Protocol of the Session on November 15, 2000

Wir brauchen Angebote für das Zusammenleben von verschiedenen Generationen. Nachbarschaften müssen sich gründen können, Wohnen im Alter mit Behinderten zusammen oder selbstbestimmtes Wohnen ist das neue Stichwort. Wir brauchen kleine Wohneinheiten, immer Eigentum und Mieten gemischt,

(Rolf Kruse CDU: Gucken Sie mal auf den Ham- burger Markt!)

das ist überhaupt nicht strittig, aber nicht die pure Idee, Einfamilienhäuser zurück in die Stadt. Das hilft uns nicht weiter, das verschärft unsere Flächenkonkurrenz, und das sollten wir hier gar nicht als großes Projekt angehen.

Ein Beispiel kann man für Hamburg nennen, wo der Trend verstanden wurde und auch hoffentlich umgesetzt wurde, die Siedlung Klein Borstel, die noch im Werden ist. Dort hat man sich in der Projektierung entschlossen, nicht nur auf zwei Bauträger zurückzugreifen, sondern auch Platz und Raum für Wohnprojekte zu schaffen, wohlgemerkt im Eigentum.Das ist der richtige Weg, um der Abwanderung von Familien zumindest eine ernsthafte Alternative zu bieten.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Sudmann.

Guten Tag, meine Damen und Herren! Daß die CDU konservativ ist, haben wir alle schon gewußt, daß aber, wie Frau Möller gerade ausführte, die Wurzeln der CDU bis ins Mittelalter reichen, ist doch interessant, weil die CDU im Prinzip genau das will, nämlich Paläste für die, die ausgewandert sind und jetzt wieder nach Hamburg zurückkommen sollen.

(Rolf Kruse CDU: Das haben Sie verwechselt!)

Die CDU hat dabei nur ein Problem, das sie bisher nicht so gerne beleuchten mag, wenn wir mal von den Finanzen absehen, denn es ist auch ein Stadtentwicklungsproblem. Wenn Sie ganz vielen Menschen versprechen, sie könnten hier in Hamburg Einfamilienhäuser, Doppelhäuser oder Reihenhäuser beziehen, müssen Sie erst einmal darstellen, wo die denn gebaut werden sollen.Es ist natürlich hoch spannend, wenn die CDU sich hier hinstellt und sagt – vielleicht auch im kommenden Wahlkampf –, wir sind dafür, die Hummelsbütteler Feldmark zu bebauen, wir wollen in den Walddörfern, Herr von Beust, ein bißchen mehr bauen; die Herrenhäuser können Sie auch gleich abreißen.

(Ole von Beust CDU: Landarbeiterhäuser!)

Sie wollen Neugraben-Fischbek 2, 3, 4, Sie wollen Allermöhe 4, 5, 6. Da würde ich gerne sehen, wie Sie das umsetzen wollen. Das heißt, was Sie versprechen, ist so gar nicht zu leisten.

(Ole von Beust CDU: Das machen wir dann!)

Ich glaube nicht, daß Sie das machen können. Ich würde lieber gucken, warum die Menschen denn Eigentum haben oder lieber draußen auf dem Land leben wollen.

(Zuruf von Karl-Heinz Ehlers CDU)

Doch, Herr Ehlers. – Es geht darum, daß die Menschen Sicherheit haben wollen. Sie wollen Sicherheit in ihren Wohnverhältnissen haben, sie wollen die Sicherheit haben, keine Eigenbedarfskündigungen hinnehmen zu müssen, und diese Sicherheit können wir gerne gemeinsam schaffen. Es gibt – da werden Sie mir recht geben – eine Sicherheit, die günstig ist und die sehr viele Menschen in dieser Stadt erwerben können, nämlich der genossenschaftliche Wohnungsbau. Da leben sie fast so sicher wie im Eigentum, da können sie nur rausfliegen, wenn sie sozial unverträglich sind.

