Protocol of the Session on November 29, 2000

(Dr.Hans-Peter de Lorent GAL: Ohne Manuskript?)

Ich muß hier etwas aufklären. Selbstverständlich erscheint der Abgeordnete Engels, wie auch alle anderen, ohne Manuskript, da die Geschäftsordnung vorsieht, nur Stichworte mitzubringen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beim Stichwort Lehrerarbeitszeit möchte ich daran erinnern, daß 75 Prozent der Debattenredner zu diesem Thema Lehrer sind. Ich räume ein, ich gehöre auch dazu.

An alle anderen, die keine Lehrer sind, möchte ich jedoch einen ernsthaften Appell richten. Wir haben in Hamburg circa 13 000 Lehrer und etwa 1,5 Milliarden DM Budget, was einen dicken Brocken im Haushalt ausmacht. Wenn Sie sich diese Zahlen vor Augen führen, muß das ganze Haus, auch die Nicht-Lehrer unter Ihnen, ein eklatantes Interesse daran haben, daß dieses gewaltige Humankapital auch vernünftig und effektiv zugunsten der Bildung unserer heranwachsenden Generation eingesetzt wird. Daher ist es nicht nur ein Lehrerthema, sondern ein Thema des ganzen Hauses.

Verbunden mit einem Dank an die Kommission, die das Lehrerarbeitszeitmodell erstellt hat, muß gesagt werden, daß es vernünftig war, einmal aufzuzeigen – und dies ist in sehr differenzierter Weise geschehen – daß die Lehrerarbeitszeit in Hamburg zur Zeit nicht effektiv eingesetzt wird. Hier ist in der Tat eine Änderung dringend notwendig, damit die Arbeitskraft unserer Erzieher, Pädagogen und Unterrichtenden unserer jungen Generation optimal zur Verfügung gestellt wird, insbesondere angesichts des dicken Brockens im Haushalt.

Insofern teile ich das, was meine Vorredner gesagt haben und was die Kommission vorgelegt hat, durchaus als einen vernünftigen Ansatz. Dennoch, Frau Goetsch, meine ich, daß die Arbeit an den Vorschlägen in den letzten zwei Jahren gründlich schiefgegangen ist.Herr Rocksien hat bereits auf die Reaktionen der Lehrerverbände beziehungsweise der Gewerkschaften hingewiesen. Ich selbst habe die Diskussion um diese Vorschläge an diversen Schulen mitbekommen.Vieles, was schiefgelaufen ist, krankt in der Tat an den politischen Vorgaben.

Die erste Vorgabe war, daß diese Kommission von vornherein kostenneutral auftreten sollte. Ich vertrete angesichts der Haushaltslage zwar durchaus die Auffassung, daß später bei der Umsetzung möglichst etwas Kostenneutrales herauskommen soll, aber eine Arbeit von solchen Experten von vornherein mit derartigen Vorgaben zu drangsalieren, mußte zu Modellen führen, die vor Ort Streit auslösen und Unlust an der Diskussion verursachen. Denn es kam, wie es kommen mußte, insbesondere bei dem Anteil Funktionsträger und unterschiedliche Fächer, es drohte ein Streit und es führte zur Entsolidarisierung der Kollegen und Lehrer untereinander und damit zu einer totalen Blokkade einer vernünftigen effektiven Umorganisation der Lehrerarbeitszeit.

Diese Vorgabe war schädlich. So sehr ich für Mitbestimmung und Demokratie vor Ort bin, muß bei der Festlegung der Pflichtstundenzahlen in den verschiedenen Bereichen, angepaßt an die verschiedenen Schularten, Fächer, Funktionen und so weiter, der Setzungsmut des Dienstherren, des Senats beziehungsweise der Senatorin hinzukommen. Hier ist die politische Verantwortung gefragt. Man kann nicht einer großen Gruppe von 13 000 und mehr Menschen Brocken hinwerfen, um die sie sich dann gefälligst selbst zu

(Jens Rocksien SPD)

balgen haben. Hier ist politische Verantwortung auch seitens – wie heißt es in unseren verschiedenen Gesetzen und Bestimmungen – des Dienstherrn geboten. An der hat es mir aber in der Vergangenheit gemangelt.

Ich komme zum zweiten Punkt, der in der Diskussion ebenfalls sehr unglücklich war.Bei den Vorschlägen fehlte es insbesondere – das ist übrigens auch ein Kritikpunkt der Kommission für das Arbeitszeitmodell – an der Berücksichtigung der Lerngruppen- beziehungsweise Klassengrößen. Im Zusammenhang mit einem Mehr an pädagogischer Betreuung ist es natürlich ein Proportionsfaktor, denn je weniger Kinder man unterrichtet, desto weniger hat man an pädagogischer Betreuung und an Korrekturen zu leisten. Genau diesen Bereich hat die Kommission weggelassen. Das ist von der Realbelastung der Lehrer und umgekehrt aus dem Blickwinkel der Kinder und ihren realen Lern- und Betreuungsmöglichkeiten schlicht und ergreifend nicht sachgerecht.So gut die Kommission an verschiedenen anderen Stellen gearbeitet hat, liegt hier nach unserer Auffassung ein eklatanter Beurteilungsfehler vor.

