Protocol of the Session on November 15, 2000

Man kann natürlich auch fragen, ob es sinnvoll ist, die NPD zu verbieten. Dafür kann man durchaus Argumente finden, und wenn Herr Klooß das richtig findet, kann ich dem zum Teil zustimmen. Man würde damit die rechtsradikale Infrastruktur stören, die Arbeit der Rechtsradikalen insgesamt erschweren, der Rechtsradikalismus hätte finanzielle Einbußen und der Staat wäre nie mehr gezwungen, Wahlkampfunterstützung an diese Partei abzugeben. Das wäre

(Dr. Martin Schmidt GAL)

sicherlich positiv.Aber ein Parteiverbot hilft nicht gegen Aggressivität, nicht gegen Rassismus und nicht gegen Gewaltbereitschaft. Das zu glauben, wäre eine Illusion.

(Beifall bei der CDU)

Rechtsradikale Gewalttäter, meine Damen und Herren, brauchen keine Parteistruktur und auch kein ideologisches Rüstzeug aus einer Partei, das kann man auch ganz woanders finden, dazu bedarf es nicht der NPD. Wir haben – zugegebenermaßen – eine wehrhafte Demokratie, aber die Frage, ob ein Parteiverbot vorgenommen werden muß, muß sehr wohl abgewogen werden. Es gibt gute Gründe dafür und gute Gründe dagegen; ich teile mehr die Argumente von Herrn Dr. Schmidt.

Es spielt im Grunde aber gar keine Rolle mehr. Wir haben drei Verfassungsorgane, die mit dieser Frage befaßt wurden oder werden. Die Bundesregierung will den Antrag stellen. Der Bundesrat wird dem zustimmen; das sind schon zwei. Ich wage die Prognose, daß auch der Bundestag dem mehrheitlich zustimmen wird.Also wird der Antrag gestellt werden.

Wenn ein solcher Antrag aber gestellt wird, sollten wir uns darüber einig sein, daß dieser auch durchkommen muß. Sonst gnade uns Gott! Ich möchte nicht erleben, daß die NPD sagen kann: Seht, ihr wolltet uns verbieten, aber eure Argumente reichen dafür nicht aus. Was seid ihr eigentlich für ein Staat? Das wäre der politische GAU.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Ich sage es noch einmal: Gegen rechtsextremistische Gewalt hilft kein Parteiverbot, sondern Aufklärung, Erziehung, Wertevermittlung, zur Not auch Repression und eine Polizei, die ihre Aufgabe wahrnimmt.

(Lachen bei Dr. Martin Schmidt GAL)

Sie brauchen gar nicht so zu lachen, Herr Dr. Schmidt. Wichtig ist eine Justiz, die ihre Aufgabe wahrnimmt und rechtsextremistische Schläger nicht laufen läßt. Wenn wir das erreichen, wäre viel gewonnen.

Ein Parteiverbot mag sinnvoll sein, aber wenn wir die anderen Ziele nicht erreichen, wäre das eine reine Alibipolitik; und das möchte ich nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Dann bekommt für eine Minute der Abgeordnete Jobs das Wort.

Meine Damen und Herren! Die Welle rechtsradikaler Gewalt, die wir derzeit erleben, ist zutiefst erschütternd und bedrohlich.

Über 100 Menschen haben durch die Gewalt Rechtsradikaler ihr Leben verloren. Die derzeitigen Aktionen und Demonstrationen gegen diese Gewalt sind zum ersten Mal ein Anlaß zur Hoffnung, daß die Empörung über faschistische Gewalt kein Strohfeuer bleibt.

Der Regierungskampf gegen Rechts hat allerdings bisher wenig zustande gebracht.Die Debatte um das NPD-Verbot scheint alle Kräfte gebunden zu haben.Nunmehr ist der Antrag jedoch gestellt, und ich hoffe, daß er Bestand vor dem Verfassungsgericht hat und – wie andere Organisationsverbote – die Nazis in der Bundesrepublik zurückwerfen wird.

Ein Verbot wird die Terrorwelle, die von rechtsaußen das Land überzieht, nicht stoppen. Es mag vielleicht hilfreich sein, aber wird letztendlich das Problem nicht lösen,

(Glocke)

denn die NPD ist weder Grund noch Ursache für die rassistische Gewalt.Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind in unserem Land in unterschiedlicher Ausprägung fast überall zu finden.

(Glocke)

) Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist bei weitem beendet.

Somit müssen wir anfangen, diese Gewalt dort zu bekämpfen, wo sie von der Mitte der Gesellschaft aus auf den rechten Rand Einfluß nimmt. – Vielen Dank.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 2 bis 4:Drucksachen 16/4768, 16/4773 und 16/4938:Wahl von zwei Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung und Wahl der Mitglieder des Kontrollgremiums nach dem Gesetz zur Umsetzung von Artikel 13 Absatz 6 des Grundgesetzes.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung – Drucksache 16/4768 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung – Drucksache 16/4773 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl der Mitglieder des Kontrollgremiums nach dem Gesetz zur Umsetzung von Artikel 13 Absatz 6 des Grundgesetzes – Drucksache 16/4938 –]

Die Stimmzettel liegen Ihnen vor; sie enthalten Felder für Zustimmung, Ablehnung oder Wahlenthaltung. Ungültig sind insbesondere die Stimmzettel, die den Willen des Mitgliedes nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten. Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidung vor.

