Wie soll das Berufsbild des Call-Center-Agenten und -Projektleiters aussehen? Die Arbeitsverhältnisse sind zu differenziert, um heute schon von einem einheitlichen Berufsbild zu sprechen. Es gibt einfache Tätigkeiten, wie Bestellannahme und Telefonauskunft, und komplexe Tätigkeiten, wie juristische und steuerrechtliche Beratung. Deswegen besteht bislang noch wenig Einigkeit darüber, wie Qualitätsanforderungen an die Aus- und Weiterbildung für die Beschäftigten in Call-Centern zu stellen sind. In Zukunft wird sich das Aufgabenspektrum eher noch erweitern. Mit der wachsenden Bedeutung neuer Technologien werden in Call-Centern neben dem fast klassischen Telefongeschäft verstärkt auch andere Arten der Kommunikation – beispielsweise E-Mails, Videocalls oder Internetcalls – Eingang finden.
Noch ist der Anteil am Geschäftsvolumen, der online abgewickelt wird, relativ klein. Mit zunehmender Bedeutung des E-Commerce wird in nächster Zeit auch dieser Bereich enorm zunehmen. Die Anforderungen an das Personal werden ebenfalls weiter wachsen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die vom Bundeswirtschaftsministerium herausgegebene Studie „Qualitätsanforderung der CallCenter-Branche“.Diese Studie empfiehlt mittelfristig die Integration der Call-Center-Ausbildung in bestehende Ausbildungsberufe sowie entsprechende Fachhochschulstudiengänge. Ob dies der richtige Weg ist, muß noch näher geprüft werden.
Aufschluß über die aktuelle Hamburger Situation wird eine neue Call-Center-Analyse der HWF geben.Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden voraussichtlich schon im Sommer vorliegen. An der Universität Hamburg wird zur Zeit das Forschungsprojekt „Call-Center im Dienstleistungsbereich“ durchgeführt. Leider sind erste Ergebnisse hierzu erst Anfang 2002 zu erwarten.
Zusammengefaßt hat der Senat die Handlungsschwerpunkte mit der Betonung von Ausbildung und Qualifizierung richtig gesetzt. Angesichts der Bedeutung dieses Themas halte ich es aber für notwendig, daß wir uns mit diesem Thema in Zukunft häufiger beschäftigen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Brockmöller, Sie haben eben auf unseren Antrag aus dem Jahre 1998 hingewiesen und ihn abgehandelt. Anschließend haben Sie gesagt, es sei vorgeschlagen worden, man solle Wirtschaftsförderungsmittel einsetzen. Ich möchte ganz klar darauf hinweisen, daß wir als CDU nie gefordert haben, die Branche zu subventionieren. Ich halte das auch für falsch. Ich wollte nur das Mißverständnis vermeiden, daß man eventuell aus dieser räumlichen Zusammenfassung zwischen unserem Antrag und dem folgenden auf solche Idee kommen könnte.
Sie haben die uns vorliegende Stellungnahme des Senats eingehend erläutert. Sie enthält eine Vielzahl sehr interessanter Informationen, aber auf die entscheidende Frage, nämlich nach den Handlungsoptionen, erhalten wir leider keine Antwort. Darüber hinaus enthält die Stellungnahme eine Reihe von Fehleinschätzungen. Die erste Fehleinschätzung ist die Wachstumserwartung der Branche. Der Senat geht zutreffend von ungefähr 1200 Unternehmen im Jahre 1999 aus mit circa 120 000 Beschäftigten. Hamburg hat davon einen Anteil von 8000, das sind ungefähr 7 Prozent. Der Senat schätzt in dieser Gesamtbranche in Deutschland eine jährliche Zunahme von 30 000 Mitarbeitern.Im Jahre 2005 würden dies etwa 300 000 Beschäftigte ausmachen, vielleicht ein paar weniger, vielleicht ein paar mehr.
Ich habe eine Reihe von Gesprächen mit Call-Center-Betreibern geführt und festgestellt, daß die Branche von erheblich höheren Zahlen ausging.Die Marktuntersuchungen dieser Unternehmen gehen davon aus, daß im Jahre 2005 in der Branche etwa 750 000 Menschen beschäftigt werden, also wesentlich mehr als doppelt soviel, wie der Senat geschätzt hat. Diese Zahlen liegen auch den Planungen der Unternehmen zugrunde. Privat sagte mir der Geschäftsführer, daß er die Zahl der Beschäftigten eher höher, nämlich auf eine Million einschätzt, als daß sie unter 750 000 liegen wird.
