Protocol of the Session on July 13, 2000

Es gibt ein konkretes Projekt, das gut durchdacht ist, Frau Brüning erwähnte es bereits.Wir haben im Ausschuß zwei Anhörungen gehabt, und das wichtigste Ergebnis für mich war es, auf folgenlose Symbolpolitik zu verzichten und mit einem konkreten Projekt zu beginnen. Es war das klare Drängen der Experten im Ausschuß, mit etwas Praktischem zu beginnen, das sofort umgesetzt werden kann, und es wurde immer wieder Fingerspitzengefühl eingefordert.

Vor diesem Hintergrund finde ich das Projekt, das die CDU von ihrer Reise mitgebracht hat, vergleichsweise interessant. Ich habe mir die Unterlagen, die uns dazu vorliegen, noch einmal angeguckt. Dieses Projekt ist mit sehr klaren Regeln versehen. Die Träger dieses „Computer-Learningand Information-Center“ müssen lokal sein. Es müssen externe Partner dabei sein; in diesem Fall ist Boston schon dabei, und wenn sich der Senat entscheidet, kommt möglicherweise Hamburg dazu.Die nationale Politik und der aktuelle Zustand der nationalen Politiken werden gezielt igno

(Dr. Barbara Brüning SPD)

riert. Auch das gehört zu den Spielregeln bei diesem Programm, zu dem das Projekt gehört. Es wird keine nationale Politik gemacht, sondern grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Kommunen geprobt.

Am Anfang des Projekts wird erstaunlicherweise Vertraulichkeit und keine Öffentlichkeitsarbeit vereinbart, um ungestört mit dem Projekt beginnen zu können. Das deckt sich ziemlich gut mit den Empfehlungen, die wir im Ausschuß bekommen haben. Inhaltlich ist dieses „ComputerLearning- and Information-Center“ wahrscheinlich auch für Hamburg sehr spannend. Es soll Basisschulungen in EDV geben, Berufsschulung auf dem EDV-Sektor, und es sollen dort auch Hochschulabschlüsse in Computer-Sciences ermöglicht werden. Darüber hinaus gibt es noch ein Sprachlabor. Was mich als Grüner etwas gestört hat – das als kleine Anmerkung, falls es mit dem Projekt etwas werden sollte –, daß dort immer nur Microsoft-Ingenieure ausgebildet werden.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Und Linux!)

Zu prüfen wäre, ob etwa die Schulbehörde in Zusammenarbeit mit der Universität einen Input liefern könnte. Es ist sicher sehr spannend, zu wissen, wie die Geräte funktionieren, und nicht nur an der Oberfläche herumzukratzen. Insofern wäre es gut, das Curriculum Richtung Opensource und Linux etwas zu erweitern.

Das Projekt, wie wir es jetzt verabschieden, ist zukunftsweisend, weil die Aufgaben und Arbeiten nun erst beginnen.

Vom Senat erwarte ich, daß er sich sehr zügig mit der Frage befaßt, ob es für Hamburg sinnvoll ist, sich an dem Projekt zu beteiligen. Aber auch alle Fraktionen der Bürgerschaft müssen versuchen, dieses Projekt zum Laufen zu bringen. Ferner sei abzuwarten, ob auch Privatpersonen, Vereine und Unternehmen in Hamburg dazu beitragen könnten, eine geeignete Form zu finden, dem Projekt zum Erfolg zu verhelfen.

Das Projekt ist zukunftsweisend aufgezogen, weil es jetzt tatsächlich – das war der GAL-Fraktion sehr wichtig – partei- und fraktionsübergreifend getragen wird und damit auch jede Legislaturperiode und auch Veränderungen unbeschadet überstehen kann.

(Ole von Beust CDU: Gute Idee!)

Was aus diesem Impuls erwächst, meine Damen und Herren, hängt nicht zuletzt davon ab, mit welchem Engagement sich dieses Haus der Sache annimmt.Mindestens zwei Mitglieder der GAL-Fraktion haben Interesse angemeldet, an einer entsprechenden Parlamentariergruppe mitzuwirken. Bei der SPD-Fraktion meldet sich auch schon mindestens ein interessiertes Mitglied. Ich denke, das wäre ein vernünftiger Weg und kein schlechter Ansatz, um in der Sache hier im Hause weiterzukommen. Ich bin überzeugt, daß wir mit diesem Beschluß eine gute Grundlage gelegt haben. Möge das Projekt erfolgreich sein und eine Partnerschaft entstehen, die einen kleinen Beitrag zu Stabilität und Frieden in dieser Region liefert. – Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Uhl.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir freuen uns über diese Drei-Städte-Partnerschaft und wünschen uns,

daß es weniger eine trockene, institutionelle als vielmehr eine lebendige, zivilgesellschaftliche Angelegenheit wird, die die Projekte betrifft.

