Protocol of the Session on May 11, 2000

Vorher hat Herr Reichel auf etwas hingewiesen, was ich jetzt auch tun werde, nämlich auf eine gewisse Vorgeschichte dieser Veranstaltung des Senats vom Dezember 1984.

Aber vielleicht sollte man nicht so tun – und das durchzieht Frage und Antwort in vielen Punkten –, als habe es sich beim Senatshandeln immer um ein souveränes Handeln gehandelt und als sei das in dieser Stadt einfach eine naturgegebene Entwicklung gewesen, die zu dieser wunderbaren und häufigen Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit geführt habe.

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Wahr ist, daß all dies das Ergebnis heftiger Auseinandersetzungen zwischen vielen Teilen der Bevölkerung ist.Wahr ist, daß das alles erst entstanden ist, als sich eine skandalöse Entwicklung in der öffentlichen Wahrnehmung dargestellt hat, nämlich daß in Hamburg zahlreiche Täter der NS-Zeit friedlich bis in hohe Senatspositionen gelebt haben und tätig waren.Dieses ist der Anfang der Debatte der sieb

ziger und frühen achtziger Jahre gewesen, und dieses war für Herrn Dohnanyi – ich unterstelle niemandem böse Absichten, sondern nur Gutes – natürlich der Anstoß zu neuen Dingen.Es ist richtig, daß der Senat damals eine neue Linie bezogen hat, aber nicht ohne die Vorgeschichte.

1983 hat in Hamburg die Ausstellung „Heilen und Vernichten“ stattgefunden, in der erstmals deutlich geworden ist, daß Hamburg im Dritten Reich das Zentrum von Tötungsaktionen war.Kultursenator Tarnowski hat 1983 den damals noch zunächst vergeblichen Wunsch geäußert, die Staatsbibliothek möge den Namen von Carl von Ossietzky tragen. Im Januar 1984 haben zahlreiche Hamburger und Nichthamburger – darunter auch Bürgerschaftsabgeordnete von SPD und GAL – dazu aufgerufen, das Gelände des KZs Neuengamme als Denkmal neu als Denkmal zu begreifen. Bis dahin war das nicht so.

Der Senat hat dann in der Vorarbeit dieser Veranstaltung vom Dezember 1984 einen Journalisten, Werner Skrentny, damit beauftragt, eine Broschüre zu erstellen, die den Umgang Hamburgs in der Nachkriegszeit mit der NS-Vergangenheit beschreiben sollte.Diese Broschüre ist entstanden, aber nie veröffentlicht worden, weil Herr Skrentny zu deutlich und zu genau über die Geschichte Hamburgs in der Nachkriegszeit und ihren Umgang mit der NS-Zeit geschrieben hat. Es durfte in dieser Geschichte Hamburgs von Herrn Skrentny die Karriere des Herrn Dr. Struwe nicht erwähnt werden, der einer der Haupttäter der NS-Zeit war und später auch in der Senatskanzlei tätig war. Es durften in dieser Broschüre auch nicht berühmte Hamburger Industrielle erwähnt werden, die auch in der Nachkriegszeit noch ehrenwerte Bürger dieser Stadt waren, wie die Herren Blohm und Reemtsma. Das war die Situation der Jahre 1983 und 1984, und nur aus dieser Situation heraus ist begreiflich, daß Bürgermeister von Dohnanyi diese Initiative ergriffen hat, die dazu geführt hat, daß der Umgang von Senat und Bürgerschaft mit dieser Geschichte anders wurde. Das gehört meiner Meinung nach zu einer Geschichtsschreibung dazu, weil sich nur dadurch das Bewußtsein dessen, was geschehen ist, bei uns allen einigermaßen entwickeln kann.

Ich komme zu einem zweiten Punkt. In Frage und Antwort wird das Staatsarchiv und die Behandlung von Akten im Staatsarchiv benannt. Unter Frage A.I.5 wird gefragt, ob nennenswerte Bestände seit 1945 verlorengegangen oder vernichtet worden sind und auf welche Weise.

