Protocol of the Session on November 15, 2000

Das sind Tricksereien, um sich hier keine Blöße zu geben. Wir sind es schon gewohnt, daß Sie im Ausschuß ein Änderungsvotum einbringen, wenn Ihnen ein Antrag inhaltlich wohl paßt, Sie aber nicht zugeben können, daß er von der CDU ist. Daß Sie aber die Frechheit haben, wenn ein entsprechender Antrag im Ausschuß liegt, im parlamentarischen Verfahren sieben Tage vor einer Anhörung einen gleichlautenden Antrag einzubringen, den sie heute verabschieden wollen, empfinde ich das als eine Mißachtung unserer Arbeit.

(Beifall bei der CDU)

In der Sache sind wir uns völlig einig; bitte überweisen Sie deshalb diesen Antrag ebenso an den Gesundheitsausschuß. Lassen Sie uns auf unserer nächsten Sitzung, wie vereinbart, nach der Anhörung daraus ein gemeinsames Votum formulieren, und machen Sie hier nicht solche Kinkerlitzchen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Zamory.

Frau Präsidentin! Herr Wersich, es geht hier nicht um Kinkerlitzchen, sondern um einen ganz wesentlichen Unterschied in unserer Position. Wir wollen nämlich das Arzneimittelbudget insgesamt erhalten – mit wir meine ich die Koalitionsfraktionen hier in Hamburg und

in Berlin –, halten aber die Kollektivhaftung für keinen guten Weg.

Ich erinnere daran – wir haben das Thema kürzlich schon in der Aktuellen Stunde debattiert –, daß die Senatorin dankenswerterweise noch einmal deutlich gemacht hat, daß andere Lösungen damals im Bundesrat an der CDU gescheitert sind. Dazu haben Sie heute wieder keine Stellung genommen.

(Dietrich Wersich CDU: Das ist doch Quatsch!)

Es geht um die Sicherung der Arzneimittelversorgung in Hamburg. Die Anhörung im Gesundheitsausschuß hat bei diesem Thema gezeigt, daß in Hamburg immer noch 75 Prozent Generika, aber 25 Prozent Originalpräparate verschrieben werden.Es ist also bei den verschreibenden Ärzten durchaus noch Bedarf, ihr eigenes Verhalten zu korrigieren.

Trotzdem hat Hamburg als Metropolregion – das hat Herr Späth auch dargestellt – schon Schwerpunktversorgung für HIV-positive oder aidserkrankte Patienten, für MultipleSklerose-Patienten und in der Tumortherapie. Wenn man das und die Umlandpatienten einrechnet, bleibt das Arzneimittelbudget immer noch erheblich überschritten.Das ist und bleibt erklärungsbedürftig und ist uns in der Anhörung nicht ausreichend erläutert worden. In anderen Bundesländern haben Kassenarztvereinigungen einen sehr ausgezeichneten individuellen Beratungsdienst für Ärzte organisiert, um es ihnen leichter zu machen, neue und teure Medikamente in ihrer Wirksamkeit und Bedeutung einzuschätzen. So eine individuelle Beratung gibt es in der Form in Hamburg bisher nicht. Das Fehlen dieser Maßnahme trägt, denke ich, dazu bei, daß Hamburger Ärzte das Arzneimittelbudget überschreiten.

Es geht nicht darum, rotgrüne Gesundheitspolitik schlechtzumachen, sondern zu verdeutlichen, daß die Ministerin sich in einer anderen Rolle befindet als wir als Landesparlament. Sie muß nämlich den Druck gegenüber der Ärzteschaft aufrechterhalten, damit das Arzneimittelbudget eingehalten wird und daß die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenarztvereinigungen in den einzelnen Bundesländern dafür sorgen, daß das auch umgesetzt wird.

Es ist aber auch klar, daß die Ministerin mit der bundeskassenärztlichen Vereinigung verhandelt, um eine Lösung zu finden, die die Kollektivhaftung ablöst. Das ist ein laufender Prozeß, den wir mit diesem Antrag der SPD unterstützen.

