Protocol of the Session on June 21, 2000

Konzept: Den Umweltverbrauch teuer und den Arbeitsverbrauch günstiger machen, das schafft Arbeitsplätze und ist zukunftsfähig.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn Sie sich schon auf diese Ebene begeben, möchte ich darauf hinweisen, daß es Ihre Bundesregierung gewesen ist, die in ihrer Regierungszeit die Benzinkosten um 46 Pfennig hochgetrieben hat, ohne ein einziges Stück Absenkung der Lohnnebenkosten daraus zu finanzieren, sondern sie nur im allgemeinen Haushalt verbraten hat. Fassen Sie sich also bitte an die eigene Nase.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Holger Chri- stier SPD: So ist es! – Wolf-Dieter Scheurell SPD: Und 1,5 Milliarden DM Schulden dazu!)

Was das Thema Gefühle oder Befindlichkeiten angeht, möchte ich auf folgendes hinweisen.Als ich 1986 die Bilder aus Tschernobyl und danach die Kliniken mit den Kindern, die aus diesem Gebiet gekommen sind, gesehen habe und welche Konsequenzen das gehabt hat, hat das allerdings bei mir Gefühle und Empfindlichkeiten ausgelöst. Dazu stehe ich auch. Hier geht es aber darum, so etwas im Umkreis von Hamburg und Deutschland zu verhindern. Deswegen muß es zu einer realen Abschaltung kommen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt sodann der Abgeordnete Dr. Schmidt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man muß sich ja nicht alles gefallen lassen in einem solchen Saal, Herr Professor. Ich finde, daß das etwas unter dem Strich war, was Sie mir vorgeworfen haben. Ich sage auch nicht, wenn ich Ihnen politisch etwas vorwerfe, daß Sie leider ein guter Physiker sind. Das geht nicht, und das lassen wir in Zukunft.

(Dr. Roland Salchow CDU: Okay!)

Zweitens. Zu dem Lagerfeuer von Brokdorf hat Herr Porschke schon etwas gesagt. Ich gebe zu, ich bin auch naß geworden durch die Wasserwerfer in Brokdorf und bin nach wie vor der festen Überzeugung, daß es nicht mein Recht ist, nicht dafür gesorgt zu haben, daß in tausend Jahren kein Atommüll in diesem Umfang mehr vorhanden ist. Die Verpflichtung, die wir gegenüber der Menschheit der Zukunft haben, ist in der Tat die, den Atomstrom als eine Sackgasse wieder zu beenden.Das ist eine der wichtigsten Aufgaben, die jeder in diesem Saal hat, und die lasse ich mir auch nicht durch so freundliche Reden von Ihnen mit Hinweis auf Lagerfeuer nehmen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Drittens. Was ich an ausländischem Echo vorgetragen habe, hieß nicht die Erfolgsmeldung: USA schaltet sofort die Kernkraftwerke ab, sondern durch die deutsche Entscheidung ist weltweit ein neuer Sprung in dieser Debatte zustande gekommen. Jetzt wird auch in Frankreich überlegt, ob man auf 70 Prozent Atomstrom stehenbleiben kann. Selbst kluge Franzosen sagen:Vielleicht ist das eine Sackgasse. Das hat die deutsche Entscheidung herbeigeführt, und das war mein Argument.

Ich komme schließlich noch einmal zum Klimaproblem, das von Ihnen ebenfalls angesprochen wurde.

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

(Dr. Roland Salchow CDU)

Ich stimme Ihnen zu, daß dies ein größeres Problem ist, aber hierzu liegen gute Planungen vor. Ich lese Ihnen einmal vor, was Schleswig-Holstein mit seiner – von Ihnen vielleicht mißbilligten – Regierungspolitik für möglich hält:

„Bis zum Jahre 2010 ist es in Schleswig-Holstein vorstellbar, daß aus Wind etwa 35 bis 40, aus Biomasse 5 und aus Wärmekopplung 25 Prozent des Gesamtstroms erzeugt werden.“

Es ist nicht sicher, daß dies so sein wird, aber es ist eine Perspektive. Das Klima wird jedenfalls nicht dadurch beeinträchtigt, daß wir keinen Atomstrom mehr haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Debatte nicht vor.

