Protocol of the Session on November 30, 2000

geben Sie nicht nur Absichtserklärungen ab. Wir wollen nicht so lange warten, bis wir nächstes Jahr in der Regierung sind, wir wollen sofortige Änderungen.

(Beifall bei der CDU und Lachen bei der SPD)

Frau Steffen hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hesse, ich finde es ganz wunderbar, daß Sie noch einmal diese Vorlage gegeben haben. Deshalb möchte ich auch anders anfangen, als ich geplant hatte. Sie sprachen davon, daß Sie schon immer die besseren Konzepte hatten. Ich erlaube mir, deshalb gleich Bezug auf Ihren Antrag zu nehmen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Konfetti!)

Wenn das bessere Konzept der Opposition ist – was durchaus lobenswert ist –, zu sagen, 10 Prozent aus den Mitteln der Hilfen zur Erziehung schichten wir mal so locker ohne Plan in den Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit um, und das die Empfehlung für die nächste Regierung ist, dann herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

10 Prozent aus den Mitteln der Hilfen zur Erziehung in den Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit wären rund 25 Millionen DM. Das ist eine schöne Aussicht, und ich glaube sogar, daß die SPD und natürlich auch wir das unterstützen würden. Es nützt aber überhaupt nichts, aus dem Bericht einer über zweieinhalb Jahre tagenden Enquete-Kommission dieses aufzuschreiben und dann in einem zweiten Punkt – ich gehe jetzt ein bißchen ins Formale, weil wir es ja ernst nehmen wollen – die gegenseitige Deckungsfähigkeit zu beantragen, indem man der einen Seite 25 Millionen DM zuschiebt, die man gar nicht finanzieren kann, weil es nämlich einen individuellen Rechtsanspruch gibt; die Probleme kennen wir alle. Wenn man das dann dorthin geschoben hat, die Träger und die Verwaltung arbeiten müssen, dann gibt es zwar die gegenseitige Deckungsfähigkeit, aber alle heben die Arme hoch und sagen, wir haben einen individuellen Rechtsanspruch, und dann ist es wieder weg. Soweit zu den besseren Konzepten der CDU.

(Michael Neumann SPD: Das sind Taschenspieler- tricks! – Beifall bei der CDU und der SPD)

Da Sie hier davon gesprochen haben, daß nicht Worte, sondern Taten zählen – das unterstütze ich voll –, wollen wir, was diesen Antrag angeht – Frau Rogalski-Beeck hat ihn schon in allen Einzelheiten vorgestellt, ich will Sie nicht weiter langweilen –,

(Anja Hajduk GAL: Taten herausstellen!)

zu den Taten kommen. Wenn Sie es richtig verstanden haben – das weiß ich eben nicht, deshalb möchte ich es noch einmal sagen –, heißt das, daß es insgesamt für den hier angesprochenen Bereich kurzfristig Verbesserungsmaßnahmen in Höhe von ungefähr 3 Millionen DM gibt.

(Anja Hajduk GAL: Du mußt es noch mal erklären für den rechten Teil!)

Das befürchte ich auch. – Die ersten 1,5 Millionen DM sind noch relativ verständlich. Die ergeben sich aus dem Teil, der auch in Stellenanteilen ausgedrückt ist. Der zweite Teil dieses Betrags – dieser Teil wurde in einem breiten

Konsens mit Ihrer Fraktion gefunden – ergibt sich aus der Jugendhilfe, der integrativen Familienhilfe und der offenen Kinder- und Jugendarbeit und stellt damit den präventiven Teil dar. Ich bin sehr stolz darauf, daß es uns gelungen ist, in diesem Antrag Mechanismen zu finden, die entgegen Ihrem Konzept- und Finanzierungsvorschlag gerade diesen strukturellen Bereich, den wir notwendigerweise seit fast vier Jahren fördern, weil wir ihn aus der Konsolidierung herausnehmen konnten, weiter verstetigen, indem wir genau den dafür verantwortlichen Behörden und Bezirken Mittel an die Hand geben, dieses auch vernünftig umzusetzen. Und wenn Sie die 40-Prozent-Regelung bei der Bonus-Sache verstanden hätten, dann würden Sie auch wissen, daß mit weiteren Einsparungen im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit gerade auch die Häuser der Jugend erheblich abgefedert worden sind; ein gewisser Anteil an Stellen kann nämlich da umgesetzt werden.