Ich möchte noch auf einen besonderen Aspekt eingehen, der in der Anhörung im Gesundheitsausschuß deutlich geworden ist und einen Vorfall im UKE betrifft. Er wurde uns von Herrn Späth, dem Präsidenten der Kassenärztlichen Vereinigung in Hamburg, anhand eines Spruchs der Schiedskommission zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und den Krankenkassen dargestellt. Danach wurde die KV von der Richterin der Schiedskommission dafür gerügt, die urologische Poliklinik nicht überprüft zu haben, weil dort ein sehr teures Medikament in einer Form angewandt wurde, die nicht nach dem Arzneimittelgesetz zugelassen ist. Dieses Medikament, es heißt Proleukin, hilft bei sehr seltenen Nierenzellkarzinomen, und die Darreichungsform, die durch die Prüfung und das Arzneimittelgesetz abgesichert ist, ist intravenös. Im UKE hat man den Patienten dieses Medikament aber per Inhalation, also vernebelt, zukommen lassen; und das über Jahre, ohne daß das durch eine Studie abgesichert wurde und ohne daß

(Dietrich Wersich CDU)

dafür die gesetzlichen Wege der Absicherung in irgendeiner Weise beschritten wurden. Das heißt, die Kassen haben sich geweigert, die Behandlungskosten von immerhin 5 Millionen DM zu übernehmen.

Daran zeigt sich deutlich, daß es sehr wichtig ist, daß im UKE – damit ziehe ich jetzt eine Verbindung zur Qualitätssicherung – hinsichtlich des Umgangs mit der Forschung und innovativen Medikamenten eine Richtlinie nicht nur erstellt, sondern auch eingehalten wird. Damit ist eine Situation entstanden, bei der möglicherweise entweder die niedergelassenen Ärzte in Hamburg für diesen Fehler haften oder das UKE, die Kassen sich jedoch aus ihrer Verpflichtung lösen können, dieses Medikament zu bezahlen. Das ist ein Zustand, der so in keiner Weise akzeptabel ist. Wir haben das in der Anhörung des Wissenschaftsausschusses zur Qualitätssicherung im UKE angesprochen und werden dazu eine Protokollerklärung des Senats erhalten.

Ich habe das deshalb so ausführlich dargestellt, weil es deutlich macht, daß, wenn gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen wird, Kosten entstehen, die dann nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt werden. Das kann weder im Interesse der Patienten, der Ärzte und der Krankenkassen sein. – Danke.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält Herr Jobs.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben beim letzten Mal schon ausführlich darüber debattiert, daß das Arzneimittelbudget für zwei Gruppen Nachteile bringt. Es bringt Nachteile für Ärzte – darüber haben wir jetzt ausführlich gehört –, aber auch für den Patienten, der aufgrund des Budgetlimits nicht immer mit den Medikamenten behandelt wird, die für ihn am besten sind. Deswegen denken wir, daß die Kollektivhaftung besonders für diese Gruppe kontraproduktiv ist.Sie gehört abgeschafft.In diesem Sinne folgen wir schon dem SPD- und auch dem CDU-Antrag.

Was Sie jetzt aber fordern, ist eine Individualhaftung. Sie machen in Ihrem Antrag überhaupt nicht deutlich, inwieweit diese Haftung nicht nur die Ärzte entlastet, sondern auch den Patienten zugute kommt und daß aufgrund dieser Regreß- und Sanktionsmethode alle die Medikamente bekommen, die für ihre Heilung und Gesundung am besten sind.Das Sichtwort dazu sind die atypischen Neuroleptiker. Da gibt es bisher noch keine Ausnahmegenehmigungen, die beantragt werden können.

Daher gibt es zu diesem Antrag, wie ich finde, noch viel Beratungsbedarf. Ich kann nicht einsehen, warum Sie einer Überweisung dieser Angelegenheit nicht folgen wollen. Es wäre ein fairer Stil, das gesamte Thema, mit dem wir uns schon seit geraumer Zeit befassen, abschließend im Gesundheitsausschuß behandeln zu können. Einen Überweisungsantrag finden wir richtig und folgen ihm, ansonsten können wir diesem Antrag so nicht zustimmen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält Frau Brinkmann.

(Dietrich Wersich CDU: Hoffentlich kommt jetzt et- was Richtiges!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte nur noch mit zwei Sätzen auf den

Beitrag von Herrn Wersich eingehen, weil genau das passiert ist, was wir bei Herrn Wersich gewohnt sind. Er ist in seiner Argumentation so präzise, daß er immer haarscharf an der Wahrheit vorbeigeht.

So war es auch in diesem Fall wieder. Herr Wersich, es ist zwar richtig, daß dieser Punkt in Ihrem Antrag gestanden hat, er hatte aber eine ganz andere Intention; die Überschrift sagt es schon. Es ging um Vor- und Nachteile für Hamburger Ärzte beim Arzneimittelbudget, ob das Großstadtphänomen bewiesen werden kann oder nicht. Dazu haben wir eine Anhörung veranstaltet. Bei der Kollektivhaftung sind wir uns von Anfang an einig gewesen, daß wir sie für höchst ungerecht halten, und das spielte in der Diskussion überhaupt keine Rolle.

