Protocol of the Session on November 15, 2000

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Senator Wagner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr von Beust sagt, er wehre sich dagegen, gewachsene Strukturen zu zerstören. Das haben Sie sicherlich aus irgendeinem Programm der Sozialdemokraten oder der GAL abgeschrieben oder abgelesen. Das ist doch lächerlich. Seit wann sind Sie der Bewahrer von sozialen Strukturen? Das ist ja etwas ganz Neues, Herr von Beust. Das hat etwas mit gewachsenen Stadtteilen zu tun.

Wenn Sie hier erklärt hätten, Sie seien nicht richtig aufgetreten und hätten in den Walddörfern falsch gehandelt und gleichzeitig auf Ihre Zustimmung zu Bebauungsplänen wie Allermöhe hingewiesen, dann hätte ich damit etwas anfangen können. Aber was haben Sie denn hier getan? Sie haben nichts anderes getan als das, was Sie immer machen. Sie behaupten, diese Stadt werde unter Wert regiert. Was für ein Blödsinn.

(Lachen bei der CDU)

Herr von Beust sagt, es müsse in dieser Stadt besser werden. Er sagt aber nicht, was besser werden muß.

(Ole von Beust CDU: Das habe ich doch!)

Er sagt nur, Strukturen dürften nicht zerstört werden. Gehen Sie mal davon aus, daß Strukturen, von denen wir meinen, daß sie nicht zerstört werden dürfen, auch nicht zerstört werden.

Herr von Beust, was heißt das, wenn Sie sagen, Sie haben mit den Mietern der GWG über Eigentum gesprochen, und behaupten, wir vorenthalten den Leuten die Möglichkeit auf Eigentum als Altersvorsorge? Unser Eigentumsprogramm ist gerade darauf ausgerichtet, für diese Menschen ent

sprechend ihren Einkommensverhältnissen ein Angebot zu schaffen.Wir haben es aufgestockt. Sie nehmen die Dinge nicht zur Kenntnis. Sie bringen nur Sprechblasen und sind der Sonnyboy aller Opportunisten, wie immer.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

(Dr.Roland Salchow CDU: Danach fällt einem auch nichts mehr ein!)

Dann rufe ich das zweite Thema auf, angemeldet von der GAL-Fraktion:

Was leistet der NPD-Verbotsantrag zur Verminderung rechtsradikaler Gewalt?

Das Wort wird gewünscht. Der Abgeordnete Dr. Schmidt bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich versuche, daß diese, meiner Meinung nach wichtigere, Debatte etwas leiser zustande kommt.

Die öffentliche Debatte darüber, ob die NPD verboten werden soll oder nicht, lief in der letzten Zeit ziemlich doppelbödig. Erstens durfte jeder mitreden, und zweitens gab es ein Geheimnis, nämlich ein Papier des Verfassungsschutzes, das niemand haben durfte.

Neuerdings darf man die 74 Seiten aus dem Bundesinnenministerium auch im Internet abrufen. Jetzt kann es jeder lesen, und ich kann daraus zitieren, ohne des Geheimnisverrats bezichtigt zu werden. Ich sage Ihnen gleich: Der Kaiser hat keine Kleider an.

Zweitens: Die Regierung des Bundeslandes Hamburg hat im Bundesrat einem NPD-Verbotsantrag zugestimmt. Der Senat hat natürlich im Bundestag das Recht, selbst zu entscheiden, aber es wäre trotzdem besser gewesen, wenn die Bürgerschaft darüber vorher hätte diskutieren können.

Zur Sache: Wir leben in einem Land, dessen zwar von den Besatzungsmächten verfügte, aber doch auf demokratischrepublikanischen Traditionen aufbauende Demokratie sich in 50 Jahren bewährt hat und die derzeit nicht gefährdet ist.

