Tanja Bestmann

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich denke, daß es nach dieser Rede sehr wichtig ist, sich noch einmal genauer dem Zivildienst zuzuwenden. Es ist noch nicht allzu lange her, daß die jungen Männer, die von ihrem Grundrecht auf Wehrdienstverweigerung Gebrauch machen wollten, in dieser Gesellschaft als Drückeberger, vaterlandslose Gesellen und ähnliches diffamiert wurden; nicht von allen, aber von vielen Teilen.
Ich bin zwar jung, aber daran kann ich mich noch erinnern.
Es ist nämlich noch nicht so lange her, daß es den Leuten nicht einfach gemacht wurde, den Dienst an der Waffe zu verweigern. Immerhin gab es bis Mitte der achtziger Jahre noch die Gewissensprüfung, die es den jungen Männern
nicht einfach machte, vor einer Kommission ihre persönliche Motivation vorzubringen.
Wenn man einen Blick auf die Vergangenheit wirft, hatten wir nach meinen Informationen beispielsweise 1970 nur 6000 Zivildienstleistende. Das war in der Attraktivität noch relativ gering, da man sich in seinen Bewerbungsschreiben fast rechtfertigen mußte, warum man Zivildienst leisten und nicht den Dienst an der Waffe ausüben wollte.
In diesem Bereich hat sich aber in der Tat eine Menge geändert. Heutzutage will fast die Hälfte eines Jahrgangs, der einberufen wird, Zivildienst leisten. Der Zivildienst ist heute eine ernste und wichtige Säule unseres Sozialsystems geworden, das hat Herr Forst auch angeführt. Damit sind wir aber gleich bei der Sache. Es heißt nämlich: Zivildienst ist eine mögliche Form der Erfüllung der Wehrpflicht. Sie soll dem Allgemeinwohl dienen und vorrangig im sozialen Bereich erbracht werden. Sie soll ferner arbeitsmarktneutral sein – das ist auch ein sehr wichtiger Aspekt – und überall dort, wo ergänzende Hilfen notwendig sind, eingesetzt werden.
Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung zur Absenkung der Dienstzeit von 13 auf elf Monate sowie der Anzahl an Zivildienstleistenden entstanden. Damit wurden zwei Ziele verbunden, einmal die Gleichbehandlung der Zivildienstleistenden gegenüber denjenigen, die ihren Wehrdienst ableisten,
damit diese Ungleichbehandlung so nicht weiter im Raum steht, und daß andererseits die ewige Debatte von der Wehrgerechtigkeit, wie es so schön hieß, in die Schieflage geraten ist.
Dabei hat man das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden, indem nämlich im entsprechenden Einzelplan im Bundesministerium Sparleistungen erbracht wurden; das ist richtig. Aber weshalb ist dies geschehen? Um andere Bereiche wie die Familien- und Jugendförderung ungeschoren zu lassen. Das sind Dinge, die wir jahrelang unter der CDU vermißt haben. Jetzt sind sie endlich gekommen, und das ist richtig so.
Betrachten wir uns die Zahlen doch einmal genauer.Bisher hatten wir 138 000 Zivildienststellen. Nach der Absenkung sollen wir noch 124 000 Stellen im Bundesgebiet haben, 90 000 Stellen sind nur besetzt; ich bin mir noch nicht sicher, wo da die Katastrophe entstehen soll. Was hat eigentlich die alte Bundesregierung in ihrer Zeit gemacht? Es ist nichts passiert. Alle haben in Bonn zehn Jahre lang geschlafen; manchmal klingt es bei Ihnen so.
1990 wurde beispielsweise die Dauer des Zivildienstes schon von 20 Monate auf 15 Monate abgesenkt; wenn man bedenkt, daß wir einmal eine Dienstzeit von 24 Monaten hatten und was man den jungen Leuten alles zugemutet hat.
Auch die Stellen wurden damals von 90 000 auf 75 000 gekürzt. Wir bewegen uns also fast wieder auf diesem Niveau.
Richtig ist aber, daß wir momentan einen sehr hohen Standard im Bereich des Zivildienstes haben. Es kann auch
sein, daß es zu Übergangsschwierigkeiten kommt, wie Herr Forst ausgeführt hat.Ich hoffe, daß das Bundesministerium entsprechende Vorsorge getroffen hat, indem die Steuerung der Einberufung des Zivildienstes vom Bundesamt auf die Träger und die Zivildienstgruppen übertragen wurde, so daß die Bereiche, die Verwendung für die Zivildienstleistenden haben, ihren Bedarf selbst definieren und steuern können.