Die Antwort verweist auf zahlreiche Antworten des Senats auf Schriftliche Kleine Anfragen aus der vorigen Legislaturperiode und sagt dann pauschal:

„Davon waren vor der Verzeichnung durch die Justizbehörde noch etwa 72 000 vorhanden, von denen 17800 archiviert wurden.“

Dazwischen fehlt eine Handlung, nämlich die Tatsache, daß bis in die letzte Legislaturperiode hinein zahlreiche Akten vor der Archivierung vernichtet wurden, deren Vernichtung schließlich gestoppt worden ist. Es gab in der letzten Legislaturperiode eine heftige Auseinandersetzung zwischen den Abgeordneten dieses Parlaments und dem Senat, die dazu führte, daß das Staatsarchiv und die zuständigen Bediensteten eine Aktenvernichtungsaktion stoppen mußten, die bis dahin geschehen war. Damals wurden ziemlich viele, also heute nicht mehr vorhandene Akten, die Prozesse gegen Homosexuelle aus dem Dritten Reich betrafen, vernichtet. Das kann man natürlich in den Schriftlichen Kleinen Anfragen und Antworten nachlesen und re

(Frank-Thorsten Schira CDU)

konstruieren, aber warum kann der Senat auf eine solche Große Anfrage nicht eine halbwegs genaue und auch selbstkritische Darstellung des Tatverhalts liefern? Gibt es hier die Regel, daß die Obrigkeit immer recht hat? Kann man nicht eine historische Beschreibung machen, indem man Fehler eingesteht und sagt, ja, es sind Akten vernichtet worden, die man besser nicht hätte vernichten sollen und die jetzt nicht mehr vernichtet werden.Warum steht das da nicht? Das ist ja erst vor wenigen Jahren geschehen. Aus diesem Grunde kann man nicht einfach sagen, es sei alles vorbildlich und gut.

Das ist ja nicht geschehen, weil die GAL-Abgeordneten das plötzlich entdeckt haben, sondern weil es Betroffene gemerkt haben. Historiker, die an diesen Akten geforscht haben, haben es bemerkt und sich dann an uns gewandt.Wieder war es – wie immer in dieser Debatte – ein Thema der politischen Auseinandersetzung.Es ist keineswegs so, daß wir in der Bürgerschaft oder daß der Senat immer alles besser wußten, sondern es gibt Irrtümer auf allen Seiten. In dieser Großen Anfrage und in der Beantwortung gibt es das offenbar nicht.

Ich lese weiter in der Antwort die ausführlichste Darstellung – offenbar, weil es von der Leitung der KZ-Gedenkstätte selbst so dargestellt worden ist –, die die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und den Umkreis dessen betrifft, was dort geschehen ist. Hier tauchen plötzlich Veröffentlichungen auf, die nicht mit den staatlichen Institutionen zu tun haben, weil sie offenbar von dort genannt worden sind, nämlich Veröffentlichungen aus dem Arbeitskreis der „Projektgruppe für die vergessenen Opfer des NS-Regimes“. Hier fehlen aber dann natürlich auch andere. Ich kann nicht verstehen, warum so wichtige Dokumente, die aus der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts stammen, nicht aufgeführt werden. Sie sind auch nicht nachgefragt worden. Aber ich finde es ziemlich aberwitzig, in Hamburg eine Geschichte der Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit zu beschreiben, in der der Name KarlHeinz Roth nicht vorkommt. Das ist der Mann, der alle diese Projektgruppen mit organisiert hat. Er hat vielleicht auch viele falsche Theorien entwickelt, aber das ist jemand, dem hier ein Ehrenplatz gehört.Das kommt hierin nicht vor. Es ist zwar nur nach Staatshandeln gefragt worden, aber immerhin wird es nicht einmal erwähnt.

(Beifall bei der GAL und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Dann kommt ein Punkt, bei dem ich auch etwas skeptisch bin, was auch bei Herrn Kopitzsch ähnlich klang. Es heißt, Hamburg sei vorbildlich. Es gibt ja die berühmte Theorie, daß Hamburg im Dritten Reich besonders liberal war.Demgegenüber haben Karl-Heinz Roth und andere die These vom Mustergau Hamburg aufgestellt. Mittlerweile hat man auch dank gründlicher Erforschung des Themas, beispielsweise durch den ehemaligen Senator Grolle, eingesehen – jedenfalls in der Wissenschaft –, daß es nicht stimmt mit dem angeblich besonders liberalen Hamburg im Dritten Reich, sondern daß es mindestens ganz normal war. Auch in der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit war Hamburg ziemlich normal.

