Protocol of the Session on September 20, 2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr von Beust und Herr Reinert waren angesichts all dieser inhaltlichen Rückschritte, die Sie in der letzten Zeit gemacht haben, richtig atemlos geworden. Tatsächlich war die CDU im Bereich Ökosteuer, im Bereich Ökologie schon einmal viel weiter, auch hier im Haus. Das ist eine bittere Erkenntnis aus dem ersten Teil der Debatte.

Auch die CDU hatte schon einmal erkannt, daß es notwendig ist, das Klima zu schützen, daß es notwendig ist, die Umwelt zu schützen. Selbst der „Kofferkanzler“ hat die Klimakonvention unterschrieben.Diese Erkenntnis zwingt Sie doch dazu, Maßnahmen zu ergreifen, um die CO2-Emission zu verringern. Selbst Sie können doch nicht umhin, zu erkennen, daß der Verkehr ein ganz zentrales Problem da

(Ole von Beust CDU)

bei ist. Die von Ihnen verschuldete Zunahme des Schwerlastverkehrs, die ständige Besserstellung des Autofahrens gegenüber anderen Verkehrssystemen ist ein Problem, das durch Reduktion gelöst werden muß.

(Beifall bei Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

All das war auch schon einmal der CDU in diesem Haus bekannt. Aber nein, Sie sehen jetzt eine einmalige Chance, aus Ihrem Meinungsumfragentief herauszukommen. Da ist es Ihnen völlig egal, wie verlogen eine Kampagne ist. Hauptsache, Herr Salchow, Sie werden einmal wieder so richtig gemocht, und dafür lassen Sie sich vor jeden Brummi spannen.

(Heiterkeit und Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke, bei der SPD und der GAL)

Diese Ökosteuer-Kampagne ist verlogen wie kaum eine andere vorher.Denn wer verursacht denn die hohen Preise für Benzin, Heizöl und anderes? Diese popelige Ökosteuer ist doch ein Witz. Das sind doch ganz andere Mechanismen. Das Kartell der Mineralölfirmen in Kooperation mit den Erdölproduzenten hat sich doch inzwischen soweit organisiert, daß sie gemeinsam den Preis und damit ihren Profit erhöhen können. Die sind natürlich ganz dankbar dafür, daß sie so willige kleine Helfer von der CDU haben, die gerne immer wieder Nebelkerzen in diese Debatte werfen, um genau das zu verschleiern.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke, bei der GAL und der SPD)

Wichtig ist deshalb nicht, gegen eine gestiegene Ökosteuer zu lamentieren, sondern endlich dafür zu sorgen, daß der Verbrauch an Ressourcen abnimmt, denn die sind endlich. Das haben wir auch schon gehört. Nicht nur, damit unsere Enkel auch noch eine Kanne Öl fördern können, sondern damit Natur und Umwelt so erhalten bleiben, daß sie in der Welt auch wirklich gut leben können, um diese Kanne Öl auch zu fördern.

(Dr. Roland Salchow CDU: Oh, Sie Träumer!)

Und genau dafür brauchen wir ein Umsteuern. Wer Klima schützen will, seinen Enkeln eine intakte Umwelt hinterlassen möchte, der muß als erstes den Verkehr reduzieren. Deshalb, meine Herren von der CDU, haben Sie doch genau drei Möglichkeiten, konsequent darauf zu reagieren. Entweder Sie fordern Fahrverbote oder aber eine Preisanhebung auf Benzin bei gleichzeitigem Ausbau des ÖPNV, oder Sie stellen sich hier hin und erklären, daß Ihnen das Klima, daß Ihnen die Umwelt völlig wurscht ist. Ohne Zweifel, dann würden Sie mal wieder eine selten erreichte Glaubwürdigkeit an den Tag legen, wenn Sie das tatsächlich behaupten würden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der SPD)

Noch einmal zum tatsächlichen Ökosteuer-Konzept. Es stellt sich natürlich die Frage, was eigentlich „Öko“ daran ist. Diese winzigen Schritte, diese minimalen Preiserhöhungen, die es gegeben hat, haben doch absolut keine Lenkungswirkung, denn Ökosteuer heißt doch vom Prinzip her, daß das belohnt wird, was die Umwelt schützt, und bestraft wird, was tatsächlich der Umwelt schadet.Genau dieses Prinzip nimmt die Ökosteuerreform doch gar nicht auf, denn belohnt werden hier sicherlich die rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, aber in erster Linie doch die Unternehmen, die riesige Summen sparen können, aber

nicht diejenigen, die sich tatsächlich umweltbewußt verhalten können.

