Protocol of the Session on June 21, 2000

Herr Professor Salchow, Sie müssen zum Schluß kommen.

Ich komme zum Schluß. – Sie sind gegen solche Vernunftüberlegungen offensichtlich immun, weil sich bei Ihnen das Bauzaunerlebnis nie

(Dr. Roland Salchow CDU)

derschlägt. Es darf hier nicht nur um das Signal gehen, wie Herr Porschke sagt.

(Glocke)

Sie müssen bitte zum Schluß kommen.

Es ist der vorletzte Satz, Frau Präsidentin. – Es muß um die Sache gehen und nicht darum, daß Sie Ihre Gefühle vom Brokdorfer Zaun hier in komische Gesetze umsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

Meine Damen und Herren! Was wir gegenwärtig debattieren, ist natürlich kein Konsens, und zwar deswegen nicht, weil die verschiedenen Partner, die eigentlich am Tisch sitzen sollten, zum Teil gar nicht mehr am Tisch gesessen haben. Die Grünen haben mit der Anti-AKW-Bewegung nichts mehr zu tun,

(Dr.Hans-Peter de Lorent GAL: Dafür haben wir mit dem REGENBOGEN zu tun!)

und von daher können sie die auch nicht mehr darstellen. Auf der anderen Seite gab es die Energiebetreiber, die sich dort durchgesetzt haben,

(Mahmut Erdem GAL: Stimmt doch nicht!)

aber das ist kein gesellschaftlicher Konsens, der eigentlich versprochen worden ist.

Zweitens ist deutlich geworden – alle Kommentatoren, die sich mit dieser Materie auskennen, haben das deutlich gesagt, und wir bekommen es jetzt hier auch mit –, daß es kein Konsens ist, da sich nicht verschiedene Meinungen gebündelt haben oder jede Seite irgend etwas abgegeben hat, sondern die Atomindustrie hat sich in allen Punkten eindeutig durchgesetzt; das ist genau der Punkt.

(Mahmut Erdem GAL: Das stimmt doch nicht!)

Das einzige, was nicht geschehen ist, und das hat Herr Porschke deutlich gesagt, es gibt einen Einstieg in die Option auf einen Ausstieg. Eine politische Erklärung ist alles, und ansonsten wird alles unterschrieben, was die Atomindustrie gewollt hat, und das halten wir für eine Katastrophe.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Antje Möller GAL: Besser machen!)

Das betrifft alle Felder, das betrifft die zusätzlichen Atomanlagen, die Zwischenlager, die wir immer bekämpft haben, das betrifft die Energieunternehmen, die diese riesigen Geldsummen weiterhin behalten und damit ihre wirtschaftliche Macht weiterhin behalten dürfen. Das ist die Katastrophe, die wir immer kritisiert haben.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Der Kapitalismus wird auch nicht abgeschafft!)

Das führt zu der Feststellung, daß unter der CDU-Regierung die Abschaltung von Atomkraftwerken scheinbar leichter gefallen ist als gegenwärtig, da sind eher welche abgeschaltet worden; welch absurder Zustand wird dort praktisch unterschrieben.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Deshalb haben wir auch die Situation, daß es keinen ernsthaften AKW-Gegner mehr gibt, der diesen Konsens für richtig erklärt. Den gibt es nicht mehr innerhalb der grünen Partei, den gibt es nicht mehr bei denjenigen, die das unterschrieben und gestützt haben, und von daher haben die damit gar nichts mehr zu tun.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Danke für die Blumen!)

Es betrifft aber natürlich noch einen zweiten Punkt, den wir uns angucken müssen, den Hamburger Koalitionsvertrag. Wir hatten vor einem Jahr im Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag die Diskussion, daß Hamburg eigenständige Schritte nicht machen müsse – das hat Herr Porschke gesagt –, weil sich alles auf Bundesebene löse. Laut Koalitionsvertrag sollte zumindest ein AKW in Hamburg stillgelegt werden. Es gab im September die Chance, das eigenständig in Hamburg zu machen; diese Chance ist an den Bund weitergegeben worden, und der Bund löst sie gegenwärtig nicht ein. Der Koalitionsvertrag in Hamburg wird gegenwärtig nicht erfüllt, und Herr Porschke hat uns angelogen.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Wie bitte?)

Drittens geht es – das ist unabhängig von Atomausstieg und so weiter – letztendlich um die Frage der politischen Moral, daß man nicht mehr in der Lage ist, gegen herrschende wirtschaftliche Macht irgend etwas in diesem Land zu bestimmen.Wenn die Unternehmen machtvoll genug sind, Geld genug haben, dann werden sie es schaffen, ihre Interessen durchzusetzen, und dieser Atomkonsens spricht davon. Die wirtschaftliche Macht der Betreiber von Atomkraftwerken, die Philosophie „Geld regiert die Welt“, hat sich hier durchgesetzt und nicht mehr die Politik.

(Peter Zamory GAL: Vorwärts zum Klassenkampf!)

Und diese katastrophale Logik werden wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Senator Porschke.

