Joachim Brinkmann
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hackbusch, Sie sind auf Ihren Antrag gar nicht eingegangen. Sie haben gesagt, der erkläre sich von selber und sei ein Selbstgänger. Das sehe ich ein bißchen anders. Sie wollen, daß mit der Teilzuschüttung des Mühlenberger Lochs erst begonnen wird, wenn alle anhängigen Rechtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind.
Wir wissen alle, wie lange so etwas dauert: Drei Instanzen, eventuell geht man noch zum Bundesverfassungsgericht. Fünf Jahre müssen Sie rechnen, bis das abgeschlossen ist. Wir kennen aber auch den Zeitplan der DASA. Im Jahre 2005 soll der erste A3XX abheben. Das heißt also, wenn man Ihrem Antrag zustimmen würde – und das scheinen Sie ja zu wollen –, würde das das Aus für die Endfertigung des A3XX in Hamburg bedeuten.
Es sind heute ungefähr 200 Klagen anhängig. Im Rahmen dieser Klagen können die Kläger den sofortigen Vollzug der Teilzuschüttung angreifen. Sie können sich vor den ordentlichen Gerichten damit durchsetzen, sie können das prüfen lassen.Das ist ordentliche rechtliche Prüfung.Was Sie wollen, ist genau das Gegenteil. Sie wollen mit dem Antrag erreichen, daß mit dem Bau überhaupt gar nicht erst ange
fangen wird, auch wenn der Senat und die DASA im Recht sind, denn mit Ihrem Antrag setzen Sie ein faktisches Aus für die Endfertigung hier in Hamburg.Wenn Sie ehrlich gewesen wären, hätten Sie Ihren Antrag anders formuliert, nämlich den Senat aufgefordert, auf die Endfertigung des A3XX hier in Hamburg zu verzichten.
Auf die lange Bank schieben bedeutet, wenn man unter Zeitdruck ist, daß es eines Tages nicht mehr geht, und das wissen Sie ganz genau.
Das wollen wir nicht, das will auch die Mehrheit der Bevölkerung nicht.Ich glaube – Herr Dobritz, Sie haben das sehr eingehend und ausführlich gesagt –, die Vergabe der Endfertigung nach Hamburg, wenn auch geteilt mit Toulouse, ist nicht nur vom Senat und der Bürgerschaft – wenigstens mit Mehrheit –, sondern auch von weiten Teilen der Bevölkerung als ein großer Erfolg für Hamburg angesehen worden. Daß Sie gesagt haben, daß man den Beteiligten dafür danken soll, spiegelt, glaube ich, auch die Einstellung der Bevölkerung in Hamburg wider. Sie haben auch gesagt, was das für Hamburg bedeutet. Deshalb will ich nicht noch einmal darauf eingehen.
Aber bei aller Euphorie, die wir heute haben, sollten wir nicht vergessen, daß es doch ein schmerzhafter Eingriff in das Mühlenberger Loch ist, in ein ganz sensibles Ökosystem hier in Hamburg. Das ist ein Thema, bei dem man abwägen muß, welches das wichtigere Gut ist, die Industrieansiedlung oder die unversehrte Erhaltung der Natur. Ich glaube, das ist bei vielen Industrieneuansiedlungen der Fall. Das wird immer wieder auftreten. Hier hat der Senat und haben auch wir als Bürgerschaft richtig entschieden, daß wir die Teilzuschüttung des Mühlenberger Loches durchführen wollen.
Ich sehe aber eines als viel problematischer an – darauf sind Sie auch eingegangen, Herr Dobritz –, und das ist die Beeinträchtigung der Menschen. Das ist nicht die optische Beeinträchtigung, da stimme ich Ihnen zu. Man muß heute auch Großindustriehallen bauen, und dort wird eine mit ungefähr 700 Metern Länge und 40 Metern Höhe unwahrscheinlich große Industriehalle gebaut. Da kann man es auch durch gute Architektur optisch so gestalten, daß man, wenn man sie sieht, nicht in Ohnmacht fällt. Aber die Lärmbelästigung wird ganz erheblich werden. Allein die Flugbewegungen werden sich von vorher 3500 auf gut 10 000 fast verdreifachen, und das betrifft viele Menschen.
Ich gehe allerdings davon aus, daß sich die Lärmentwicklung in den gesetzlichen Grenzen hält, wobei ich zugestehen muß, daß die gesetzlichen Grenzen ziemlich hoch sind, und die Menschen, die in der Einflugschneise und in der unmittelbaren Nähe, der unmittelbaren Umgebung des Werksgeländes, wohnen, werden ordentlich darunter leiden müssen. Sie können sicher sagen, im Flughafengebiet ist das auch der Fall, aber auch da leiden die Menschen.