Der andere Aspekt. Es hieß auch mal ökosoziale Steuerreform.Es sollten durchaus auch soziale Komponenten mit eingeführt werden. Es sollten die Personengruppen, Bevölkerungsgruppen, die tatsächlich keine Möglichkeit haben, davon zu profitieren, daß Rentenversicherungsbeiträge gesenkt werden, einen Ausgleich bekommen. Es sollten Sozialhilfeempfängerinnen und Rentnerinnen, deren Heizkosten natürlich gestiegen sind, einen Ausgleich bekommen.All das ist bisher überhaupt noch nicht passiert. Es ist noch nicht einmal in der Debatte, sondern diese Menschen, die keine Chance haben, vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen, deren Ölheizung nach wie vor das Geld kostet, haben tatsächlich keine Chance bekommen, dafür einen Ausgleich zu erhalten.

Alles in allem bleibt festzustellen, daß das Ökosteuer-Konzept bisher den Namen kaum verdient. Aber es ist ein Anfang, und deshalb ist es wichtig, daß diese Ökosteuer verteidigt und vor allem ausgebaut wird, damit sie tatsächlich einmal lenken kann.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Professor Salchow.

Herr Präsident! Zunächst einmal muß man festhalten, daß all diejenigen von Rotgrün und REGENBOGEN, die hier den Treibhauseffekt erwähnen, Krokodilstränen weinen.Denn in dem Moment, wo Sie Atomkraft und Kernkraft abschalten, dürfen Sie nicht gleichzeitig wie der Kanzler vom Zubau von Kohlekraftwerken reden. Darum war Ihr Argument unehrlich.

(Beifall bei der CDU)

Wer hat vom Senat die Hauptrede gehalten? Die Finanzsenatorin! Und der Ökosenator durfte noch ein paar Kommentare hinterherliefern. Das ist ein typisches Zeichen für die Ökosteuer, denn sie ist zunächst einmal eine Steuer zum Kassieren, und über Öko unterhalten wir uns danach. Genau das haben Sie demonstriert durch Ihre Reihenfolge.

(Beifall bei der CDU)

Was war immer die Definition der Ökosteuer? Erstens sollte sie ökologisch regeln, und zweitens sollte sie die Lohnnebenkosten senken, damit Arbeit billiger wird. Das wollte man auf dem Wege machen, den Rentenanteil an den Lohnnebenkosten zu verringern.

Nun sollten wir sehen, ob das wirklich passiert ist. Bei der ersten Stufe der Ökosteuerreform ist es mit 12 Milliarden DM übrigens noch gelungen. Da wird tatsächlich das, was man bei der ersten Stufe 1999 eingenommen hat, durch eine Senkung des Rentenbeitrags von 20,3 auf 19,5 Prozent umgesetzt.

Aber die zweite und dritte Stufe, die jetzt kommen, die 11 Milliarden DM – da hat Ole von Beust recht –, gehen eben nicht in diese Zielsetzung, und das müssen Sie wirklich einmal sehen, Herr Senator Porschke, wenn Sie dazu etwas sagen. Da werden von diesem Aufkommen von 11 Milliarden DM 1,7 Milliarden DM zum Ausgleich von zusätzlichen Zahlungen des Bundes abgezogen, die aufgrund eines Rentenkorrekturgesetzes 1999 gemacht wurden. Das hat nichts mit Öko zu tun. Das hat auch nichts mit Lohnnebenkostensenkung zu tun.

(Lutz Jobs REGENBOGEN – für eine neue Linke)

(Zuruf von Dr. Hans-Peter de Lorent GAL)

Nein, das geht nicht in die Lohnnebenkosten. Weitere 4,2 Milliarden DM werden aus dem Aufkommen der zweiten und dritten Stufe Ökosteuer abgezogen, um die Bundeskasse zu entlasten, weil nämlich die Rentenbeiträge für Arbeitslosenhilfebezieher finanziert werden sollten. Das hatte immer der Bund getan.Das hat nichts mit Lohnnebenkosten zu tun.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Doch!)

Was hat der Ersatz von Kosten für Arbeitslosenhilfebezieher mit Lohnnebenkosten zu tun? Nichts und gar nichts. Sie verstehen nichts von der Sache.

