Protocol of the Session on April 19, 2000

Weder die hier geforderte grundsätzliche Suspendierung noch Scharfmacherforderung nach bedingungsloser Rückkehr werden der Sache gerecht; diese lehnen wir ab.

(Beifall bei der GAL, der SPD und der CDU)

Frau Uhl, Ungenauigkeit und Unwahrheit dient nicht der Problemlösung. Ich bin richtig sauer darüber, daß Sie den Fotografen Georg Meyer instrumentalisieren, mit dem ich gemeinsam mit anderen im UNESCO-Institut vor zwei Wochen eine Ausstellung eröffnet habe, in der deutlich wurde, daß an die Sache differenziert herangegangen werden muß. Es gibt beispielsweise sicherlich Landstriche wie Pe´c – dem jetzigen Pea –, der total zerstört ist. Es muß dort

noch viel passieren, bevor man die Menschen wieder dahin zurückschickt.

(Zuruf von Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Es geht nicht um die Innenbehörde, sondern es geht darum, eine Rückreise vernünftig vorzubereiten und zu organisieren, die allen Beteiligten gerecht wird.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Es bedarf einer differenzierten Betrachtung. Nach meiner Kenntnis stammt ein großer Teil der Flüchtlinge aus Priština, wohin viele Familien in den nächsten Monaten ausreisen wollen. Diese Informationen bekommen wir über die kosovarische Lehrerin und über die Familien, die beispielsweise zur Zeit in der Schule – das finde ich vorbildlich – mit der albanischen Lehrerin ein Theaterstück proben, um die Kinder auf die Rückkehr vorzubereiten. Diese Lehrerin bat mich allerdings dringend, daß die Kinder dieses Theaterstück noch aufführen dürfen. Es muß deshalb geprüft werden, ob die Ausreise schon am 1. Mai erfolgen sollte. Vielleicht könnte man die Kinder in dieser Schule belassen, an der die Kinder seit ihrer Aufnahme im letzten Jahr von Anfang an vorbildlich von einer albanischen Lehrerin unterrichtet werden und so ein emotionaler Bezug bei diesen traumatisierten Flüchtlingskindern hergestellt werden konnte.

Die Lehrerin hat schon damals über Malprojekte versucht, daß die Kinder ihre Kriegs- und Fluchterlebnisse aufarbeiten konnten. Jetzt sollte ihnen auch umgekehrt die Zeit gegeben werden, das Theaterstück aufzuführen, um anschließend in Ruhe zurückreisen zu können. Auf die Ausführungen von Frau Mandel komme ich in diesem Zusammenhang noch zurück.

Die Rückkehrbereitschaft ist außerordentlich hoch. Hier stellt sich im Augenblick die Frage der konkreten Organisation. Es gibt die von Frau Mandel schon erwähnten, in Zusammenarbeit mit dem DRK, der AWO und der Diakonie erstellten vorbildlichen Programme der BAGS. Die beinhalten sowohl die Rückkehrhilfen finanzieller Art, die Organisation als auch die Starthilfe vor Ort und das Programm, das in den Dörfern und den Städten selbst läuft.Die BAGS stimmt vor Ort mit den rückkehrwilligen Beteiligten ab, ob dort ein Kindergarten, eine Schule oder andere Einrichtungen aufgebaut werden. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß ich das für vorbildlich halte.

Es gibt aber einen Mangel.Die Informationspolitik in die Unterkünfte hinein scheint noch nicht so zu funktionieren, wie wir es uns wünschen.Ich bekomme immer noch Anrufe von deutschen Lehrern, die die betreffenden Schüler unterrichten, weil diese Informationen noch nicht transportiert worden sind.

Wir hatten einen Beauftragten in der BAGS, der die Organisation für Bosnien damals übernommen hatte, leider aber seinen Posten wechselte. Seine Stelle ist nicht wieder besetzt worden. Darin liegt das Problem. Ich appelliere, daß eine Koordinationsgruppe die Abstimmungen zwischen BAGS und Innenbehörde übernimmt, damit die zur Zeit noch mangelnde Informationspolitik über die Ausreisebedingungen behoben und eine vernünftige Rückkehr garantiert wird. Das ist meines Erachtens machbar.

Die notwendige differenzierte Betrachtung muß aber auch den vorgetragenen Bedenken und Zweifeln Rechnung tragen. Das bedeutet zuerst, daß Minderheiten nicht zurückreisen können. Die Innenbehörde hat dieses auch

(Jürgen Klimke CDU)

betont, so daß ich davon ausgehe, daß Serben und Roma nicht zurückgeschickt werden. Insofern kann man dem Senat hierzu keine Vorhaltungen machen. Selbstverständlich ist von einer zwangsweisen Rückführung abzusehen, wenn in den Heimatorten entsprechende Infrastrukturen noch fehlen. Gerade in einigen Dörfern der Grenzgebiete stellen zum Beispiel die Verminung und die vergifteten Brunnen ein großes Problem dar. Das sind Punkte, die mit berücksichtigt werden müssen, weil sie eine forcierte Rückkehr nicht erlauben. Diese Bedenken, die auch unsere Ausländerbeauftragte des Bundes, Marie-Luise Beck, angesprochen hat, müssen wir ernst nehmen und berücksichtigen.

