Protocol of the Session on March 1, 2000

Die Wirtschaft ist in diesem Zusammenhang natürlich in erster Linie gefordert. Die in Deutschland in der Schule gut ausgebildeten jungen Frauen stellen eine große Ressource für die Anforderungen des Arbeitsmarkts dar, die auch genutzt und gefördert werden sollte. Dem beklagten Fachkräftemangel und der Forderung nach Import von Fachpersonal aus dem Ausland kann damit begegnet werden, daß im Inland mehr junge Frauen und Mädchen ausgebildet werden. Stellenanzeigen, in denen immer noch explizit männliche Mitarbeiter gesucht werden, sind fehl am Platz. Die jungen Frauen von heute sind gut qualifiziert und haben bei der schulischen und auch beruflichen Ausbildung aufgeholt. Frauen haben in den sich verändernden Bereichen, in denen es zu einer Kombination von technischen Anforderungen und kommunikativen Fähigkeiten kommt, gute Chancen. Erfreulich ist es, daß in Hamburg die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge insgesamt und der Anteil der Frauen und Mädchen daran auch zugenommen hat.

Trotzdem gibt es in diesem Arbeitsmarkt ein Segment, bei dem ich Wasser in den Wein gießen muß: Im Bereich der vier technisch ausgerichteten IT-Berufe sind es bundesweit 25 Prozent Mädchen, die diese Berufe ergreifen; in Hamburg haben wir im Jahre 1998 nur einen Anteil von 10 Prozent. Die heutigen Zahlen des Arbeitsamtes sagen aus, daß für 1999 eine leichte Steigerung vorliegt.

Wir begrüßen daher, daß der Senat bei den Hamburger Projekten, die sich mit der Berufswahl beschäftigen und den Mädchen Orientierung geben, einen Schwerpunkt auf die Hinweise der Informations- und Kommunikationstechnologien legt. Wir haben vor eineinhalb Jahren auch im Gleichstellungsausschuß kritisch über das Thema „Frauen in sogenannten Männerberufen“ diskutiert und waren zu der Auffassung gelangt, daß es nicht so einfach ist, diesen geschlechtsspezifischen Arbeitsmarkt durch eine Förderung dauerhaft aufzubrechen. Es hat sich gezeigt, daß Mädchen in diesen Berufen häufig nicht dauerhaft berufstätig sein können. Deshalb ist es uns so wichtig, daß in diesem Bereich des Arbeitsmarktes, in dem vor unseren Augen große Umbrüche stattfinden, die Mädchen rechtzeitig ihre Chancen ergreifen. Die Antwort des Senats auf unser Ersuchen zeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind.

Die Kompetenz der Mitarbeiterin des Projektes „Schnupperlehre“ wird genutzt, um auf Mädchen in den Stadtteilen zuzugehen und sie auf neue Berufsbilder hinzuweisen. Frauen müssen Chancen frühzeitig nutzen, solange diese

(Senatorin Rosemarie Raab)

Strukturen noch offen sind. Dafür müssen Politik, Wirtschaft, Bildungsexperten und nicht zuletzt die Frauen selbst sorgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Heide Simon GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wer stimmt der Überweisung der Senatsmitteilung Drucksache 16/3842 federführend an den Schulausschuß und mitberatend an den Gleichstellungsausschuß zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieses einstimmig überwiesen.

Jetzt lasse ich über den SPD-Antrag Drucksache 16/3853 abstimmen. Wer möchte denselben beschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieses einstimmig beschlossen.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 27 auf: Drucksache 16/3861: Antrag der CDU zur Vermeidung von Mietdoppelzahlungen aus Steuergeldern.

