Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vom Senat in Auftrag gegebene Studie „Stadtentwicklung und Demographie“ zeigt...
Meine Damen und Herren! Erstens merke ich auch von hier oben, daß ich mich nicht besonders gut höre. Deswegen bitte ich noch einmal die Technik um Hilfe.
Sie hören es gut, das ist schön. Zweitens, meine Damen und Herren, müssen Sie, um die Rednerinnen und Redner hier vorne gut verstehen zu können, auch Ihre Gespräche im Plenarsaal einstellen. Deswegen bitte ich um etwas mehr Ruhe.
Die vom Senat in Auftrag gegebene Studie „Stadtentwicklung und Demographie“ zeigt, die Allianz für Hamburg, Herr Bürgermeister, ist eine gute Sache. Aber noch besser wäre eine Allianz mit den Hamburger Bürgern, die Ihnen den Rücken ins Umland kehren, weil sie einen wesentlichen Lebenswunsch in unserer Stadt nicht erfüllen können, den Lebenswunsch nach Wohneigentumsbildung. Diese Debatte ist zwar nicht neu, aber sie ist immer wieder auch für die Stadt sehr unerträglich, denn diese Bürgerinnen und Bürger verlassen Hamburg nicht, weil sie die Stadt nicht attraktiv finden. Sie bleiben in der Metropolregion, sind also der Stadt verbunden, gehen uns aber als Steuerzahler verloren, und durch den Finanzausgleich, wie ich finde, in dramatischer Weise.
Seit 1992, das zeigt die Studie, haben 75 000 Hamburger und Hamburgerinnen mit ihren Kindern die Stadt verlassen. Das entspricht einem Verlust an Einnahmen in diesem Jahr von 450 Millionen DM; dies ist fast der halbe Finanzausgleich. Und, Herr Bürgermeister, wer – da bin ich Ihrer Meinung – zu Recht für die Einwohnerwertung im Finanzausgleich kämpft, muß auch um seine Einwohner kämpfen und sie nicht reisen lassen. Das kann auf Dauer auch in der Argumentation mit anderen Bundesländern zu Schwierigkeiten führen.
In der Summe sind seit 1992 über 2 Milliarden DM nicht in der Stadtkasse geblieben.Nun könnten Sie zynisch sagen, wer wegziehe, koste nichts, das ist aber falsch. Eine vierköpfige Familie, die wegzieht, hat Mindereinnahmen für Hamburg in zehn Jahren von 240 000 DM zur Folge. Nehmen wir an, sie haben zwei Kinder, die zur Schule gehen, die kosten in der Zeit etwa 100 000 DM. Dann bekommen sie noch die Wohnungsbauförderung, die kostet vielleicht 50 000 DM. Dann haben wir als Hamburger immer noch 10 000 DM pro Jahr Mindereinnahmen nur durch den Wegzug von Leuten, die eigentlich lieber in Hamburg geblieben wären. Dies ist nach meiner Meinung eine seit langem falsch angelegte Stadtpolitik.
Nun ist es ja nicht so, daß Einwohner, die fortziehen, bei uns keine Kosten mehr produzieren. Sie produzieren als Pendler Kosten im subventionierten HVV, sie besuchen unsere subventionierten Staatstheater, sie gehen in Bücherhallen und leihen sich Bücher aus – alles erlaubt. Sie besuchen unsere Berufsschulen und Hochschulen als defizitäre Betriebe.
Dann müssen wir noch fragen, welche Kosten diejenigen Hamburger, die wegziehen, indirekt produzieren. Da sind einmal die beachtlichen Kosten, wie es so schön im Soziologendeutsch heißt, der Verschlechterung der sozialen Struktur. Mit anderen Worten: Sie spalten die Hamburger Bevölkerung, und zwar in jene, die reich sind und ihr Eigentum in den besseren Vororten – wie es so nett heißt – verwirklichen können, in jene, die arm sind, die im Zweifel Anspruch auf eine Sozialwohnung haben und unserer Stadt treu bleiben, und in jenen dritten Teil, den Sie vertreiben, die etwas haben, aber mit diesem Etwas in Hamburg nichts anfangen können und deswegen ins Umland ziehen.
