Protocol of the Session on May 11, 2000

(Zuruf: Es sind mehr!)

Es sind mehr? Ich bin ja nur Mathematikerin und kann nicht rechnen.

Bei den C4-Professuren sind dringend Maßnahmen notwendig; das hat Frau Urbanski sehr ausführlich dargestellt; wir brauchen, wenn wir es nicht schon hätten, ein Gleichstellungsgesetz, das in diesem Bereich auch angewendet wird. Die Universität kann seit Verabschiedung des Gleich

(Dr. Silke Urbanski SPD)

stellungsgesetzes vor zehn Jahren nur eine traurige Bilanz ziehen.

Diese Misere wird durchaus gesehen. Wir erfahren auch, welche Konsequenzen geplant sind. Zunächst wird verkündet, daß die Probleme nachdrücklich erkannt worden seien. Das ist schon erstaunlich: Nach 30 Jahren Frauenbewegung hat man die Probleme an den Universitäten erkannt. Dann erfahren wir weiter, daß es darüber hinaus – das wird zumindest behauptet – gelungen sei – ich zitiere –:

„das Gleichstellungsgebot des Hochschulgesetzes im Bewußtsein der Hochschulmitglieder zu verankern“.

Auch das ist ein schönes Ergebnis. Man hat das Problem erkannt und das Bewußtsein verankert.

Man fragt sich, woran das deutlich werden soll.Denn wir erfahren – von wenigen Ausnahmen abgesehen –, daß die vorgeschriebenen Frauenförderberichte entweder überfällig sind, marginalisiert oder schlicht nicht erstellt wurden.Es existieren an allen Hochschulen Frauenförderpläne und -richtlinien.Die Frage, ob diese existieren, beantwortete der Senat mit „Ja“.Aber offensichtlich hält man sich nicht daran oder man kann sich nicht daran halten, weil sie sich noch in der Abstimmung befinden, noch konzipiert werden sollen, nicht akzeptiert wurden oder für nicht realisierbar gehalten werden.

Der Senat muß vermelden – ich zitiere –:

„Allgemein ist eine Diskrepanz zwischen den Zielvorgaben der Frauenförderpläne und der bisher erreichten Umsetzung festzustellen.“

Das ist eine zentrale Aussage in dieser Antwort.

Nach den Konsequenzen gefragt, wird geantwortet, „daß man nun die Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils auf allen Qualifikationsstufen schnell – spätestens in drei Jahren – weiterentwickelt haben will“. Doch so rasch? Wenn wir in dem Tempo weitergehen, dann sind wir bei den angedachten 435 Jahren, die immer dann zitiert werden, wenn es um die endgültige Gleichstellung von Mann und Frau geht.

Man will außerdem die Hochschulfrauenbeauftragten an allen Struktur- und Grundsatzentscheidungen regelhaft beteiligen. Unter diesem Gesichtspunkt und nach den Informationen, die ich auch mündlich erhalte, kann ich nur sagen:Die Mär vernahm ich schon, allein mir fehlt der Glaube.

Denn schon jetzt können nach den vereinbarten Leistungsvorgaben bei Nichterfüllung – in der Antwort aufgeführt unter VI.4 – Sanktionen eingeleitet werden.Aber diese Sanktionsmöglichkeiten werden nicht angewendet. Denn eines ist klar: Frauenförderung muß man wirklich wollen. Wenn man sich die aufgelistete Ansammlung von hohlen Phrasen ansieht, dann kommen berechtigte Zweifel auf, ob hier tatsächlich mit genügendem Nachdruck der Wille zur Umsetzung vorhanden ist.

Mit den vielen Worthülsen wird der Eindruck erweckt, daß man hier ungeheuer aktiv sei. Ich möchte ein Beispiel zitieren:

„Die zuständige Behörde wird bei einer Modellbildung besonderen Wert auf die angemessene Gewichtung eines Frauenförderungs-Indikators im Rahmen des Gesamtsystems legen.“

Ein tolles Zitat. Mir kommt dabei das Sprichwort in den Sinn: Wenn auch die Kräfte fehlen, so ist doch der Wille zu

loben. Hier sind weder die Kräfte noch ist der Wille zu erkennen. Ich fürchte, das ist symptomatisch für die gesamte Gleichstellungspolitik.Wenn das offenkundig wird, schwindet auch die Akzeptanz. Wir wollen uns nichts vormachen: Bei vielen jungen Leuten und in zunehmendem Maße auch bei jungen Frauen werden diese – das ist meine Überzeugung – ohne Zweifel wichtigen und nach wie vor richtigen Vorschriften als Zwangsbeglückung empfunden und werden abgelehnt.Da muß man sich nicht wundern, daß diese Maßnahmen ohne Scheu unterlaufen werden, denn die Empörung der Betroffenen fehlt.