Dann rufe ich das zweite, von der SPD-Fraktion angemeldete Thema zur Aktuellen Stunde auf:

Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern – Die Wirtschaft muß ihre Anstrengungen verstärken

Wird das Wort gewünscht? – Herr Professor Kopitzsch hat für vier Minuten das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Hamburgische Bürgerschaft hat sich wiederholt mit den Fragen der Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern befaßt, die in der NSZeit Gewalt, Unrecht und Ausbeutung erlitten haben. Das Parlament hatte die Hoffnung, daß noch vor der Sommerpause 2000 eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene geschaffen und verabschiedet werden könnte.

Nach der grundsätzlichen Einigung, die kürzlich bei den internationalen Verhandlungen insbesondere im Hinblick auf die größtmögliche Rechtssicherheit erzielt werden konnte, muß dieses Ziel im Interesse der betroffenen Menschen auch erreicht werden. Gab es vor der Einigung schon sehr viele gute Gründe für die Beteiligung der deutschen Wirtschaft an der Stiftungsinitiative, so gibt es jetzt für ein Beiseitestehen der Unternehmen keine Argumente mehr. Deshalb fordert die Hamburger Bürgerschaft – ich glaube, daß ich im Namen aller sprechen kann – mit allem Nachdruck die betroffenen Firmen auf, ihren Beitrag zügig zu leisten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Bürgerschaft nimmt mit Respekt zur Kenntnis, daß sich Hamburger Unternehmen, die in der NS-Zeit keine Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter einsetzten oder die erst nach 1945 entstanden sind, bereits beteiligt und damit anderen Firmen ein Beispiel gegeben haben.Sie begrüßt alle Bemühungen der Handelskammer, weitere Unternehmen für eine Beteiligung zu gewinnen. Allerdings ist Eile geboten. Weitere Prüfungen erscheinen nach dem nunmehr erreichten Stand nicht nötig.Uns wird sonst gern vorgehalten, daß Politik lange Entscheidungswege und umständliche Prüfungsverfahren braucht. Die Argumente sind jetzt klar; es kann gehandelt werden.

Im übrigen haben auch staatliche und städtische Unternehmen durchaus einen Vorbild- und Beispielcharakter. Es wäre vielleicht sinnvoll, wenn die Handelskammer täglich fortschreiben würde, welche Unternehmen oder Firmen zur Initiative beitragen, damit die Angelegenheit klar ist und es zu keinen Mißverständnissen kommt.

Die SPD-Fraktion macht sich die klaren und unmißverständlichen Äußerungen des Ersten Bürgermeisters zu eigen, der im Mai auf dem Senatsempfang für ehemalige jüdische Bürgerinnen und Bürger Hamburgs erklärt hat:

„Wenn wir heute Zukunft verantwortungsbewußt gestalten wollen, dürfen wir uns der Mühe des Erinnerns in Wahrhaftigkeit und der historischen Fundierung unseres Denkens und Handelns nicht entziehen. Dazu gehört auch, daß sich deutsche Unternehmen zu ihrer Schuld und Verantwortung gegenüber ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern bekennen.“

Ich möchte auch noch einmal unterstreichen, daß es ein bürgerschaftliches Ersuchen an den Senat gibt, in dem gefordert wird, ein Besuchsprogramm für die Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter zu ermöglichen. Dieses Programm erwarten wir zügig.Wir möchten darauf hinweisen, daß es bereits Erfahrungen in unserer kleineren Schwesterstadt Bremen gibt, in der in den letzten Tagen polnische Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter zu Besuch waren.

Die vermeintliche Entschädigung ist eine Geste. Wichtiger erscheint es mir, daß es zu glaubwürdigen, menschlichen Begegnungen kommt und diese auch zügig geschehen.

Im übrigen begrüßen wir, daß die Gedenkstätte Neuengamme ein Buch mit Erinnerungen sowjetischer Fremdarbeiterinnen und -arbeiter herausgebracht hat, die in Hamburg tätig waren. Auch das ist wichtig. Die Erinnerung darf nicht verlorengehen; sie ist eine wichtige Voraussetzung dafür, daß sich Unrecht und Gewalt nicht wiederholen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält Frau Senatorin Roth. Danach haben die Fraktionen noch die Möglichkeit zu Fünf-Minuten-Beiträgen.Frau Senatorin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, deutlich zu machen, daß ich sehr froh bin, daß es in diesem Haus einen gemeinsamen Antrag, eine gemeinsame Initiative zu diesem Thema gegeben hat. Ich glaube, daß die Verhandlungen, die zur Zeit auf Bundesebene stattfinden, in unserem gemeinsamen Interesse sind.