Ich komme zum letzten, ebenso unglücklich gelaufenen Punkt. Die Kommission hat zwar die verschiedenen Bereiche und auch Zeitaufwände sehr differenziert untersucht – das UFAS-Modell –, und die Umsetzungsvorschläge mit den Berechnungsmodellen nehmen auf die differenzierte Betrachtung auch Bezug, scheinen mir aber für die Umsetzung nicht gerade hilfreich zu sein. Ich behaupte nicht, daß überhaupt ein Modell möglich ist, das eine vollkommene Belastungsgerechtigkeit ermöglicht; das wird in keiner Branche, auch nicht in der Schulbranche – so nenne ich sie mal – möglich sein.Eine gewisse Verbesserung ist aber denkbar.

Hierzu sind auch schon einige Punkte genannt worden. Es darf aber nicht so kompliziert sein, daß allein daher die Akzeptanz vor Ort nicht gegeben ist. Daran hat es auch in der Diskussion gemangelt. Deswegen ist bisher in Ihrer Behörde auch nichts bewegt worden. Ich kündige hiermit an, daß meine Fraktion Vorschläge zur Vereinfachung der Berechnung macht – allerdings mit dem Hinweis an meine Fraktionskollegen –, und wir versuchen, bei dem Modell Kostenneutralität zu gewährleisten. Insbesondere wird aber eine frequenzabhängige Komponente hinzukommen.

Bezüglich des Antrags der Gruppe REGENBOGEN scheint mir dieser ein bißchen zu stark danach ausgerichtet zu sein, den Kommissionsbericht dazu zu verwenden, populistische Forderungen auf bessere Ausstattung durchzusetzen, insbesondere vor dem Hintergrund der Kommissionszahlen. Dazu muß ich aber noch einmal sagen, daß die 1745 Jahresarbeitsstunden und die 1850 Stunden der Gymnasien, gemessen an den 1700 Stunden im Durchschnitt im höheren Dienst – und das sind nun einmal die Lehrer –, eine Selbstverständlichkeit sind.Ich kann mir beispielsweise während meiner Anfahrt zur Schule oder auf dem Weg nach Hause über pädagogische Gespräche oder Stundenvorbereitungen Gedanken machen. Das kann ein normaler Arbeitnehmer nicht. Deswegen bin ich dafür, in der Bewertung gerecht zu sein, und Sie sollten keinen so populistischen Antrag vorlegen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Koppke.

Herr Präsident, Herr Engels! Ich kann auf der Hinfahrt zur Arbeit

auch darüber nachdenken, was mich da erwartet, und kann das konstruktiv einsetzen. Ich glaube, das unterscheidet die Lehrer nicht von allen anderen Menschen.

Ich wollte nur noch einmal die Gelegenheit nutzen, für unseren Änderungsantrag zu werben, da wir es für wichtig halten,

daß unter anderem auch auf Tätigkeiten und Belastungskriterien eingegangen wird, wie Klassenstärken – worauf Herr Engels selber hingewiesen hatte –, Schulform und vor allem aber auch Schulstandort, die von uns allen gemeinsam – Fraktionen, Gruppe – als fehlend im Kommissionsbericht bemängelt wurden, aber bei der Einführung eines neuen Arbeitszeitmodells natürlich von zentraler Bedeutung sind,

daß zweitens die Frage, wie mit der ganz spezifischen Mehrarbeit von insbesondere Frauen, also Lehrerinnen, auf Teilzeitstellen zukünftig umgegangen werden soll,

und daß drittens die Frage geklärt wird, nach welchem Arbeitszeitmodell explizit an den sonderpädagogischen Schulen gearbeitet werden soll.

Zumindest diese drei Punkte sind sehr wichtig.

Sie sind, wenn überhaupt, nur auf den ersten Punkt eingegangen. Man kann das ja auch punktweise abstimmen. Das wäre auch kein Problem. Frau Goetsch, wenn Sie meinen, alle unsere Aspekte sind eigentlich in Ihrem Antrag subsumiert, dann freut mich das natürlich. Ich habe da meine Zweifel, aber wenn ich mich darauf verlassen kann, finde ich das auch schick. Ansonsten könnt ihr uns natürlich auch zustimmen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Habe ich jetzt gehört, daß Sie Ihren Antrag 16/5139 ziffernweise abgestimmt zu haben wünschen? – Für ja oder nein müssen Sie sich jetzt aber freundlicherweise entscheiden.

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke: Ja!)

Wer ist der Meinung, daß wir dieses ziffernweise abstimmen sollten?