(Ole von Beust CDU: Jeder, wie er will!)

Aber Sie müssen mir zugestehen, daß Ihre Forderung eine kleinere Klientel betrifft, ich möchte aber gerne Politik für möglichst viele Hamburgerinnen machen.Wenn Sie versuchen, für diese kleinere Klientel, die Sie auch gern als CDU-Wähler bezeichnen, Politik zu machen, können Sie das in Hamburg schaffen. Sie können aber nicht den Leuten einerseits sagen, Hamburg ist toll, leben sie in der Großstadt, haben sie alle Vorteile, und gleichzeitig die Nachteile verschweigen, daß es nämlich lauter und die Luft nicht so gut ist, als wenn sie auf dem Land leben. Das geht nicht, das ist unseriöse Politik, und das sollte niemand in der Bürgerschaft mittragen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, daß die Menschen in Hamburg ein gutes Wohnumfeld haben, daß sie eine Wohnqualität haben, die sie nicht veranlaßt, darüber nachzudenken, nach außerhalb zu ziehen. Es geht nicht nur um genossenschaftliche Projekte, es geht auch darum, daß zum Beispiel die wichtigen Grünflächen als Naherholungsflächen für die Menschen da sind, und dann brauchen wir keine dubiosen Finanzrechnungen aufzumachen wie Herr Kruse, denn er hat völlig übersehen, daß er bei den Kosten nicht bedacht hat, wie teuer die Infrastruktur für ein Einfamilienhaus, für ein Doppelhaus ist; das wäre auch noch eine interessante Berechnung.

Das Wort hat Senator Dr. Maier.

(Antje Möller GAL)

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Nicht nur in Siena, Suburbanisierung ist ein allgemeines Problem in allen europäischen Großstädten, allerdings haben wir in Hamburg besonders günstige Bedingungen. Von 1993 bis 1998 ist keine Metropolregion in Deutschland so rasch gewachsen wie Hamburg. Die Metropolregion insgesamt hatte einen Zuwachs von 60 000 Menschen, München hatte sogar ein negatives Ergebnis und Stuttgart ein sehr viel weniger gutes mit 18 000. Allerdings haben wir innerhalb des Gesamtzuwachses in der Boom-Region diese Suburbanisierung, die uns insbesondere Menschen mit mittlerem Einkommen von 4000 bis 8000 netto verlorengehen läßt, und das ist nicht gut für die Stadt, es ist auch ökologisch nicht gut.

Jeder, der in Hamburg eine Wohnung nimmt, braucht wesentlich weniger Platz, nimmt wesentlich weniger ökologische Lasten für sich in Anspruch als jemand, der weiter weg wohnt. In Hamburg kommen im Durchschnitt bei Neubauprojekten 70 Wohnungen auf einen Hektar, in Schleswig-Holstein sind es 25 und in Niedersachsen sogar nur 18 Wohnungen auf einen Hektar; dazu kommt die größere Verkehrsflächeninanspruchnahme. Es gibt also ökologische, steuerliche und vor allen Dingen wichtige soziale Gründe, dafür zu sorgen, daß eine soziale Durchmischung in der Stadt bleibt und sich nicht der Wohlstand nach draußen verlagert. Das ist ein Problem, gegen das angegangen werden sollte.

Nun können wir offenkundig nicht mit den gleichen Mitteln gegen Suburbanisierung angehen wie Niedersachsen.Wir können in Hamburg nicht Winsen/Luhe oder Buxtehude nachbauen, sondern haben wesentlich weniger Fläche und können nicht von dem Dichtegebot herunter, das wir innerhalb der Stadt brauchen. Wir müssen also dafür sorgen, daß dort, wo neue Ansiedlungen zustande kommen, die Menschen auch akzeptieren, daß es dichter sein wird als draußen, und sie akzeptieren es auch, wenn nicht opportunistische Politiker ihnen falsche Flausen in den Kopf setzen.

Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Kornweg. Dort machen wir den Versuch mit verdichtetem stadtnahem Wohnungsbau. Geplant waren 340 Wohnungen, da war der Druck schon erheblich.

(Werner Dobritz SPD: 440!)

440 sogar. – Dann wurde reduziert, und zuletzt lagen die Planungen unter dem Druck der Meinung bei 260.Und was ist die Haltung der CDU im Bezirk? 180 dürfen nur sein. Was machen Sie denn da, Herr Kruse? Sie kämpfen ja gegen Ihre potentielle Wählerschaft.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ihrer Aussage zufolge verzichten Sie auf 80 potentielle Wählerfamilien, oder an Ihrer Aussage stimmt irgend etwas nicht. Herr von Beust zieht durch die Walddörfer und sagt, stoppt den Bau neuer Wohnungen in den Walddörfern, dieser besorgniserregenden Verstädterung muß entgegengewirkt werden,

(Heiterkeit und Beifall bei der GAL und der SPD)

indem unnötiger Wohnungsbau vermieden wird. Unnötiger Wohnungsbau ist offenbar gerade der, der sich an die Leute wendet, die 4000 bis 8000 DM verdienen, die wir gerade in der Stadt halten wollen, weil sie sonst Ökosünder werden – wir wollen alle davor bewahren, Ökosünder zu werden –, weil sie sonst Sozialsünder werden, weil sie Separatisten

werden und sich in ihren Sondergebieten untereinander nur verhalten

(Ole von Beust CDU: Vermehren, meinen Sie!)

und nicht die soziale Begegnung mit anderen Menschen suchen, weil sie drittens Steuersünder werden, zumindest aus Hamburger Sicht, da sie in Schleswig-Holstein und anderswo Steuern zahlen, was uns leid tut.

All diese Auswirkungen können wir verhindern, aber wir müssen dann auch bereit sein, gemeinsam dafür zu arbeiten, daß in der Stadt Formen des Wohnens akzeptiert werden, die durchaus privat sein können, die abgeschlossen sein können, die dicht sind und wo Leute bereit sind, unter Bedingungen der Stadt Privatheit zu suchen.Das heißt, wir können nicht beliebig viele Wiesen mit Einfamilienhäusern bebauen.

Wir haben einmal ganz grob nachrechnen lassen, was im Flächennutzungsplan an Wohnungsbauflächen noch nicht belegt ist. Es sind knapp 550 Hektar, und die sind fast alle umstritten. Wenn Sie die mit Einfamilienhäusern bebauen wollen, selbst dicht bebaute Einfamilienhausgebiete, dann kommen Sie auf etwa 25 pro Hektar, das heißt 13 000 Wohnungen, und dann wäre das das Ende der Fahnenstange. Und dafür wollen wir diese Anstrengungen machen, das soll unser Programm sein, noch 13 000 Wohnungen in Hamburg gegen die Stadtflucht zu bauen, und dann ist das Ende der Fahnenstange erreicht, dann haben wir uns fürchterlich zerstritten, weil all die Flächen bebaut worden sind, die Herr von Beust auf keinen Fall bebaut haben möchte, und gleichzeitig haben wir nichts erreicht? Nein, wir müssen schon daran arbeiten, daß Leute, die zum Beispiel am Turmweg 9000 DM pro Quadratmeter ausgeben, um sich Wohnungen zu schaffen, die Dichte akzeptieren, die dort höher ist als in Steilshoop.

(Ole von Beust CDU: Die Studentenwohnungen!)

