Es ist ärgerlich, Sie wollen nicht verstehen, daß Sie letztendlich dazu beitragen, daß auf Hamburgs Straßen gerast wird. Sie wissen genauso gut wie alle Anwesenden: Wo „50“ steht, wird mindestens 65 gefahren, und wo „60“ steht, mindestens 75. Sie selbst sind sicherlich auch daran beteiligt. Deswegen ist es unverantwortlich, daß Sie immer wieder versuchen darzustellen, es muß schneller gefahren werden können.
Rechnen Sie einmal aus, wieviel Zeitgewinn es überhaupt bringen würde, wenn man in der Stadt schneller fahren würde. Sie würden feststellen, es ist lächerlich. Sie bauschen immer wieder Sachen auf, die völlig neben der Spur sind.
Ich lasse über den CDU-Antrag abstimmen. Wer möchte denselben annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mehrheitlich abgelehnt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 60 auf: Drucksache 16/4343: Antrag der SPD zur Informations- und Telekommunikationsbranche.
[Antrag der Fraktion der GAL: Engagement der Hamburger IT-Branche bei Aus- und Weiterbildung und die Konsequenzen der „Green-Card-Diskussion“ auf die Hamburger Weiterbildungspolitik – Drucksache 16/4404 –]
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Weltweit haben die modernen Informationsund Kommunikationstechnologien einen rasanten Strukturwandel ausgelöst. Nirgendwo macht sich die Globalisierung so deutlich und gravierend bemerkbar wie beim Internet. Der Übergang zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft vollzieht sich mit einer bisher noch nie dagewesenen Geschwindigkeit. Brauchte das Fernsehen noch 13 Jahre, um eine Anzahl von 50 Millionen Nutzern zu erreichen, so hat das Internet dies bereits innerhalb von vier Jahren geschafft.
Hamburg gilt bundesweit als führende Medienmetropole. Die Beschäftigungsdynamik ist atemberaubend.Derzeit arbeiten bereits schätzungsweise 18 000 Beschäftigte im ITBereich. Rund 1000 Unternehmen sind in dieser Branche tätig. Mit einem Gesamtumsatz von gut 50 Milliarden DM sind diese Unternehmen innerhalb weniger Jahre zum drittgrößten Arbeitgeber dieser Stadt geworden.
Der bundesweite Spitzenplatz Hamburgs in dieser Branche zeigt sich auch darin, daß die neuen umsatzstärksten deutschen IT-Unternehmen hier ihren Hauptsitz oder eine Niederlassung haben. Zu diesen Unternehmen zählen unter anderem AOL, Alta Vista oder IBM. Mit der Entscheidung von SAP, eine Niederlassung in der HafenCity zu gründen, hat Hamburg diesen Spitzenplatz noch weiter ausbauen können.
Hamburg verfügt über wichtige Standortvorteile.Als Standortfaktoren schätzen die zumeist jungen Medienunternehmen insbesondere die Kundennähe, verfügbares, gut qualifiziertes Personal und eine gute Infrastruktur. Hierzu zählen insbesondere die sogenannten weichen Standortfaktoren, wie das liberale, weltoffene Klima, das hervorragende Kulturangebot und die gute Lebensqualität unserer Stadt.
Keine Branche zeigt jedoch eine so hohe Beschäftigungsdynamik wie gegenwärtig diese Branche. Dieses Wachstum stößt inzwischen an Grenzen, weil qualifizierte Spitzenkräfte in ausreichender Zahl nicht zur Verfügung stehen. Angebot und Nachfrage gehen gegenwärtig bei Informatikern und anderen IT-Spezialisten weit auseinander.
Nach einer Umfrage der Handelskammer gibt es in Hamburg einen zusätzlichen Bedarf von schätzungsweise 6000 IT-Experten. Die zwar stark gestiegene Anzahl der Studienanfängerinnen und -anfänger, aber die nur allmähliche Zunahme der Hochschulabsolventen bedeutet für die kommenden Jahre eine schwierige Versorgung der Wirtschaft mit IT-Spezialisten.