(Beifall bei der GAL, der SPD und der CDU)

Zum Schluß. Fluchtschicksale sind zu ernst, um sie zum Gegenstand pauschaler Forderungen zu machen.Deshalb lehnen wir den Antrag der Gruppe REGENBOGEN ab und fordern den sensiblen – wie an dieser Stelle schon oft gefordert – und verantwortungsvollen politischen Umgang mit den Flüchtlingen. Ungenauigkeit gekoppelt mit Moral ist da wenig hilfreich. – Danke.

(Beifall bei der GAL, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen? – Die Abgeordnete Uhl.

Frau Goetsch, mich wundert, daß Sie angesichts der Ausreiseforderungen, wie sie gerade in Hamburg verteilt werden, von einer differenzierten Betrachtungsweise reden. Der Hamburger Senat hat Ihnen auf eine Anfrage deutlich geantwortet, daß es für ihn einerlei sei, welche konkrete Situation vor Ort bestünde, weil dessenungeachtet aus seiner Sicht dorthin abgeschoben werden könne. Genau das wird gerade umgesetzt.

Ich empfinde es immer als sehr einfach – an Ihre Adresse gerichtet –, wenn Sie auf meine Redebeiträge mit den gleichen Unterstellungen reagieren:

(Dr. Martin Schmidt GAL: Es sind ja auch immer die gleichen Reden!)

Wir würden uns penetrant für ein Bleiberecht aller einsetzen und könnten uns keiner differenzierten Betrachtungsweise nähern. Dieser Antrag spricht aber eine klare Sprache, denn wir beziehen uns darin auf den UNHCR, auf die UN-Zivilverwaltung im Kosovo. Und wir fordern, daß es, solange verschiedene Punkte nicht geklärt sind, zumindest bis zu diesem Zeitpunkt

(Doris Mandel SPD: Sie zitieren nicht richtig, das ist Ihr Problem!)

keine Abschiebungen geben darf.

(Doris Mandel SPD: Ich habe die Pressemitteilung, die werde ich gleich vorlesen!)

Ich kann Ihnen auch eine andere Pressemitteilung vorlesen; so können wir den Abend auch verbringen.

Es geht uns zunächst einmal darum, daß es diese differenzierte Betrachtungsweise in Hamburg gibt und sich der Senat gemeinsam mit der Bundesregierung darum kümmern muß, wie es mit der Uranverseuchung in den Landstrichen aussieht, in die die Menschen zurückgeschickt werden sollen. Die in Hamburg lebenden Flüchtlinge kommen beispielsweise aus Pe´c sowie aus allen Regionen des Kosovo. Sicherlich gibt es auch Familien, die in ihre Regio

nen zurückkehren können, weil ihre Häuser nicht so zerstört wurden wie etwa in der Region um Pe´c. Diese Informationen stellt der Hamburger Senat diesen Flüchtlingen aber nicht zur Verfügung. Es werden gegenwärtig alle, ob Roma oder Serben, zur Ausreise aufgefordert. Sie bekommen ein gleichlautendes Schreiben mit der Aufforderung, binnen vier Wochen auszureisen. Das wollte ich nochmals betonen.

Ich möchte auch noch einen Satz zu der angeblichen Uranverseuchung sagen.

Die NATO hat mittlerweile der UNEP offiziell mitgeteilt, daß sie 31000 Geschosse mit angereichertem Uran eingesetzt hat, die zwar nur sehr schwach strahlen, deren Stäube aber als hoch giftig zu bewerten seien. Die UN-Umweltorganisation hat daraufhin angekündigt, daß sie sich dem Problem nunmehr annähern muß, weil Absperrungen erfolgen müßten.Das ist bisher noch nicht geschehen.Es gibt zumindest noch keine genauen Erkenntnisse darüber, wo diese Geschosse von immerhin insgesamt zehn Tonnen eingeschlagen haben. In einer Situation ohne genaue Informationen ist es nicht verantwortlich, Menschen zurückzuschicken. Ich ärgere mich besonders darüber, wenn mit dem Gestus der Nachdenklichkeit Reden vorgetragen werden, die auf die Hamburger Politik keine Auswirkungen haben, aber gleichzeitig so getan wird, als wäre das der Maßstab, nach dem konkret verfahren würde. Dem ist leider nicht so. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich über den Antrag abstimmen. Wer demselben seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Drucksache 16/4050: Senatsmitteilung über Hilfen zur Erziehung.