(Beifall bei der CDU)

Das geht weiter. Das sind alles Entlastungen des Bundesetats. Die haben weder etwas mit Öko zu tun, noch haben sie etwas mit der Senkung von Lohnnebenkosten zu tun. Da wird eine weitere halbe Milliarde DM abgezogen, um Rentenbeiträge für Wehr- und Zivildienstleistende zu zahlen.Was hat das mit Öko zu tun? Was hat das mit der Senkung der Lohnnebenkosten zu tun? – Nichts.

Weitere 1,1 Milliarden DM: Der Bund hat immer eingezahlt in die allgemeine Rentenkasse. Das war nie bestritten zwischen irgendwelchen Parteien. Jetzt kommt Herr Eichel und möchte aus dem Ökosteueraufkommen noch einmal 1,1 Milliarden DM zusätzlich haben, weil er den Bundeszuschuß zur Rentenfinanzierung senken will. Auch das hat nichts mit den Lohnnebenkosten und nichts mit Öko zu tun.

(Uwe Grund SPD: Solch eine Ignoranz ist nicht zu fassen!)

Von diesen 11,5 Milliarden DM nehmen Sie 7,5 Milliarden DM, um den Etat von Herrn Eichel zu reduzieren und zu sanieren. Darum ist es keine Ökosteuer. Das muß man sagen, damit diese Behauptung von Herrn Porschke nicht stehenbleibt.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind Volksvertreter. Das Volk ist zu 80 Prozent gegen die Ökosteuer, jedenfalls in dieser Formulierung. Das kann auch nicht aufgewogen werden durch 6 Prozent Grüne, denn in meinen Augen sind 6 Prozent Grüne nicht schlauer als 80 Prozent des Volkes. Darum müssen wir hier etwas tun. Daher kommt jetzt Ihre Reparaturmasche.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Das ist noch die Frage!)

Weil Sie jetzt das Unsinnige Ihres Tuns und die deutlichen sozialen Folgen sehen, versuchen Sie ja, Reparaturmaßnahmen zu machen. Die Folgen sind ja bei den Leuten, die weniger verdienen. Das ist ganz klar. Die Leute, die weniger verdienen, haben dann Probleme mit der Ökosteuer. Wenn Sie die Kilometerpauschale erhöhen – da hat doch Herr Hackbusch recht –, begünstigt das die Reichen und zunächst einmal die Autofahrer. Das kann es doch nicht sein. Dann müßten Sie in meinen Augen in der Tat schon die allgemeine Entfernungspauschale machen. Dafür würde ich dann auch eintreten. Aber dagegen ist wieder Ihr Bundesfinanzminister.

Die Zielsetzungen, die Idealisten immer mit der Ökosteuer gehabt haben, werden mit diesem Modell nicht erreicht, sondern statt dessen schaffen Sie sich eine Reihe von sozialen Problemen, und unter diesen werden Sie untergehen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. Schmidt.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Erkläre ihm das noch mal!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem der Abgeordnete Salchow eben mit sehr genauen Zahlen nachgewiesen hat, welchen Beitrag die Ökosteuer zur Verminderung der Rentenabgaben leistet, brauche ich über dieses Thema nicht weiter zu reden. Ich rede über anderes.

(Dr. Roland Salchow CDU: Das stimmt! – Dietrich Wersich CDU: Er kneift!)

Es ist eingewandt worden, daß die Situation der Transportbetriebe in Deutschland im europäischen Maßstab ungerecht sei. Es kann sein, daß dem so ist und daß in der Tat zusammen mit Kraftfahrzeugsteuer, Mineralölsteuer und Ökosteuer im Verhältnis zu einzelnen Ländern Europas in Deutschland pro Kilometer mehr zu bezahlen ist. Das ist möglicherweise richtig.

(Bernd Reinert CDU: Im Vergleich zu den Haupt- konkurrenten!)

Was folgt daraus? Daraus folgt, daß man sich darum kümmern muß, daß es sehr bald eine einheitliche europäische Regelung gibt. Daraus folgt, daß wir uns darum bemühen müssen, daß Europa in solchen Fragen entscheidungsfähig wird, das heißt, daß wir uns sehr ernsthaft darum bemühen müssen, daß die europäische Verfassungsänderung, die der Europäischen Kommission Rechte auch gegenüber den einzelnen Staaten einräumt, bald stattfindet.