Ferner sollen die Einsparungen, die erbracht werden müssen, nicht in dem originären Bereich erbracht werden, in dem die Zivildienstleistenden Hilfe an den Bürgern erbringen, die diese benötigen, beispielsweise in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung, in der Pflege und so weiter, sondern in anderen Bereichen, wo sie vielleicht nicht nach dem Sinn des Zivildienstgesetzes eingesetzt werden; das soll auch passieren, munkelt man.
Wenn von Versorgungslücken gesprochen wird, ist damit meistens ein ganz anderer Punkt gemeint, daß nämlich Arbeitsplätze wegfallen, die mit Zivildienstleistenden für originäre Aufgaben besetzt sind. Es kostet natürlich Geld, wenn diese Stellen ersetzt werden müssen. Daß das nicht unproblematisch ist, ist völlig klar, aber das können wir an dieser Stelle nicht diskutieren. Wir müßten dann über ein soziales Pflichtjahr diskutieren. Dazu kann sich die CDU ja einmal äußern, ich glaube aber nicht, daß die Debatte so gut ausginge. Immer nur fordern, Zivildienst müsse geleistet werden, so einfach ist das nicht,
(Dietrich Wersich CDU: Sagen Sie doch mal was zum sozialen Pflichtjahr! Vielleicht kommt da ja was Neues!)
schon gar nicht auf dem Rücken der jungen Leute, die den Dienst ausüben müssen. Ich kann darüber sehr gut sprechen, Herr Wersich, denn ich bin nicht betroffen, daher kann ich auch frank und frei von der Leber reden.
Wir erinnern uns an die Zahlen von 1970.Wenn wir einmal zusammenfassen, was ich gesagt habe, und sie dem die circa 6000 Zivildienstleistenden von 1970 gegenüberstellen, dann wäre das nach Ihren Kriterien der soziale SuperGAU gewesen. Nur, damals hatten Sie in Ihrer Fraktion bestimmt noch eine ganz andere Meinung zum Zivildienst. Selbstverständlich wollen wir als Politiker – das ist unsere Aufgabe – die Umsetzung der Kürzungen sehr kritisch begleiten.Wir achten darauf, wie dies in Zusammenarbeit mit der Fachbehörde und zusammen mit den Trägern des Zivildienstes vor Ort umgesetzt wird.Deshalb werden wir den vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion auf Vorschlag der GAL an den Sozialausschuß überweisen.
Gleichzeitig mußte ich feststellen, daß die Behörde relativ schnell reagiert hat. Sie hat im Bereich der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung Zusagen gemacht, daß, wenn aufgrund der Unterjährigkeit bei den Zivildienstleistenden im Sommer eine Lücke entsteht, entsprechende Hilfen gewährt werden, damit die Versorgung der Menschen gewährleistet ist.
Darauf gibt es bereits eine Reaktion der sozialen Träger, nämlich eine Presseerklärung des Diakonischen Werks, das wörtlich schreibt:
„Das Diakonische Werk Hamburg begrüßt das pragmatische und flexible Handeln der Sozialbehörde in Hamburg.“
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Zivildienst wird mit Wirkung vom 1.Juli 2000 von 13 Monate auf elf Monate verkürzt.Wir Grünen begrüßen diese Verkürzung der Zwangsverpflichtung junger Menschen ausdrücklich.
Die Vorschläge der Wehrstrukturkommission laufen im Grunde auf eine Abschaffung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes hinaus. Auch dieses finden wir eine gute Perspektive. Wegen ihrer hohen Wahrscheinlichkeit müssen wir uns auch mit dieser Perspektive auseinandersetzen.
Eigentlich dürfte die Reduktion des Zivildienstes keine gravierenden Auswirkungen im Sozialbereich haben. Denn Zivildienstleistende dürfen an sich nur arbeitsmarktpolitisch neutral eingesetzt werden, also ausschließlich zusätzliche Arbeiten verrichten.Wir wissen aber alle, daß die früher als Drückeberger – Frau Bestmann erwähnte das schon – so geschmähten und mittlerweile allgemein auch vom rechten Lager doch sehr gelobten und geschätzten Zivis nicht nur gute, sondern auch absolut notwendige Arbeit leisten. Schon die jetzt anstehende Dienstzeitverkürzung führt zu echten Problemen.Dies zeigen auch die Antworten des Senats auf die Große Anfrage der CDU. Wichtige soziale Bereiche, wie beispielsweise die individuelle Betreuung schwerstbehinderter Kinder und auch Erwachsener, hängen auch in Hamburg von dem Einsatz Zivildienstleistender ab.