Das gleiche gilt für die 40 Prozent aus dem Sonderfonds, der für die Bezirke bisher und auch zukünftig zur Verfügung gestellt werden wird. Auch dort gibt es die Möglichkeit, das so umzusetzen, daß genau dieser präventive Bereich, den wir immer stärken wollten, substantiell dauerhaft verläßlich gestärkt wird, und nicht nur so eine Idee besteht, mal eben 10 Prozent umzuschichten, von der keiner weiß, wie dies finanziert werden soll. Es ist Ihr Recht als Opposition, solche Vorschläge zu machen, dies eignet sich aber nicht für Regierungsarbeit.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke – Thomas Böwer SPD: Übel, übel, übel!)

Ich will dann noch ganz kurz sagen, warum das eine Angelegenheit ist, über die wir im Ergebnis sehr froh und glücklich sein können; Frau Rogalski-Beeck hat es schon angedeutet. Wir haben hart gearbeitet, wir haben uns gestritten, und ich bin deshalb etwas verwundert, da ich weiß, daß wir diesen Bericht der Enquete-Kommission zu 98 oder 99 Prozent auch im Einvernehmen mit Ihrer Fraktion verabschiedet haben. Von daher kann ich so eine Vorwahlkampfrede von Ihnen zu so einem wichtigen Punkt für die Zukunft

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ich habe meine Unter- schiede deutlich gemacht!)

der Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt überhaupt nicht verstehen.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Ich finde dies mehr als unsachlich. Es kann vielleicht sein, daß Sie damit bewirken wollen, gute Schlagworte für die Presse zu liefern, das ist aber auch alles; mehr habe ich aus Ihrer Rede nicht entnehmen können.

Wir haben uns ausführlich über die Stärkung der Kultur des Aufwachsens unterhalten – Frau Rogalski-Beeck hat zu dem eher repressiven Bereich schon ausführlich Stellung genommen –, wo wir einvernehmlich festgestellt haben, daß Jugendkriminalität nicht monokausal ist, daß es darum geht, vernünftige Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche in dieser Stadt herzustellen. Dies wird Jugendkriminalität nicht verhindern, aber wir waren uns alle klar darüber, daß in dem Moment, wo wir bessere Chancen, bessere Rahmenbedingungen herstellen können, also sozusagen eine Kultur des Aufwachsens für Kinder und Jugendliche in dieser Stadt fördern, wir die Chancen, daß sie nicht delinquent werden, wesentlich vergrößern können.

(Klaus-Peter Hesse CDU)

Wir konnten dem Anteil dieser Arbeit in diesem Bericht so ein hohes Gewicht geben, und das soll uns erst mal einer nachmachen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Jobs.

(Jan Peter Riecken SPD: Die eigentliche Opposi- tion!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hesse, das Ende Ihrer Rede war ein bißchen wie der Anfang Ihrer Rede, war ein bißchen wie der Antrag, den Sie gestellt haben.

(Jürgen Klimke CDU: Durchgehend hervorragend! – Michael Neumann SPD: Schlecht!)

Er zeugt von Ihrem fortschreitendem Realitätsverlust in dieser Stadt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Sie haben offenbar die Situation in der Stadt nicht ganz im Blick, aber auch den Bericht der Enquete-Kommission nicht, denn der handelt nicht nur von den 2 bis 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen, auf die Sie immer abzielen, sondern er hat ein viel weiteres Feld im Blick. Über dieses viel weitere Feld sollten wir uns unterhalten und haben wir uns auch unterhalten, als wir hier über den Enquete-Bericht debattiert haben.

Ich finde – um auf den Antrag der Regierungskoalition zu kommen – es angesichts der Praxis, wie mit Ersuchen in dieser Bürgerschaft umgegangen wird, nicht nachvollziehbar, daß alle Konsequenzen in einen Ersuchensantrag gepackt werden, denn wir wissen ja, wie lange die Warteschleife ist, bis das abgearbeitet ist und dann tatsächlich berichtet wird. Diese Art der Berichtsersuchen gibt die Steilvorlage für den Senat, das Ganze auf die lange Bank zu schieben, natürlich mit Ausnahme der Finanzanträge, und dieses Vorgehen finde ich nicht nachvollziehbar, ich finde es falsch.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Aber zum Antrag: Da gibt es über zehn, zwölf, 15 Seiten tatsächlich viel Lyrik, um zu verschleiern, daß Rotgrün nicht, wie im Bericht eingefordert und wie wir auch immer wieder debattiert haben, mehr Geld für alle Kinder und Jugendlichen und ihre Familien ausgeben will. Es fließt ein ganz klein bißchen Geld dahin, wo es sich für den bevorstehenden Sicherheitswahlkampf vermarkten läßt. Darauf das Ergebnis dieser ganzen Kommission zu reduzieren, ist ein schwerer politischer Fehler.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Klaus-Peter Hesse CDU)

