Protocol of the Session on October 11, 2000

(Dietrich Wersich CDU)

Wenn Sie sich zum Anwalt von Patienteninteressen machen, die dadurch besser versorgt werden, daß sie länger im Krankenhaus bleiben, dann kann ich nur sagen, auch für ältere Menschen ist es durchaus nicht ungefährlich, längere Zeit im Krankenhaus zu liegen, wenn man die Zahl der Infektionsstatistiken und Toten durch Krankenhausinfektionen in diesem Lande betrachtet. Es ist also überhaupt kein Wert an sich, lange im Krankenhaus zu liegen. Worum es geht, ist die Qualität der Versorgung und die Qualität der Vorbereitung der Entlassung der Patienten. Das muß allerdings in Zusammenarbeit mit den Hausärzten und den Pflegediensten geschehen. Das ist ein Qualitätsmerkmal, auf das besonders die Inneren Abteilungen zu achten haben. Die Grünen verteidigen keine Bettgestelle, sondern Versorgungsangebote.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn wir den Fortschritt der Medizin – besonders in der Chirurgie – betrachten, dann ist dort das alternative Angebot des ambulanten Operierens sicher in der Lage, vieles von den wahrscheinlich 1200 Betten, die in der Chirurgie eingespart werden sollen, qualitativ aufzufangen. Es geht immer um Qualität.Sowohl die stationären als auch die ambulanten Angebote müssen ihre Qualität nachweisen.

Sorge bereitet uns die Psychiatrie. Die Grünen sind sicher die letzten, die Psychiatriebetten einfach so verteidigen. Uns geht es darum sicherzustellen, daß die ambulanten, wohnortnahen Versorgungsangebote wirklich gewährleistet sind, wenn Psychiatriebetten abgebaut werden. Da ist in Hamburg sicher noch einiges zu tun.

Auch bei der Notfallversorgung sollen 19 Standorte auf zwölf reduziert werden. Für die Notfallversorgung ist auch die Kassenärztliche Vereinigung zuständig. Sie hat einen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen, den sie in den fachärztlichen Gebieten der Notfallversorgung ganz offensichtlich nicht erfüllt, denn sonst wäre die Zahl der Notfallversorgung in den Polikliniken im UKE besonders am Wochenende nicht erklärbar. Da ist es allerdings eine Bringeschuld der ambulanten Versorgung derer, die das Monopol darauf haben, dafür zu sorgen, daß in Zusammenarbeit mit den Kliniken in Hamburg die Notfallversorgung verbessert wird.Da hat die KV bisher immer gemauert und sich nicht auf eine Zusammenarbeit zum Beispiel mit dem LBK eingelassen.

Wenn dieses Gutachten von allen Beteiligten in dem moderierten Prozeß unter der Berücksichtigung akzeptiert wird, daß immerhin 25 Prozent der Hamburger Patienten von auswärts kommen, ist ein großer Fortschritt bei der weiteren Planung der Versorgung erzielt worden. Die integrierte Versorgung, das heißt die Zusammenarbeit der Krankenhäuser mit den niedergelassenen Angeboten – nicht nur der Ärzte, sondern auch der Pflegedienste und Therapeuten –, ist eine Chance, die wir morgen weiter besprechen werden.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Jobs.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Petersen, es ist doch noch gar kein Wahlkampf. Ich verstehe nicht, warum Sie sich nicht ein bißchen ernsthafter mit der Kritik auseinandersetzen können. Hier zu sagen, alles ist gut in Hamburg, ist angesichts der Situation ein bißchen dürftig.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und der CDU)

Diese Debatte um den Krankenhausbedarfsplan ist ein Spiegelbild der Veränderung im Gesundheitswesen. Ausgelöst durch die besseren Behandlungsmethoden, den Kostensenkungsdruck im Gesundheitswesen inklusive der Pauschalisierung der Kosten und der notwendigen Debatte „ambulant vor stationär“ hat sich vieles verändert. Da muß man ab und zu nachgucken, ob das tatsächlich eine Veränderung ist, die in der Gesamtheit immer in die richtige Richtung geht.

Bei all diesen richtigen Aspekten braucht es eine ständige Kontrolle, ob nicht einer davon auch einmal über ein Ziel hinausschießt. Mitunter braucht es auch einmal ein Gegensteuern, denn „ambulant vor stationär“ hat zum Beispiel da Grenzen, wo Menschen offenbar halbkrank – hat der Kollege gesagt – entlassen werden. Das muß deutlich werden, ob hier noch die Zieldefinition richtig ist. Es kann nicht das Ziel sein, daß demnächst zur Vermeidung von Klinikaufenthalten Blinddarmoperationen als Do-it-yourself-Pakete von den Krankenkassen abgegeben werden. Da muß immer wieder überprüft werden, wo Grenzen sind.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Natürlich muß bei der neuen Pauschalisierung immer wieder berücksichtigt werden, daß Heilung mehr bedeutet als nur operieren, daß es möglicherweise auch länger dauert, bis einige Menschen genesen und entlassungsreif sind. Wie die Entwicklung in diesem Spannungsfeld verläuft, darf nicht dem freien Spiel der Kräfte der Krankenkassen und der Krankenhausbetreiber überlassen werden. Allerdings befürchte ich, daß mit dem Gutachten keine Grenzen gesetzt werden, sondern die Entwicklung, immer bessere Technik, immer weniger Betten und viel zu oft auch immer weniger Personal in den Krankenhäusern, auf die Spitze getrieben wird. Wenn tatsächlich in dieser Stadt 2600 Betten abgebaut werden sollen, dann wird es – das ist schon deutlich geworden – Standortschließungen nicht ausschließen. Es wird natürlich wieder die kleinen Krankenhäuser, möglicherweise auch die kleinen Krankenhäuser der Freien Träger treffen.

