Protocol of the Session on July 12, 2000

(Dr.Holger Christier SPD:So habe ich das nicht ge- sagt! Ich will nicht die 60 Millionen DM wieder ein- sparen!)

schön, daß Sie das gleich dementieren; es stand heute zumindest so in der „taz“ –, wäre natürlich als Konsolidierungsmaßnahme total falsch. Auch das Umfeld in diesen Quartieren muß stimmen, und die Fehlbelegungsabgabe allein reicht dann natürlich nicht.

Die CDU wird weiterhin für alle Bevölkerungsschichten – das war auch ein Kritikpunkt – Wohnraum vorhalten.Ob der soziale Wohnungsbau dem allerdings in Zukunft gerecht werden kann, ist zweifelhaft. Wir werden nämlich gar nicht so viele Wohnungen bauen können, wie wir voraussichtlich benötigen, weil der Bestand an Sozialwohnungen auch durch auslaufende Bindungen rapide abnimmt.

Heide Simonis hat auf einem Genossenschaftsverbandstag – Herr Lange war dort – bereits die Subjektförderung angesprochen, die die Objektförderung ablösen könnte. Das ist eine sinnvolle Forderung; in diesem Bereich müssen wir weiterdenken. Wir wollen, daß der mittlerweile bestehende Belegungsvertrag ausgeweitet, auch endlich der Kauf von Belegungsrechten enttabuisiert wird.

Ich rechne nicht mehr damit, daß die Fehlbelegungsabgabe irgendwann wiederkommt, da der Aufwand für die Erhebungen

(Dr. Martin Schmidt GAL: Da haben Sie auch etwas gelernt, nicht?)

(Klaus-Peter Hesse CDU)

für die immer weniger werdenden Sozialwohnungen mit Fehlbelegern nicht mehr im Verhältnis zu den Erträgen stehen wird. Die Mieterinnen und Mieter aber – wir haben heute einige unter uns, die extra zu uns gekommen sind – werden auch in Zukunft wissen, wem sie das Ende dieser Fehlbelegungsabgabe zu verdanken haben.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Alles Lüge!)

Sie werden wissen, warum auch dieses Mal aus parteipolitischer Strategieerwägung ein sinnvoller CDU-Antrag abgelehnt wird, und das hauptsächlich zu ihren Kosten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Duden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hesse, ich hatte wirklich Angst, daß ich bei dieser Debatte zu später Stunde überhaupt keinen Elan mehr hätte. Sie haben aber mit Ihrem Wortbeitrag wesentlich dazu beigetragen, daß ich zumindest einige Eingangsbemerkungen mache. Bei all Ihren Reden habe ich immer das Gefühl, ich müßte einen Kaufvertrag unterschreiben. Das scheint aber in der Diktion zu liegen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD, Beifall bei Andrea Franken und Manfred Mahr, beide GAL)

Dann sollten wir uns dieses Mal in den Haushaltsberatungen, pünktlich zu Weihnachten, darauf gefaßt machen, daß die CDU uns nicht wie jedes Jahr verkaufen wird, daß sie SAGA- und GWG-Wohnungen zu Geld machen will.Bei der neuen Sozialmieterfreundlichkeit der CDU erwarten wir mit Freude und Aufgeregtheit natürlich Anträge, die sich insbesondere um die Situation der Sozialmieter in dieser Stadt kümmern. Das scheint ja ihr neues Feld zu sein. Herzlich willkommen im Club.

(Beifall bei der SPD und bei Andrea Franken GAL)

Sie sind vermutlich noch Mitglied der Jungen Union. Sie sollten sich doch noch einmal etwas über Geschichtsbewußtsein aufschreiben lassen. Ich unterstelle zum Positiven für Sie, daß Sie, als die Fraktionen von CDU und F.D.P. – nicht nur hier, sondern überall in diesem Lande – über Fehlförderungsabgabe diskutiert haben, vermutlich noch keine Politik gemacht haben.Bevor Sie solche Äußerungen wie heute machen und weiter in der Öffentlichkeit verkünden, rate ich Ihnen, sich noch einmal geschichtlich etwas klug zu machen.