Ich möchte deshalb nur kurz zu den Punkten Stellung nehmen, die aus unserer Sicht wichtig sind.Dazu gehört vor allen Dingen, daß wir im Bundesrat einstimmig beschlossen haben, diese Initiative seitens der Bundesregierung zu unterstützen.

Ich beurteile die Verhandlungen zur Zeit so, daß sie auf Bundesebene, aber auch mit den jüdischen Organisationen voranschreiten und wir im Juli noch damit rechnen können, daß ein Gesetzentwurf vom Bundestag verabschiedet werden kann. Insofern ist es auch für die Betroffenen ein wichtiges Zeichen, denn sie erwarten von uns eine schnelle Lösung.

Ich freue mich deshalb sehr, daß wir in Hamburg zu diesem Thema initiativ wurden und Zeichen gesetzt haben und hoffentlich die entsprechenden Unternehmen in Hamburg, die auf einem guten Weg sind, weiterbringen können. Ich gehe davon aus, daß auch die Wirtschaft in Zukunft ihren Beitrag leistet und die versprochenen 5 Milliarden DM für diese Stiftung zusammenkommen.

(Dr. Martin Schmidt GAL)

A C

B D

Wir wünschen uns alle, daß das Vorhaben in diesem Sinne in Hamburg, aber auch auf Bundesebene gelingt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält Herr Schira.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Dezember des vergangenen Jahres haben wir uns zu der historischen Schuld unserer Stadt gegenüber den ehemaligen Zwangsarbeitern bekannt.Wir haben deutlich gemacht, daß auch die geplante Einrichtung der Bundesstiftung die vor Jahrzehnten notwendige Entschädigung und Wiedergutmachung nicht mehr leisten kann. Aber es kann ein Zeichen der Anerkennung der historischen Schuld und der moralischen Verantwortung gegeben werden.

Die damaligen staatlichen Stellen und öffentlichen Unternehmen in Hamburg haben sich zahlreicher Zwangsarbeiter insbesondere bei der Trümmerbeseitigung bedient. In den letzten Monaten und Wochen konnten wir die Verhandlungen von Otto Graf Lambsdorff mitverfolgen und uns über ungeschickte öffentliche Briefe der noch amtierenden Parteisprecherin von den Grünen – gelinde gesagt – wundern sowie die Kritik des Präses der Handelskammer Hamburg vernehmen, daß der Staat die Zahlungen von inzwischen privatisierten und teilprivatisierten Unternehmen auf sein Zahlungsverpflichtungskonto bucht.

Es ist viel Zeit vergangen. Wir alle wußten, daß die Verhandlungen insbesondere mit den USA, aber auch bei uns in Deutschland nicht einfach werden.Bisher haben 114 Unternehmen in Hamburg auf die jüngste Initiative der Handelskammer positiv reagiert. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages hat versichert, daß die Wirtschaft die noch ausstehenden 1,9 Milliarden DM leisten würde. Dies ist auch notwendig. Es darf nicht der Eindruck entstehen, daß sich die deutsche Wirtschaft schon innerlich von der Initiative verabschiedet hat.

Es ist aber um so ehrenwerter, daß es eine Reihe von Unternehmen gibt, die für die Stiftungsinitiative gespendet haben, obwohl sie aus der Geschichte nicht belastet waren. Bei mancher Kritik über die Zurückhaltung einiger Unternehmen, die diese mit einer nicht ausreichend empfundenen Rechtssicherheit begründen, ist ein solches Engagement nicht hoch genug zu würdigen.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang einen Blick über unsere Stadt- und Landesgrenzen hinweg, nämlich nach Wien. Die Republik Österreich hat es geschafft, unter der ÖVP-regierten Bundesregierung innerhalb kürzester Zeit ein Bundesgesetz über den Fonds für freiwillige Leistungen Österreichs an ehemalige Sklaven und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes im Parlament zu verabschieden. Dieser Vorgang ist beispielhaft und spricht für sich selbst.

Die Hamburger Bürgerschaft, der Senat und die Wirtschaft tragen eine enorme Gesamtverantwortung. Die Entschädigungen haben nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine moralische Dimension. Die Zeit drängt. Die hochbetagten und gebrechlichen Opfer haben nämlich nicht mehr viel Zeit. – Vielen Dank.