Um Einbrüche in diesen Bereichen zu verhindern, müssen rasch Lösungen entwickelt werden, und zwar solche, die auch längerfristig wirken. Unser erste Vorschlag lautet: Zivildienststellen sollten in reguläre Arbeitsplätze umgewandelt werden.
Nach einer Berechnung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes könnten aus den derzeit bundesweit 135 000 Zivildienststellen 90 000 Vollarbeitsplätze geschaffen werden. Diese würden zur Kompensation der wegfallenden Zivis auch benötigt werden.
Entschuldigen Sie, Frau Abgeordnete! Liebe Mitglieder der Bürgerschaft, Ihre Geräuschkulisse steht in keinem Zusammenhang mit der Anwesenheit hier im Raum. Ich bitte Sie um mehr Ruhe. – Danke.
Der Teufel steckt bei so einer Umwandlung im Detail, aber ich denke, es ist grundsätzlich ein guter Vorschlag.
Ein Zivildienstleistender kostet den Bund und die Dienststelle derzeit 32 000 DM im Jahr. Einen wesentlichen Anteil hat daran der teure Verwaltungsapparat des Bundesamtes für den Zivildienst.Wenn man bei diesen 32 000 DM davon ausgeht, daß statt eines Zivis ein Arbeitsloser beschäftigt würde, der dann auch Steuern zahlen und Sozialabgaben leisten würde, stellt man fest, daß sich die Sache schon rechnet. Die Reduktion und sogar die Abschaffung des Zivildienstes macht also beschäftigungspolitischen Sinn.
Aber der Bedarf an Hilfeleistungen im sozialen Bereich ist sehr groß und kann nicht allein durch tariflich entlohnte Arbeit gedeckt werden. Deshalb lautet unsere zweite Forderung: Wir müssen das ehrenamtliche Engagement stärken und vor allem das freiwillige soziale Jahr fördern.
Besonders im nachhinein sagen viele Zivildienstleistende, daß ihnen diese Arbeit einen großen persönlichen Gewinn erbracht hat. Männer wie Frauen sollten im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres ermutigt werden, Erfahrungen im Umgang mit Hilfebedürftigen zu sammeln. Dieses Engagement muß besser honoriert werden und sollte auch bei der Bewerbung um Ausbildungs- und Arbeitsplätze berücksichtigt werden.
Ich denke, das freiwillige soziale Jahr macht nicht nur für Zwanzigjährige Sinn, sondern auch für Sechzigjährige. Viele ältere Menschen haben den Wunsch, sich nützlich zu machen.Gerade freiwillige soziale Arbeit ist für ältere Menschen ein ganz wichtiger Faktor gesellschaftlicher Integration.
Angesichts der wohl bekannten demographischen Entwicklung sollten „junge Alte“ ganz besonders daran interessiert sein, an dem Aufbau sozialer nachbarschaftlicher Hilfswerke mitzuarbeiten. Wenn sie daran mitwirken und sich diese Dinge gut entwickeln, können sie auch mit größerer Zuversicht als jetzt alt werden. Für solche soziale Arbeit älterer Menschen müssen beispielsweise auch dadurch Anreize geschaffen werden, daß die eigene Rente verbessert werden kann.
Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Überbrückung des im Sommer zu erwartenden Engpasses durch ordentlich bezahlte Mehrarbeit von Zivis. Die Verkürzung des Zivildienstes – das haben wir gehört – wird in den nächsten Monaten zu Engpässen führen, und zwar vor allem beim Spezialbeförderungsdienst, bei der Betreuung mehrfach schwerstbehinderter Kinder und auch bei der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung im eigenen Wohnraum. Wir hoffen, daß der Senat eine Lösung zur Überbrückung findet, und wir wissen, daß schon einiges auf den Weg gebracht wurde.
Wir denken, daß den Hilfeempfängern bei dieser sehr persönlichen Inanspruchnahme möglichst kein zu häufiger Personalwechsel zugemutet werden sollte. Darum schlagen wir vor, daß verstärkt versucht werden sollte, den Zivildienstleistenden Praktika, die vor dem eigentlichen Dienstbeginn liegen, besser zu honorieren. Durch eine bezahlte Verlängerung ihrer Dienstzeit sollten sie ermutigt werden, das zu befürchtende Loch in der Überbrückungszeit selbst zu decken.
Ich möchte noch etwas zum Bereich der individuellen Betreuung der Schwerstbehinderten sagen, der uns große Sorgen macht.Wir dürfen auf keinen Fall riskieren, daß der Wegfall der Zivildienstleistenden dazu führt, daß Menschen, die jetzt noch in der eigenen Wohnung versorgt werden, gegen ihren Willen in ein Heim gebracht werden.