Man gewöhnt sich daran, Frau Ahrons, und ich weiß, wovon ich rede. Ich wohne nämlich direkt in der Einflugschneise. Wenn bei mir die Flugzeuge über die Terrasse fliegen, sind die Fahrgestelle bereits ausgefahren, und das macht sehr viel Krach.Das dauert – ich habe einmal auf die
Uhr geguckt, als ich mich hierfür vorbereitete – ungefähr 15 Sekunden, dann ist das Flugzeug weg. Wenn meine Enkelkinder da sind und es kommt solch ein großes Flugzeug an, dann finden sie das sogar noch schick. Damit will ich das nicht verniedlichen, aber wir müssen einsehen, daß wir den Menschen viel zumuten. Ich habe einige Freunde und Bekannte, die bei uns in der Gegend wohnen, die sagen, das halten wir nicht aus, wir werden wegziehen. Das können sich nicht alle leisten. Einige werden es tun, aber die Menschen sind gezwungen, diese Belästigung zu ertragen. Auch hier müssen wir eine Güterabwägung durchführen. Ich glaube, unsere Haltung ist da ganz klar: Wir müssen den Menschen auch Nachteile zumuten, wenn es um das Wohl der Stadt und den Wirtschaftsstandort Hamburg geht.
Lassen Sie mich die Antwort auf den REGENBOGEN-Antrag in einem Satz zusammenfassen: Für Hamburg ist die Airbus-Entscheidung ein großer Erfolg, und wir sollten uns diesen Erfolg hinterher nicht selber kaputtmachen.Deshalb können wir dem Antrag nicht zustimmen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Brockmöller, Sie haben eben auf unseren Antrag aus dem Jahre 1998 hingewiesen und ihn abgehandelt. Anschließend haben Sie gesagt, es sei vorgeschlagen worden, man solle Wirtschaftsförderungsmittel einsetzen. Ich möchte ganz klar darauf hinweisen, daß wir als CDU nie gefordert haben, die Branche zu subventionieren. Ich halte das auch für falsch. Ich wollte nur das Mißverständnis vermeiden, daß man eventuell aus dieser räumlichen Zusammenfassung zwischen unserem Antrag und dem folgenden auf solche Idee kommen könnte.
Sie haben die uns vorliegende Stellungnahme des Senats eingehend erläutert. Sie enthält eine Vielzahl sehr interessanter Informationen, aber auf die entscheidende Frage, nämlich nach den Handlungsoptionen, erhalten wir leider keine Antwort. Darüber hinaus enthält die Stellungnahme eine Reihe von Fehleinschätzungen. Die erste Fehleinschätzung ist die Wachstumserwartung der Branche. Der Senat geht zutreffend von ungefähr 1200 Unternehmen im Jahre 1999 aus mit circa 120 000 Beschäftigten. Hamburg hat davon einen Anteil von 8000, das sind ungefähr 7 Prozent. Der Senat schätzt in dieser Gesamtbranche in Deutschland eine jährliche Zunahme von 30 000 Mitarbeitern.Im Jahre 2005 würden dies etwa 300 000 Beschäftigte ausmachen, vielleicht ein paar weniger, vielleicht ein paar mehr.
Ich habe eine Reihe von Gesprächen mit Call-Center-Betreibern geführt und festgestellt, daß die Branche von erheblich höheren Zahlen ausging.Die Marktuntersuchungen dieser Unternehmen gehen davon aus, daß im Jahre 2005 in der Branche etwa 750 000 Menschen beschäftigt werden, also wesentlich mehr als doppelt soviel, wie der Senat geschätzt hat. Diese Zahlen liegen auch den Planungen der Unternehmen zugrunde. Privat sagte mir der Geschäftsführer, daß er die Zahl der Beschäftigten eher höher, nämlich auf eine Million einschätzt, als daß sie unter 750 000 liegen wird.
Die Erkenntnisse der Stellungnahme stammen aus dem Jahre 1998, sind heute also fast drei Jahre alt. Bei dem üblichen rasanten Wachstum der Telekommunikationsbranche sind drei Jahre eine kleine Ewigkeit. Mit anderen Worten: Ein Großteil der Daten, auf denen die Stellungnahme basiert, ist heute veraltet. Geht man von den Zahlen aus, die mir die Unternehmen genannt haben, wird es in dieser Branche in Hamburg im Jahre 2005 zwischen 50 000 und 60 000 Arbeitsplätze geben. Das ist eine erheblich andere Größenordnung, als sie der Senat dargelegt hat. Ich fürchte, daß der Senat die Bedeutung der Call-Center nicht richtig einschätzt.
Die zweite Fehleinschätzung sind die Ausbildungserfordernisse; Frau Brockmöller ist darauf schon eingegangen.Das Angebot an gut ausgebildeten Mitarbeitern für die Branche ist ein ganz wesentlicher Standortfaktor. Die Unternehmen werden auch selbst ausbilden; aber die Ausbildung eines Mitarbeiters ist relativ teuer. Deshalb wird dieser Kostenfaktor bei der Standortentscheidung der Firmen sehr wohl berücksichtigt werden.