Beispielhaft möchte ich dies an der Entwicklung der Studienanfängerinnen und -anfänger im Fach Informatik verdeutlichen.Dort war die Anfängerzahl in den achtziger Jahren noch um das Zweieinhalbfache gestiegen. Anfang bis Mitte der neunziger Jahre sank die Zahl bundesweit um 14 Prozent auf 8000.In den letzten drei bis vier Jahren sind die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt aber offensichtlich bei den Abiturientinnen und Abiturienten angekommen. In dieser Zeit ist die Studienanfängerzahl wieder um knapp 50 Prozent auf 14 000 gestiegen.Benötigt werden jedoch circa 30 000 Hochschulabsolventen pro Jahr. Auffällig ist zudem der niedrige Frauenanteil. Nur 17 Prozent der Studienanfänger sind Frauen. Die zuvor beschriebenen Entwicklungen finden in diesem Bereich ihre Entsprechung bei der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen.
In den vergangenen drei bis vier Jahren ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Informatikerinnen und Informatiker um über die Hälfte zurückgegangen. Derzeit sind bundesweit lediglich circa 2400 Informatiker arbeitslos gemeldet. Hierbei ist festzustellen, daß Arbeitslosigkeit für Informatiker im wesentlichen ein Problem der mittleren und älteren Jahrgänge ist. Während der Anteil bei den bis zu Fünfunddreißigjährigen in den letzten fünf Jahren um zwei Drittel zurückgegangen ist, stieg er bei den Fünfundvierzigjährigen und älteren um mehr als das Doppelte an.
Fazit: Die alte Bundesregierung, aber auch die Wirtschaft haben diese Entwicklung verschlafen. Der enorme Fachkräftebedarf in dieser Branche wurde nicht rechtzeitig als wichtiges strategisches Handlungsfeld erkannt und dementsprechend auch nicht zielgerichtet gehandelt.
Die Einführung der Green Card durch die neue Bundesregierung wird daher von meiner Fraktion nachhaltig begrüßt.Wir brauchen eine kurzfristige Lösung des Fachkräftemangels, um unsere führende Position in dieser Wachstumsbranche zu sichern und nach Möglichkeit ausbauen zu können. Die Forderung nach einer Verlängerung der Aufenthaltsdauer für die ausländischen IT-Kräfte sowie die Debatte über die Ausweitung auf andere Branchen, wie sie gegenwärtig unter anderem von der Wirtschaft gefordert wird, halte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt für keine Lösung. Den Mangel an IT-Fachkräften werden wir auf Dauer nicht durch Zuwanderung lösen.
Wie kommen wir aus dieser Krise heraus? Der Antrag der CDU, der im wesentlichen Maßnahmen vorschlägt, die sich im Bereich der dualen Ausbildung abspielen, ist lobenswert, aber er reicht bei weitem nicht aus, um in der Medienpolitik weiterhin eine herausragende Rolle spielen zu können. Politik, Wirtschaft und Hochschulen müssen gemeinsam diesem Mangel abhelfen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang die letzte Aktion des Senatsamts für die Gleichstellung erwähnen, die sich vor allem an die Frauen richtet und Lust machen will auf eine Orientierung in den IT-Bereich.
Nur durch stärkere Investition in Aus- und Weiterbildung sowie ein Studium mit internationaler Ausrichtung und eine gemeinsame Werbung für IT-Studiengänge werden wir den Standort Hamburg als Medienmetropole sichern und – das ist besonders wichtig – Zukunftsmodelle entwickeln – also auch eine Entwicklung in qualitativer Hinsicht –, die den globalen Anforderungen gerecht werden. Zukunft bedeutet nicht weniger, sondern mehr Bildung.