Man muß ein bißchen weiter darüber nachdenken, was das in Hamburg bisher für eine Qualität bedeutet hat, eine solche Vielfalt von Krankenhäusern überall in der Stadt zu haben.

(Peter Zamory GAL: 51! Das ist doch eine Menge!)

Die Debatte, Herr Zamory, um das Hafenkrankenhaus hat gezeigt, der Standort eines Krankenhauses ist nicht nur die Frage von Kosteneffizienz, sondern es gibt viele andere Aspekte, die natürlich berücksichtigt werden müssen. Eine noch so miese Entscheidung, wie die Schließung des Hafenkrankenhauses, darf es in dieser Stadt nicht noch einmal geben.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Zu dem Gutachten ganz speziell: Da wird noch einiges im Konkreten zu debattieren sein. Ich habe mich extrem über die Annahme gewundert, so viele Betten im Bereich Geriatrie abbauen zu können. Das ist natürlich angesichts der Entwicklung der Bevölkerung in Hamburg höchst verwunderlich, wenn Sie glauben, diesen immer älter werdenden Menschen immer weniger Betten in dieser Stadt anbieten zu können. An dieser Frage wird es, wenn es um den Krankenhausbedarfsplan geht, in der nächsten Zeit noch eine ganz harte und kritische Auseinandersetzung geben. Hier

(Peter Zamory GAL)

A C

B D

braucht es ein kritisches Hinterfragen, damit es nicht zu einer Standardabsenkung der Versorgung der Bevölkerung in Hamburg kommt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Dietrich Wersich CDU)

Das Wort hat Frau Senatorin Roth.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, daß wir in diesem Parlament noch weitere Debatten darüber führen werden, welche Entwicklungen wir im Bereich der Krankenhäuser zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und darüber hinaus des gesamten Umlandes vor uns haben. Die Hamburger Krankenhäuser sind so gut, daß ein Viertel der Patienten von außerhalb kommt. Es ist positiv, daß die Krankenkassen im Rahmen des Gutachtens die Metropolfunktion der Krankenhäuser in dieser Stadt anerkannt haben. Das hat qualitativ sehr große Folgen. Hier wird sowohl von den Krankenkassen als auch vom Gutachter akzeptiert und anerkannt, daß in dieser Stadt Spitzenmedizin, Spitzenleistungen, Spitzenqualität erfolgen. Das ist natürlich Qualität hohen Ranges.

Aus diesem Grunde bin ich sehr froh, daß die von mir eingerichtete Lenkungsgruppe das Gutachten im Konsens abgenommen hat. Das war nicht voraussehbar. Sie erinnern sich: Noch im Januar hatten wir hier diskutiert, daß die Krankenkassen aussteigen wollten. Sie sind im Boot geblieben, und am Ende der ersten Phase des Prozesses haben sie, die Krankenhausgesellschaft und die Behörde dieses Gutachten im Konsens als Planungsgrundlage abgenommen. Jetzt folgen natürlich die weiteren Schritte der Umsetzung. Aber lassen Sie mich einige Punkte zu dem Gutachten sagen.

Es ist richtig, der medizinische Fortschritt – Herr Zamory, Sie haben das deutlich gemacht – ist so weit vorangeschritten, daß wir in der Lage sind, ambulant zu operieren. Dieses war in der Chirurgie vor einigen Jahren noch nicht möglich.

Das Gutachten kommt zu der interessanten Aussage, daß in Hamburg das Angebot im ambulanten Bereich angenommen wird, obwohl wir in Hamburg ein gutes Angebot an stationären Plätzen haben. Das gute Angebot trägt also nicht dazu bei, daß die Menschen „ambulant vor stationär“ nicht annehmen. Das bedeutet, wir haben im niedergelassenen Bereich Spitzenleistungen beim ambulanten Operieren. Der Gutachter ist zum Ergebnis gekommen, daß dies ein besonderes Zeichen für Hamburg ist.

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist: Es ist im Gutachten vorgesehen, daß die Zahl der Behandlungen um 4,7 Prozent steigen wird, aber gleichzeitig durch die Reduzierung der Verweildauer natürlich die Betten weniger werden.Aber jeder Experte auf dem Gebiet der Krankenhausplanung und des Gesundheitswesens weiß, daß Betten noch keine Qualität an sich sind.

