Protocol of the Session on December 11, 2000

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Das ist der CDU ja völlig fremd!)

Wir haben vor zwei Wochen zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses „Filz“ diskutiert. Der Ausschuß sollte Unregelmäßigkeiten in der Arbeits- und Sozial

behörde aufdecken. Das hat er auch getan. Ich erinnere mich gut an die Debatte, als zunächst Herr Hackbusch und dann auch ich die Frage stellten, warum es den Sozialdemokraten bei diesen so eindeutigen Dingen, die der Ausschuß festgestellt hat, dieser Parteibuchwirtschaft, die der Ausschuß festgestellt hat, eigentlich nicht gelingt, offensichtliche Mängel und Fehler zuzugeben. Das ist eine Frage, die Herr Hackbusch und ich gestellt haben.

(Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Es könnte geradezu ein Kunstfehler der SPD sein, denn es ist doch erheblich einfacher, offensichtliche Fehler zuzugeben als sie zu leugnen. Das ist doch eine Binsenweisheit, daß es so ist. Ich frage mich, warum haben Sie das nicht getan?

Meine Damen und Herren! Ich glaube, nach einigem Nachdenken liegt die Antwort auf der Hand. Ihnen ist die Filzdebatte so peinlich und Sie haben solche Sorge davor, daß über die Arbeits- und Sozialbehörde hinaus noch weitere Filzfälle herauskommen, daß Sie Angst vor einer weiteren Debatte haben und darum den Deckel draufsetzen wollen. Das werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der CDU)

Was ist festgestellt worden in diesem Ausschuß? Festgestellt worden ist unter anderem zunächst einmal, daß die Arbeits- und Sozialbehörde eine Art Dynastie des SPDKreisverbandes Hamburg-Nord ist, eine Dynastie im klassischen Sinne.

(Günter Frank SPD: Auf welcher Seite steht denn das?)

Es begann bei Ernst Weiß, Mitglied des Kreisvorstandes Nord, Jan Ehlers, Mitglied des Kreisvorstandes Nord, Bürgermeister Runde, Sozialsenator, zehn Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Nord, Frau Fischer-Menzel, Nachfolgerin von Herrn Runde, 15 Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Nord, Staatsrätin Simon, sieben Jahre Mitglied des Kreisvorstandes, Amtsleiter Uwe Riez, 13 Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Nord, Herr Allemeyer, stellvertretender Amtsleiter, drei Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Nord. Der Kreisvorstand Nord, meine Damen und Herren, scheint eine Art Garantieschein für Karriere in der Arbeits- und Sozialbehörde gewesen zu sein.

(Beifall bei der CDU)

Wer aber glaubt, diese Goldgräberstimmung im Kreisvorstand Nord der Hamburger Sozialdemokraten beziehe sich nur auf die Arbeits- und Sozialbehörde, der wird enttäuscht sein, meine Damen und Herren. Gucken wir uns weitere interessante Namen an, die deutlich machen, wie nur ein Kreisverband dieser Partei stellvertretend für alle wie ein Filzkrake auf den Hamburger Behörden und der öffentlichen Verwaltung sitzt. Zum Beispiel, wer ist Ortsamtsleiter im Ortsbereich Barmbek-Uhlenhorst? – Hans-Werner Nebel – Klammer auf SPD Klammer zu –, vier Jahre Kreisvorstand Nord.

(Manfred Mahr GAL: Kommen Sie doch mal zur Sa- che!)

Wer ist Leiter des Einwohner-Zentralamtes? – Ralph Bornhöft – Klammer auf SPD Klammer zu –, 16 Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Nord.Wer ist Geschäftsführer der Anstalt des öffentlichen Rechtes für Hamburger Friedhöfe? – Wolfgang Pages – Klammer auf SPD Klammer zu –, 13 Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Hamburg-Nord.Wer ist

Vorstandssprecher des Landesbetriebes Krankenhäuser? – Heinz Lohmann – Klammer auf SPD Klammer zu –, elf Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Hamburg-Nord.Wer ist Geschäftsführer der Hamburger Arbeit? – Detlef Scheele – Klammer auf SPD Klammer zu –, 16 Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Hamburg-Nord. Wer ist Polizeipräsident, meine Damen und Herren? – Justus Woydt – Klammer auf SPD Klammer zu –, neun Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Hamburg-Nord. Wer ist Vorstandsvorsitzender Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft? – Peter Dietrich, drei Jahre Mitglied des Kreisvorstandes Nord. Sein Vorgänger, Helmut Kern, hat es sogar auf elf Jahre im Kreisvorstand Nord gebracht. Das ist Filz in Reinkultur, meine Damen und Herren. Namen nach Namen, alle Mitglieder des Kreisvorstandes.