Die Erkenntnisse der Stellungnahme stammen aus dem Jahre 1998, sind heute also fast drei Jahre alt. Bei dem üblichen rasanten Wachstum der Telekommunikationsbranche sind drei Jahre eine kleine Ewigkeit. Mit anderen Worten: Ein Großteil der Daten, auf denen die Stellungnahme basiert, ist heute veraltet. Geht man von den Zahlen aus, die mir die Unternehmen genannt haben, wird es in dieser Branche in Hamburg im Jahre 2005 zwischen 50 000 und 60 000 Arbeitsplätze geben. Das ist eine erheblich andere Größenordnung, als sie der Senat dargelegt hat. Ich fürchte, daß der Senat die Bedeutung der Call-Center nicht richtig einschätzt.
Die zweite Fehleinschätzung sind die Ausbildungserfordernisse; Frau Brockmöller ist darauf schon eingegangen.Das Angebot an gut ausgebildeten Mitarbeitern für die Branche ist ein ganz wesentlicher Standortfaktor. Die Unternehmen werden auch selbst ausbilden; aber die Ausbildung eines Mitarbeiters ist relativ teuer. Deshalb wird dieser Kostenfaktor bei der Standortentscheidung der Firmen sehr wohl berücksichtigt werden.
In der Stellungnahme führt der Senat aus, daß es zur Zeit fünf Ausbildungseinrichtungen in Hamburg gibt. Er führt aber nichts aus über die Qualifikation der Teilnehmer, die Zertifikate sowie über die Kapazität dieser Einrichtungen. Ich habe versucht, die Zahl der Ausbildungsplätze festzustellen, habe aber leider keine vernünftigen Auskünfte von den Einrichtungen erhalten. Ich schätze, es werden einige Hundert sein, aber wenn man die Größenordnungen be
Der Senat darf den wichtigen Standortfaktor Ausbildung meiner Ansicht nach nicht dem Zufall überlassen. Nordrhein-Westfalen hat zum Beispiel eine Call-Center-Akademie eingerichtet; auch anderenorts gibt es Einrichtungen ähnlicher Art.Der Senat muß kurzfristig in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ein tragbares Ausbildungskonzept erarbeiten. Das muß schnell geschehen, denn die Zeit drängt, weil bei der Entwicklung der Branchen ständig Standortentscheidungen von der Wirtschaft getroffen werden.Wenn die Dinge nicht richtig geregelt werden, können diese Entscheidungen an Hamburg vorbeigehen.
Die dritte Fehleinschätzung – da hat Frau Brockmöller etwas anderes berichtet; meine Informationen sind etwa vier Monate alt – ist die ausreichende Beratungskapazität der HWF. In der Stellungnahme heißt es ganz lapidar – ich zitiere –:
„Mit der HWF steht den Betreibern von Call-Centern eine zentrale Anlaufstelle zur Verfügung. Darüber hinaus stehen in der Wirtschaftsbehörde in besonderen Fällen unbürokratisch und kurzfristig Ansprechpartner den Unternehmen zur Verfügung.“
Das liest sich für mich so – wenn ich das etwas überspitzt ausdrücke –: Wenn ein Interessent bei der HWF vorbeikommt, dann redet man – wenn er Glück hat – mit ihm. Diese Formulierung – so habe ich es aus der Branche gehört – ist nicht so abwegig.Die Call-Center-Betreiber beklagen sich bitterlich darüber, daß die Mitarbeiter der HWF zu selten und oft mit unzureichender Sach- und Fachkompetenz auf sie zugehen. Gespräche, die man mit dem Senat gesucht hat, sind nicht zustande gekommen.
Wenn man von einem guten Call-Center-Standort im Norden spricht, fällt sofort der Name Bremen; Hamburg folgt unter „ferner liefen“. Was macht Bremen anders? Herr Senator, im Wirtschaftsausschuß haben Sie uns gesagt, in Bremen würde man das gleiche tun, die Vorbedingungen seien dort auch die gleichen. Trotzdem muß in Bremen irgend etwas anders laufen. Das ist so. Wenn darüber gesprochen wird, sagt man: Mit einem Call-Center muß man nach Bremen gehen.