(Dietrich Wersich CDU: Das ist nicht die Gretchen- frage!)

Ja, Herr Wersich, prima.

Deshalb ist die Gretchenfrage nicht die, die Sie mir gestellt haben, wieviel Betten es in Zukunft sein werden. Entscheidend wird sein, wie die Fälle in den Krankenhäusern durchgeführt werden und ob es das entsprechende Angebot gibt,

das notwendig ist. Darum ist die Zahl richtig, die öffentlich kommuniziert worden ist. Wir werden im zweiten Teil der Umsetzung darüber diskutieren, in welchen Bereichen wir die Kürzung vollziehen.

Ich habe bereits mehrfach gesagt, daß wir uns in Hamburg vorbereiten, diesen Prozeß zu gestalten. Wir haben deshalb 100 Millionen DM für Strukturinvestitionen vorgesehen. Einige dieser Prozesse haben wir eingeleitet. Denken Sie an das AK Bergedorf und das Evangelische Krankenhaus Bethesda, die fusioniert haben. Das ist ein Prozeß dieser Strukturinvestition. Weitere Krankenhäuser werden im Hamburger Westen folgen. Ein Beispiel ist auch das AK Barmbek. Wir Politiker müssen gemeinsam mit den Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft planerisch die Voraussetzungen dafür schaffen. Gemeinsam heißt natürlich, die freien Gemeinnützigen auf der einen Seite und der LBK Hamburg auf der anderen Seite.

Nachdem der erste Prozeß schwierig angelaufen, aber trotzdem erst einmal im Konsens beendet ist, gehe ich davon aus, daß wir in die zweite Phase gehen werden. Natürlich wird das zur Konkretisierung kommen, die nicht immer einfach sein wird, wenn die Krankenhäuser davon betroffen sind. Zum ersten Mal sind in das Gutachten nicht nur die Krankenhäuser aufgenommen worden, die bisher im Plan waren, sondern auch all diejenigen Krankenhäuser, die nur mit den Krankenkassen Versorgungsverträge hatten. Es wird ein schwieriger Prozeß, aber ich gehe davon aus, daß alle Beteiligten ein Interesse daran haben, im Interesse der Patienten und im Interesse der Wirtschaftlichkeit des gesamten Systems zu einer Lösung zu kommen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Wersich.

Frau Senatorin Roth, die Gretchenfrage war schon eine andere, nämlich: Wie halten Sie es als Senatorin für Gesundheit und gleichzeitig als Vorsitzende des Aufsichtsrats des LBK, der 55 Prozent der Krankenhausleistung in Hamburg erbringt? In dieser Doppelfunktion ist die Frage, wie verhalten Sie sich da in einem Umstrukturierungsprozeß? Wir haben zu kritisieren, daß in den letzten Jahren 80 Prozent der staatlichen Mittel in den LBK geflossen sind und nur 20 Prozent in die Freigemeinnützigen, obwohl die 45 Prozent der Leistungen erbringen. Das ist für uns das böse Omen, was diese Interessenkollision angeht, die Sie dort auszuhalten haben.

Herr Dr. Petersen, es tut mir leid, offenbar hat Sie der Inhalt meiner Rede etwas überrascht. Sie haben da oben einen Zettel verteilen lassen, noch bevor ich geredet habe, auf dem Sie bereits meine Rede beurteilen und mir Panikmache und Schlechtreden vorwerfen.

(Zurufe von der SPD: Das war doch so!)

Es tut mir leid, daß ich Ihrer Erwartung nicht entsprochen habe und weder Panikmache noch Schlechtreden gemacht habe.

(Beifall bei der CDU)

Aber stilistisch dann nicht einmal von diesem Vorwurf abweichen zu können, ist ein bißchen arm. Ich habe gesagt, die Rolle der Politik beginnt dabei, das Wohl des Patienten in einer Situation zu verteidigen, in der sich die Krankenhausbesitzer und die Krankenkassen – beide aus sehr stark wirtschaftlichem und geldlichem Interesse – über die

(Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Frage miteinander verständigen, wie Krankenhäuser aussehen sollen. In diesem Prozeß sind Fachleute, Ärzte und Patienten nicht beteiligt.

(Peter Zamory GAL: Das stimmt doch nicht!)

Deshalb muß sich die Politik um die Konsequenzen kümmern. Ich habe ebenfalls gesagt, daß die Entwicklung Chancen und Risiken beinhaltet. Auch heute ist es schon so, daß durch die Verkürzung der Liegedauer für viele Menschen das Risiko besteht, daß nicht mehr die Zeit da ist, um den Menschen ganzheitlich zu erfassen, damit der Patient Vertrauen fassen und Maßnahmen zustimmen kann. Er ist zum Teil als alter Mensch im schwer hilfebedürftigen Zustand nach wenigen Stunden wieder zu Hause und muß sehen, wie er zurechtkommt.

(Glocke)

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Herr Wersich? (Zu- stimmung)