Protocol of the Session on December 11, 2000

Die Sorge des Hauptgeschäftsführers der Handwerkskammer – im „Hamburger Abendblatt“ vom 21. Oktober nachzulesen – war, daß aufgrund von Überalterung der Gesellschaft 7000 bis 8000 Plätze wegen fehlender Fachkräfte nicht zu besetzen sind. Das ist ein strukturelles Problem, und Hamburg hat angefangen, konstruktiv und nicht nur mit der Aufzeichnung des Problems und der Zuweisung, jetzt macht mal etwas, daran zu arbeiten. Green Card auch für das Handwerk ist eine Debatte wert, die ich jetzt aber hier nicht führe.

Innerhalb dieser Gemengelage zwischen New Economy und Handwerk befindet sich das ökonomische Potential der Stadt, und das bedeutet gerade nicht, daß uns eine Mischung aus Biotech, Großprojekten und Internet-Startups eine stabile Zahl von Arbeitsplätzen und Ausbildungsmöglichkeiten bietet, sondern wir müssen eine Mischung aus klein- und mittelständischen Unternehmen, Handwerk, quartiersnahen Projekten jeder Art, angestammter Industrie und Großindustrie in dieser Stadt erhalten.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich wollte auf die Gewerbeflächenpolitik der CDU eingehen, weil ich dachte, das werde vielleicht ein inhaltlicher Schwerpunkt, lasse das aber mal weg, sie greift sowieso viel zu kurz.Wir brauchen ein Gewerbeflächenkataster, flexibel zugeschnitten auf die Nachfrage, das auch in der Lage ist, spezielle Angebote machen zu können, aber nicht mit finanziellen Unterstützungen, wie Sie das wollen, daß man noch eine Prämie dafür bekommt, wenn man ein Gewerbegrundstück verschachert hat; so kann das nicht sein.

Genau wie bei der Vergabe von Grundstücken im Wohnungsbau muß es Ausnahmeregelungen vom Höchstge

(Antje Möller GAL)

botverfahren geben. Das gibt vielleicht eine Debatte in dieser Stadt, aber genau diese Debatte muß man führen. Sie haben gesagt, es werde nur nach fiskalischem Interesse vergeben; das stimmt nicht, das wissen wir alle. Aber wie man am effizientesten Gewerbegebiete und Wohngrundstücke bei der Nachfrage, die wir in der Stadt haben, vergeben kann, bleibt eine Zukunftsaufgabe, und die werden wir weiter angehen. Diese Entwicklung und auch die Tatsache des Arbeitskräftemangels in einigen Bereichen bleibt eine noch nicht gelöste Aufgabe für die nächste Legislaturperiode; immerhin mußten 803 Handwerksbetriebe 1999 in Hamburg schließen.

Am deutlichsten werden die Notwendigkeiten und Zusammenhänge bei der sozialen Stadtteilentwicklung, das Erweitern des wirtschaftspolitischen Ansatzes von der stadtübergreifenden zur quartiersorientierten Förderung, und dies ist ein mühsamer Weg. Er ist sehr kritisch von der Handwerkskammer als auch von der Handelskammer beobachtet worden. Aber ich glaube, jetzt sind alle Institutionen in dieser Stadt, aber auch alle daran beteiligten Behörden auf einem guten Weg.

In diesem Zusammenhang hat sich etwas anderes in eine Richtung entwickelt, das wir uns sehr gewünscht haben, nämlich die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in ihrem Quartier an der Planung, Workshops über die Auswirkungen von Planung und Beteiligung an der Entwicklung von Konzepten. Sie alle haben die Bürgerbeteiligung bei der Messeerweiterung verfolgen dürfen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Die Ergebnisse?)