Man muß sich fragen, ob nicht bei der Frauenförderung an sich etwas nicht stimmt. Die Inhalte sind in Ordnung, aber vielleicht ist der Weg nicht der richtige. Manchmal hilft ein kleiner Blickwinkelwechsel, das Heraustreten aus diesen tradierten, ideologisch belasteten Trampelpfaden. Ich meine

(Uwe Grund SPD:Sie werden aus den Erfahrungen der CDU berichten!)

nicht, daß vom rechten Weg abgegangen werden soll, wohl aber sollte dieser Weg, Herr Grund, auf einem neuen Boden beschritten werden.Vielleicht sollten wir anfangen, von einer Gleichstellungsförderung zu reden, und weniger hypnotisiert auf die Frauen starren. Frau Sager nennt sich selbst – sie ist leider nicht da – nicht Frauen-, sondern Gleichstellungssenatorin. Es geht nicht länger darum, Frauen zu fördern. Das machen wir seit 30 Jahren erfolgreich; hier ist ein großer Fortschritt gemacht worden. Es geht um eine gerechte und gleichmäßige Verteilung der Stellen im Hochschulbereich. Aber natürlich nicht nur dort. Das ist ein Ziel, mit dem sich viele mehr identifizieren könnten als an einer wie eine Monstranz vor sich her getragenen tradierten Frauenförderung. Dabei muß man natürlich von den Metaphern, an die man sich gewöhnt hat, Abschied nehmen.

Es ist Weiterentwicklung gefragt, und wer sich heute noch wie vor 30 Jahren in den klassischen feministischen Bahnen bewegt, sollte sich den Puls fühlen lassen; denn vielleicht ist er schon ein Fossil. Ich frage mich manchmal, wer hier eigentlich konservativ denkt. – Ich bestimmt nicht.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Das glaube ich Ihnen!)

Das Fazit aus der Lektüre: Die Lage ist desolat, Stagnation und Rücklauf droht.Was brauchen wir? Brauchen wir neue gesetzliche Regelungen? Ich denke, die brauchen wir nicht. Aber wir brauchen eine Senatorin, die sich nachdrücklich für die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen einsetzt; dazu sind Gesetze schließlich da. Wenn ich das nicht will, brauche ich sie auch nicht. Ich kenne zwar die Schwäche mancher Menschen für Schaufenstergesetze, aber ich glaube, das Gleichstellungsgesetz ist zu wichtig, als daß man es zu diesem machen sollte.

Es ist die Aufgabe der Senatorin, sich dafür einzusetzen. Wenn Sie das nicht kann oder nicht möchte, dann muß sie vielleicht ihren Posten überdenken.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Dr. de Lorent.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach diesem letzten Beitrag ist mehr Ratlosigkeit als Klarheit aufgekommen. Ob ich als frauenförderungspolitischer Sprecher der GAL-Fraktion für den

(Karen Koop CDU)

Hochschulbereich für Klarheit sorgen kann, weiß ich nicht genau. Ich möchte aber der Reihe nach vorgehen.

Zur Großen Anfrage: Die Zahlen belegen meiner Meinung nach – hier möchte ich durchaus einen anderen Akzent setzen als die beiden Vorrednerinnen –, daß Frauenförderung an Hamburger Hochschulen eine wichtige und längerfristige Aufgabe ist.Wenn man sich die Zahlen genauer ansieht, dann ist ein leichter Anstieg in den letzten Jahren zu verzeichnen. Der Frauenanteil ist größer geworden,

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke: Nicht überall!)

aber noch nicht zufriedenstellend. Je höher die Besoldungsstufe, desto geringer ist der Frauenanteil; das ist zu beklagen. Für mich ist es auch bedauerlich, daß beispielsweise die an der TU 1994 lehrende C4-Professorin nicht zur Verfügung steht. Ich hoffe nicht, daß sie mit Herrn Trinks weggefahren ist. Man könnte im Detail fortsetzen.

(Petra Brinkmann SPD: Nein, der ist ja allein ge- fahren!)

Es gibt einige Probleme, die nicht wegzudiskutieren sind. Aber es gibt auch einige positive Hinweise wie zum Beispiel die Förderung von Nachwuchsstellen.

Bei den C1-Stellen – das sind die Stellen, auf denen sich promovierte Kräfte weiterqualifizieren und habilitieren – ist der Anteil nach zehn Jahren immerhin auf 40 Prozent gegenüber 11,8 Prozent in 1985 gestiegen. Das ist eine enorme und kluge Steigerung, denn die Nachwuchskräfte von heute werden die C4-Professoren von morgen sein.