Wenn wir mit den weltweiten Veränderungen Schritt halten und die Zukunftschancen der jungen Generation sichern wollen, müssen wir das Ausbildungs- und Bildungssystem
so weiterentwickeln, daß möglichst alle Begabungen und die Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt optimal und frühzeitig gefördert und genutzt werden. Dies ist jedoch nicht nur Aufgabe der Politik, sondern auch der Wirtschaft, die ihr betriebliches Aus- und Weiterbildungsangebot kräftig ausweiten muß.
Ohne intensive Anstrengungen im Bildungs- und Ausbildungssystem läßt sich der Wandel zur Informations- und Wissensgesellschaft mit ihren enormen Chancen für Wachstum und Beschäftigung nicht erfolgreich bewältigen.
Daß Hamburg im IT-Bereich bundesweit bereits eine Vorreiterrolle spielt, wird an folgenden Beispielen deutlich:
und eine kostenlose E-Mail-Adresse auf „hamburg. de“ erhalten. Damit dürfte es Hamburg leichtfallen, die Zielmarke der Bundesregierung zu erreichen, bis zum Jahre 2005 den Anteil der Internet-Abonnentinnen und -Abonnenten an der Gesamtbevölkerung von 9 Prozent auf 40 Prozent zu steigern.
Die Hamburger Schulen sind zu 96 Prozent am Netz angeschlossen. Bereits in mehr als der Hälfte der Schulen können die Schülerinnen und Schüler an allen Computerarbeitsplätzen direkt ins Netz gehen. Damit kommt Hamburg der Zielmarke schon heute sehr nahe, bis zum Jahre 2001 alle Schulen mit Internet-Anschlüssen auszustatten.
Durch Konzepte, wie den Multimediaführerschein, die geplante Akademie Media-City-Port, das Angebot Medienbetriebswirtschaft der Wirtschaftsakademie, der Handelskammer sowie die neueingerichtete Task-force im Hamburger Rathaus, werden dringend erforderliche neue Wege der Aus- und Weiterbildung beschritten. Ich bin sicher, daß Hamburg alle Chancen nutzen wird, um den neuen Herausforderungen der Informationsgesellschaft zu begegnen. Der Erfolg wird jedoch maßgeblich davon abhängen, ob und inwieweit es gelingt, Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften an einen Tisch zu bekommen und zu erreichen, daß sie alle an einem Strang ziehen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Brockmöller, ich bin Ihrer Meinung, und Sie haben es mit Ihrem letzten Satz gesagt, daß Politik und Wirtschaft an einen Tisch gebracht werden und an einem Strang ziehen müssen. Ich hätte es begrüßt, wenn die zuständige Senatorin, die für das Ressort Aus- und Weiterbildung zuständig ist, anwesend wäre oder einen Staatsrat geschickt hätte. Das ist nicht der Fall. Der heute von der SPD vorgelegte Antrag – insbesondere Punkt 13 zur Ausund Fortbildung der Lehrerinnen im IT-Bereich – scheint die zuständige Senatorin für Schule, Jugend und Berufsbildung nicht zu interessieren. Das ist bedauerlich.
Wir haben es mit einem fadenscheinigen Manöver zu tun. Unsere Fraktion hat am 5.Juni einen Antrag gestellt, in dem
wir vorschlagen, in Hamburg eine konkrete Anzahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung zu stellen. Wir haben während unserer Recherchen mit Betrieben, mit Schulen und mit der Handelskammer gesprochen. Unser Antrag wurde mit einer fadenscheinigen und deswegen durchsichtigen beliebten Methode beantwortet.Sie reichen einen Berichtsantrag mit 15 Fragen ein, mit denen Sie versuchen, bis zum 31.März 2001 ein wichtiges Thema, über das wir heute entscheiden könnten, hinauszuschieben. Dieses Manöver ist von uns erkannt worden
und wird auch von den Hamburgerinnen und Hamburgern, Frau Möller, und sogar von Ihrer eigenen Klientel erkannt werden. Deswegen werden wir die Anträge der SPD und der GAL, mit denen ich mich gleich noch auseinandersetzen werde, ablehnen.