ihnen die Existenz sichert und das Fleisch sicherer macht. Hundertprozentige Sicherheit wird es bei den Nahrungsmitteln nie mehr geben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Jürs.

Ich möchte nur zu Herrn Zamory sagen, daß ich hier nicht mit Entsetzen Scherz treibe, bei Gott nicht. Ich weiß nur nicht, was ich von Ihren ständigen polemischen Angriffen auf meine Person halten soll. Sie selbst sind Mediziner, Sie wissen, was Schweigepflicht heißt. Ich gebe Ihnen aber einen Tip. Machen Sie Ihre Hausaufgaben selbst. Gehen Sie ins Bezirksamt Eimsbüttel und fragen dort nach. Zum Datum 3. April 1998 kriegen Sie dort schwarz auf weiß, wie viele Fälle es waren und wie alt die Personen waren.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe keine weiteren Wortmeldungen zu den ersten beiden Themen der Aktuellen Stunde.

Ich rufe dann das dritte, von der GAL-Fraktion angemeldete Thema auf:

Die Stadtstaaten im Föderalismus

Das Wort hat Frau Hajduk.

(Dietrich Wersich CDU)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Die Stadtstaaten im Föderalismus“ ist erst der Anfang eines Titels, man könnte ihn noch ergänzen: „... die scheinen es schwer zu haben.“ Sie scheinen es schwer zu haben, wenn es in der aktuellen Debatte nach den sogenannten Reformern geht. Reformer nennen sich im Moment die anderen Geberländer außer Hamburg.

Wenn es den Stadtstaaten im Föderalismus schwergemacht werden soll, dann ist das schon ein Zeichen und ein Indiz dafür, daß die Reformer eigentlich reformunfähig sind.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Erster Bürger- meister Ortwin Runde: Ja!)

Ich möchte das erklären. Die Änderungsvorschläge der Reformer kritisieren so heftig an der Stadtstaatenwertung, daß es tatsächlich ein Angriff auf die Existenz der Stadtstaaten ist. Sie selbst haben jetzt aktuell mitbekommen, daß durch diverse Gutachten finanzielle zusätzliche Belastungen, für Hamburg beispielsweise von über 1 Milliarde DM, weiter im Gespräch sind. 1 Milliarde DM zusätzlich zu der, die wir im letzten Jahr gezahlt haben, ist ein Angriff auf die finanzielle Existenz Hamburgs.

(Unruhe im Hause)

Frau Hajduk, ich möchte Ihnen etwas mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Seien Sie doch bitte etwas ruhiger hier im Saal. Die Gespräche, die am Rande geführt werden, sollten bitte draußen stattfinden. Sie haben das Wort.

Danke. Vielleicht ist aber die Tatsache, daß es überhaupt Angriffe der Länder untereinander gibt, auch ein Zeichen dafür, wo man landet, wenn man Föderalismus mit der falschen Begründung von sogenannter Gerechtigkeit oder mit Neid diskutiert. Die Neiddebatte ist leider immer aufgezogen worden.

Jedes Land verteidigt sich, es sei doch ungerecht, daß sich von den eigenen Geldern andere Länder schöne Dinge kaufen. Wer im Moment mit Parteifreunden in Baden-Württemberg spricht, dem kann nur schlecht werden, auf welche populistische Weise dort dieses Thema breitgeschlagen wird, und das Geberland Baden-Württemberg hat leider im Unterschied zum Geberland Hamburg einen ganz miesen Beitrag geleistet.