(Dr. Holger Christier SPD: Mit den Menschen!)

Vor allem geht es auch darum – das habe ich beim letzten Mal bereits gesagt –, daß wir uns bewußt sind, daß es eine besondere Bedeutung hat, wenn eine deutsche Großstadt mit einer israelischen Großstadt eine Städtepartnerschaft eingeht.Das gilt gelegentlich auch für eine gewisse Zurückhaltung in der Rhetorik, Herr Bühler, wenn man irgendwelche „reichen Onkel“ bemüht. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich lasse über die Ausschußempfehlung abstimmen. Wer will derselben seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieses einstimmig angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 65 auf, Drucksache 16/4469, Antrag der SPD zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Begabungen.

[Antrag der Fraktion der SPD: Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Begabungen – Drucksache 16/4469 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall.Die Abgeordnete Frau Dr. Brüning hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Wie kann ich wissen, daß mein Leben wirklich ist und nicht bloß ein Traum?“ fragte der neunjährige Kolja seine Eltern und bringt sie damit ziemlich in Verlegenheit. Denn diese schwierige Frage plagte bereits vor 350 Jahren den französischen Philosophen René Descartes und führte ihn zu dem Cogito ergo sum: Ich denke, also bin ich.Kolja wäre sicherlich mit seinen schwierigen Fragen über den Sinn und Zweck der Welt allein geblieben, gebe es da nicht BBB, die Beratungsstelle für besondere Begabungen.

Diese Einrichtung der BSJB wurde 1997 gegründet und ist bundesweit die einzige Beratungsstelle dieser Art. Sie bietet Kindern mit besonderen Begabungen und deren Eltern Einzelberatungen an und organisiert Möglichkeiten schulischer und außerschulischer Begabtenförderungen. So hat auch Kolja eine außerschulische Gruppe gefunden, in der er gemeinsam mit zehn anderen jungen Philosophen über existentielle Probleme von Traum und Wirklichkeit nachdenken kann.

Die SPD-Fraktion setzt sich dafür ein, daß in Hamburgs Schulen Kinder und Jugendliche entsprechend ihrer Fähigkeit und Begabung, ihren Interessen und Neigungen gefördert und gefordert werden.

Über die Förderung lernschwächerer Kinder, zu der ich mich ausdrücklich bekenne, ist in diesem Parlament viel gesagt worden.Heute möchte ich mich einer anderen Gruppe von Kindern und Jugendlichen zuwenden, die auch der gezielten Förderung bedarf. Dazu gehören Hochbegabte und diejenigen Kinder und Jugendlichen mit besonderen Begabungen, wie zum Beispiel für Musik oder Mathematik. Die SPD-Fraktion möchte mit ihrem Antrag die bisherige Arbeit der Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche mit besonderer Begabung zum einen würdigen

(Axel Bühler GAL)

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Axel Bühler GAL)

das war ein bißchen schwach;

(Beifall bei der SPD)

das war schon besser – und zum anderen einen umfassenden Bericht über ihre vielfältigen Aktivitäten erhalten.

Durch die Gründung des Netzwerkes Begabtenförderung im September 1999 hat sich die Tätigkeit der Beratungsstelle erheblich erweitert. Sie kooperiert unter anderem mit der „Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind“ und der „William-Stern-Gesellschaft“ für Begabungsforschungen. Das Interesse der SPD-Fraktion konzentriert sich auf drei Schwerpunkte der Begabtenförderung in Hamburg. Wir möchten gern wissen, wie die Schulen Kinder und Jugendliche mit besonderen Begabungen fördern und welche Schwierigkeiten dabei auftreten. So besteht beispielsweise für Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, eine Klasse zu überspringen und dafür eine Stunde Einzelförderung zu bekommen. Dadurch kann ein Rückstand in einem besonders lernintensiven Fach, wie zum Beispiel erste Fremdsprache oder Mathematik, aufgeholt werden.

Die Möglichkeit des individuellen Springens wird von circa 1 Prozent begabter Kinder und Jugendlicher in der Sekundarstufe I genutzt. Intellektuelle Reife bedeutet jedoch nicht immer auch soziale Reife. So können Probleme der Identitätsfindung auftreten, wenn ein Elfjähriger plötzlich mit Vierzehnjährigen in eine Klasse geht.

Deshalb müssen Lehrerinnen und Lehrer auf solche Situationen vorbereitet sein. Sie benötigen sowohl eine diagnostische Kompetenz, besondere Begabungen zu erkennen, als auch Sensibilität im Umgang mit begabten Kindern und Jugendlichen sowie ein didaktisches Repertoire ihrer Förderungen. Die SPD-Fraktion fordert deshalb, daß der Themenbereich Begabungsförderung systematisch – ich lege den Schwerpunkt auf systematisch – in die Lehrerausbildung integriert werden muß. Wir werden den Bericht der Kommission zur Reform der Lehrerausbildung sehr sorgfältig auch auf diesen Punkt hin prüfen.

Ein weiterer Schwerpunkt unseres Antrags betrifft die Zusammenarbeit der Beratungsstelle mit außerschulischen Einrichtungen. Intellektuelle Wißbegier und besondere Begabungen können neben dem Springermodell in der Schule auch intensiv im außerschulischen Bereich gefördert werden. Ich erwähnte bereits mit dem Beispiel Koljas das Projekt „Philosophieren mit Kindern“. Viele Kurse laufen darüber hinaus auch im Bereich Mathematik an der Universität Hamburg und im Bereich Informatik in Zusammenarbeit mit dem Studienkreis einer privaten Bildungseinrichtung.

Besondere Aufmerksamkeit verdient auch der Schulversuch Schulzeitverkürzung in Springergruppen, der an sechs Hamburger Gymnasien begonnen hat. Er bietet schnell lernenden Schülerinnen und Schülern sowie Jugendlichen mit besonderen Begabungen die Möglichkeit, bereits in der Sekundarstufe I gemeinsam mit anderen und dadurch sozial integriert zu springen, mit dem Ziel, das Abitur früher abzulegen.Dafür entwickeln die beteiligten Schulen Konzepte. Diese müssen nach Ablauf des Schulversuchs sorgfältig geprüft und gegebenenfalls verändert werden. Ich persönlich unterstütze diesen Schulversuch ausdrücklich, denn er bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, individuelle Lernzeiten auszuprobieren. In

Rheinland-Pfalz gibt es bereits Schulen, wo dieses Modell erfolgreich verwirklicht wird.Manche Jugendliche brauchen mehr Zeit zum Lernen, andere weniger. Diesen modifizierten Lernvoraussetzungen sollte ein modernes Schulsystem Rechnung tragen. Ich freue mich, daß Hamburg den Mut aufgebracht hat, neue Wege in der individuellen Lernorganisation zu beschreiten.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich sagen, daß Begabungsförderung in einem gut funktionierenden Bildungssystem zur Normalität gehören sollte, allerdings nicht als Einzelgängertum. Gemeinsam nachdenken und forschen sollte das Motto sein. Es gilt, die bereits vorhandenen vielfältigen Möglichkeiten der Begabungsförderung optimal auszunutzen. Dazu gehören beispielsweise auch der Bundeswettbewerb „Fremdsprachen“ und „Jugend forscht“.Hamburg ist in der Begabungsförderung bundesweit Spitze und sollte es auch bleiben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt sodann der Abgeordnete Beuß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Brüning, nach Ihrer Rede frage ich mich, warum Sie überhaupt noch diesen Antrag gestellt haben, denn darin ist bereits alles enthalten, was Sie sich vom Senat offensichtlich noch einmal bestätigen lassen wollen.

Im Prinzip war ich hocherfreut, als ich den Betreff Ihres Antrags gelesen habe: Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderer Begabung. Dabei habe ich eine ganze Menge an Erwartungen gehegt, mich gefreut und gedacht, daß seitens der Sozialdemokraten Konsequenzen aus LAU 7 gezogen worden sind.

Es wird sich kritisch damit auseinandergesetzt, daß wir in der vierten Klasse fast 45 Prozent Anmeldungen für die Gymnasien haben, und es werden daraus die Konsequenzen gezogen, daß es immer wieder erhebliche Kritik an den Hamburger Schulabschlüssen gibt.Außerdem wird der Tatsache Rechnung getragen, daß es überhaupt Hochbegabte in dieser Stadt gibt. Das war eine Zeit lang auch in Ihrer Fraktion nicht so ganz konsensual.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Das ist aber 20 Jahre her!)

Als Konsequenz habe ich erwartet, in Ihrem Antrag Hilfe für Eltern und überforderte Lehrer mit begabten und hochbegabten Kindern vorzufinden. Doch beim genaueren Hinsehen mußte ich feststellen, daß es sich bei Ihrem Antrag um eine große Mogelpackung handelt, die Sie auf den Tisch gelegt haben.

Der Titel verspricht mehr, als der Inhalt enthält. Sie verlangen in Ihrem Antrag vom Senat: darzustellen, darzulegen und nochmals darzulegen, der Senat wird aufgefordert aufzuzeigen, exemplarisch darzulegen, zu berichten, zu erläutern, und das Ganze bis zum Frühjahr 2001. Ich nenne das Wahlkampfvorgeplänkel. Sie wollen später darauf verweisen, was Sie alles für die Begabten getan haben.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Das haben wir doch auch! Beweisen Sie doch einmal das Gegenteil!)