Diese wird heute noch ausgesteuert, so daß Sie im hinteren Teil des Plenarsaals möglicherweise den einen oder anderen Ihnen unbekannten Techniker entdecken werden.Ich bitte alle Rednerinnen und Redner, die Mikrofone am Rednerpult so einzustellen, daß Sie die dort befindliche grüne Anzeige sehen können. Das können Sie durch das Heraufund Herabfahren des Mikrofontisches erreichen. Diese Anlage wird dann dem Plenum ganz präzise ihre jeweilige Stimme und Ihren Redebeitrag vermitteln.
In Abänderung der Empfehlung des Ältestenrats wurde die zu Tagesordnungspunkt 39 angemeldete Debatte zurückgezogen. Der Punkt wird auf die Sitzung am 20. September 2000 vertagt.
Zivile Bürgergesellschaft stärken, demokratische Grundwerte verteidigen, Rassismus und Rechtsextremismus konsequent bekämpfen
Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die drei Themen gemeinsam aufzurufen. Wird das Wort gewünscht? – Herr von Beust hat es.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir hätten uns sicherlich alle gewünscht, nach der Sommerpause über erfreulichere Themen als über Extremismus und Gewalt debattieren zu können. Aber die Vorfälle der letzten Wochen und die Berichterstattung darüber, die Verunsicherung der Betroffenen und die Reaktionen im Ausland machen eine solche Debatte unumgänglich, weil die Diskussionen in diesem Lande und im Ausland darüber stattfinden.Ich spreche sicherlich im Namen aller, wenn ich sage, Gewalt ekelt uns an, egal ob von Rechts, Links oder ob es sich um reine Brutalität handelt. Intoleranz, willkürliche Diskriminierung und Gewalttätigkeiten sind etwas Widerliches.
Sie berühren uns ganz besonders, wenn sie – offen oder getarnt – mit der Verharmlosung oder gar Verherrlichung der Nazizeit einhergehen. Natürlich hat das Deutschland des 21. Jahrhunderts, die heutige Demokratie, nichts mit zwölf Jahren Nationalsozialismus zu tun. Ich halte auch nichts von Dauerbelehrung, aber, ob wir wollen oder nicht,
wir stehen in der Erinnerung und der Verantwortung der deutschen Geschichte, zu der menschenverachtende Verfolgung von Minderheiten gehört.Das ist es, was uns heute wieder bewegt: Feige Überfälle von Banden auf Menschen nur wegen ihres Andersseins.
Wir wissen, es sind nur wenige, die so etwas tun, und nur einige, die dabei klammheimliche Freude empfinden mögen. Aber, die ganze Autorität des demokratischen Staates ist hier gefordert, um dieses ein für allemal zu unterbinden.
(Beifall bei der CDU, bei Dr. Mathias Petersen SPD und bei Antje Möller und Dr. Martin Schmidt, beide GAL)
Wenn ich Autorität meine, denke ich weniger an demonstrative Betroffenheitsrituale. Wir, die Abgeordneten und die Regierenden, sind gewählt worden, um zu handeln.Dieses Handeln, das Zeigen der Autorität des demokratischen Staates ist um so wichtiger, da ich davon überzeugt bin, daß die von manchen als mangelhaft empfundene staatliche Autorität mit eine Ursache extremistischen Denkens ist.Ich bin skeptisch, wenn als alleinige Ursache immer wieder soziale Probleme genannt werden. Natürlich gibt es diese. Alle Erkenntnisse über die soziale Zusammensetzung von Skinheadgruppen machen deutlich, daß es sich nicht um perspektivlose Arbeitslose handelt, die in ihrer Verzweiflung gewalttätig werden. Es handelt sich überwiegend um junge, teilweise ganz junge Leute, Schüler, aber auch viele, die Schulabschlüsse, Lehrstellen oder einen Arbeitsplatz haben. Gewalttätigkeit und Provokation solcher Leute verlangen nach der Autorität der demokratischen Gesellschaft.
Konkret heißt das für mich:Wer Gewalt ausübt oder in einer Gruppe andere bedroht, darf nicht darauf vertrauen, daß oft wochen- und monatelang nichts passiert.Körperverletzung und Bedrohung müssen zukünftig zur Untersuchungshaft führen können.Konsequentes und schnelles Handeln heißt hier, die Untersuchungshafttatbestände endlich zu ergänzen.
Gleiches gilt für mich beim Jugendstrafrecht.Bislang ist die Durchführung des beschleunigten Verfahrens im Jugendstrafrecht ausgesprochen schwierig. Damit die Bestrafung auf dem Fuße folgen kann und Opfer und Staat nicht verhöhnt werden, ist eine Beschleunigung und eine Änderung notwendig.
Aus meiner Sicht ist auch über die Änderung des Demonstrationsrechts nachzudenken.Der Kernbereich dieses demokratischen Rechts ist unstrittig. Daß es aber allein der Willkür von Demonstranten unterliegt zu entscheiden, wann und wo sie demonstrieren wollen, und die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung keine Rolle spielen, halte ich nicht für zeit- und sachgemäß.