In diesem Zusammenhang ist es ein wenig unglücklich, daß darüber diskutiert wird, die Habilitationen als Kriterium für Berufungen abzuschaffen. Aber immerhin zeigt sich, daß in diesem Bereich die Frauen unwahrscheinlich an Kraft gewonnen haben. Diese Entwicklung kann man nicht beiseite schieben.

Frau Koop, zu Ihnen möchte ich eine Bemerkung machen. Die CDU hat keine ganzheitliche Herangehensweise, sondern eine Art Arbeitsteilung für bestimmte Bereiche. Daß die einzige weibliche Abgeordnete in Ihrer Fraktion, die für Frauenförderung zuständig ist, hier redet, ist gut. Aber ich habe nicht so richtig verstanden, welche Vorstellungen Sie haben. Es wäre für die CDU auch unglaubwürdig, weil Sie selbst in Ihrer eigenen Partei Schwierigkeiten mit der Frauenförderung haben. Soweit ich weiß, haben Sie Probleme gehabt, überhaupt Frauen auf die Bürgerschaftsliste zu bekommen.Ob das so glaubwürdig ist, wenn Sie dann in eine solche Debatte einsteigen und die zuständige Senatorin anklagen, daß sie in diesem Bereich nicht genügend unternimmt, finde ich fragenswert.

(Beifall bei der GAL)

Bisher ist über die Instrumente der Hamburger Frauenförderung im Hochschulbereich noch nichts gesagt worden. Ich möchte wenigstens drei nennen, damit sie den Abgeordneten, die die Große Anfrage und die entsprechenden Antworten nicht gelesen haben, nicht aus dem Bewußtsein geraten und damit völlig unter den Tisch fallen.

Ein erstes Instrument ist das System der Ziel- und Leistungsvereinbarung, das schon sehr wesentlich ist. Wenn Sie sich die Vereinbarungen ansehen, die mit jeder einzelnen Hochschule getroffen wurden, so steht dort einiges drin.Es ist im März dieses Jahres abgefragt worden, wie die einzelnen Hochschulen die Ziel- und Leistungsvereinbarungen umgesetzt haben. Ich bin gespannt darauf, was in

bezug auf die Frauenförderung – ein wesentlicher Punkt in jeder Ziel- und Leistungsvereinbarung – tatsächlich erreicht worden ist.

Zweitens gibt es in Hamburg einen Sonderfonds für Berufung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit immerhin 3,2 Millionen DM. Aus diesem Fonds wurden beispielsweise seit 1988 für neu berufene Professorinnen – insgesamt acht – wesentliche Beträge aufgewendet. Auch sind erfolgreiche Bleibeverhandlungen aus diesem Fonds bezahlt worden. Das ist zwar nicht der Durchbruch oder eine Revolution, aber es ist ein innovativer und neuer Beitrag, der von der Koalition vereinbart wurde und auch Früchte trägt.

Drittens gibt es das Bund/Länder-Fachprogramm zur Förderung der Chancengleichheit in Forschung und Lehre. Hierfür stehen immerhin fast 2 Millionen DM zur Verfügung, die für gezielte Frauenförderung eingesetzt werden.

Diese Instrumente können sich durchaus sehen lassen.Ich stimme mit den Vorrednerinnen in dem Punkt natürlich überein, daß diese nicht ausreichen. Der anstehende Generationenwechsel an den Hochschulen muß genutzt werden. An der Hamburger Universität sind 242 Professorinnen und Professoren zwischen 56 und 60 Jahren, 170 Professoren und Professorinnen sind zwischen 61 und 65 Jahren alt. Das heißt, daß in den nächsten zehn Jahren in wesentlicher Größe Personal ausgewechselt wird. Wenn man diese Chance bei der Verbeamtung auf Lebenszeit, die mit diesen Stellen verbunden ist, nicht nutzt, wird wieder ein Bereich auf 30 Jahre einzementiert.

Aber wie kann man das machen? Die Maßnahmen sind etwas komplizierter und differenzierter als das, was bisher gemacht wurde.

Erstens:Die Nachwuchsförderung von Frauen mit Hilfe von Fonds und Sonderprogrammen muß intensiviert werden. Die von mir genannten 40 Prozent sind eine Steigerung, die noch weiter intensiviert werden kann.

Zweitens:Es muß offensichtlich mehr Information und Werbung an den Fachbereichen betrieben werden. Wir haben Hinweise erhalten, daß in den Fachbereichen die Fonds mit ihren Möglichkeiten nicht bekannt sind.Hier muß etwas getan werden, um diese vorhandenen Förderungen tatsächlich zu nutzen.