Wir leben in einem Land, in dem in den letzten Jahren Gewalt gegen Ausländer und vermeintlich oder wirklich Schwache in dieser Gesellschaft zugenommen hat. Diese in den Köpfen der Täter oft, aber nicht immer mit rechtsradikalen Gedanken begründete Gewalt wird von der Bevölkerung in ihrer übergroßen Mehrheit abgelehnt, mißbilligt, aber vom Staat und seinen Organen, jedenfalls in den östlichen Bundesländern, nicht hinreichend bekämpft; jedenfalls bislang nicht erfolgreich genug.

Die NPD spielt bei dieser Entwicklung keine besonders wichtige Rolle. Sie bietet aber offenkundig einigen Neonazis eine geistige Heimat, äußert sich hin und wieder opportunistisch zur Gewaltanwendung und versucht, politischer Nutznießer einer von ihr nicht verursachten Entwicklung zu sein.

Die Programmatik der NPD ist dem bundesdeutschen politischen Konsens und Sprachgebrauch soweit angepaßt, daß es nicht möglich sein wird, diese als verfassungswidrig nachzuweisen. Alle Versuche, dies zu tun, sind ziemlich dürftig, besonders, wenn sich der Verfassungsschutz auf staatstheoretische oder philosophische Fragen einläßt. Ich nenne Ihnen ein Beispiel.

(Ole von Beust CDU)

Angeblich widerspricht das Menschenbild der NPD dem des Grundgesetzes, weil nämlich nach Ansicht der NPD die Würde des einzelnen nicht aus dem freien Willen des individuellen Menschen abgeleitet wird, sondern aus der Zugehörigkeit zur Volksgemeinschaft. Nach dieser Logik sind auch alle Christen, auf jeden Fall der Papst und alle Lutheraner, Verfassungsfeinde, weil bei ihnen die Menschenwürde auch nicht vom freien Willen des einzelnen begründet wird, sondern aus der Schöpfung Gottes.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Das ist im übrigen falsch!)

Auch daß die NPD freie Wahlen und die parlamentarische Demokratie ablehnt, wird gegen ihre eigene Aussage und gegen ihre in vielen Reden erkennbare Position theoretisch abgeleitet. Solche Argumente sind Unsinn. Sie werden nicht reichen, und sie sind leichtfertig angesichts des Werts der Meinungsfreiheit und des Parteienprivilegs für eine Demokratie.

Wenn sich jedoch herausstellt, daß die NPD das Parteienprivileg des Grundgesetzes mißbraucht, um sich wie eine kriminelle Vereinigung zu gerieren, und die Gewaltanwendung gegen Ausländer fördert, muß sie verboten werden. Aber auch hier sehe ich bislang nur dürftige Argumente und Beweise.Es wird nicht reichen, einzelne NPD-Mitglieder, ja nicht einmal Mitglieder des NPD-Bundesvorstandes, der Billigung von Gewalt zu überführen.

Eines der Argumente gegen die NPD ist ihre Rede von den befreiten Zonen. Auch hier sind die Verfassungsschutzargumente schwach. Immerhin wird eingeräumt, daß es in der NPD kein einheitliches Verständnis von befreiten Zonen gibt. Aber das Thema verweist auf Wichtigeres.

In Städten der Ex-DDR gibt es zweifellos Stadtteile, wo sich Angst entwickelt hat; Angst vor den Glatzen und ihren Umtrieben. Die Ursachen dieser Angst müssen behoben werden. Sie werden nicht durch einen NPD-Verbotsantrag behoben, sondern durch konsequentes Auftreten der Staatsmacht, durch mehr und besser ausgebildete Polizei und durch materielle und geistige Unterstützung derjenigen, die schon jetzt Zivilcourage gegen die angemaßte Herrschaft der Glatzen leisten.

Was also leistet der NPD-Verbotsantrag zur Verminderung rechtsradikaler Gewalt?

