Protocol of the Session on December 11, 2000

Meine Damen und Herren! Eugen Wagner war ehrlich, weil er immerhin sagt, was er will, nämlich Mieter am Gängelband behalten oder ein Viertel leerzuräumen, ganz egal, was Mieterinnen und Mieter denken.

(Barbara Duden SPD: In der Konsequenz müßten Sie doch auch für Bauwagenplätze sein!)

In Sachen Verkehrspolitik sieht es ein bißchen anders aus. Wer in der letzten Woche den guten Eugen Wagner gesehen hat, wird bemerkt haben, daß er den Spaten in der Hand gehabt hat. Das kennen wir ja. Sie erinnern sich vielleicht. 1991, der erste Spatenstich zum Bau der FlughafenS-Bahn. Fahren tut sie nebenbei immer noch nicht. Aber er hat den Spaten wieder in der Hand gehabt, dieses Mal am Friedrich-Ebert-Damm. Das ist eine Art Wagnerischer Re

flex:Zehn Monate vor der Wahl kommt der Spaten aus dem Schrank, aber er hat auch ein neues – wie er es nennt – Verkehrskonzept vorgestellt. Es wurde

(Barbara Duden SPD: Ist doch gut, oder?)

in der Behörde ausgearbeitet und von ihm jetzt vorgestellt als das Verkehrskonzept.Was will er? Den Ring ausbauen, das neue Verkehrskonzept. Wissen Sie, wie alt die RingPlanungen sind, meine Damen und Herren? 30 Jahre sind die Pläne alt, und Eugen Wagner will das als neues Konzept verkaufen. Das ist doch ein Treppenwitz.

(Beifall bei der CDU)

Dann hat er noch etwas Originelleres, die Hafenquerspange. 20 Jahre sind die Pläne alt. Dann hat er die Ortsumgehung Finkenwerder, ebenfalls 20 Jahre sind die Pläne alt.Dann soll die Stadtbahn kommen.Bereits vor neun Jahren, vor den Wahlen, ist sie von Henning Voscherau schon einmal angekündigt worden, etwa zehn Monate vor der Wahl. Sehen Sie die irgendwo? Ich sehe sie nicht. Ich erinnere mich gut daran, als vor neun Jahren vor den Bürgerschaftswahlen in einem Wahlspot der SPD Henning Voscherau in einer Museumsstraßenbahn munter gefilmt wurde, um zu zeigen, hier bin ich, Henning Voscherau, in der Stadtbahn, die bald kommt. Ich prophezeie Ihnen eine ganz originelle, eine ganz verrückte Idee von Eugen Wagner zum Wahlkampf. Weil er den Spaten schon vor neun Jahren herausgeholt hat, würde er wahrscheinlich auch das machen: zehn Meter Teststrecke, eine Stadtbahn aus Sperrholz und er in Kondukteur-Uniform mit roter Kelle. Dafür würde er sich fotografieren lassen. Das sehe ich schon vor mir.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Was Eugen Wagner hier macht, was er als neu verkauft, kann man ihm gar nicht übelnehmen.Nach so vielen Jahren Senator ist irgendwann die Luft raus. Es ist eine Lachnummer, aber mehr ist es auch nicht.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wenn wir auf der einen Seite die Politik des Senates, den Filz, die Parteibuchwirtschaft und das Im-Stich-Lassen der Interessen der kleinen Leute sehen, so gilt es auf der anderen Seite natürlich auch, gerecht zu sein und zu loben. Es ist festzustellen, daß es Infrastrukturentscheidungen des Senats gibt, die politisch als gut und vernünftig bezeichnet werden können, wie zum Beispiel der Beginn des Ausbaus Altenwerders, die Fertigstellung der Elbvertiefung, die geplante Ansiedlung und Vorbereitung der Ansiedlung moderner Flugzeugindustrien

(Petra Brinkmann SPD:Das ist doch nur für die Rei- chen!)

und auch die Profilierung Hamburgs als Standort von Internet und neuen Medien. Das sind, meine ich, Dinge, die man löblich sehen muß, die auch von uns anerkannt werden. Dazu zählen auch Pläne, die hier im Hause unstrittig waren, zunächst zwar nicht immer einvernehmlich, aber im Endeffekt wurde einvernehmlich ans Werk gegangen.