Ferner sollen die Einsparungen, die erbracht werden müssen, nicht in dem originären Bereich erbracht werden, in dem die Zivildienstleistenden Hilfe an den Bürgern erbringen, die diese benötigen, beispielsweise in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung, in der Pflege und so weiter, sondern in anderen Bereichen, wo sie vielleicht nicht nach dem Sinn des Zivildienstgesetzes eingesetzt werden; das soll auch passieren, munkelt man.
Wenn von Versorgungslücken gesprochen wird, ist damit meistens ein ganz anderer Punkt gemeint, daß nämlich Arbeitsplätze wegfallen, die mit Zivildienstleistenden für originäre Aufgaben besetzt sind. Es kostet natürlich Geld, wenn diese Stellen ersetzt werden müssen. Daß das nicht unproblematisch ist, ist völlig klar, aber das können wir an dieser Stelle nicht diskutieren. Wir müßten dann über ein soziales Pflichtjahr diskutieren. Dazu kann sich die CDU ja einmal äußern, ich glaube aber nicht, daß die Debatte so gut ausginge. Immer nur fordern, Zivildienst müsse geleistet werden, so einfach ist das nicht,
schon gar nicht auf dem Rücken der jungen Leute, die den Dienst ausüben müssen. Ich kann darüber sehr gut sprechen, Herr Wersich, denn ich bin nicht betroffen, daher kann ich auch frank und frei von der Leber reden.
Wir erinnern uns an die Zahlen von 1970.Wenn wir einmal zusammenfassen, was ich gesagt habe, und sie dem die circa 6000 Zivildienstleistenden von 1970 gegenüberstellen, dann wäre das nach Ihren Kriterien der soziale SuperGAU gewesen. Nur, damals hatten Sie in Ihrer Fraktion bestimmt noch eine ganz andere Meinung zum Zivildienst. Selbstverständlich wollen wir als Politiker – das ist unsere Aufgabe – die Umsetzung der Kürzungen sehr kritisch begleiten.Wir achten darauf, wie dies in Zusammenarbeit mit der Fachbehörde und zusammen mit den Trägern des Zivildienstes vor Ort umgesetzt wird.Deshalb werden wir den vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion auf Vorschlag der GAL an den Sozialausschuß überweisen.
Gleichzeitig mußte ich feststellen, daß die Behörde relativ schnell reagiert hat. Sie hat im Bereich der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung Zusagen gemacht, daß, wenn aufgrund der Unterjährigkeit bei den Zivildienstleistenden im Sommer eine Lücke entsteht, entsprechende Hilfen gewährt werden, damit die Versorgung der Menschen gewährleistet ist.
Darauf gibt es bereits eine Reaktion der sozialen Träger, nämlich eine Presseerklärung des Diakonischen Werks, das wörtlich schreibt:
„Das Diakonische Werk Hamburg begrüßt das pragmatische und flexible Handeln der Sozialbehörde in Hamburg.“
Dazu kann ich nur sagen: Glückwunsch.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Ergebnis diverser Schriftlicher Kleiner Anfragen sagt aus – Herr Roock hat es schon dargelegt –, daß es offene Forderungen aus bestehenden und beendeten Mietverhältnissen sowie eine hohe Anzahl von Zwangsräumungen bei den städtischen Wohnungsgesellschaften gibt. Aufgrund der Bewohnerstruktur dieser Wohngebäude kann davon ausgegangen werden, daß es sich bei den Schuldnern mit Sicherheit um eine relativ hohe Anzahl von Sozialhilfeempfängern handeln wird, die ihr vom Sozialamt erhaltenes Mietgeld anderweitig ausgeben. So kommt es, daß entsprechend der Aufgabe der Bezirksstellen zur Wohnungssicherung nach Paragraph 15a BSHG Mietrückstände beglichen werden, um dem Verlust der Wohnung vorzubeugen. Das sind die in Ihrem Antrag genannten Mietdoppelzahlungen, die natürlich nicht befriedigen können.