Nun fragt man sich unter ökonomischen, fiskalischen, demographischen und sozialen Gesichtspunkten, wenn das alles so unsinnig ist, wie kommt es eigentlich, daß diese Politik fast über 30 Jahre ungestört gemacht werden konnte. Es macht für mich nur einen Sinn:Die SPD weiß, daß diese demographische Struktur ihre Wählerschaft begünstigt. Das ist der einzige rationale Grund, und das muß beendet werden.
(Beifall bei der CDU – Barbara Duden SPD: Ach, das hätte ich nicht erwartet! und Lachen bei der SPD)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal zu den Hamburgern, die Hamburg den Rücken kehren.Wir müssen uns einmal folgende Zahl vergegenwärtigen: Seit 1994 sind aus dem Bundesgebiet jährlich 34 000 Menschen nach Hamburg gekommen. Im Saldo Bundesgebiet/Hamburg hat Hamburg einen jährlichen Nettozuwachs von 8000 Personen, 87 Prozent Deutsche, 13 Prozent Ausländer, 50 Prozent Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährige und 60 Prozent weiblich. Diese Zahl drückt zunächst einmal aus, daß Hamburg als Wirtschaftszentrum mit einem attraktiven Ausbildungs- und Arbeitsplatzangebot gerade junge Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet anzieht, und dieses ist eine sehr wichtige Botschaft.
In diesem Zusammenhang – da gebe ich Ihnen recht – haben wir, wie in den siebziger Jahren, seit 1995 zunehmend wieder eine negative Umlandwanderung mit, wenn die Untersuchung stimmt, in der Spitze 1998 rund 9000 Personen. Wir kennen auch die soziologischen Kriterien, wissen also zum Beispiel, daß es sich weitgehend um Deutsche handelt, um Personen, die in der Familienerweiterungsphase sind, und um Personen mit mittleren bis gehobenen Einkommen. Ich gebe Herrn Kruse durchaus recht, dies sind alles Personen, um die es sich lohnt zu ringen, daß sie in Hamburg bleiben.
Sie haben darauf hingewiesen, daß Hamburg pro Person ungefähr 6000 DM an Steuern verliert. Das Irre an dieser Zahlenspielerei ist aber, daß diese 6000 DM Verlust gar nicht als Einnahme in der Gemeinde ankommt. Der Länderfinanzausgleich und die Kommunalverfassung der Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein führen im Endergebnis dazu, daß ein Bürger, der hier 6000 DM Steuerverlust produziert, zum Beispiel in der Gemeinde Hasloh lediglich 600 DM Steuermehreinnahmen produziert. Die restlichen 5400 DM bleiben entweder im Länderfinanzausgleich hängen, oder die kommunale Finanzverfassung hat etwas davon, zum Beispiel Eckernförde oder Schaumburg-Lippe.
Das hier diskutierte Thema ist unter diesen Gesichtspunkten eigentlich eines, das die Regionen um Hamburg, die Bauplätze anbieten, einmal für sich diskutieren müssen.Ihr Aufwand, bezogen auf das Einkommen durch Steuermehreinnahmen, steht in einem sehr schlechten Verhältnis.Aber wir sollten uns in dieser Frage ein Ziel setzen. Unser politisches Ziel sollte sein, bis 2012 den negativen Wanderungssaldo auf 3000 bis 4000 pro Jahr zu reduzieren.Dazu muß man bestimmte fachpolitische Maßnahmen einläuten. Es ist nicht nur aus finanzwirtschaftlichen Gründen ein Ziel, sondern auch aus stadtentwicklungspolitischen, aus öko
logischen, aus verkehrlichen Gründen und auch aus Gründen der Entgegenwirkung von Segregationstendenzen.
Auf was sollte man bei diesen Maßnahmen verzichten? Erstens würde ich dem Senat immer raten, auf einen Preiskampf mit dem Umland zu verzichten; den gewinnt man bei Grundstücken sowieso nicht. Und zweitens würde ich darauf verzichten, weil die CDU uns das vorschlagen wird, im großen Stil SAGA- oder GWG-Wohnungen in Eigentum umzuwandeln. Wir brauchen diesen Bestand zur sozialen Stabilität dieser Stadt.