Lassen Sie mich drei Dinge ansprechen, die mir bei allem Lob für diese Infrastrukturentscheidungen in der Wirtschaftspolitik gewisse Sorgen machen, ohne jetzt klare Schuldzuweisungen verteilen zu wollen, aber die mir für die Zukunft Sorgen machen. Das eine ist, daß sich Fälle und Informationen häufen, in denen Projekte zunächst ausgeschrieben werden, dann ein Bewerber ausgewählt wird, der den Zuschlag bekommt, und nach Baubeginn die Aus

(Ole von Beust CDU)

schreibung auf Wunsch dieses Investors plötzlich geändert wird.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Ist das Deuteron, oder was ist das jetzt?)

Ich will ein Beispiel nennen:Rotherbaum.Sie erinnern sich, daß es sehr umstritten war, ob dort der Trainingsplatz gebaut werden soll oder nicht.Es gab harte Diskussionen darüber. Dann gab es eine öffentliche Ausschreibung, wie das Gelände bebaut werden soll. Im Zuge der öffentlichen Ausschreibung wurde gesagt, daß Bedingung für die Ausschreibung – und das war das Leckerli für die Kommunalpolitiker – ist, daß fast ein Drittel der Fläche – über 8000 Quadratmeter – für Altenwohnanlagen, betreutes Wohnen, vorgesehen werden sollten. Ich habe jetzt noch die hehren Reden in den Ohren, die damals von Sozialdemokraten und den Planern gehalten worden sind: Zentrumsnahes Wohnen für alte Leute. Die Leute sollten dort bleiben, wo sie in ihrer Jugend gewohnt hätten, in ihrem Viertel wohnen. Jung und Alt könnten zusammen wohnen, Studenten und alte Menschen könnten zusammen wohnen.Wir brauchten Seniorenwohnungen. Kaum war der Zuschlag an den Investor verteilt worden oder kurz danach, hieß es: April, April, wir bauen keine Seniorenwohnungen mehr, das wird alles Gewerbegebiet. So geht es nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Man kann darüber streiten, was Investoren wollen oder nicht wollen, was wirtschaftlich vernünftig ist oder nicht. Das ist in Ordnung. Nur, Sie müssen doch verstehen, daß so etwas Mißtrauen sät, so etwas schafft Argwohn, so etwas nährt Verdachtsmomente, und so etwas ist vor allen Dingen alles andere als transparent.Wenn öffentliche Ausschreibungen eines brauchen, so ist es Transparenz und Ehrlichkeit, und dieser Grundsatz ist hier verletzt worden.

Lassen Sie mich ein zweites Beispiel nennen, das nicht ganz so dramatisch ist, weil die Auswirkungen in der Verwirklichung positiv sind, was aber auch interessant ist, weil wir über Menschen reden, und was einen nachdenklich machen muß.

Dieser wunderschöne Weihnachtsmarkt vor dem Rathausmarkt. Ich finde ihn prima und freue mich, daß er da ist. Sie vielleicht auch.

(Barbara Duden SPD: Aber?)

Wissen Sie, welche Bedingungen in den Ausschreibungen standen? Dort stand, höchstens 25 Prozent gastronomisches Angebot, und zwar sowohl Getränke als auch Essen. Die Fläche an der Seite des Rathauses zum Neuen Wall hin sollte frei bleiben, und es sollte ein erkennbarer Bezug zu den Ostseeanrainerstaaten sein. Inzwischen haben wir etwa 80 Prozent Gastronomiefläche, der Beitrag der Ostseeanrainerstaaten beschränkt sich auf einen TuborgStand,

(Heiterkeit bei der CDU)

und dieser Teil des Rathausmarktes ist mit einem großen Festzelt versehen. Das mag im einzelnen sinnvoll sein, meine Damen und Herren, aber versetzen Sie sich einmal in die Lage der Leute hinein, die an der Ausschreibung teilnehmen.Sie schreiben aus, die bewerben sich nach diesen Kriterien, die Sie genannt haben, jemand bekommt den Zuschlag, und hinterher sieht es völlig anders aus, als es ausgeschrieben wurde. Das geht doch nicht, meine Damen und Herren. Das muß doch Mißtrauen säen.

(Beifall bei der CDU)

Seien Sie bitte – es geht um das Ansehen der Wirtschaftspolitik dieser Stadt – pingeliger, ehrlicher und transparenter, wenn es um solche Dinge geht, denn sonst verunsichert es die Menschen und nährt Verdacht.

Zweiter Punkt: Wir hoffen gemeinsam, daß die Unternehmensentscheidung zur Produktion des A3XX positiv für Hamburg ausfallen wird. Wir stehen hinter der Entscheidung des Senats, daß das entsprechende Gelände notwendigerweise bebaut wird.