Die Ergebnisse sind noch nicht abschließend, Heike Sudmann, man wird sie in Gänze bewerten müssen.– Tatsache ist, daß Workshops alle Initiativen und Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort zusammengeführt haben, und das ist das Entscheidende bei der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Bewohnerinnen und Bewohner und auch die Verbände mit in die Planung und Verantwortung einzubinden, macht die Umsetzung von Projekten nicht leichter, ist aber unverzichtbar, wenn man von Politikmüdigkeit wegkommen will. Und wenn man sich die Reaktion der Handelskammer nicht auf die Messeerweiterung, sondern auf die Novellierung des Hamburgischen Naturschutzgesetzes anguckt, weiß man, wo die Fronten liegen. Andererseits weiß man aber auch, wo der Ansatz für die politische Arbeit zu suchen ist. Die Idee, daß Beteiligungsverfahren Projekte verzögern oder unmöglich machen, ist nur aus den Köpfen der Menschen herauszubekommen, wenn man sie in der praktischen Umsetzung widerlegt.

(Beifall bei der GAL)

An dieser Stelle kann man auch über Gesundheitsräume reden. Die Rote Flora war heute gar kein Stichwort, das hatte ich mir extra noch als Stichwort vom letzten Jahr aufgeschrieben,

(Ole von Beust CDU: Kommt im Januar wieder!)

aber darüber können wir vielleicht in den nächsten Tagen immer wieder reden. Die Sauberkeit der Stadt hat auch gefehlt. Zur Sauberkeit der Stadt schreibt im übrigen die „Bild“-Zeitung – ich habe es wieder gelernt –, die GAL hat Angst vor Polizei und will auch überhaupt keine Polizei, aber die SPD hat die GAL zur Sauberkeit in der Stadt gezwungen.

(Heiterkeit bei der GAL und der SPD)

Aber daß man unter dem Stichwort Sauberkeit der Stadt vielleicht einfach nur ein gewisses Selbstverständnis, ein gewisses Verantwortlichkeitsgefühl für sein eigenes Umfeld verstehen sollte, fehlt mir immer noch in der Debatte.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Zum grünen Maßband gehört die Verträglichkeit von Ökonomie und sozialer Gerechtigkeit. Das geht Hand in Hand mit sozialer Stadtteilentwicklung und lokaler Arbeitsmarktpolitik.

Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Transparenz – ich nenne noch einmal all diese Stichworte, das ist nicht populistisch – haben Inhalte. Sie sind ein bißchen schwer griffig, aber wir brauchen sie für Politik in dieser Stadt, sonst glaubt uns keiner mehr.

Gleichstellungspolitik ist auch so ein Wort. Gleichstellungspolitik ist praktisch umgesetzt in der Hamburger Ehe; das Stichwort muß man nicht weiter erklären. Warum entwickelt es sich auf Bundesebene sehr mühsam – da kann man jetzt in eine Richtung gucken –, warum gibt es da kein politisches Voran, obwohl wir in dieser Stadt durchaus mit Unterstützung der CDU schon so weit gekommen sind? Warum gibt es nicht von Hamburg ausgehend einen Impuls in Richtung Bund?

Politische Frauenförderung und politische Frauenprojekte sind geprägt durch die grüne Koalitionsbeteiligung; das soll auch gerne so bleiben. Ich nenne als Beispiel Frauen und neue Informationstechnologien. Die Messe „digitelle“ mit 3000 Teilnehmerinnen war bundesweit die erste Messe dieser Art. So etwas hat Zukunft, so etwas wünschen wir uns vom Senat in dieser Stadt noch mehr.

In diesem Zusammenhang vielleicht auch noch einmal der Verweis auf die Hochschulpolitik. Hochschulen und Forschungseinrichtungen genießen eine besondere Priorität trotz der finanziell schwierigen Zeiten. Die grüne Wissenschaftspolitik ist ein bißchen weniger abstrakt geworden, sie kommt direkt den Studierenden zugute.

(Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das löst da hinten Gelächter aus, aber das kann mir ja nachher noch einmal erklärt werden. – Wenn man mehr Tutoren für bestimmte Studiengänge schafft, wenn man mehr Räume und Arbeitsplätze schafft, kommt das direkt den Studierenden zugute.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Was auch den Studierenden, aber vor allem den Firmen in dieser Stadt zugute kommt, ist natürlich die Tatsache, daß in Hamburg die Studienplätze in Informatik deutlich ausgebaut wurden. Es gibt immer noch Bundesländer, die ihre Zulassungsbeschränkungen nicht aufgehoben beziehungsweise welche eingeführt haben;Hamburg konnte das verhindern. Alle, die sich an der Universität auf einen Studienplatz in Informatik beworben haben, bekommen auch einen; das ist ein Erfolg.

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das ist doch Quatsch!)

Das ist kein Quatsch. Die Zwischenrufe sind manchmal nicht hilfreich.

(Uwe Grund SPD: Und auch nicht so gemeint!)

Die sind nicht so gemeint, okay.

(Antje Möller GAL)

Die schnelle Reaktion der Hochschule zur Erweiterung des Studienangebots im Informatikbereich ist ein Beispiel für eine sich zum Glück noch im Senat erhalten habende Beweglichkeit und Reaktionsfähigkeit auf politische Notwendigkeiten. Das gilt auch für den ökologischen Bereich, um noch einmal eine kleine inhaltliche Kurve in die andere Richtung zu gehen, da die Generaldebatte nicht immer nur eine allgemeine politische Debatte ist, sondern auch durchaus eine allgemeine inhaltliche Debatte.

Der technische Umweltschutz – das war schon zu Beginn der Legislaturperiode so – ist europaweit ein Selbstgänger. Aber die interessanten, fast kleinen ökologischen Probleme, die unsere Stadt beschäftigen, zerstreiten die ländlichen Gemeinden.Ganze Dörfer und Verbände reden nicht mehr miteinander, Nachbarn und Familien sind zerstritten; ich sage das so dramatisch, weil es dramatisch ist. Die Fläche dieser Stadt ist nicht vermehrbar, und deswegen gibt es darum Streit.

Um so mehr muß man begrüßen, daß es nach fast drei Jahren Arbeit endlich gelungen ist, einen Konsens zu erreichen und ein Konzept über Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen in dieser Stadt zu schaffen, der mit Bauernverband, Landwirtschaftskammer, Verbänden, Einzelbauern und Ortsausschüssen abgestimmt ist. Das ist ein Erfolg, der bisher noch nicht in dieser Stadt präsentiert werden konnte.

(Beifall bei der GAL)

Ich gebe allerdings zu, das merkt man auch an der Unruhe

(Dr. Roland Salchow CDU: Welche Unruhe? Wir hängen gebannt an Ihren Lippen!)

eine leichte Unruhe hier im Publikum, Sie sind gebannt –, daß das Naturschutzhaus auf Neuwerk viel sinnlicher ist. Das kann man anfassen, da kann man hineingehen, das ist nicht nur eine Fläche.

(Dr. Roland Salchow CDU: Was für ein Thema!)

Das bekommen wir ja zum Glück, und vielen Dank an den Senat dafür.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Noch viel zukunftsweisender ist die Bewerbung um die IGA 2013. Damit schließe ich wieder den Kreis über die Quartiere, über das Inanspruchnehmen der Wünsche und Projekte, aber auch der Menschen selber in den Quartieren für unsere Politik, um ihr Interesse zu wecken – um sie bei Laune zu halten, ist das falsche Wort –, um sie mitzunehmen gegen die Wahlmüdigkeit. Die Bewerbung um die IGA 2013 wird jahrelang einen positiven Impuls nicht nur für Wilhelmsburg haben, sondern auch in diese Stadt hinein. Der hamburgische Gartenbau kann Aufträge erwarten, kann Arbeitsplätze schaffen, die ökologische Flächenbilanz wird endlich dem Ausgleich näherkommen.

Ich glaube, daß der Maßstab für den Haushalt nicht das Zahlenwerk und die Bilanz sind, sondern die politischen Visionen für Hamburg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Sudmann.

Eigentlich könnte man nach den Reden, die die beiden Männer und die Dame vor mir gehalten haben, ganz beruhigt sein.