Mein lieber Herr Salchow, es war reine Rücksichtnahme auf die Abwechslung im Podium, daß ich nicht auch noch die ganzen erfolgreichen Maßnahmen der Bundesregierung im Rahmen der Energiewende hier vorgetragen habe. Aber wenn Sie jetzt darum bitten, dann fange ich an.

Erstens: Der entscheidende Punkt, der den Einstieg in eine echte Energiewende gebracht hat, war die Ökosteuerdiskussion. Sie fangen jetzt an, populistisch hinter „Bild“-Zeitungskampagnen herzurennen, man solle die Ökosteuer abschaffen, damit die Autofahrer an der Tankstelle nicht so viel bezahlen müssen. Ich habe Verständnis dafür, daß ein Autofahrer nicht so viel bezahlen will, aber Sie sagen zu keinem Zeitpunkt: „Wir wollen lieber die Lohnnebenkosten wieder ansteigen lassen, dann haben wir zwar ein bißchen mehr Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung, aber wir haben Ruhe mit der Autofahrerlobby.“ Das halte ich für eine verlogene Energiepolitik.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Glocke)

Herr Senator, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

(Dr. Roland Salchow CDU)

Er kann sich ja gleich wieder melden. – Es war genau diese Bundesregierung, die weg von der Zwickmühle zwischen Klimagefährdung einerseits und atomarer Gefahr andererseits die Weichenstellungen für wirklich erneuerbare und zukunftsfähige Energien gestellt hat.Das Erneuerbare-Energie-Gesetz dieser Bundesregierung, das am 1. April dieses Jahres in Kraft getreten ist, ist der Durchbruch für eine lang angelegte Förderstrategie für erneuerbare Energien.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Und es war auch diese neue Bundesregierung, die einen Schutzkorridor für die Kraft-Wärme-Kopplung eingeführt hat. Sie wird mit der Energiesparverordnung die Entwicklung im Bauwesen vorantreiben, und das Ganze wird sich in trefflichster Weise mit dem vertragen, was wir in Hamburg in Sachen Klimaschutz und Arbeit leisten. Wenn Sie möchten, nenne ich die gesamte Liste, aber da ich weiß, daß wir das Thema morgen noch einmal haben, fände ich es einfach langweilig, Ihnen das alles zweimal zu erzählen. Also ersparen Sie uns den Quatsch, wir hätten keine Vorstellung von Energiepolitik.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Wir haben eine ausgesprochen entwickelte Energiewendepolitik, allerdings davon auch einen Teil „Atomausstieg“, weil wir die Gefahren aus der Atomenergie für zu groß halten.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nun noch einmal zu Herrn Hackbusch. Das ist kein Konsens, das ist richtig, es ist ein Kompromiß. Aber nach Ihren Einlassungen, Herr Hackbusch, ist ein Konsens auch völlig undenkbar, denn die Positionen, die Sie in dieser Frage immer eingenommen haben, sind überhaupt nicht konsensfähig mit irgendeiner anderen Position. Das heißt, mit den Grundpositionen der Anti-Atomkraft-Bewegung, die nach meinem Dafürhalten immer noch und zu Recht für die sofortige Stillegung sind, ist kein Konsens möglich, also kann es nur um einen Kompromiß gehen. Um einen Kompromiß zu bewerten, muß man ein bißchen auf seine Glaubwürdigkeit achten, und seine Glaubwürdigkeit verspielt man, wenn man mit falschen Aussagen arbeitet.

So ist es zum Beispiel eine falsche Aussage, daß wir die Chance, ein um Hamburg herum stehendes Kraftwerk stillzulegen, verschenkt hätten. Das ist einfach falsch, das trifft nicht zu.Diejenigen, die diese Position im Koalitionsvertrag in Hamburg formuliert haben, müßten es eigentlich besser wissen, und da gucke ich nicht umsonst in Ihre Richtung. In unserem Koalitionsvertrag steht, daß die Koalitionsparteien sich um eine Verständigung mit der HEW über eine Kündigung des Atomkraftwerkegesellschaftsvertrags bemühen werden, und genau das haben wir getan.

(Zurufe von REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Große Überraschung. Das haben Sie doch mit ausgehandelt, das haben Sie doch als richtig unterschrieben.Wo ist denn das Bekenntnis dazu? Wir sind diesen Weg gegangen, aber im Konsens kommt man anscheinend nicht so weit.

Deswegen braucht man einen stärkeren Hebelpunkt. Natürlich werden sich die Verhandlungen, die wir auch in Hamburg weiterführen möchten, an den Rahmen halten, der von der Bundesregierung neu geschaffen werden soll. Und natürlich werden wir die Verhandlungen, die wir zwischenzeitlich hätten führen können – wir haben beide viel

zu tun, Sie sehen ja, der Bürgermeister muß sogar hier arbeiten –, weiterführen, aber dies macht keinen Sinn in einer Zeit, in der die Rahmenbedingungen für Verhandlungen nicht klar sind, wo dann immer wieder gefragt würde: Unter welchen Rahmenbedingungen verhandeln wir? Jetzt sind Rahmenbedingungen geschaffen worden, mit denen man verhandeln kann.