(Glocke)

Nichts, wenn er, wie ich erwarte, scheitern wird, wenig, wenn er wider Erwarten Erfolg haben sollte, und dies Wenige kann und muß eigentlich anders erreicht werden.

(Beifall bei der GAL und bei Monika Gawron SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Klooß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Grundgesetz sagt, Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

Die NPD ist nach unserer Überzeugung eine verfassungsfeindliche Partei. Sie verfolgt antisemitische, fremdenfeindliche und rassistische Ziele. Sie trägt zu einem Klima der Gewalt bei. Die Beweise dafür haben die Verfassungs

schutzämter zusammengetragen, und sie rechtfertigen den Verbotsantrag.Wir von uns aus haben keinen Anlaß, daran zu zweifeln.

(Beifall bei der SPD)

Es ist richtig, daß die Bundesregierung den Verbotsantrag stellt. Es ist auch richtig, daß Hamburg dem im Bundesrat zustimmt.Das ist eine politische Entscheidung, die sich aus einem dreifachen Grund rechtfertigt.

Erstens: Es geht um den Kampf um die Straße, den die NPD proklamiert hat, um die Verhinderung der Verbreitung rechtsradikaler Parolen und um öffentliches Zusammengehen auf Versammlungen und Demonstrationen mit Skinheads und Neonazis. Solche Demonstrationen wird die NPD nicht mehr durchführen können.

Zweitens: Der Kampf geht um die Köpfe der Menschen, um ihr Bewußtsein und ihre politische Einstellung. Schon der Verbotsantrag zeigt den Menschen, daß die NPD außerhalb der Werteordnung der Verfassung steht. Die Disqualifizierung rechtsextremistischer Bestrebungen wirkt abschreckend und ernüchternd.Selbstverständlich reicht das nicht aus. Die Gesellschaft und ihre Einrichtungen haben insgesamt die Aufgabe der Aufklärung, das heißt, in der Familie, in der Schule, im Beruf, in Ämtern und Vereinen und vor allem durch beispielhaftes Verhalten und positive Erlebnisse. Ein mutiges Verhalten ist gefordert, aber die Politik muß zeigen, daß es ihr ernst ist, im politischen Kampf gegen Rechts.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Drittens: Der Kampf geht schließlich um die Parlamente. Der Gefahr, daß Rattenfänger mit vereinfachenden und populistischen Konzepten auftreten, zumal, wenn sie wie hier verfassungsfeindlich sind, muß energisch entgegengetreten werden. Wenn unsere Demokratie eine wehrhafte Demokratie ist, muß sie dem auch einen Riegel vorschieben. Das Mittel, das die Verfassung selbst an die Hand gibt, ist das Verbot.

(Peter Zamory GAL: Was ist mit der DVU und den Republikanern? Die wären fast drin gewesen in der Hamburger Bürgerschaft)

Meine Damen und Herren, die SPD bleibt nicht kleinmütig in der Ecke stehen. Sie unterstützt deshalb den Antrag und wünscht ihm Erfolg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt sodann für jetzt noch dreidreiviertel Minuten der Abgeordnete Vahldieck.

Herr Dr. Schmidt, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal an das Thema, das wir hier debattieren, erinnern.Es lautet genau: „Was leistet der NPD-Verbotsantrag zur Verminderung rechtsradikaler Gewalt?“ Darauf könnte man etwas provozierend antworten: „Für sich genommen, so gut wie nichts.“

Man kann natürlich auch fragen, ob es sinnvoll ist, die NPD zu verbieten. Dafür kann man durchaus Argumente finden, und wenn Herr Klooß das richtig findet, kann ich dem zum Teil zustimmen. Man würde damit die rechtsradikale Infrastruktur stören, die Arbeit der Rechtsradikalen insgesamt erschweren, der Rechtsradikalismus hätte finanzielle Einbußen und der Staat wäre nie mehr gezwungen, Wahlkampfunterstützung an diese Partei abzugeben. Das wäre