Beim Bürger entscheiden immer zwei Dinge, wegzuziehen: der Preis und die Leistung. Und beim Preis sind es natürlich die günstigen Grundstücke und zinsgünstige Kredite. In diesem Zusammenhang hätte die SPD-Fraktion zum Beispiel nichts dagegen, wenn freiwerdende finanzielle Mittel aus dem Hamburger Haushalt, die nicht für den geförderten Mietwohnungsbau abfließen, in die Eigentumsfinanzierung gehen. Ich bin auch der Meinung, daß es zulässig ist, im Rahmen des Eigenheimprogramms der Finanzbehörde Eigentumsgrenzen wie in Berlin auch zu überprüfen.
Doch was beeinflußt die Leistung neben neuen Bautypen und dergleichen mehr? Die Standorte mit hoher Umfeldqualität.Wir hatten im Jahr 1998 einen negativen Saldo von 9300. Er läuft schon positiver und ist in diesem Jahr bei ungefähr 7500, und es besteht die Chance, dies zu verbessern.
Ich komme mit den fünf Minuten Redezeit nicht so gut klar. Ich melde mich noch einmal, um auf die Flächen zurückzukommen.– Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will nicht so viel über Geld und Zahlen reden, sondern versuche zu ergründen, ob Herr Kruse mit seinem letzten Satz recht hat, daß nämlich diese Stadt-UmlandWanderung ein gezieltes Ergebnis der SPD-Politik sei.
Ich möchte auf eine kleine Quelle aus dem 13.Jahrhundert verweisen. Im 13. Jahrhundert hat der Rat der Stadt Siena schon verfügt, daß jährlich 100 Familien, die auf ihren Landsitzen um die Stadt herum saßen, in die Stadt zurückgeholt werden sollten, innerhalb der Stadtmauern sozusagen für Ruhm und Ansehen der Stadt sorgen sollten. Erstaunlicherweise hat der Rat diesen Familien, die bereit waren, das anzunehmen, einen Palast oder ersatzweise Steuerfreiheit bereitgestellt.Ich weiß nicht, ob man das hier ernsthaft erwägen sollte, aber es zeigt auf jeden Fall, daß das Problem schon ein bißchen älter ist als jede sozialdemokratische Regierung.
Es ist schlicht und einfach ein Kennzeichen der westeuropäischen Großstädte im 21.Jahrhundert und bezieht sich vor allem auf Verluste in der Kernstadt. Aber an Hamburg sieht man, daß sich diese Verluste auch bis in den äußeren Ring hineinziehen. Das Thema hat im übrigen nicht nur die CDU erkannt, sondern es gibt seit ungefähr zwölf Monaten, wenn nicht schon etwas länger, diverse nationale und internationale Kongresse, große Gutachten werden vergeben. Jetzt haben wir wieder ein Gutachten der Stadtentwicklungsbehörde gesehen, es gibt ein relativ neues Gutachten von der Technischen Universität und weitere.Es gibt im übrigen auch in den Stadtteilen und Quartieren in Hamburg und in anderen Großstädten Initiativen und Projekte, es gab sogar einen Grünen-Kongreß zu dem Thema.
Ja, erstaunlich. – Im Ziel sind sich, glaube ich, alle einig. Es geht darum, die Motivation möglichst weit aufgefächert zu erkennen, die Zahlen zu bewerten und nach Lösungen zu suchen. Ich halte es für einen Trugschluß, zu sagen, es gibt ein Konzept, das die Stadt-Umland-Wanderung tatsächlich stoppen oder den Trend sogar umkehren kann. Dieses Konzept werden wir nicht finden, das gibt es nicht.
Individuellen Entscheidungen muß man gute Angebote gegenübersetzen. Sie wissen alle, daß die Normalfamilie, an der man vor 30 Jahren – Herr Kruse hatte die Zahl genannt – die Wohnangebote ausgerichtet hat, schon lange nicht mehr zur statistischen Normalität gehört. 8 Prozent der Familien leben noch mit zwei Kindern unter 18 Jahren.
Wir brauchen Angebote für das Zusammenleben von verschiedenen Generationen. Nachbarschaften müssen sich gründen können, Wohnen im Alter mit Behinderten zusammen oder selbstbestimmtes Wohnen ist das neue Stichwort. Wir brauchen kleine Wohneinheiten, immer Eigentum und Mieten gemischt,