Zweitens:Wir unterscheiden uns auch hinsichtlich des Budgets; Herr Zamory hat darauf hingewiesen. Wir sagen zur Zeit nichts gegen ein Arzneimittelbudget und halten auch die Größenordnung, die uns jetzt vorgegeben ist, für in Ordnung und denken, daß man damit eine vernünftige medikamentöse Versorgung bei den Patienten leisten kann. Da wir uns in diesen Punkten unterscheiden und nur in dem einen nicht, werden wir diesen Antrag heute nicht an den Gesundheitsausschuß überweisen, sondern können, da wir uns einig sind, darüber heute abstimmen. Über alle anderen Probleme, die noch anhängig sind, können wir im Gesundheitsausschuß weiter diskutieren; dort ist noch die Anhörung auszuwerten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält Herr Wersich.

Frau Brinkmann, für dieses Kompliment möchte ich mich revanchieren. Ich habe bei Ihnen den Eindruck, daß Sie unsere Anträge offenbar lesen, sie aber oft gar nicht richtig verstehen.

(Petra Brinkmann SPD: Quatsch!)

Denn genau das, was Sie fordern, steht darin. Wir sagen darüber hinaus auch, daß das Prinzip Kollektivhaftung durch die Individualverordnung zu ersetzen ist; und die Individualhaftung ist in Ihrem Antrag ebenfalls enthalten.

An Stelle des starren Arzneimittelbudgets sollte eine Mengensteuerung über Richtgrößen und Regelleistungsvolumina erfolgen.Wir fordern nicht einmal die Abschaffung jedes Budgets in dem Bereich, sondern sagen, daß eine an der Qualität orientierte Steuerung kommen muß und auch kommen wird; Herr Petersen, Herr Zamory, das wissen Sie doch auch.Es wird eine solche Regelung geben.Da gibt es gar keinen Dissens.

Fakt ist, daß dieses Thema, mit genau diesem Inhalt, im Gesundheitsausschuß anhängig ist und von Ihnen hier neu beantragt wird. Das ist nicht in Ordnung.

Zweitens:Ich komme noch einmal zu einem Punkt aus dem Redebeitrag von Herrn Zamory.Ich habe mich gerade noch einmal darüber aufklären lassen, daß der von Ihnen geschilderte Fall bezüglich des UKE im Wissenschaftsausschuß behandelt und dort – nach dem, was ich hörte – geklärt und erklärt worden ist.

Ferner möchte ich Ihnen hinsichtlich der Kritik an der rotgrünen Gesundheitspolitik noch empfehlen, daß es nicht reicht, wenn Sie hier in der Bürgerschaft in dem Punkt nur

(Peter Zamory GAL)

bellen, Sie müssen Schröder und Fischer in Berlin auch beißen. Nur so wird ein Schuh draus.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema sehe ich nicht.Wer möchte den SPD-Antrag, Drucksache 16/4994, an den Gesundheitsausschuß überweisen? – Gegenprobe.– Enthaltungen? – Dieses Begehren wurde mit Mehrheit abgelehnt.

Ich lasse dann über den Antrag in der Sache abstimmen. Wer möchte den Antrag annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Somit wurde die Vorlage mit großer Mehrheit angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 8, Große Anfrage der Gruppe REGENBOGEN zum Thema Raffay-Entertainment-Center am Friedrich-Ebert-Damm und das Wandsbeker Industriegebiet.

[Große Anfrage der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das Raffay-Entertainment-Center am Friedrich-Ebert-Damm und das Wandsbeker Industriegebiet – Drucksache 16/4754 –]

Wer wünscht hierzu das Wort? – Das Wort erhält Frau Sudmann.

Herr Wersich, für das Beißen ist immer noch die Opposition zuständig, und Wandsbek ist ein wunderbares Thema.

Am Friedrich-Ebert-Damm in Wandsbek läßt sich wunderbar nachvollziehen, wie Wirtschaftspolitik in dieser Stadt verläuft.Wer dem Senat viel verspricht, der bekommt auch viel. Die Gefahr, daß man diese Versprechen auch einhalten muß, ist absolut gering. Deswegen wollen wir mit unserer Großen Anfrage einmal mehr der Politik der leeren Versprechungen einen Riegel vorschieben.