(Glocke)

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Frau Abgeordnete?

Nein, ich bin jetzt gerade so in Fahrt.

Herr Hesse hat gesagt, er rechne nicht mit der Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe. Das kann ich nur als Notbremse verstehen, er ist heute nämlich endlich dazu gekommen, seinen eigenen Antrag nachzulesen, und hat festgestellt, in Wirklichkeit ist das kein Ausstieg, sondern eine Denkpause. Das ist unehrlich.

(Beifall bei der SPD)

Aber wir diskutieren heute über den SPD- und GAL-Antrag, der eine Entlastung für 20 000 Hamburger Haushalte und mehrere 10 000 Hamburger Mieter bringt. Das ist ein großer Erfolg der rotgrünen Koalition. Nach Ihrer Rede erwarten wir natürlich Ihre Zustimmung dazu, denn anders können Sie das Ihren mitgebrachten Mieterinnen und Mietern gar nicht verkaufen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Eine Politik, die für die Mieterinnen und Mieter die Fehlförderungsabgabe abschafft, ist niemals Effekthascherei, sondern sie ist ein aktiver Beitrag zu mehr Gerechtigkeit, und zwar ausdrücklich zu mehr Gerechtigkeit aller Bewohner von Sozialwohnungen in dieser Stadt. Wir schaffen die Fehlbelegungsabgabe vom kommenden Jahr an in drei Schritten ab. Danach soll der Mietzuschlag in den Jahren 2001 bis 2003 schrittweise um jeweils 25 Prozent verringert und nach dem 31. Dezember 2003 ganz abgeschafft werden. Diese drei Schritte sind haushaltsverträglich, und das ist für die Seriosität der rotgrünen Politik auch im Rahmen der Konsolidierung unabdingbar wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Der entspannte Wohnungsmarkt, der ein Produkt rotgrüner Wohnungspolitik ist, hat in letzter Zeit oft dazu geführt, daß Mieter verstärkt in Wohnungen auf dem freien Markt in andere Stadtteile umgezogen sind.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das wissen wir doch al- les!)

Dadurch verändert sich in bestimmten Gebieten mit einem hohen Anteil an Sozialwohnungen die Bevölkerungsstruktur, eine für das soziale Gleichgewicht unerwünschte Begleiterscheinung. Die Fehlbelegungsabgabe ist neben anderen Ursachen der Grund dafür, und die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung zur Stabilität dieser Stadtteile.

Eine Politik der Ausnahmeregelungen und der Ausnahmegebiete, die Sie neuerdings entdeckt haben, ist nicht immer rechtlich haltbar und schafft in vielen Fällen Ungerechtigkeiten. Darüber haben wir uns in der Märzdebatte ausführlich auseinandergesetzt. Deshalb kam für uns eine Ausweitung der Ausnahmegebiete nicht in Frage. Weiterhin ist sehr wichtig – das haben Sie in Ihrer Diskussion gar nicht erwähnt –, wir erhalten die Belegungsbindung im sozialen Wohnungsbau. Das scheint mir einer der Punkte zu sein, den die CDU, bei den Wegen, die sie beschreiten will, billigend in Kauf nimmt.

Eine historische Bemerkung will ich noch loswerden. Die muß erlaubt sein, auch wenn ich im Eingang meiner Rede noch einmal auf Herrn Hesse eingegangen bin. Die Fehlbelegungsabgabe hat eine familienpolitische Komponente. Es ist interessant wie auch ebenso verräterisch, Mutter und Vater dieser Fehlbelegungsabgabe heißen CDU und F.D.P.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Waren Sie mal in der Op- position?)