Ich darf die Schriftführerinnen und den Schriftführer bitten, mit dem Einsammeln der Zettel zu beginnen.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Ich darf nunmehr der guten Ordnung halber nachfragen, ob alle Stimmzettel abgegeben sind? – Das ist der Fall. Damit schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden ermittelt. Ich gehe von Ihrem Einverständnis aus, daß wir ohne weitere Unterbrechung in der Tagesordnung fortfahren können und daß Sie die Ergebnisse im Laufe der Sitzung erfahren werden.

Ergebnisse siehe Seite 4143 D.

(Heino Vahldieck CDU)

Ich rufe sodann auf den Tagesordnungspunkt 10: Drucksache 16/4822: Große Anfrage der CDU zum norddeutschen Tiefwasserhafen.

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Norddeutscher Tiefwasserhafen – Drucksache 16/4822 –]

Hierzu wird das Wort gewünscht; der Abgeordnete Ehlers hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Jahrtausendwende scheint auch für diese Stadt die Zeit für Jahrhundertentscheidungen zu sein.

Es steht nach den Entscheidungen zur HafenCity, A3XX und Messeentwicklung, die wir alle miteinander positiv begleitet haben, eine weitere für ein großes Projekt ins Haus. Dieses Projekt befindet sich zwar nicht in Hamburg, es ist aber für diese Stadt und auch für Deutschland und Europa – insbesondere für Nord- und Osteuropa – von großer Bedeutung. Es geht um die Entscheidung für einen Tiefseewasserhafen an der Nordsee. Wenn dieser Tiefseehafen gebaut wird, lautet die Frage: Wo?

Hamburg war in der Vergangenheit immer stolz darauf, mit Ideen und Innovationen bei allen Fragen, die mit dem Hafen zusammenhängen, in Deutschland und in Europa die Meinungsführerschaft zu haben. Und heute?

In der Frage des Tiefwasserhafens ist der Senat völlig abgetaucht. Es steht nicht endgültig fest, ob es den Tiefwasserhafen geben soll. Aber es gibt starke Indizien dafür, daß es in diese Richtung geht. Zum einen gibt es die Prognose über die Containerumschläge, die sich mehr als positiv entwickelt hat. Zum zweiten geht es um die Größenentwicklung der Schiffe, die in Richtung Tiefwasser weist. Denn auch das ökologische Risiko ist bei Containerschiffen natürlich geringer als etwa bei riesigen Tankern.Von daher ist die Möglichkeit des Baues solcher Schiffe wahrscheinlicher als bei Tankern.

Natürlich gibt es betriebswirtschaftliche Grenzen bei der Größe von Schiffen.Größer gleich preisgünstiger ist falsch; das gilt nicht nur für den Schiffsbereich. Eines ist aber klar: Selbst wenn wir die Grenzen dort akzeptieren, bei denen die Unwirtschaftlichkeit beginnt, muß man wissen, daß es größere als die jetzt vorhandenen Schiffe geben und daß Hamburg diese kaum vertragen wird.Denn noch einmal die Elbe auszubaggern mit all den Problemen, die damit zusammenhängen und die mühsam zusammen mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen gelöst wurden, halte ich für eine Illusion.

Für die CDU heißt das: Es ist nicht sicher, aber es ist wahrscheinlich, daß der Tiefwasserhafen nötig werden wird. Im Gegensatz zum A3XX, bei dem die Wahrscheinlichkeit nicht größer war und Hamburg sich dieses Themas sofort angenommen hat, ist der Senat beim Thema Tiefwasserhafen nicht präsent.

Die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Tiefwasserhafen gebaut wird, reicht, um sich ein- und um mitzumischen sowie bei der Frage der Gestaltung vorne mitzureden.

Diese Tugenden Hamburgs, die über Jahrhunderte gewachsen sind, hat der Senat offenbar verlernt. Entsprechend dürftig ist auch die Antwort auf die von uns gestellten Fragen. Diese Fragen waren bewußt offen. Der Senat, sonst jede Möglichkeit wahrnehmend, zu antworten, wie er es gerne möchte, ob es gefragt worden ist oder nicht – das ist sein gutes Recht, damit wir uns richtig verstehen –, hat

hier nicht die Spur eines Ansatzes gemacht, auf die Problematik und die Fragen einzugehen.

Anstatt dieses Thema offensiv zu besetzen und zu bewegen, überläßt er es dem Chef eines Flächenstaates, das Gutachten zu verkünden und zu bewerten.Ich kann hier nur fragen:Wer ist Herr Gabriel, wenn es um die Hafenkompetenz geht?

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)