Das Land Bayern hat von Staats wegen sehr viel umfangreichere Dokumentationen über die Geschichte Bayerns in der NS-Zeit herstellen lassen als Hamburg. Das Land Bayern hat sich auch in seinem Archivwesen sehr viel früher als Hamburg diesem Thema gründlicher gewidmet. Das verdanken wir dem damaligen Kultusminister Maier, der im Dauerkonflikt mit Franz-Josef Strauß war und deswegen ei

nes Tages aus dem Kabinett ausgeschieden ist. Damit es deutlich wird:Es kann nicht angehen, daß jetzt gesagt wird, bei der Aufarbeitung der NS-Zeit sei Hamburg besonders vorbildlich gewesen.Wir könnten alle Länder Deutschlands nehmen, es gibt schlechte und gute, aber Hamburg ist keinesfalls das große Vorbild für alle Länder.

Ich komme zu einem weiteren Punkt. Es wird nach den Mahnmalen gefragt. Auch hier wird eine große Liste aufgestellt, und ich hätte es mir gewünscht, daß ein bißchen darauf eingegangen würde, aus welchen Konflikten die Mahnmale häufig entstanden sind. An die CDU zur Erinnerung an die gestrige Debatte: Das Kriegerdenkmal am Dammtor-Bahnhof hätte niemals seine Ergänzung durch den unvollendeten Teil von Herrn Hrdlicka bekommen, wenn es nicht genügend Chaoten gegeben hätte, die unaufhörlich das Kriegerdenkmal mit Farbe beschmiert hätten.

(Beifall bei der GAL und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Damit wir uns den Charakter solcher Auseinandersetzungen vor Augen halten: Es ist nicht so, daß solche Auseinandersetzungen immer nur friedlich mit wissenschaftlichen Aufsätzen geschrieben werden, sondern sie werden auch radikal geführt, und die Stadt profitiert auch von radikalen Auseinandersetzungen.

Ich werde mir erlauben, an dieser Stelle noch einen Namen zu nennen, nämlich den im vorigen Jahr gestorbenen Herrn Wilhelm Mosel, der ein Einzelgänger war, ein etwas verschrobener Typ, ein Mann, der während des Krieges seine jüdischen Eltern im KZ verloren hat. Dem verdanken wir eine ganze Reihe der hier aufgeführten Denkmäler beziehungsweise Tafeln, die nicht in dem staatlichen Straßenprogramm enthalten sind. Der hat das allein gemacht. Er hat eine deutsch-jüdische Gesellschaft gegründet und auch immer wieder staatliche Unterstützung bekommen, aber er war ein richtiger Einzelgänger, dem wir viel verdanken. Das ist nicht gefragt worden und steht auch nicht in der Antwort. Ich werde ihn trotzdem hier lobend erwähnen.

(Beifall bei der GAL)

Was kann man für die Zukunft tun? Ich finde, man muß aus der Debatte lernen, daß es nicht so sein wird, daß in Zukunft staatliches Handeln immer vorangeht, vorbildlich sein wird, sondern daß wir genau die Konflikte beachten müssen, die stattfinden. Wir haben sie auch jetzt wieder. Die Auseinandersetzung um die Zwangsarbeiterentschädigung ist auch nicht deswegen entstanden, weil irgendwelche staatlichen Behörden gesagt hätten, das müsse jetzt auf die Tagesordnung gesetzt werden, sondern aus ganz anderen Gründen.

Wir haben noch ein weiteres Thema zu beachten. Vor kurzem gab es in Hamburg eine Veranstaltung – jetzt kommt Bayern etwas negativ hervor –, auf der ein bekannter bayrischer Politiker folgenden Satz gesagt hat:

„Der Holocaust ist ein Geschichtskapitel und nicht eines, das immer weiter tröpfelt.“

Das ist auf einer CDU-Veranstaltung gesagt worden. Man las, daß es nicht viel Widerspruch gab, aber dem würden Sie vielleicht hier doch alle feierlich widersprechen wollen. Immerhin gibt es noch – und das gehört auch zu der Debatte, die wir gestern geführt haben – einen rechten Rand der Gesellschaft. Den wird es wahrscheinlich auch noch lange Zeit geben. Unsere Aufgabe ist es nicht, die zu unterdrücken, sondern dafür zu sorgen, daß dieser rechte

(Dr. Martin Schmidt GAL)

Rand klein bleibt. Deswegen ist es wichtig, die Denkmäler zu pflegen und so weiter.

