Protocol of the Session on December 11, 2000

(Ole von Beust CDU: Das hast du mit Koksen ver- wechselt!)

Damit wollte man Rückschlüsse auf die offensichtlichen Kommunikationsstörungen zur Bevölkerung ziehen. Vielleicht sollte man diesen Hörtest bei uns auch einmal durchführen, denn in manchen politischen Bereichen hat man das Gefühl, daß die abgehobenen Politiker irgendwo ihr eigenes Ding kochen und vergessen, daß es die Bevölkerung gibt.

In unserer Stadt leben 850 000 Frauen, davon sind 361000 berufstätig. Man sollte eigentlich die Frage stellen, ob die Gleichstellungspolitik in Hamburg tatsächlich auch für diese Frauen gemacht wird.

Es liegt eine Untersuchung des Bundesfrauenministeriums vor, in der alarmierende Tatsachen stehen: 86 Prozent der Frauen sind davon überzeugt, daß die Gleichstellung noch nicht erreicht ist, und 70 Prozent sind ausgesprochen unzufrieden mit den Vertreterinnen und Vertretern, die diese Politik umsetzen sollen, sie fühlen sich bei ihren Hauptinteressen nicht ausreichend vertreten.

Wenn man den aufgeführten Hauptinteressenkatalog zu den Agitationen der Gleichstellungspolitik stellt, so ergeben sich sicherlich Schnittmengen, aber decken tun sie sich keineswegs.

Als erster Punkt der Fraueninteressen wurde in der Untersuchung aufgeführt, daß es den Frauen ausgesprochen wichtig ist, wie Frauen in den Entscheidungsgremien und Verantwortungsbereichen repräsentiert sind.

(Dr.Andrea Hilgers SPD:Da sind wir doch ganz gut, oder?)

Dieses Thema führen wir hier auch ständig im Munde.

Wenn ich mich an die Sitzungen des Gleichstellungsausschusses erinnere, könnte man sich im Grunde genommen tränenblind über den Tisch werfen, weil sich im Laufe der Jahre in den Fachbehörden nichts geändert hat, sie sind ein Jammertal. Natürlich gibt es zur Hälfte Senatorinnen. Aber was die Frauenpräsenz auf weiter unten angesiedelten Ebenen betrifft, sieht es ausgesprochen traurig aus.

Behörden- und Senatsvertreterinnen äußern gemeinsam ihr Bedauern darüber, daß es nicht weiter vorangeht, aber Veränderungen können wir nicht sehen.

(Rolf Kruse CDU: Genau so ist es! – Dr. Martin Schmidt GAL: Schau doch mal zur CDU!)

(Senatorin Dr. Ingrid Nümann-Seidewinkel)

Es geht um Chancen und um die Fachbehörden, lieber Martin! Interne Probleme löse ich selbst, die löse ich nicht im Plenum.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das wollen wir gerne mal hören!)

Das sehen Sie doch: Ich habe zehn Minuten Redezeit, und ein Weihnachtsgeschenk habe ich schon.

Die Chancen, die sich im Augenblick gerade im Hinblick auf den Generationenwechsel im Hochschulbereich abzeichnen, müssen auch genutzt werden.Wenn sich da nichts tut, brauchen wir Sanktionen, die wirklich weh tun. Man muß merken, daß etwas in Bewegung geraten ist. Wenn da nichts in Bewegung geraten ist, muß das angeprangert werden. Wir brauchen keine neuen Gesetzesregelungen, sondern wir sollten erst einmal die geltenden umsetzen, und das ist kaum geschehen.

Die Frauen – so möchte ich es formulieren – „da draußen“ wissen es längst.Sie verlassen sich auch nicht mehr auf die gesetzlichen Regelungen, sie wollen sie zum Teil nicht einmal mehr akzeptieren, fühlen sich von ihnen behindert und sehen sie sehr kritisch. Ich sehe das nicht so, aber es ist so.

Modernes Management ist heute angesagt, weniger gesetzliche Regelung.Die Frauen wollen ihr Leben selbst planen, sie wollen bestimmte Ein- und Ausstiegszeiten gerechtfertigt sehen, und sie wollen sehen, wie ihre Zukunft aussieht. Frauen warten nicht mehr auf die Politik, obwohl sie sich interessanterweise – das hat die Untersuchung auch ergeben – weiterhin eine starke Frauenvertretung wünschen. Wo ist diese in Hamburg?

Frau Sager springt gern auf bestimmte außerparlamentarische Aktionen auf, aber sie setzt die Akzente anders. Sie hat das Hamburger Partnerschaftsmodell auf den Weg gebracht; das ist ehrenwert.

Nächstes Thema: Gewaltprävention oder überhaupt Gewaltbewältigung.

Um die Menschen für dieses Problem zu sensibilisieren, werden Fortbildungen durchgeführt.Das Senatsamt ist hier sehr aktiv. Aber hat sich der Umgang mit den Tätern in der Gesellschaft wirklich verändert? Die Frauenhäuser sind nach wie vor völlig überfüllt.Zudem schwebt über ihnen das Damoklesschwert der Stellenkürzungen. Ich glaube nicht, daß man diesem Problem so begegnen kann.

Im übrigen haben wir im Ausschuß die Zusage erhalten, daß es möglich werden soll, Täter aus dem Haus zu verweisen. Vielleicht könnten wir hier einen Hamburger Weg einschlagen, um auf Bundesebene eine Gesetzesänderung zu erreichen.

Das Engagement zum Menschenhandel haben wir sehr intensiv behandelt; außerdem wurde das hochgelobte Institut KOOFRA installiert. Nun steht dieses Institut schon wieder vor dem Aus, die Finanzierung ist unsicher.