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen vom 13./14./15. Dezember 1999 (Drucksache 16/3586) – Hilfen zur Erziehung – – Drucksache 16/4050 –]

Diese Vorlage möchte die SPD-Fraktion federführend an den Haushaltsausschuß sowie mitberatend an den Jugend- und Sportausschuß überweisen. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Die Abgeordnete Dr. Hilgers hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Ausgangslage, mit der wir uns hier schon mehrfach befaßt haben und sicherlich auch noch öfter befassen werden, ist die mehrjährige Unauskömmlichkeit des Budgets Hilfen zur Erziehung und die fachlich belegte Kritik an ihren verschiedenen Formen, insbesondere der ambulanten Hilfen zur Erziehung beziehungsweise der Art und Weise der Bewilligung. Es bestand und besteht daher Handlungsbedarf in fachlicher und fiskalischer Hinsicht.

Die politisch gewollte Umsteuerung von stationären zu ambulanten Hilfen wurde auch in Relation zu anderen Großstädten übererfüllt.Zwar gab es in den letzten Jahren einen Rückgang bei den stationären, aber auch einen exorbitanten Anstieg bei den ambulanten Hilfen zur Erziehung, und zwar insbesondere beim Erziehungsbeistand und bei der

(Christa Goetsch GAL)

Betreuungshilfe sowie bei sozialpädagogischer Familienhilfe.

Dieser Anstieg – das macht die Evaluation aus dem letzten Jahr deutlich – ist umstritten. Denn der Anstieg bei den sogenannten Klärungshilfen in Höhe von 25 Prozent muß sicherlich auch inhaltlich korrigiert werden.

Zum ersten Mal – das wird in dieser Drucksache erkennbar – deutet die aktuelle Fallzahlentwicklung seit geraumer Zeit darauf hin, daß die Haushaltsplanfallzahlen im Jahr 2000 nicht überschritten werden. Die Fallzahlprognose zum Stichtag 29. Februar 2000 liegt um etwa 250 Fälle unter dem Haushaltsrahmen.

Für die Deckelung des Anstiegs der Hilfen haben die Kontingentvereinbarungen mit den Trägern und dem Landesbetrieb als Anbieter ambulanter Hilfen sowie die Bewilligungseinschränkung zur Begrenzung der Zahl dieser oben genannten Hilfen vom 1. Oktober 1999 unterstützend gewirkt. Vereinbarung und Beschränkung zeigen – wie die neuen Zahlen ausweisen – erste Wirkung.

Wichtig ist es, daß in der Folge die Fachbehörde und die Bezirke zu einer Qualifizierung der Hilfeformen und möglichst weitgehenden Vereinheitlichung des Bewilligungsverhaltens kommen, um die Wirkung und Nachhaltigkeit der Hilfen weiter zu verbessern.Mit der Globalrichtlinie und den Arbeitshilfen zur Hilfeplanung liegen dafür gründliche Ansätze vor.Aber es ist auch dafür zu sorgen, daß die fachlich gebotene Hilfe gewährt wird.

Basis der heutigen Senatsantwort ist ein gemeinsamer, differenzierter Antrag aus den Facharbeitskreisen Jugend und Haushalt der Koalitionsfraktionen zum Haushalt 2000. Dieser ersten Antwort werden in diesem Jahr weitere folgen müssen.

Der Antrag umfaßt auch das Spezialproblem der Unterauslastung des Landesbetriebs. Plätze, die beim Landesbetrieb vorhanden sind, werden nicht genutzt und sind in einem nicht geringen Ausmaß Ursache für finanzielle Nachforderungen.

(Vizepräsidentin Sonja Deuter übernimmt den Vor- sitz.)

Diese Unterauslastung des Landesbetriebs wird trotz großer eigener Strukturanpassungsbemühungen – zum Beispiel durch Reduktion der Jugendwohnungsplätze von 299 auf 184 – von steigender Inanspruchnahme auswärtiger und Freier Träger aus Hamburg begleitet. Das wird anhand der Grafik auf Seite 124 des Kinder- und Jugendberichts erkennbar.

Das Ziel, die Inanspruchnahme auswärtiger Träger bei gleichzeitiger Qualifizierung des Hamburger Angebots von 30 auf 20 Prozent zu reduzieren, ist richtig. Der Landesbetrieb ist wichtiger und notwendiger Bestandteil der Hamburger Trägervielfalt.Wir sind daher auf die Ergebnisse der Studie gespannt, welche die Entscheidungsfindungsprozesse für auswärtige Träger evaluieren sollte.