Ich habe vielleicht – es kamen hier auch schon Verdächtigungen – ein menschliches, aber kein politisches Verständnis für Bewohnerinnen und Bewohner der anderen Elbseite, die Arbeitsplätze und Industrieansiedlungen fordern, aber sofern dies in ihrer Nähe geschehen soll, wollen sie es plötzlich nicht. Es ist gut und richtig, daß dort die Bebauung erfolgen soll; ich stehe dahinter.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten uns zumindest vornehmen, daß die zukünftigen Impulse für die Hamburger Wirtschaftspolitik nicht mehr von Großprojekten wie in Altenwerder, der Elbvertiefung oder vom Bau des A3XX ausgehen, sondern darauf hinwirken, daß auch die mittleren und kleinen Betriebe des Handels, Handwerks, der Dienstleistungen und die Einzelhändler unsere Hilfe und Unterstützung brauchen. Ich stehe dahinter.

Über 1 Milliarde DM wird für den Bau des A3XX investiert. Ich stehe dahinter, denn es geht um Tausende von Arbeitsplätzen. Was ist eigentlich mit den Betrieben, bei denen zwei, drei, vier oder fünf Arbeitsplätze fehlen? Die gucken in die Röhre, und das darf zukünftig nicht mehr sein. Die brauchen unsere Hilfe.

(Beifall bei der CDU)

Diese Betriebe leiden im Moment insbesondere auch unter den Entscheidungen der Bundespolitik und der steigenden Energiekosten. Sie leiden darunter, daß bei der Ökosteuer für die Großindustrie Ausnahmetatbestände geschaffen wurden, die sie nicht haben. Sie leiden darunter, daß bei der Unternehmensteuerreform die Aktien- und Kapitalgesellschaften gegenüber den Personengesellschaften und Einzelbetrieben bevorzugt worden sind. Sie lassen auf Bundesebene die kleineren Handels- und Handwerksfirmen des Mittelstandes im Stich. Wir sollten in Hamburg aber genau das Gegenteil tun, nämlich diesen Unternehmen helfen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte als dritten Punkt die Frage der wirtschaftspolitischen Zukunft ansprechen, die mir Sorge macht und über die wir sicherlich ausführlich diskutieren müssen: Es geht um die Vergabe von staatlichen Flächen und Grundstücken.

Ich habe den Eindruck, daß staatliche Grundstücke in Hamburg nahezu ausschließlich nach fiskalischen Interessen vergeben werden. Das heißt – auf Deutsch ausgedrückt –:Wer am meisten zahlt, bekommt das Grundstück. Natürlich muß die

(Dr. Rolf Lange: Das stimmt doch nicht!)

Finanzsenatorin darauf achten, daß der Stadtsäckel voll ist, denn wir wollen gemeinsam die Verschuldung herunterschrauben.

(Ole von Beust CDU)

Auf der anderen Seite ist natürlich die Vergabe von Grundstücken auch staatliche Lenkungs- und Strukturpolitik. Ich habe die große Sorge, daß Sie, wenn Sie zukünftig bei wichtigen baupolitischen Entscheidungen weiterhin nur fiskalische Interessen verfolgen und nach dem Höchstgebotsverfahren vorgehen, wichtige strukturpolitische Entscheidungen nicht mehr auf die Reihe kriegen.

(Rolf Lange SPD: Das ist doch falsch, das wissen Sie doch!)

Herr Lange, ich weiß von Investoren in der HafenCity, die mir gesagt haben, daß der erste Bauabschnitt der HafenCity zukünftig nach dem Höchstgebotsverfahren erstellt werden soll.

Dies birgt natürlich die Gefahr in sich, daß die Investoren, die vielleicht auf Anhieb nicht die gleiche Gewinnerwartung haben wie andere und darum den Preis nicht zahlen können, in der HafenCity keine Chance mehr haben. Das will ich nicht. Ich will, daß Kleinere, das Handwerk und der Mittelstand, eine Chance haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auch, daß dort erschwinglicher Wohnraum eine Chance hat und daß wir dort nicht das Gleiche bekommen – das haben Sie angesprochen – wie am Berliner Tor. Der Investor hätte dort gern Wohnungen gebaut, aber damit erwirtschaftet man nicht die Rendite wie beim Gewerbebau. Dies hat er bei der Vergabe des Grundstückes gesagt, als es um den Kaufpreis ging. Ihm wurde geantwortet: Es ist uns völlig wurscht, wie du die Rendite erzielst, mach ruhig Gewerbe, die Hauptsache ist, wir kriegen unseren Preis rein. Dort hätten stadtnahe Wohnungen hingehört. Wohnungen gehören in die City!