[Antrag der Fraktion der CDU: Konzept zur Vermeidung von Mietdoppelzahlungen aus Steuergeldern – Drucksache 16/3861 –]

Wird hierzu das Wort begehrt? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Roock hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hohe Mietrückstände mit steigender Tendenz und demzufolge auch eine steigende Zahl bei den Zwangsräumungen erfordern nach Auffassung der CDU-Fraktion ein sofortiges Handeln. Allein die Summe der Mietrückstände bei den stadteigenen Wohnungsgesellschaften SAGA und GWG ist in diesem Ausmaß nicht mehr zu vertreten. Ich möchte nur die Zahlen von 1998 und 1999 nennen: Im Jahre 1998 betrugen die Mietrückstände aus den ausgelaufenen Verträgen für beide Gesellschaften 46,5 Millionen DM und 1999 bis zum 30. Juni 49,3 Millionen DM. Insgesamt bedeuten das Mietrückstände für 1999 von hochgerechnet annähernd 100 Millionen DM.

Mietrückstände aus bestehenden Verträgen beider Gesellschaften betrugen 1998 16,2 Millionen DM und 1999 bis zum 30. Juni 17,5 Millionen DM, so daß hochgerechnet für das Jahr 1999 35 Millionen DM zustande kommen werden. Addiert man die genannten Summen aus 1998 – 62,7 Millionen DM – und aus 1999 – 135 Millionen DM –, sind für beide Jahre bei der SAGA und der GWG Mietrückstände von insgesamt circa 200 Millionen DM festzustellen. Das ist ein gigantischer Betrag, der den stadteigenen Wohnungsgesellschaften für Investitionen nicht zur Verfügung stand. Leidtragende sind insbesondere Mieter, die seit Jahrzehnten in sanierungsbedürftigen Wohnungen leben müssen und treu und brav ihre Miete zahlen. Was tut man diesen Mietern unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit eigentlich an?

Gerade für die Sanierungen solcher Wohnanlagen wären Investitionen bitter nötig. Hinzu kommt, daß 1999 circa 10,8 Millionen DM an Beihilfen und Darlehen für Mietschulden gemäß Paragraph 15a Bundessozialhilfegesetz gewährt wurden. Welcher Betrag in diesem Zusammenhang für Mietdoppelzahlungen anzusetzen ist, konnte mir der Senat in meiner Anfrage nicht beantworten. Er räumte lediglich ein, daß zur Vermeidung von Obdachlosigkeit eine derartige Unterstützung gewährleistet wird. Es ist davon auszugehen, daß die von mir genannte Summe von

10,8 Millionen DM für Beihilfen, Darlehen und Mietdoppelzahlungen in diesem Jahr nicht wesentlich geringer sein wird.

Ein weiteres gravierendes Problem ist die hohe Anzahl der Räumungsklagen. 1998 waren in der Stadt über 4500 und 1999 über 5700 Räumungsklagen anhängig. Das ist eine deutliche Steigerung von etwa 27 Prozent. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang ebenfalls die hohe Anzahl der Zwangsräumungen von Wohnungen der SAGA und GWG. Allein im Jahre 1999 waren 1144 Fälle zu verzeichnen. Durch die Verfahrenskosten werden die Wohnungsgesellschaften und die öffentliche Hand zusätzlich belastet. Für die Betroffenen, insbesondere für Familien mit Kindern, ist die Zwangsräumung ein deprimierendes und unwürdiges Ereignis.

Unser Antrag verfolgt das Ziel: Erstens sollen die hohen Mietrückstände reduziert werden. Zweitens soll dadurch den Wohnungsgesellschaften ein höherer finanzieller Spielraum zum Beispiel für sanierungsbedürftige Wohnanlagen gegeben werden. Drittens sollen gleichzeitig die Sozialhilfeempfänger nicht der Gefahr einer Zwangsräumung ausgesetzt werden. Viertens sollen der öffentlichen Hand und den Wohnungsgesellschaften Verfahrenskosten erspart werden. Fünftens sollen Mietdoppelzahlungen aus Steuergeldern vermieden werden.

(Andrea Franken GAL: Das steht aber im Antrag nicht drin!)