(Christa Goetsch GAL: Das ist doch Quatsch!)

Warum ist sie von vornherein dem geringen Gleichstellungsetat zugeschlagen worden? Haben wir nicht eine allgemeine soziale Verantwortung für die Frauen, die nach Hamburg kommen und schlecht behandelt werden?

(Antje Möller GAL: Das ist doch alles geregelt!)

Für wie lange denn? Das kennen wir doch. Für dieses Jahr, dann für das nächste und so weiter. Wir haben diese Gemeinschaftsaufgabe eingefordert.

Meine kaiserliche Werft ist die Jungenarbeit.Die Prävention von Gewalt wird immer wieder versprochen. Ob sie umgesetzt wird, weiß ich nicht.

Frau Sager setzt andere Akzente. Sie hat das Hamburger Partnerschaftsmodell auf den Weg gebracht; das ist ehrenwert.

Zum Thema sexuelle Belästigung: In den Behörden ist dies – das haben wir im Ausschuß erlebt – in jeder Hinsicht ein lästiges Thema.Offensichtlich findet sie gar nicht statt.Daß Frauen das entscheidend anders empfinden, wird nicht zur Kenntnis genommen. Lesen Sie den Bericht der Polizeikommission, in dem deutlich gesagt wird, wie marginalisiert dieses Thema in der Innenbehörde behandelt und demonstrativ übersehen wird.

Im Gleichstellungsausschuß haben wir massive Kritik daran geübt. Die Behördenvertreter und das Senatsamt waren betrübt, weil keine Zahlen vorlagen, obwohl so vieles angestoßen wurde. Die Senatorin wurde beauftragt, intensiv nachzufassen. Aber die Senatorin setzt andere Akzente, sie hat das Hamburger Partnerschaftsmodell umgesetzt.

Dabei ist sie nicht allein, sie hat schließlich auch noch das Senatsamt an ihrer Seite.Das Senatsamt zeigt Einsatz und Einfallsreichtum, aber das Entscheidende fehlt immer noch. Denn in allen angesprochenen Bereichen müssen sich die Damen auch nachdrücklich einmischen dürfen und können. Sie brauchen Handlungskompetenzen, Einspruchsrechte, sie müssen Sanktionen aussprechen können; das alles haben nicht. So erschöpft sich ihre Arbeit in Seminaren, in Erstellung von Broschüren, in Tagungen und in der Erstellung von Gutachten. Die Frage ist, ob diese geballte Kompetenz nicht vielleicht sinnvoller eingesetzt werden könnte.

Stichwort Gutachten: Ein Gutachten soll hilfreich und richtungweisend für die zukünftige Arbeit sein. Es gibt ein Gutachten, über das man den Mantel der christlichen Nächstenliebe hätte breiten können. Frau Ernst, Sie haben es auf die Tagesordnung setzen lassen, und deshalb möchte ich es auch erwähnen: das Gutachten zum Thema Migrantinnen, ein Elaborat, das einem beim Lesen fremd bleibt.Es wurde in einem gewissen Klopstockschen Stil abgefaßt,

(Dr. Martin Schmidt GAL: Hexameter!)

umfaßt 80 Seiten und war 80 000 DM teuer, das heißt:Jede Seite hat 1000 DM gekostet. Gehen Sie mit diesem Gutachten und der Kostenrechnung zu den Frauenprojekten, bei denen Sachmittel gekürzt und halbe Stellen gestrichen wurden, und begründen Sie, daß das eine sinnvolle Ausgabe gewesen ist.

(Rolf Kruse CDU: Sehr wahr!)

Natürlich hat es auch Highlights wie die Messe „digitelle“ gegeben; das will ich nicht leugnen. Aber welchen Einsatz hat das gekostet? Ob das Geld auch nächstes Mal noch bewilligt wird, wage ich dahinzustellen.

Meine Nachrednerinnen werden natürlich das Hohelied auf die Gleichstellungspolitik singen, daß in Hamburg bahnbrechende Dinge auf den Weg gebracht worden sind und man – das ist einer Ihrer Lieblingssprüche – in Quantensprüngen vorangekommen sei.

(Farid Müller GAL: Wie wollen Sie denn vorankom- men?)

In der Frauenpolitik stimmt das sogar, wir sind in Quantensprüngen vorangekommen.

(Karen Koop CDU)

Man muß nur wissen – das ist ja vielleicht für die Wissenschaftssenatorin auch interessant –, daß es die denkbar kleinste Zustandsänderung ist, die man sich vorstellen kann und nichts mit den Riesenfüßen zu tun hat, an die Sie immer denken.

(Beifall bei der CDU)

Aber die Frauensenatorin setzt andere Akzente, sie hat das Hamburger Partnerschaftsgesetz auf den Weg gebracht. Das ist ehrenwert.

Es sind alles ehrenwerte Menschen, die vollmundig für die Frauenpolitik eintreten, aber nicht im Traum daran denken, sie zu verwirklichen.

(Antje Möller GAL: Was wollen Sie denn eigent- lich?)

Rotgrün ist mit der Frauenförderung nicht sorgsam umgegangen und setzt ein gefährliches Signal. Der Hamburger Sportbund hat sich bereits aus der Frauenarbeit verabschiedet; nach außen ist das ein schlechtes Signal. Ich glaube, die Frauen in dieser Stadt haben mehr verdient. Ihre Erwartungen an Rotgrün sind bitter enttäuscht worden, denn sie verdienen ein starkes, engagiertes Senatsamt.Es ist zwar engagiert, aber stark ist es nicht. Sie verdienen auch eine starke, engagierte Senatorin, und die haben wir nicht.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Leonhard Hajen und Luisa Fiedler, beide SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Ernst.