Es gibt Menschen, die rund um die Uhr einen großen Hilfebedarf haben, beispielsweise solche, die vom Halsmark ab gelähmt sind, deren Arme und Beine also gelähmt sind, und die bei allen Verrichtungen intensive Hilfe brauchen, die aber gleichsam dabei geistig rege, aktiv und berufstätig sind. Sie brauchen eine sehr umfassende Hilfe und Assistenz, und die ist teurer – das wissen wir – und kostet mehr, wenn sie von Fachkräften ausgeführt wird, als von Zivildienstleistenden.Wir sollten hier aber auf jeden Fall zu Lösungen kommen und akzeptieren, daß diese Menschen die
Hilfe brauchen, und wir sollten alles gemeinsam dafür tun, daß niemand in Hamburg gegen seinen Willen in ein Heim muß. – Danke schön.
Meine Damen und Herren! Es ist gut, daß wir auch einmal über Zivildienst in diesem Hause reden können.Natürlich freue ich mich, daß immer mehr Männer den Kriegsdienst verweigern und daß immer weniger lernen wollen, zu töten und Krieg zu führen. Das ist doch ein großer Erfolg der letzten Jahre.
Die steigende Zahl der Zivildienstleistenden, die zwangsläufig darauf gefolgt ist, weil es immer noch einen Zwang zum Dienst gibt, haben eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe übernommen. Die Intention, die es ursprünglich einmal gab, sie nur zusätzlich arbeitsmarktneutral – wie dieses merkwürdige Wort heißt – einzusetzen, stimmt schon lange nicht mehr mit der Realität überein, wie wir es alle hier schon festgestellt haben.
Viel zu oft übernehmen Zivildienstleistende in Wahrheit Tätigkeiten, die normalerweise regulär bezahlte Kräfte machen müssen; in der Regel machen sie diesen Job auch ganz gut. Trotzdem darf es nicht sein, daß ein funktionierendes Gesundheits- und Sozialsystem auf Zwangsdiensten aufbaut. Deshalb müssen Zivis per se in diesem Gesundheitssystem entbehrlich sein.Wie wenig sie es tatsächlich sind, erleben wir jetzt, wenn wir darüber reden, daß die Dienstzeit reduziert wird.
Es gibt also gute Gründe, sich von den Zwangsdiensten zu befreien. Es gibt aber keine Gründe, sich von ihren sozialen Dienstleistungen zu befreien. Deshalb muß die jetzt frei werdende Arbeit auch wieder in die Hände von fest angestellten, regulär bezahlten und freiwillig tätigen Kräften gelegt werden.
Ganz unaufgeregt betrachtet – das haben wir gerade gehört – ist dies arbeitsmarktpolitisch natürlich sehr sinnvoll und volkswirtschaftlich gerechnet auch nicht ungünstiger. Die langen Einarbeitungszeiten, mitunter auch die nicht immer hohe Motivation angesichts von Zwangssituation und nicht zuletzt die Tatsache, daß Zivildienstleistende keine Steuern zahlen, machen deutlich, daß sich volkswirtschaftlich ein Einsatz von regulär angestellten und bezahlten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern rechnet.Die Bundestagsfraktion der Grünen hat dies gestern wunderbar nachgerechnet und deutlich gemacht, daß hier ein Umsteuern möglich und notwendig ist. Dabei haben sie noch nicht einmal mitgerechnet, daß der Wehretat, der in direktem Zusammenhang damit steht, in Zeiten knapper werdender Kassen rasant gekürzt werden kann, damit gerade diese sozialen Dienstleistungen nicht weiter abgebaut werden müssen.
In der aktuellen Situation könnte dieses Geld natürlich gut gebraucht werden, denn die Engpässe, die durch die Dienstzeitverkürzung entstanden sind, zeichnen sich in vielen sozialen Hilfesystemen ab:Deshalb ist der CDU-Antrag nicht unsympathisch. Ich bin gespannt, wie die Debatte im Ausschuß dazu sein wird.
Ganz klar muß sein – hoffentlich auch bei der Regierungskoalition –, daß die jetzt bei den Zivildienstleistenden gemachten Einsparungen nicht einfach im Haushaltsloch verschwinden dürfen, sondern natürlich in den sozialen Bereich zurückfließen müssen, damit der dort notwendige Umbau begonnen werden kann.
Natürlich darf es in Zukunft keine weiteren unbezahlten Zwangsdienste für Männer und Frauen geben – auch das ist immer wieder ein Steckenpferd der CDU –, nicht für Sozialhilfeempfängerinnen, nicht für Arbeitslose und auch nicht für Schulabgängerinnen. Daß die freiwilligen sozialen Dienste dafür werben, ist richtig, aber so etwas unter Zwang auszuführen, ist und bleibt falsch und unsinnig. – Danke.