Eigentlich ist es spannend zu sehen, wie die CDU in dieser Stadt versucht, sich ihres mittlerweile geradezu verstoßenen ungeliebten Kindes zu entledigen, wobei man bei der Art, in der diese Debatte geführt wird, erkennen kann, welche Halbwertszeiten der politischen Ideen in der CDU vorherrschen. Sie werden immer kürzer.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich den heutigen CDU-Antrag würdige – ich will extra würdige sagen –, eine Bemerkung zu einem Kommen

(Klaus-Peter Hesse CDU)

tar, den ich heute morgen in einer Zeitung lesen konnte, wonach die Koalition es zahlenmäßig nicht belegen können solle, wie sich der Wegzug aus den Stadtteilen ausgewirkt hat. Dazu kann man sagen, wir müssen nach wie vor viele Wege finden, Stadtteile aus dem Ungleichgewicht zu befreien. Wir haben lange miteinander darüber diskutiert, nicht nur in dieser Legislaturperiode. Es ist das Problem vieler Großstädte und kein hamburgspezifisches Problem. Wir sind diesen Weg seit vielen Jahren konsequent mit dem Programm der sozialen Stadtentwicklung gegangen. Der heutige Beschluß wird einen Meilenstein auch auf diesem Weg bedeuten.

Zum Kommentar von heute morgen, in dem es heißt, warum SPD und GAL nicht dieses einzige Mal diesem wunderbaren Antrag der CDU folge, kann man nur sagen, das geht nun wirklich übers Ziel hinaus. Es gibt grundlegende Unterschiede zum CDU-Antrag, die ich gleich noch erläutern werde.

Wer glaubt, daß die CDU in dieser Frage vorne ist, der kann eigentlich nur eine kurzzeitige Brise verspüren, von einem Sturm kann man noch lange nicht reden. Allenfalls ist das, was Sie hier heute geboten haben, ein Sturm im Wasserglas.

Nun noch ein paar Einzelheiten zum CDU-Antrag. Die flächendeckende Freistellung, wie Sie sie fordern, ist mit dem Wohnungsbindungsgesetz rechtlich nicht in Einklang zu bringen. Da kann ich nur bitten – es soll ja Juristen in Ihrer Fraktion geben –, gucken Sie doch einmal drauf.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Hört, hört! – Wolfhard Ploog CDU: Man kann ein Gesetz auch ändern!)

Immer wieder ist von Mietern zu hören, die beispielsweise für eine 80 Quadratmeter große Wohnung 400 DM Fehlbelegungsabgabe bezahlen müssen. Die Koalition von SPD und Grünen hat 1998 die Kappungsgrenze gesenkt, so daß heute nur noch 9 Prozent aller Mieter in dieser Stadt – das sind 1861 – diese 5 DM pro Quadratmeter zahlen. Von Ihrem Bilderbuchbeispiel ist dieses Beispiel weit entfernt.

(Glocke)

Lassen Sie jetzt eine Zwischenfrage zu?

Nein, immer noch nicht.Herr Hesse hat die Chance, das hinterher zu kommentieren.

Zur Bundesratsinitiative, die Sie fordern: Wir gehen davon aus, daß eine Nichterhebung der Fehlförderabgabe bereits heute nach geltendem Recht möglich ist. Im übrigen ist auf Antrag von Baden-Württemberg der Komplex der Fehlbelegungsabgabe bis zur umfassenden Novellierung des Wohnungsbaurechts ausgesetzt worden. Es liegt an Ihrer Seite des Bundesrats, daß das nicht diskutiert wird. Und zum Bericht, den Sie sich für August 2000 wünschen, sage ich Ihnen, wir stimmen unserem Antrag zu und diesen Bericht brauchen wir dann nicht mehr.

Sie machen den Mietern mit Flugblättern klar, Ausstieg aus der Fehlbelegungsabgabe jetzt, sofort und hier. Doch wer sich Ihren Antrag aufmerksam durchliest, sieht, es ist ein Ausstieg auf Zeit.Von endgültiger Abschaffung ist nicht die Rede.Wenn man die Aussage des Flugblattes und den Antrag vergleicht – und das soll man ja wohl –, ist das ein Sand-in-die-Augen-Streuen und macht den Hamburger Sozialmietern wieder deutlich, was dauerhaft auf dieser Seite des Hauses soziale Gerechtigkeit zu bedeuten hat.

(Beifall bei der SPD)