Es wird eine Vielzahl von Kleinigkeiten sein. Nehmen Sie zum Beispiel die Feiertagsschutzverordnung. In Hamburg muß der Ansiedlungswillige eine Ausnahmegenehmigung erfragen, die er auch regelmäßig gewährt bekommt. Aber Bremen hat das Landesgesetz so geändert, daß kein Antrag notwendig ist. Das ist wesentlich bequemer.
Noch schwerer wiegt: Die Stellungnahme zeigt eigentlich, daß der Senat kein klares Konzept hat, wie er aktiv in diesem wichtigen Markt Standortpolitik betreiben, wie er Unternehmen nach Hamburg ziehen und wie er bereits ansässige Unternehmen hier halten will.Frau Brockmöller, Sie haben bereits unseren Antrag von 1998 erwähnt, der leider abgelehnt worden ist. Hoffentlich stellt sich das nicht als großer Fehler heraus.
Viertens: Ohne Gespräche mit der Wirtschaft zu führen, funktioniert keine Wirtschaftspolitik.Ihre Behörde sollte das Gespräch mit den Call-Center-Betreibern in Hamburg suchen, um festzustellen, wo der Schuh drückt. Die Gespräche haben vor einiger Zeit einmal begonnen, sind aber
seitens der Behörde abgebrochen worden, wobei – wie ich gehört habe – die Branche sehr unglücklich ist.Sie müssen sie weiterführen, die Zeit drängt. Die Entwicklung geht sonst an Hamburg vorbei; und das wäre schade, denn es kostet Hamburger Arbeitsplätze.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die GAL-Fraktion begrüßt die Antwort des Senats zum Thema Call-Center.
Zweitens: Wie können wir die Arbeitnehmer entsprechend qualifizieren? Darüber haben wir im wesentlichen debattiert. Ich kann in der Antwort darüber hinaus nicht viel mehr erkennen. Vielleicht bringt uns die im Sommer zu erwartende HWF-Studie noch einmal neue Erkenntnisse, die uns vielleicht zu einer erneuten Debatte animieren könnten.
Zum Thema Standortwerbung. Es macht Sinn, Unternehmen von außerhalb Hamburgs anzuwerben.Falls es im wesentlichen um Outsourcing geht, haben wir als Stadt keinen benefit, wenn ein Unternehmen lediglich eine Abteilung ausgliedert und diese als neue Arbeitsplätze verkauft. Unser Bemühen und unsere Interessenlage muß es sein, diese Firmen aus anderen Regionen des Landes nach Hamburg zu locken.
Ich muß zugeben, daß nur der Hinweis, daß die Hamburger Gesellschaft für Wirtschaftsförderung diese Arbeit erledigt, für mich nicht ganz ausreichend ist. Ich erhoffe mir aus der HWF-Studie noch einige Hinweise, ein Konzept, wie wir diese Unternehmen nach Hamburg locken wollen. Die interessanten Schlagworte hierzu sind auch schon gefallen:Ausbildung – sehr wichtig – und die Beschaffung von Arbeitnehmern, damit die Firmen eine entsprechende Ausgangssituation haben, um hier in relativ kurzer Zeit ein CallCenter aufzubauen.Ich würde vorschlagen, daß man einen Blick nach Nordrhein-Westfalen wirft. Dort wurde über eine Internet-Plattform relativ gut erreicht, die drei wichtigen Standortpunkte herauszustellen: Warum und wieso NRW, warum und wieso Ausbildung und wie bekommen wir über Netzwerke von anderen Call-Centern neue Arbeitnehmer? Derartiges wünsche ich mir auch für Hamburg. Denn eines ist klar:Trotz sinkender Arbeitslosenzahlen können wir nicht von einer wirklichen Entlastung der Situation sprechen, sondern wir sind froh und dankbar für jeden Arbeitsplatz, den wir nach Hamburg ziehen.
Durch den E-Commerce hat sich eine neue Situation ergeben, der in den nächsten Jahren auch in Hamburg einen Siegeszug auslösen wird. Es ist jetzt schon abzusehen, daß viele Menschen mit komplizierteren Homepages und Plattformen nicht zurechtkommen. Man hat inzwischen erkannt, daß Call-Center hier eine sinnvolle Assistenzleistung bieten können, um Menschen beispielsweise zu einem Kauf zu bewegen, wenn sie es über die Homepage allein nicht schaffen. Das könnte eine sehr sinnvolle Ergänzung sein, die das deutlich macht, was Frau Brock
möller gesagt hat: Hier ist Qualifizierung angesagt; das ist keine Angelegenheit, die man mit reiner Telefonauskunft vergleichen kann, sondern von dem Call-Center-Agenten wird schon etwas mehr erwartet.