Ich bin dann noch der Meinung, daß es zwei wichtige Dinge gibt, bei denen man aufpassen muß. In den letzten Jahren konnte es durchaus passieren, daß die Gedächtniskultur zu einem moralisierenden Betrieb und zu einer Pädagogisierung der Geschichte ausartete. Schüler sind teilweise sehr immun gegen so etwas.Ich glaube nicht, daß das richtig ist, sondern daß etwas ganz anderes unsere gegenwärtige Aufgabe ist.Wir müssen nicht allen Leuten erklären, wie sie die Geschichte zu verstehen haben, sondern wir müssen dafür sorgen, daß alle Leute in der Lage sind, selbst in die Geschichte zu schauen. Das ist das Allerwichtigste. Dazu gehört natürlich auch etwas, was – das ist kein Vorwurf – nicht Thema dieser Anfrage war, nämlich daß die Geschichte nicht nur von der Opferseite her, sondern auch von der Täterseite her betrachtet werden muß. Die wichtigsten Erkenntnisse der deutschen Geschichtswissenschaft in den letzten Jahren sind die, daß die Täterseite genauer untersucht worden ist. Es gibt mittlerweile viele sehr wichtige Beschreibungen, sowohl über Individuen als über Organisationen der Täterseite. Auch das gehört dazu.

Schließlich möchte ich zwei Dinge betonen. 1997 hat es eine Festschrift von pflegen und wohnen zum dreihundertfünfzigjährigen Bestehen Hamburger Wohlfahrtseinrichtungen gegeben. Dort gibt es eine Seite über das Dritte Reich „Wohlfahrtsanstalten unter dem Hakenkreuz“, die nur als grob verharmlosend bezeichnet werden kann. Es wird so getan, als seien es unbewiesene Behauptungen, wie mit alten Leuten und Kranken im Dritten Reich umgegangen wurde. Ich finde, es ist höchste Zeit, daß das überarbeitet wird.

Ebenso ist klar – und nun komme ich auch noch einmal zu einem sehr gelobten Verein –, daß das Hamburger Staatsarchiv in den letzten Jahrzehnten in Deutschland nicht dafür bekannt war, daß es besonders besucherfreundlich war und den Wissenschaftlern, die über die NS-Zeit schreiben wollten, viele Dienste geleistet hat. Eher das Gegenteil war der Fall. Das hat sich geändert. Es ist jetzt deutlich anders, aber es ist viel zu tun, insbesondere in der Aufarbeitung, Darlegung und Darstellung der Akten für forschende Wissenschaftler. Wir werden in der nächsten Bürgerschaftssitzung einen Antrag zu diesem Zweck einbringen und hoffen, daß Sie dem alle zustimmen.

Schließlich werde ich auch noch von Besuchsprogrammen reden und sagen, daß wir vor noch nicht ganz einem halben Jahr einen Beschluß gefaßt haben, in dem wir den Senat aufgefordert haben, ein Besuchsprogramm für ehemalige Zwangsarbeiter zu organisieren. Die sind auch so alt wie die Personengruppe, die vorhin genannt wurde. Ich finde es ärgerlich, daß noch immer keinerlei Realisierungsperspektive vom Senat sichtbar ist. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der GAL, bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke und vereinzelter Bei- fall bei der SPD und der CDU)

Das Wort hat Frau Koppke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Natürlich bin auch ich der Auffassung, daß Senatshandlungen oder Senatsmitglieder nicht per se ehrenvoll sind.Ich denke, das sehen wir alle so. Im großen und ganzen ist Ihren Ausführungen, Herr Schmidt, eigentlich auch nicht viel hinzuzufügen.

Dennoch möchte ich auf einen Aspekt zu sprechen kommen, der mir noch als Anmerkungspunkt aufgefallen war, nämlich, daß ein gesamtes Handlungsfeld von Erinnerungskultur in dieser Anfrage nicht behandelt wurde. Das war das Feld der politischen Kultur, zu dem dann zum Beispiel Entschädigungsleistungen an Opfer gehören. Sehr wohl behandelt, zumindest in Form von Auflistungen, waren natürlich drei andere Handlungsfelder der Erinnerungskultur, wie die Memorial- und Gedenkkultur, wie die ästhetische Kultur oder die Wissenschaft. Dieser vierte Aspekt ist ganz besonders aktuell in der Debatte. Unter anderem geht es dabei um NS-verfolgte Homosexuelle, eigentlich ein Schwerpunkt dieser Anfrage, zu dem wahrscheinlich Herr Kretschmann gleich noch kommen wird. Es gibt dazu eine aktuelle Debatte im Bundestag, die vor einem Monat geführt wurde, bei der es darum ging, Entschädigungsleistungen an ehemals verfolgte Homosexuelle auszuzahlen, beziehungsweise diesen Antrag überhaupt erst einmal anzunehmen, sowie um die Debatte zu den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern.