Nein, das sind keine Studenten, die dort Wohnungen gefunden haben, das liegt deutlich oberhalb der BAföGFinanzierung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Aber auch unter städtischen Bedingungen sind Leute bereit, Wohnformen zu akzeptieren, wenn das Umfeld stimmt und wenn sie die Chance haben, sich an der Entwicklung ihrer eigenen Projekte zu beteiligen. Wir müssen Eigentümergemeinschaften ermöglichen, die sich an der Entwicklung ihrer eigenen Projekte beteiligen können und darum auch städtische Wohnformen akzeptieren, die sie mit entwickelt haben.Nehmen Sie das Beispiel Zeisewiese. Da ist auch eine unglaublich hohe Dichte, und da mischen sich Sozial- und Eigentumswohnungsbau auf eine sehr gelungene Weise, und Leute bleiben in der Stadt, die sonst nach draußen gezogen wären. Das können wir erreichen, und das werden wir erreichen. Ob wir das ganz schnell auf 3000 in vier Jahren herunterbringen können, weiß ich noch nicht.Das kommt auch darauf an, wieviel dazukommt, aber wir arbeiten daran.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Tants.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Aus dem, was Herr Dobritz, Frau Möller und Herr Senator Maier gesagt haben, ergibt sich ein roter Faden: Man will in dieser Stadt lieber lange diskutieren als effektiv

handeln. Sie sagen, innerhalb der nächsten zwölf Jahre wollen wir irgend etwas reduzieren. Alles, was hier diskutiert wird, sind Denkmodelle.

(Antje Möller GAL: Sagen Sie doch mal ein konkre- tes Beispiel!)

Wir wissen seit einem Jahr, daß diese Zahlen vorliegen. Seit dieser Zeit wird immer nur diskutiert. Aber statt Vorschläge aufzugreifen, die die CDU macht, und in Kenntnis der Fachdiskussion in anderen Städten, kommen Sie lieber darauf, daß die Metropolregion gewachsen ist. Andere Städte kämpfen um ihre Bürger und akzeptieren – im Gegensatz zu der linken Hälfte dieses Hauses –, daß es Leute gibt, die gern in der Stadt bleiben wollen, aber dies nur unter bestimmten Bedingungen.

Es ist schwierig, dieses Thema in fünf Minuten abzuhandeln. Aber, meine Damen und Herren des Senats und der Mehrheitsfraktionen, Sie ignorieren unsere Vorschläge.Sie könnten 2001 anfangen zu handeln, indem Sie einer Hamburger Familie, die abwandern will, mit öffentlichen Mitteln von der Wohnungsbaukreditanstalt helfen, wenn sie ein gebrauchtes Objekt kaufen will. Aber nach wie vor muß eine junge Familie in solchem Fall erst drei Kinder haben. Aber, meine Damen und Herren, wenn die Familie erst einmal drei Kinder hat, ist es schwer, Eigentum zu finanzieren. Nehmen Sie diesen Vorschlag an, und sagen Sie schlicht und ergreifend, ab 2001 kann jeder, der in Hamburg ein gebrauchtes Objekt erwerben will, einen Kredit von der Wohnungsbaukreditanstalt bekommen. Es gibt Möglichkeiten, sich abzusichern.Beispielsweise müßten die neuen Eigentümer zusagen, zehn Jahre in Hamburg zu bleiben, oder wie auch immer.

(Erhard Pumm SPD: Das ist doch totaler Quatsch! Ich denke, die Leute sollen mobil sein!)

Es gibt die Möglichkeit, nachzusubventionieren, wenn ein Kind kommt. Das ist für Hamburg allemal billiger und hält diese Leute in Hamburg. Das ist nicht nur aus finanzpolitischer Sicht wichtig, wir brauchen diese Bevölkerungsgruppe auch zur Stabilisierung bestimmter Quartiere. Gehen Sie in den Bestand, und diskutieren Sie nicht zwölf Jahre. Es ist schlimm, wenn Sie nur von neuen Objekten sprechen. Natürlich kann das Eigenheimprogramm ideenvoller sein. Herr Dobritz, Sie wollen uns jetzt wieder stigmatisieren, indem Sie sagen, wir wollen in großem Umfange städtische Wohnungen verkaufen. Sie probieren es nicht einmal.