Ein wichtiges Thema, das in den Ausschüssen behandelt wurde, war die „Qualität der Arbeitsplätze“.Auch diese Ausschußdebatten scheinen mir in der Antwort des Senats nur zusammengefaßt zu sein. Mich verwundert der Hinweis auf die Scheinselbständigkeit. Meiner Ansicht nach haben wir inzwischen ausreichende Gesetze, die verbieten, daß ein Call-Center-Agent, wenn er in einem Unternehmen sitzt und jeden Tag am Telefon arbeitet, auch noch selbständig ist. Dies würde aus meiner Sicht alle Kriterien der Scheinselbständigkeit erfüllen. Insofern kann ich dem nicht so ganz folgen, warum das heute noch möglich sein soll.
Die andere Tendenz, daß nur Studenten oder ähnliche Arbeitsuchende angeworben werden, hat vielleicht 1998 noch bestanden. Ich sehe eher die Tendenz, daß die Call-Center auch in Zukunft Bereiche mit übernehmen werden, die von den Aufgaben her wesentlich anspruchsvoller sind. Insofern werden wir dann – wie schon erwähnt – mit sehr viel qualifizierteren Arbeitskräften und nicht „nur“ mit Studenten zu rechnen haben.
Mit dieser Branche sollte Hamburg zukünftig rechnen und sie in der Stadt weiter ausbreiten.Wir haben die besten Voraussetzungen in Hamburg; der Blick nach Bremen kann da nur anspornen, falls dort einiges besser laufen sollte; das kann ich momentan nicht so erkennen. Die Feiertagsverordnung wäre für mich kein Grund, nicht nach Hamburg zu gehen, da es die Ausnahmegenehmigungen ja gibt. Ob man in Zukunft einmal zu einer anderen Lösung kommen kann, darüber werden wir hier dann diskutieren. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kenne mich bei Call-Centern einigermaßen gut aus; darüber möchte ich aber nicht so viel reden, wie bisher darüber debattiert wurde. Die HWF wird die Ansiedlung weiterer Call-Center durchaus unterstützen; darüber mache ich mir relativ wenig Sorgen. Aber die Debatte in der Bürgerschaft hierzu ist so katastrophal schlecht, daß ich mir über die realen Probleme Sorgen mache.
Frau Brockmöller, ich weiß nicht, ob Sie schon einmal eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter eines Call-Centers gefragt haben, damit Sie einen Einblick über die dort anfallende Arbeit bekommen. Die Hauptprobleme stellen nicht die neuen, komplizierten IT-Technologien dar. Ihre Ausführungen liefen völlig am Thema und an der Realität vorbei.Um die E-Mails aufzumachen, braucht man kein IT-Studium; das geht ganz einfach. Statt dessen können wir entdecken, daß dort aufgrund der schlechten und verdichteten Arbeitsplätze eine neue, katastrophale Arbeitssituation entsteht. Damit muß man sich hier auseinandersetzen und nicht nur alles nach dem Motto schönreden: Das ist die neue IT-Wirklichkeit, die neue Technologie mit qualifizierten Arbeitsplätzen. Das ist, Herr Müller, am Thema vorbeigeredet und hat mit der Realität nichts zu tun.
Der Senat hat darauf doch auch gut geantwortet. Ich verstehe gar nicht, warum das in der Debatte nicht auftaucht. Er hat richtig dazu geantwortet, daß man von den schlechten Gehältern vielfach überhaupt nicht existieren kann, weil es dort nur Ex-und-Hopp-Arbeitsverhältnisse gibt; es werden kurzfristig viele Studenten eingestellt. Die gesamte Branche beschwert sich darüber, daß diese Arbeitsplätze als Durchlauferhitzer bezeichnet werden. Die „FAZ“ beschreibt so:
„Die Arbeitgeber sagen, daß derjenige, der eineinhalb Jahre in einem Call-Center gearbeitet hat, richtig belastungsfähig und für alle möglichen Aufgaben tauglich sei.“
Um diese Probleme geht es hier und nicht um dieses Geschwafel über neue Technologien mit ihren Chancen und Möglichkeiten. Die Lösung dieser Probleme hat sich doch die Sozialdemokratie früher einmal vorgenommen, sie werden aber gegenwärtig überhaupt nicht diskutiert.