In der Stellungnahme führt der Senat aus, daß es zur Zeit fünf Ausbildungseinrichtungen in Hamburg gibt. Er führt aber nichts aus über die Qualifikation der Teilnehmer, die Zertifikate sowie über die Kapazität dieser Einrichtungen. Ich habe versucht, die Zahl der Ausbildungsplätze festzustellen, habe aber leider keine vernünftigen Auskünfte von den Einrichtungen erhalten. Ich schätze, es werden einige Hundert sein, aber wenn man die Größenordnungen be
trachtet, in denen sich die Branche entwickeln wird, reicht das beileibe nicht aus.
Der Senat darf den wichtigen Standortfaktor Ausbildung meiner Ansicht nach nicht dem Zufall überlassen. Nordrhein-Westfalen hat zum Beispiel eine Call-Center-Akademie eingerichtet; auch anderenorts gibt es Einrichtungen ähnlicher Art.Der Senat muß kurzfristig in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ein tragbares Ausbildungskonzept erarbeiten. Das muß schnell geschehen, denn die Zeit drängt, weil bei der Entwicklung der Branchen ständig Standortentscheidungen von der Wirtschaft getroffen werden.Wenn die Dinge nicht richtig geregelt werden, können diese Entscheidungen an Hamburg vorbeigehen.
Die dritte Fehleinschätzung – da hat Frau Brockmöller etwas anderes berichtet; meine Informationen sind etwa vier Monate alt – ist die ausreichende Beratungskapazität der HWF. In der Stellungnahme heißt es ganz lapidar – ich zitiere –:
„Mit der HWF steht den Betreibern von Call-Centern eine zentrale Anlaufstelle zur Verfügung. Darüber hinaus stehen in der Wirtschaftsbehörde in besonderen Fällen unbürokratisch und kurzfristig Ansprechpartner den Unternehmen zur Verfügung.“
Das liest sich für mich so – wenn ich das etwas überspitzt ausdrücke –: Wenn ein Interessent bei der HWF vorbeikommt, dann redet man – wenn er Glück hat – mit ihm. Diese Formulierung – so habe ich es aus der Branche gehört – ist nicht so abwegig.Die Call-Center-Betreiber beklagen sich bitterlich darüber, daß die Mitarbeiter der HWF zu selten und oft mit unzureichender Sach- und Fachkompetenz auf sie zugehen. Gespräche, die man mit dem Senat gesucht hat, sind nicht zustande gekommen.
Wenn man von einem guten Call-Center-Standort im Norden spricht, fällt sofort der Name Bremen; Hamburg folgt unter „ferner liefen“. Was macht Bremen anders? Herr Senator, im Wirtschaftsausschuß haben Sie uns gesagt, in Bremen würde man das gleiche tun, die Vorbedingungen seien dort auch die gleichen. Trotzdem muß in Bremen irgend etwas anders laufen. Das ist so. Wenn darüber gesprochen wird, sagt man: Mit einem Call-Center muß man nach Bremen gehen.
Es wird eine Vielzahl von Kleinigkeiten sein. Nehmen Sie zum Beispiel die Feiertagsschutzverordnung. In Hamburg muß der Ansiedlungswillige eine Ausnahmegenehmigung erfragen, die er auch regelmäßig gewährt bekommt. Aber Bremen hat das Landesgesetz so geändert, daß kein Antrag notwendig ist. Das ist wesentlich bequemer.
Noch schwerer wiegt: Die Stellungnahme zeigt eigentlich, daß der Senat kein klares Konzept hat, wie er aktiv in diesem wichtigen Markt Standortpolitik betreiben, wie er Unternehmen nach Hamburg ziehen und wie er bereits ansässige Unternehmen hier halten will.Frau Brockmöller, Sie haben bereits unseren Antrag von 1998 erwähnt, der leider abgelehnt worden ist. Hoffentlich stellt sich das nicht als großer Fehler heraus.
Viertens: Ohne Gespräche mit der Wirtschaft zu führen, funktioniert keine Wirtschaftspolitik.Ihre Behörde sollte das Gespräch mit den Call-Center-Betreibern in Hamburg suchen, um festzustellen, wo der Schuh drückt. Die Gespräche haben vor einiger Zeit einmal begonnen, sind aber
seitens der Behörde abgebrochen worden, wobei – wie ich gehört habe – die Branche sehr unglücklich ist.Sie müssen sie weiterführen, die Zeit drängt. Die Entwicklung geht sonst an Hamburg vorbei; und das wäre schade, denn es kostet Hamburger Arbeitsplätze.
Herr Senator, die Deutsche Bahn hat ja das Projekt totgemacht, weil sie gesagt hat, daß es betriebswirtschaftlich nicht möglich ist, die Strecke durchzuführen.
Haben Sie oder jemand anders die betriebswirtschaftliche Rechnung der Bundesbahn gesehen?
Noch einmal die Frage: Haben Sie die betriebswirtschaftliche Rechnung der Bundesbahn gesehen, oder wissen Sie, daß sie veröffentlicht ist?