Wir brauchen die Autorität des demokratischen Staates. Das heißt, bei Straftaten, insbesondere bei Gewalttaten niemals wegzugucken. Wer nach gewalttätigen Demonstrationen rechtsfreie Räume duldet, wer die Justiz anhält, mehr Verfahren zur Begnadigung einzustellen, statt zu verurteilen und Stärke zu zeigen, der darf sich nicht über wachsende Kriminalität im extremistischen Bereich wundern.Wir brauchen Hilfen für Familien und Erziehende, die nicht allein gelassen werden dürfen, die verhindern, daß
Jugendliche anfällig werden, sowie Ermunterung und Belohnung von Zivilcourage. Dieses zusammen schafft Abhilfe.Unsere Demokratie muß stark genug sein und ist stark genug, um mit dieser Brut fertig zu werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unbekannte schänden am 2. August mit Naziparolen die KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Am 16. August wird in Brandenburg ein achtundzwanzigjähriger Angolaner von rechten Jugendlichen attackiert. Das sind zwei beliebig herausgegriffene Beispiele von mehr als 760 Vorfällen ähnlicher oder noch weit schlimmerer Art in diesem Jahr.
Gewalt und Intoleranz gegenüber Minderheiten haben gefährlich zugenommen. Ausländer, Obdachlose, Andersdenkende und anders Aussehende werden von rechtsextremistischen Gewalttätern gejagt, angepöbelt, geschlagen, gar getötet.Es ist unsere gemeinsame demokratische Aufgabe, dieser verhängnisvollen Entwicklung energisch Einhalt zu gebieten.
Auch in unserer Stadt zeigen sich Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhaß provokativ und offen wie nie zuvor. Ein Potential an Sympathie in der Gesellschaft ist mindestens zu vermuten. All denen sagen wir, wir werden nicht dulden, daß Menschen in unserer Stadt, unabhängig von Hautfarbe, Nationalität, Religion oder Lebensgestaltung, in Angst und Schrecken leben. Deshalb gilt für uns, wir unterstützen die konsequente Linie von Polizei und Verfassungsschutz in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus. Das Verbot des „Hamburger Sturms“ ist für uns ein richtiges Zeichen.
Wir unterstützen alle Anstrengungen in Schule, Bildungsund Jugendeinrichtungen zur Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Wir begrüßen die vielfältigen Initiativen aus dem Bereich der Medien. Es wird viel über Ursachen des Rechtsextremismus geredet. Der eine setzt beim Individuum an, der andere redet von Versagensängsten, Frustrationen, der dritte vom sozialen Wandel oder gar von der Globalisierung. Was immer die richtige Antwort ist, wir akzeptieren kein einziges Ergebnis von Ursachenforschung als Vorwand dafür, andere Menschen zu drangsalieren oder gar zu töten.
Wir akzeptieren aber auch nicht – da hat mir Ihre Rede, Herr von Beust, in Teilen nicht gefallen – Ursachenforschung für zu kleinteilige, zu kleinschrittige tagespolitische Auseinandersetzungen.
Der Schriftsteller Peter Schneider hat angesichts der Welle rechtsextremer Gewalt gemeint, der zivile Konsens in unserem Land befinde sich in Auflösung. Wenn diese Prognose richtig wäre, wäre das verhängnisvoll. Die Antwort kann nur sein, wir müssen versuchen, das Leitbild der Zivilgesellschaft, möglichst sogar der zivilcouragierten Ge
sellschaft, zu stärken. Unsere Demokratie ist wehrhaft, unsere Demokratie ist selbstbewußt.Sie hat die Kraft, das gesellschaftliche Klima zu ändern. Sie hat die Kraft, Autorität zu zeigen, Zeichen der Härte und der Toleranz zu setzen, Gesten der Mitmenschlichkeit. Deshalb kommt es für mich vor allem darauf an, dauerhaft die Abwehrkräfte des demokratischen Staates zu stärken.Wir müssen viele gewinnen, die Flagge und sich auf der Straße zeigen.
Wir begrüßen es deshalb sehr, daß sich auf Einladung des DGB ein „Bündnis für Demokratie und Toleranz gegen Rechtsextremismus“ gebildet hat.Wir werden weiter daran mitwirken und hoffen, daß sich auch das mediale und kreative Potential dieser Stadt daran beteiligt.
Für die Politik erwachsen daraus vielfältige Aufgaben. Ich halte im Moment nichts oder wenig von Verboten oder Einschränkung von Grundrechten.
Demokratisches Selbstbewußtsein legt ein anderes Umgehen mit dem Rechtsextremismus nahe. Deshalb – Stichwort Internet – darf auch der Staat seine Instrumente überprüfen. Wir können einiges dazu tun, in unseren Äußerungen darauf zu achten, nichts zu sagen, was für anfällige Menschen als Bestätigung oder Ermutigung verstanden werden kann.
Auch die Gesellschaft ist gefordert. Ich habe keine Angst um unsere Demokratie. Sie ist gefestigt. Aber es gibt Situationen, und gegenwärtig existiert eine solche, in der dies auch gezeigt werden muß, wo die Demokraten aus der Sofaecke müssen, wo Schulen, Medien, Betriebe, Vereine und auch das eigene Zuhause Orte sein können, um Position zu beziehen. Von daher geht der Appell auch an den einzelnen, nämlich, wie die Hamburger Erklärung sagt, nicht tatenlos zuzusehen, wenn physische und psychische Gewalt gegen Mitmenschen verübt wird. Der Kampf gegen Haß, gegen dumpfe Gesinnung, gegen Intoleranz ist äußerst mühsam, langwierig, ganz vermutlich nie zu gewinnen und keinesfalls frei von Rückschlägen. Aber es gibt keine Alternative. Deshalb sollte von hier und heute ein Signal ausgehen für das, was wir im Verstand und in den Herzen der Menschen verankern wollen, nämlich ein weltoffenes, ein tolerantes Hamburg. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt keine einfache Beschreibung der Situation, in der wir uns befinden, und es gibt auch keine einfache Lösung. Das haben meine beiden Vorredner ebenfalls gesagt. Außerdem ist jeder Populismus fehl am Platze.