(Beifall bei der CDU – Günter Frank SPD: Ole von Beust, 20 Jahre im Kreisvorstand Wandsbek!)

Darum sage ich Ihnen, das ist nun exemplarisch ein Kreisverband, dessen Vorstandsmitglieder alle mustergültige Karriere gemacht haben. Darüber hinaus hat man sich natürlich auch gut und freundlich um ehemalige Abgeordnete der SPD gekümmert, zum Beispiel Michael Sachs – Klammer auf SPD Klammer zu –, Geschäftsführer der GWG, Ulrich Hartmann – Klammer auf SPD Klammer zu –, ehemaliger Fraktionsvorsitzender, Geschäftsführer der Hamburger Gaswerke, Paul Busse – Klammer auf SPD Klammer zu –,

(Ingrid Cords SPD: Karl-Heinz Ehlers, Geschäfts- führer!)

Geschäftsführer der Hamburg Messe und Congress GmbH, Günter Elste – Klammer auf SPD Klammer zu –, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn, Wolfgang Werner – Klammer auf SPD Klammer zu –, mehrfacher Bürgerschaftskandidat der SPD, kaufmännischer Geschäftsführer der Hamburger Stadtentwässerung, Anstalt des öffentlichen Rechtes, Bodo Schümann – Klammer auf SPD Klammer zu –, Geschäftsführer der Elbe-Werkstätten

(Erhard Pumm SPD: Und der Erste Bürgermeister in der SPD!)

und natürlich auch der Geschäftsführer der Nord-West Lotto und Toto Hamburg, Herr Heering – Klammer auf SPD Klammer zu – und der Chef der Hamburgischen Landesbank – Klammer auf SPD Klammer zu –. Wieder Filz in Reinkultur, meine Damen und Herren. Namen nach Namen.

(Beifall bei der CDU)

Sie bedienen sich gnadenlos selbst in dieser Stadt. Das ist die Wahrheit. Sie bedienen sich selbst in der öffentlichen Verwaltung, machen auch vor öffentlichen Unternehmen nicht halt, und, Frau Peschel-Gutzeit, auch in der Justiz haben Sie ganze Arbeit geleistet.

Gucken wir uns die Justiz an. Oberlandesgerichtspräsident, zugleich Verfassungsgerichtspräsident – SPD-Mitglied. Amtsgerichtspräsident – SPD-Mitglied. Finanzgerichtspräsident – SPD-Mitglied. Generalstaatsanwältin – SPD-Mitglied. Landgerichtspräsidentin – SPD-Mitglied. Oberverwaltungsgerichtspräsident – SPD-Mitglied. Leiter der allgemeinen Abteilung der Justizbehörde – SPD-Mitglied. Selbst vor der Justiz machen Sie nicht halt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

(Ole von Beust CDU)

Das ist die Wirklichkeit. Sie predigen Wasser und saufen Wein. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Die Zeit, daß die Sozialdemokraten in der Vergangenheit einmal behaupten konnten, sie seien die Schutzmacht der kleinen Leute, meine Damen und Herren, diese Zeit ist vorbei.Sie sind nur noch Schutzmacht Ihrer selbst.Die kleinen Leute haben Sie völlig aus den Augen verloren.

(Beifall bei der CDU)

Gucken wir einmal einige ausgewählte Bereiche an, in denen es Bürgerinnen und Bürgern, Menschen in dieser Stadt nicht gut geht, die Schwierigkeiten haben, die schwach sind, die vielleicht nicht die gleichen Chancen haben wie bestimmte Menschen in anderen Stadtteilen. In welcher Weise kümmern Sie sich um diese Schwachen? Was tun Sie eigentlich für diese kleinen Leute?