Ich nenne Ihnen ein paar unschöne Beispiele für diesen Befund. Diversionsprojekte und insbesondere der TäterOpfer-Ausgleich sind ganz wichtige anerkannte gute Instrumente im Umgang mit straffällig gewordenen Jugendlichen. Nur ist dafür kein zusätzliches Personal vorgesehen, obwohl klar ist, daß dies benötigt wird, wenn auch nur ansatzweise die formulierten Ansprüche erreicht werden sollen. Dafür gibt es mehr Personal bei der Beschleunigung von Strafverfahren; nicht, daß es grundfalsch wäre, darüber einmal nachzudenken, nur diese Prioritätensetzung ist völlig daneben.

Falsch ist natürlich auch aus unserer Sicht, das starke Gewicht auf die einseitige Stärkung der Polizeiarbeit zu legen, denn konkret heißt es in dieser Stadt, daß Rotgrün es inzwischen klasse findet, wenn die Polizei so viel Personal zum Katz-und-Maus-Spiel – genannt Verhinderung der Verfestigung der Drogenszene in einzelnen Stadtteilen – bereitstellt. Das bindet in dieser Stadt dann so viele Leute, daß das zusätzliche Personal gebraucht wird, um die normverdeutlichenden Gespräche zu führen. Das Ganze nennt sich bei Rotgrün inzwischen Prävention und ist über 1 Million DM zusätzlich wert. Dieses Geld wäre aus unserer Sicht viel sinnvoller und notwendiger in das Drogenhilfesystem dieser Stadt investiert,

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Manfred Mahr GAL)

denn damit kann man den betroffenen Kids ein tatsächliches Hilfsangebot – und darum geht es immer wieder – machen. Bei diesem Geld, das zum Beispiel beim Umgang mit drogenabhängigen Jugendlichen bitter nötig wäre, geht der Antrag von SPD und GAL nach dem Motto „eins fassen und eins lassen“ mit den Empfehlungen der Kommission um. Kooperation und Zusammenarbeit der unterschiedlichen Bereiche ist immer gut, das müssen ja die anderen hinkriegen, und das kostet auch nichts.

Der Aufforderung der Enquete-Kommission, dafür Sorge zu tragen, daß „die auf eine Minderung der gesundheitlichen und sozialen Risiken der Drogenabhängigen gerichtete Arbeit der verschiedenen Institutionen rechtlich abgesichert“ wird, muß Politik und Senat folgen. Dafür gibt es ein bißchen Ärger, aber dafür müssen Sie vor allem auch Geld ausgeben, damit genau das verwirklicht werden kann. Aber dazu habe ich nicht einmal eine Willensbekundung im Antrag gefunden. Das ist einfach zu wenig, wenn man sich tatsächlich um die Belange von Kindern und Jugendlichen, die vielleicht drogenabhängig geworden sind, in dieser Stadt kümmern will.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Wenn wir schon beim Geldausgeben und Vergleich sind: Für den gesamten Bereich der Jugendhilfe gibt es trotz der vielen Aussagen im Bericht keine zusätzlichen Mittel. Es gibt nur Absichtserklärungen, Umverteilungsvorschläge, Lobeshymnen auf die guten Hamburger Verhältnisse, die es auch aus Sicht der Kommission noch nicht einmal gibt, aus unserer Sicht natürlich noch weniger.

Die Lobeshymne auf die Kindertagesbetreuung zum Beispiel: Zwar hat die Stadt Elementarhalbtagsplätze ausgebaut, aber die gehen teilweise am Bedarf vorbei, und die ISKA-Studie, das haben wir letzte Woche gerade gehört, hat gezeigt, daß Hamburg noch meilenweit vom bedarfsdeckenden Angebot an Kindertagesbetreuung entfernt ist. Angesichts dieser Tatsache ist es einfach peinlich, wenn Sie im Antrag behaupten, die Eltern mit Nachfragemacht auszustatten, dafür aber kein ausreichendes Angebot anbieten.

Dann die offene Kinder- und Jugendarbeit: Hier soll der Senat prüfen, ob es mehr Geld für die offene Kinder- und Jugendarbeit geben kann. Ich weiß nicht, ob es eine Frage des Selbstverständnisses geworden ist oder ob Rotgrün tatsächlich nicht weiß, ob sie das wirklich wollen oder nicht.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Die prüfen nur!)

Wenn man jetzt mit einem Prüfauftrag kommt, heißt das doch, dieses wichtige Thema aus der Legislaturperiode

(Sabine Steffen GAL)