Sie haben Ihren Antrag vorgelegt, der überschrieben ist mit „Konzept zur Vermeidung von Mietdoppelzahlungen aus Steuergeldern“, um diesem vermeintlichen Mißstand ein Ende zu setzen. Die Lösung des Problems soll so aussehen, daß die Mietzahlungen ab sofort pauschal aus der Sozialhilfe direkt an den Vermieter überwiesen werden. Bei genauer Betrachtung der Sachlage wird jedoch die Frage aufgeworfen, daß wir nicht genau wissen, wer die Mietschulden bei den städtischen Wohnungsgesellschaften eigentlich verursacht hat und wer die Doppelzahlungen oder
die Zahlungen nach Paragraph 15a BSHG größtenteils überhaupt in Anspruch nimmt. Es sind ja nicht nur Empfänger von laufenden Hilfen,
sondern auch andere Menschen empfangsberechtigt. Es kann natürlich auch sein, daß andere Mieter, die durchaus erwerbstätig sind und am Rande ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit leben, ihre Miete nicht bezahlen können, so daß Mietrückstände entstehen und sie Kunden einer Schuldnerberatung sind. Auf dem freien Wohnungsmarkt sind auch Mietrückstände von Mietern zu verkraften, die durchaus liquide sind. Das wissen wir alle.
Ich könnte mich an dieser Stelle aufgrund der Tatsache, daß es auf dem freien Wohnungsmarkt ähnlich aussieht, fast dazu verleiten lassen, daß Sie irgendwann in einem Antrag fordern, daß Mietzahlungen von erwerbstätigen Mietern am besten direkt pauschal vom Arbeitgeber zu überweisen sind.
Dann hätten wir das Problem der Mietrückstände überhaupt nicht mehr.
Ja, es handelt sich um öffentliche Gelder, die natürlich ihrer Zweckbestimmung entsprechend auszugeben sind.
Wie lautet die richtige Strategie? Wie würden die Juristen – wir haben ja einige im Parlament – entscheiden? Der Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung: Paragraph 1 BSHG gibt eindeutig vor, daß die Sozialhilfe den Hilfeempfänger befähigen soll, unabhängig von ihr zu leben; sie bezweckt – so heißt es in der Kommentierung – Hilfe zur Selbsthilfe. Dem Hilfeempfänger darf nicht alles abgenommen werden, er muß natürlich selbst Leistungen erbringen. Dazu gehört es, daß er selbständig seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt, die er aus den Zahlungen der Sozialhilfe leistet.
Das Gesetz ermöglicht bereits, auf Wunsch, aber auch in begründeten Einzelfällen, direkte Mietzahlungen des Sozialamtes an den Vermieter vorzunehmen. Es ist gängige Praxis in Hamburg, daß dies regelmäßig auch geschieht, wenn Sozialhilfeempfänger ihr Geld für andere Dinge ausgegeben haben und somit ihren Leistungen nicht mehr nachkommen. Um es auf den Punkt zu bringen: Der vorliegende Antrag bevormundet und entmündigt Hilfeempfänger pauschal
und schießt eindeutig über das Ziel hinaus. Er beschneidet Eigeninitiative und Eigenverantwortung und hätte zudem den Effekt, daß der Sozialhilfeempfänger nicht mehr erfahren würde, daß Wohnen auch Geld kostet, und daß er keine Bindung mehr im Umgang mit seiner eigenen Wohnung hat, wie er sie vielleicht hätte, wenn er seine Miete selbst mit der Sozialhilfe begleichen würde. Es würde vielleicht auch ein blindes Vertrauen in die Unerschöpflichkeit staatlicher Ressourcen entstehen.
Den namentlichen Antragstellern, die scheinbar alle Mitglieder des Bauausschusses der Bürgerschaft sind, kann ich nur empfehlen, einen Blick in dieses Papier zu werfen.
Das ist eine Presseerklärung Ihrer Sozialpolitiker von einer Pressekonferenz aus dem letzten Jahr. Darin können Sie alle die von mir zuletzt genannten Schlagworte, die aus dem Bauch heraus formuliert wurden, hervorragend nachlesen. Wenn Sie das von Ihnen Geschriebene ernst meinen, dann müßten Sie Ihren eigenen Antrag ablehnen. Wir werden es auf alle Fälle tun.
Ja, wegen der pauschalen Verurteilung.
In Richtung Senat sage ich, daß wir dieses Thema mit Sicherheit im Auge behalten und begleiten werden, denn Sozialpolitiker sitzen auch im Haushaltsausschuß. Ihrem Antrag werden wir aber nicht zustimmen. – Danke.