Gucken wir uns beispielhaft einmal die Schulpolitik an und betrachten uns diejenigen Schülerinnen und Schüler, die keinen Schulabschluß schaffen, diejenigen, die von zu Hause nicht gefördert werden, diejenigen, die von zu Hause kein Geld haben, um privat zum Beispiel InternetAnschlüsse zu besitzen oder Medien zu nutzen, oder diejenigen, die in Vierteln mit schwierigen Sprachkenntnissen aufwachsen.

Fangen wir bei den Sprachkenntnissen an.Gucken Sie sich einmal eine Grundschulklasse auf der Veddel, in Wilhelmsburg, in Teilen von Billstedt auf der einen Seite oder in Volksdorf, Flottbek und Blankenese auf der anderen Seite an.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Jetzt bin ich aber gespannt!)

Sie werden folgendes feststellen: Sie haben in der Grundschulklasse auf der Veddel vielleicht von 25 Schülern 22 Schüler, die so gut wie kein Deutsch können, und nur drei Schüler, die Deutsch können.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Quatsch!)

Sie haben in Blankenese 25 Schüler und Schülerinnen, die Deutsch können. Was tun Sie, um diesen Schülerinnen und Schülern auf der Veddel, in Wilhelmsburg, in Billstedt, wo mehr russisch als deutsch gesprochen wird, eine Chance zu geben, meine Damen und Herren? Statt diesen Kindern vernünftig Deutsch beizubringen, wollen Sie den muttersprachlichen Unterricht stärken, das heißt, Sie schwächen die Deutschkenntnisse dieser Kinder in diesen Vierteln. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Kinder, Schülerinnen und Schüler, die in diesen Vierteln zur Grundschule gehen, müssen quasi automatisch schon aufgrund der Sprachsituation

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Das ist Unsinn!)

hinterher im Leben viel schlechtere Chancen haben als die Schülerinnen und Schüler in besser situierten Stadtteilen.

Deshalb sage ich noch einmal: Bringen Sie diesen Schülerinnen und Schülern, die noch kein Deutsch können, am besten schon vor der Grundschule, um es einmal deutlich zu sagen, auf Deubel komm raus Deutsch bei, damit sie in der Schule die gleichen Chancen haben, und wegen der unterschiedlichen Sprachkenntnisse in den Schulen nicht so gefördert werden können, wie sie gefördert werden müßten.Bringen Sie diesen Kindern Deutsch bei.Das wäre Chancengerechtigkeit.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir uns vor diesem Hintergrund angucken, wie es mit Kindern bestellt ist, die vielleicht nicht in den Verhältnissen aufwachsen, die wir uns in der Vergangenheit mal als klassische Idealbedingungen ausgemalt haben: Vater, Mutter, zwei Geschwister, einer arbeitet, der andere Elternteil kümmert sich um die Kinder, in der Familie werden nach der Schule die Hausaufgaben gemacht und so weiter, die klassische Familie. Gucken wir uns einmal diejenigen an, die nicht in dieser ursprünglich klassischen Familie aufwachsen.

Wir haben allein in Hamburg in den letzten zehn Jahren eine Zunahme von Alleinerziehenden, meist sind es die Mütter, von 41 Prozent. Was ist eigentlich mit Kindern von Alleinerziehenden, die arbeiten müssen, um die Familie über die Runden zu bringen,

(Günter Frank SPD: Was ist eigentlich mit der Ver- läßlichen Halbtagsgrundschule, die Sie abgelehnt haben?)

oder mit Kindern, wo beide Elternteile, Vater und Mutter, arbeiten müssen, um in schwierigen Zeiten, auch in schwierigen Vierteln, die Kinder über die Runden zu bringen? Wer kümmert sich eigentlich nach 13 oder 14 Uhr um diese Kinder? Wir brauchen für diese Kinder, die sonst keine Chance haben, Ganztagsschulen. Damit brüsten Sie sich, und was Sie geschaffen haben, ist die Tatsache, daß für 4 Prozent der Kinder allgemeinbildender Schulen Ganztagsschulplätze zur Verfügung stehen. Das ist kümmerlich, meine Damen und Herren. Sie lassen diese Kinder im Stich.

(Beifall bei der CDU)