Insofern möchte ich darüber hinaus, was Herr Kopitzsch gesagt hat, an dieser Stelle nicht nur an die Unternehmen appellieren, sich der Bundesstiftung für die Entschädigung von Zwangsarbeitern anzuschließen, sondern sie wirklich dazu auffordern, sich finanziell zu beteiligen. Genauso wie ich den Senat dazu auffordern möchte, dieses nicht nur über die Handelskammer zu tun, sondern sich direkt an die Unternehmen und natürlich ganz besonders auch direkt an die öffentlichen Unternehmen zu wenden, denn betrachtet man einmal den Stand der Bundesinitiative vom 5. Mai 2000, so sind erst gut 1000 Firmen beigetreten.Die Summe beträgt bis jetzt erst 2,84 Milliarden DM. Das ist erst knapp über die Hälfte des Zielbetrages. Aus Hamburg sind 82 Firmen beigetreten.Davon wiederum nur zehn von insgesamt 213 Hamburger Firmen, die ursprünglich auf der Liste standen, von denen uns bekannt war, daß sie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt hatten. Das ist alles viel zuwenig.Nur ein einziges öffentliches Unternehmen ist beigetreten. Das sind die Hamburger Gaswerke. Insofern möchte ich Sie dringend auffordern, mindestens direkt an die Unternehmen und die öffentlichen Unternehmen heranzutreten, wenn nicht sogar sich einmal zu überlegen, finanziell in Vorleistung zu treten. Auch das wäre dem Senat nämlich möglich.Ich bin auch der Auffassung, das sollte er tun.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kretschmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor uns liegt eine sehr ausführliche Darstellung der Bemühungen Hamburgs, die Geschichte der Verfolgungen in den Jahren 1933 bis 1945 historisch aufzuarbeiten, darzustellen und Orte der Erinnerungen zu schaffen durch Mahnmale, Gedenkveranstaltungen, Gottesdienste und Ausstellungen.

Ganz im Sinne unserer Anfrage „Erinnern statt vergessen“ können wir alle feststellen, daß in Hamburg die vorhandenen Akten fast immer erhalten blieben und im möglichen Rahmen ausgewertet werden. Hierzu tragen die unterschiedlichsten Stellen bei. Mein Kollege Franklin Kopitzsch hat dies eben schon erwähnt.

(Anja Hajduk GAL: Das ist doch peinlich!)

(Dr. Martin Schmidt GAL)

A C

B D

Neben diesen beschäftigen sich eine Vielzahl von privaten Initiativen und Einzelpersonen mit dem Erinnern. Auch Filmschaffende haben sich zum Beispiel mit der Unterstützung der Filmförderung Hamburg beteiligt, das bekannteste Werk ist „Aimée und Jaguar“, die Geschichte einer Frauenbeziehung, und immer auch Gedenkveranstaltungen an beziehungsreichen Orten. So wurde im Jahr 1986 ein Mahnmal für die Schwulen und Lesben, Verfolgte und Opfer des Naziregimes in Neuengamme durch eine private Initiative eines schwul-lesbischen Vereins aufgestellt. Im letzten Jahr hat an diesem Gedenkstein auf Einladung der Lesben und Schwulen der SPD eine Gedenkveranstaltung stattgefunden. Der Fraktionsvorsitzende Holger Christier hielt dazu eine Ansprache. Diese Veranstaltung wird auch in diesem Jahr wieder stattfinden. Ich werde mich hierfür persönlich einsetzen, daß dies wieder geschieht. Gerade Lesben und Schwule, die zu den lange vergessenen Opfern zählen, brauchen Möglichkeiten der Erinnerungen. Dies ist in Hamburg möglich.

Meine Damen und Herren! Die von der SPD-Fraktion und dem Senat angestoßene Initiative, die NS-Unrechtsurteile nach Paragraph 175 nunmehr grundsätzlich und nicht erst nach quälender Einzelfallprüfung aufzuheben, unterstützen wir selbstverständlich weiterhin. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben einen Antrag in den Bundestag eingebracht mit dem Ziel, die Unrechtsurteile aufzuheben, so daß nunmehr von allen Seiten deutliche Signale vorliegen, zu einer Regelung zu kommen. Es wäre meines Erachtens wünschenswert, dies sehr schnell zu tun.