(Dr. Martin Schmidt GAL: Oder am besten zurück- ziehen!)

Wer unterstützt dieses? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das letzte war die Mehrheit. Dann lasse ich den Antrag insgesamt abstimmen.

Wer möchte dem Antrag 16/5139 der Gruppe REGENBOGEN seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieses mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wer möchte nunmehr den GAL-Antrag 16/4993 annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieses bei einigen Stimmenthaltungen einstimmig angenommen.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 69 auf: Drucksache 16/5077 in der Neufassung: Gemeinsamer Antrag der SPD- und der GAL-Fraktion zur Europäischen Charta der Grundrechte.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL: Europäische Charta der Grundrechte – Drucksache 16/5077 (Neufassung) –]

(Hartmut Engels CDU)

A C

B D

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 16/5137 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der CDU: Europäische Charta der Grundrechte – Drucksache 16/5137 –]

Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Dose hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Europa ist auf dem besten Wege, den Schritt von der Wirtschafts- und Währungsunion hin zu einer Wertegemeinschaft zu bestreiten, denn in nur neun Monaten hat ein Konvent unter der Leitung des ehemaligen Bundespräsidenten Herzog eine Grundrechte-Charta ausgearbeitet, die den Bürgerinnen und Bürgern in Europa 54 Grundrechte garantiert, und für diese großartige Leistung gebührt den Mitgliedern des Konvents unser Dank.

(Beifall bei der SPD, der GAL und bei Bettina Machaczek CDU)

Es ist halt nicht nur für die Schule spät, aber ich hoffe, für Europa ist es nicht zu spät.

Der Arbeitskreis „Europa“ der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft hat am 7. September auf der EXPO dann mit den anderen norddeutschen SPD-Fraktionen aus Bremen, Niedersachen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein eine Anhörung zur GrundrechteCharta veranstaltet. Dort waren Konventsmitglied Professor Meier und der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Mahrenholz und haben uns Rede und Antwort gestanden.

Auf der Grundlage dieser Anhörung hat der Arbeitskreis „Europa“ der SPD-Fraktion zusammen mit den anderen vier Landtagen einen Antrag in vier Punkten erarbeitet und den zur Abstimmung gestellt. Ich denke, in allen fünf Landtagen wird dieser Antrag im November beschlossen werden.

Für uns ist es wichtig, vor der feierlichen Proklamation der Charta auf dem EU-Gipfeltreffen in Nizza den Regierungschefs des Europäischen Rates zwei Wünsche mit auf den Weg zu geben: Die Charta sollte in einen europäischen Grundvertrag übernommen und ihre Rechtsverbindlichkeit gesichert werden. Die Grundrechte dürfen nicht nur auf dem Papier stehen, sie müssen für die Bürgerinnen und Bürger auch einklagbar sein. Da in Nizza über einen solchen europäischen Grundvertrag gesprochen werden soll, der Grundwerte und Rechte, Kompetenzzuordnungen und finanzielle Regelungen der EU umfassen soll, wollen wir daran erinnern, auch die Einbeziehung der GrundrechteCharta in das Vertragswerk der EU mitzubedenken.

Wir haben unter Punkt 4 unseres Antrages einige Grundrechte speziell erwähnt, die zeigen, daß aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen in der Charta berücksichtigt werden. Die Bürgerinnen und Bürger sollen künftig ein Recht auf den Schutz personenbezogener Daten haben, sie können sich gegen die willkürliche Speicherung ihrer Daten mit Hilfe der Grundrechte-Charta zur Wehr setzen, wenn diese Rechtsverbindlichkeit erlangt.Ebenso soll das reproduktive Klonen von Menschen verboten werden. Ein Reflex auf die rasante Entwicklung der Biotechnologie. Kinder und Jugendliche haben in der Charta zwei spezielle Grundrechte erhalten: Neben Schutz und Wohlergehen, freier Meinungsäußerung und einem Mitspracherecht in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, sollen sie vor wirtschaftlicher

Ausbeutung geschützt werden und nicht in das Arbeitsleben eintreten dürfen vor Ende der vorgeschriebenen Schulzeit.

Für uns als Landesparlament ist vor allem Artikel 52 von großer Bedeutung. Dieser besagt, daß mit der Grundrechte-Charta keine neuen Aufgaben oder Zuständigkeiten für die EU begründet werden dürfen. Das heißt, eine Verlagerung von Kompetenzen der Landesparlamente an die Europäische Union wollen wir nicht. Auch für EU-Beitrittskandidaten ist die Charta richtungweisend. Sie gibt vor, daß hohe demokratische Standards einzuhalten sind: Verbot der Todesstrafe, Schutz von Minderheiten, Vielfalt der Kulturen, Religionen, Sprachen und vieles mehr.

Die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, hat 1999 auf dem Bürgerschaftsforum gesagt: