Dann muß es eben der Staat sein, der dafür sorgt, daß jemand die Verantwortung, wenn er sie schon von sich aus nicht wahrnimmt, wahrnehmen muß. Deshalb muß eine konsequente Kontrolle dessen, was die Hundeverordnung vorsieht, vorgenommen werden. Bisher – machen wir uns da nichts vor – hat sich niemand darum gekümmert. Ob solch ein Maulkorbzwang bestand oder nicht, es wurde faktisch nicht geahndet, es wurde gar nicht zur Kenntnis genommen. Deshalb werden wir die Verantwortung des Senats genau darin sehen, daß die Hundeverordnung konsequent umgesetzt wird. Das heißt, die Mitarbeiter müssen adäquat geschult werden.Sie müssen in die Lage versetzt werden, mit diesem für sie ja doch in der Regel neuen Problem umzugehen. Wir haben gesehen, daß auch die Senatorin ihre Probleme hatte, mit der eigenen Verordnung vernünftig umzugehen und sie zu verstehen. Ich hoffe sehr, daß die Beamtinnen und Beamten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wirtschafts- und Ordnungsämter in die Lage versetzt werden, fit zu sein und tatsächlich dieses Gesetz, diese Verordnung vernünftig anzuwenden.
Die Wirtschafts- und Ordnungsdienststellen müssen ausreichend Personal zur Verfügung gestellt bekommen. Ich hoffe, daß die berühmte Einheit mit den sechs Männern und Frauen – ich nehme an, es werden eher Männer sein – tatsächlich schnell anfängt. Es darf nicht sein, daß es heißt, wir werden eine schnelle Eingreiftruppe schaffen, und es dann bei dieser Ankündigung bleibt.Wir werden fragen, wann diese Leute auf der Straße sind, wann sie tätig werden. Das ist das Entscheidende, und da wird sich erweisen, ob es nur eine Verordnung ist oder ob tatsächlich gehandelt wird.
Wir müssen uns auch fragen, welche Rolle die Polizei in diesem Fall hat. Reflexartig wurde von seiten der Polizei zunächst einmal gesagt, wir haben damit überhaupt nichts zu tun. Das ist formal natürlich richtig. Originär ist für derartige Fragen die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales zuständig, weil Veterinärwesen zu Gesundheit gehört. Das mußten wir auch – sofern wir es noch nicht wußten – erst einmal verstehen, weil sich viele fragen, was eigentlich Frau Roth damit zu tun hat. Aber machen wir uns doch nichts vor. Am Wochenende sowie nach 16 Uhr bis 8 Uhr morgens gibt es faktisch kein Wirtschafts- und Ordnungsamt. Da gibt es nur eine öffentliche Dienststelle, die tatsächlich rund um die Uhr präsent ist. Das ist die Polizei. Insofern wird auch sie nicht ganz ungeschoren davonkommen. Auch die Polizisten werden völlig neue Fragen zu beantworten haben und aus ihrer Sicht völlig neue Aufgaben übertragen bekommen. Ich glaube, da muß noch einiges geschehen und da muß bei den Beamtinnen und Beamten Akzeptanz geschaffen werden, denn nach meinem Eindruck gab man sich dort bisher der Illusion hin, man habe damit nichts zu tun.Natürlich ist die Polizei in Notfällen subsidiär zuständig, und das wird und muß auch so bleiben.
Meine Damen und Herren, gerade heute hat es endlich eine Information der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales gegeben, so daß die völlig verunsicherten Hundebesitzer jetzt endlich schwarz auf weiß und nicht nur aus der Presse wissen, sondern auch von offizieller Stelle hören, was sie nun eigentlich dürfen und nicht dürfen. Ich gebe Herrn Dr. Christier natürlich recht, daß man keinen solchen Hund braucht, aber es gibt möglicherweise auch unter den Kampfhundhaltern verantwortungsbewußte Leute. Das kann man ja nicht ganz ausschließen. Gerade diesen gesetzestreuen Leuten oder die bereit sind, sich an die Gesetze zu halten, denen muß man natürlich auch die Möglichkeit geben, überhaupt zu erfahren, was anliegt und was zu tun und nicht zu tun ist.Ich hoffe, daß die Broschüre, die jetzt veröffentlicht ist, da einen guten Dienst leistet.
Meine Damen und Herren! Kampfhunde haben sich in der Vergangenheit insbesondere gegen ältere Menschen und Kinder gerichtet. Das sind die Schwächsten der Gesellschaft, und genau denen gehört unsere besondere Verantwortung. Weil wir diese Verantwortung haben und wahrnehmen müssen, stimmen wir heute zu. Ich hoffe, es nützt tatsächlich etwas. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte für die GAL-Fraktion an dieser Stelle auch noch einmal die Betroffenheit und das Bedauern über den Tod des kleinen Jungen äußern.
Wir sind der Meinung, daß der Senat aus der Betroffenheit und der Verantwortung heraus, die er für diese Stadt hat, richtig gehandelt hat. Die Hundeverordnung mußte in dieser Deutlichkeit formuliert werden, und nach meinem Empfinden ist sie auch auf breite Zustimmung in der Bevölkerung gestoßen.
Die bundesweiten Reaktionen haben ein Weiteres erkennen lassen. Anscheinend gab und gibt es die Sorgen, die wir hier hatten – leider verstärkt durch diesen tödlichen Unfall – in allen Bundesländern. Als hätten sie alle nur darauf gewartet, sich plötzlich etwas deutlicher und klarer äußern zu können, gibt es nun hoffentlich sehr schnell in allen Bundesländern eine strenge Hundeverordnung und auch eine bundesweite Regelung zum Import und zu den Zuchtmethoden. Genau das brauchen wir, nämlich eine bundesweite Diskussion über die Hundehaltung, über die Verläßlichkeit von Halterinnen, über Zuchtmethoden und Importe.
Ich möchte aber hier in Hamburg vor allem auch zu einem dem Haustier Hund entsprechenden Verhältnis zurückkommen, und zwar in jeder Beziehung. Wir hatten heute das Vergnügen, endlich einmal wieder einen positiven Artikel über Hunde zu lesen. Im „Hamburger Abendblatt“ gab es einen langen Artikel über die therapeutische Wirkung von Katzen und Hunden und anderen Haustieren auf kranke Menschen.So kennen wir eigentlich auch die Haustiere, und so wollen wir sie auch.
Wir alle wissen, daß Hunde im Alter oder in der Einsamkeit für Menschen eine Art Lebenshilfe werden oder den Familienmitgliedern einfach nur Freude machen. Ich weiß, das ist die Stadthund-Variante. Bei Berufshundehalterinnen und -haltern stellt sich das alles ein bißchen anders dar. Tiere allerdings unter qualvollen Umständen scharf zu machen, sie gegenüber anderen Menschen als Waffe einzu
setzen oder sie in Hundekämpfen durch Artgenossen zerfleischen zu lassen, mutet an wie ein Relikt aus dem Mittelalter, und das ist es auch. Das Schlimme daran ist, daß es ein fast perfides, manchmal tödliches Spiel zwischen Männern ist.Das paßt hier vielleicht nicht ganz in diese Debatte, aber man muß es auch einmal so deutlich sagen. Es hängt vor allem auch damit zusammen, daß wir in dieser Stadt benachteiligte Gebiete haben, in denen sich manchmal Ausdrucksformen von Benachteiligungen finden, an denen wir unschwer erkennen, wie nötig die Arbeit da ist. Dort muß die eigentliche Arbeit geleistet werden. Wir dürfen diese Quartiere nicht vergessen, und wir müssen dort viel mehr investieren.
Zuerst möchte ich aber, daß die Besonnenheit in dieser Stadt wieder einkehrt. Es wurde auch schon von meinen Vorrednern angesprochen. Es gibt fast eine Hysterie gegenüber Menschen, die auf andere Menschen mit nicht angeleinten Hunden treffen, völlig harmlosen Hunden, die alt oder schlicht und einfach harmlos sind.Diese Hysterie muß wieder vorbeigehen.Dazu müssen wir alle etwas beitragen. Genauso haben Sie alle wie auch wir E-Mail-Attacken erleben dürfen, die Vergleiche mit dem Holocaust anstellen und vorschlagen, man sollte lieber die Menschen als die Tiere einschläfern. Das empfinde ich als eine Perversion des Denkens.Wo stehen wir mit unserem Wertesystem, um das einmal so pathetisch zu sagen.Wir gucken der quälenden Käfighaltung von Hennen zu, wir haben brutale Zuchtmethoden, massenhaft Tiertransporte und vom Schlachten ganz zu schweigen. Das muß man hinnehmen, das ist gesellschaftlich akzeptiert. Aber über ein Verbot einer Hunderasse zu reden, verbunden natürlich mit der Konsequenz, daß dann auch Tiere getötet werden müssen, unterliegt einem derartigen Tabu.
Die Umsetzung der Hundeverordnung – das wurde auch schon mehrfach gesagt – ist die Lösung des Problems, das wir vor uns haben. Sie muß schnell gehen, es muß klare Verabredungen geben, denen eindeutiges Handeln zu folgen hat. Der Senat muß die strukturelle, organisatorische und natürlich materielle Unterstützung leisten, die die Bezirke brauchen.
Dazu gehört vor allem, daß man übereilte Reaktionen vermeidet. Auch wenn der Leiter des Tierheims heute die Zusammenarbeit aufgekündigt hat, ist die sehr schnell verfügte Unterbringung in den Zwinger der Forschungseinrichtungen des UKE meiner Meinung nach eine nicht akzeptable Lösung. Wir brauchen mindestens für sechs Monate eine tragfähige Lösung. Sie muß für die Tiere, die dort untergebracht werden, zumutbar sein.Ich will hier nicht den Streit über Tierversuche an Hunden beginnen; das ist eine andere Debatte. Die dortigen Zwinger sind aber garantiert nicht und auch nicht für die vorübergehende Unterbringung von Hunden geeignet, die vermutlich im Tierheim besser aufgehoben wären.
Der Schutz der Tiere vor Qualen und Willkür ist ein wichtiger Teil unserer Kultur. Aber ich möchte auf das Grundgesetz verweisen: Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist unantastbar.
Frau Möller hat schon angedeutet – das möchte ich auch noch einmal unterstreichen –, daß wir trotz des schrecklichen Vorfalls in Wilhelmsburg bei diesem hochemotionalen Thema weiterhin die Ruhe bewahren müssen und nicht in Populismus verfallen dürfen.
Wer die verschiedenen Äußerungen von Senatsmitgliedern und ebenso des Ersten Bürgermeisters unmittelbar nach dem Vorfall gehört hat, mußte unweigerlich den Eindruck bekommen, daß in Hamburg die letzte Stunde aller Kampfhunde geschlagen hat.Auch die Art und Weise, wie die Verordnung in die Öffentlichkeit getragen wurde, hat zur Verunsicherung, Verwirrung und teilweise zu chaotischen Zuständen geführt.
Das Erstaunliche an diesen Aussagen von Senatsvertretern ist, daß das, was der Senat in der Hundeverordnung beschlossen hat, genau das nicht sagt.Das ist auch gut so.
Vieles von dem, was der Senat will, ist notwendig und sinnvoll. Ich nenne in diesem Zusammenhang einige Beispiele: Zuchtverbot, Importverbot und Überprüfung von Halterinnen und Haltern. In der Drucksache des Senats vom März stand, daß es nicht ausreichen würde, daß die Hundehalter allein Sachkunde nachzuweisen haben, sondern es gehe auch um deren Verantwortungsbewußtsein.
Diese Vorschrift ist in der Verordnung nicht enthalten; aber vielleicht ist deren Überprüfung zu schwierig.
Genauso sinnvoll ist es, Kastrationen, Sterilisationen und Maulkorbzwang durchzusetzen. Es ist richtig und wichtig – darin sind wir uns wohl alle einig –, daß Hunde, egal welcher Rasse, nicht in den öffentlichen Raum gehören, wenn sie eine Gefährdung für Mensch oder Tier darstellen.
Aber auch heute ist immer noch festzustellen, daß die mit heißer Nadel gestrickte, in ihrer Substanz sicherlich vernünftige Verordnung nicht umsetzbar ist. Ein Beispiel: Sie werden alle gelesen haben, daß es in Hamburg zur Zeit keine Maulkörbe mehr zu kaufen gibt. Sie können solche Hunde aber nicht wochenlang im Haus halten, weil sie dann noch aggressiver werden. Das bedeutet, daß hierzu Lösungen gefunden werden müssen, wie man weiter damit umgehen will.
Eine Lösung, die von vielen Menschen gesucht wurde, aber die kaum jemand begrüßt, ist, vor lauter Unsicherheit und Verantwortungslosigkeit die Hunde einfach freizulassen; das ist eine Gefährdung, die wir in Hamburg nicht einfach hinnehmen können.
Das Tierheim Süderstraße nimmt keine Kampfhunde mehr auf. Diese Entwicklung hätte so nicht kommen dürfen. Ge
stern abend wurden darüber noch einmal Verhandlungen geführt. Der Hauptstreitpunkt war die Frage, was mit den Kampfhunden passiert, die aufgrund der Verordnung als nicht gefährlich – also mit einem Negativzeugnis ausgestattet – eingestuft werden. Sollen sie ewig in den Tierheimen bleiben? Wie soll das Tierheim das finanzieren? An dieser Frage sind die Gespräche letztendlich geplatzt. Es ist kein gutes Zeichen für den Senat, daß er hier keine konstruktive Lösung gefunden hat. Es ist eben ein Problem, wenn man auf die Tube drücken muß, weil man meint, jede Klientel bedienen zu müssen. Politik darf so nicht funktionieren.
Tierschützerinnen und Expertinnen verweisen immer wieder darauf, daß nicht alle Hunde einer Rasse automatisch gefährlich sind.
Deshalb ist auch eine pauschale Tötung von Rassen nicht vertretbar. Der Senat sollte, Frau Hajduk, noch einmal öffentlich klarstellen, daß es trotz dieser Verordnung immer eine Einzelfallprüfung geben wird. Ich wünsche mir auch von den nachfolgenden Wortbeiträgen, daß klar gesagt wird: Jede Hündin oder jeder Hund und jede Halterin oder jeder Halter wird einzeln überprüft.Es steht zwar in der Verordnung, es ist aber anders dargestellt worden.
Denn der Senat kann natürlich nicht diejenigen Hundehalterinnen abstrafen, die bisher verantwortungsbewußt mit ihren Tieren umgegangen sind
und deren Hunde weder auffällig noch entsprechend einem Negativzeugnis als gefährlich eingestuft worden sind.
Das gilt übrigens auch für die Erhöhung der Hundesteuer. Warum sollen Familien, die ein entsprechendes Tier besitzen und sich bisher verantwortungsbewußt verhalten haben, nachdem sie Kastrations- und Sterilisationskosten bezahlen müssen, auch noch 1200 DM für die Hundesteuer bezahlen? Darüber muß im Ausschuß noch einmal beraten werden. Für die Neuanschaffung dieser Hunde sollte das auf jeden Fall gelten, aber nicht für die Altfälle. Hier sollte man sich einmal an Bayern orientieren; dort gab es auch eine Altfallregelung.
(Antje Möller GAL: Wollen wir für Menschen eine Altfallregelung? – Dr.Holger Christier SPD: Der Be- griff ist besetzt!)
Ich spreche von den Hunden, die auch nach der Rechtsverordnung des rotgrünen Senats dann weiter gehalten werden dürfen, wenn sie als nicht gefährlich eingestuft wurden und die Halterinnen ein entsprechendes Zeugnis vorlegen. Ich verstehe nicht, warum Sie darin einen Widerspruch sehen.