Meine Damen und Herren, mit den genannten Fakten habe ich deutlich gemacht, daß dringender Handlungsbedarf besteht. Von daher bitte ich im Interesse einer ausgewogenen und gerechten Sozialpolitik um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Bestmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Ergebnis diverser Schriftlicher Kleiner Anfragen sagt aus – Herr Roock hat es schon dargelegt –, daß es offene Forderungen aus bestehenden und beendeten Mietverhältnissen sowie eine hohe Anzahl von Zwangsräumungen bei den städtischen Wohnungsgesellschaften gibt. Aufgrund der Bewohnerstruktur dieser Wohngebäude kann davon ausgegangen werden, daß es sich bei den Schuldnern mit Sicherheit um eine relativ hohe Anzahl von Sozialhilfeempfängern handeln wird, die ihr vom Sozialamt erhaltenes Mietgeld anderweitig ausgeben. So kommt es, daß entsprechend der Aufgabe der Bezirksstellen zur Wohnungssicherung nach Paragraph 15a BSHG Mietrückstände beglichen werden, um dem Verlust der Wohnung vorzubeugen. Das sind die in Ihrem Antrag genannten Mietdoppelzahlungen, die natürlich nicht befriedigen können.

Sie haben Ihren Antrag vorgelegt, der überschrieben ist mit „Konzept zur Vermeidung von Mietdoppelzahlungen aus Steuergeldern“, um diesem vermeintlichen Mißstand ein Ende zu setzen. Die Lösung des Problems soll so aussehen, daß die Mietzahlungen ab sofort pauschal aus der Sozialhilfe direkt an den Vermieter überwiesen werden. Bei genauer Betrachtung der Sachlage wird jedoch die Frage aufgeworfen, daß wir nicht genau wissen, wer die Mietschulden bei den städtischen Wohnungsgesellschaften eigentlich verursacht hat und wer die Doppelzahlungen oder

(Britta Ernst SPD)

die Zahlungen nach Paragraph 15a BSHG größtenteils überhaupt in Anspruch nimmt. Es sind ja nicht nur Empfänger von laufenden Hilfen,

(Ralf Niedmers CDU: Das ist doch Kaffeesatzlese- rei!)

sondern auch andere Menschen empfangsberechtigt. Es kann natürlich auch sein, daß andere Mieter, die durchaus erwerbstätig sind und am Rande ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit leben, ihre Miete nicht bezahlen können, so daß Mietrückstände entstehen und sie Kunden einer Schuldnerberatung sind. Auf dem freien Wohnungsmarkt sind auch Mietrückstände von Mietern zu verkraften, die durchaus liquide sind. Das wissen wir alle.

Ich könnte mich an dieser Stelle aufgrund der Tatsache, daß es auf dem freien Wohnungsmarkt ähnlich aussieht, fast dazu verleiten lassen, daß Sie irgendwann in einem Antrag fordern, daß Mietzahlungen von erwerbstätigen Mietern am besten direkt pauschal vom Arbeitgeber zu überweisen sind.

(Beifall bei Andrea Franken GAL)

Dann hätten wir das Problem der Mietrückstände überhaupt nicht mehr.

(Beifall bei der SPD und der GAL, Zurufe von der CDU)

Ja, es handelt sich um öffentliche Gelder, die natürlich ihrer Zweckbestimmung entsprechend auszugeben sind.

(Bernd Reinert CDU: Eben!)

Wie lautet die richtige Strategie? Wie würden die Juristen – wir haben ja einige im Parlament – entscheiden? Der Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung: Paragraph 1 BSHG gibt eindeutig vor, daß die Sozialhilfe den Hilfeempfänger befähigen soll, unabhängig von ihr zu leben; sie bezweckt – so heißt es in der Kommentierung – Hilfe zur Selbsthilfe. Dem Hilfeempfänger darf nicht alles abgenommen werden, er muß natürlich selbst Leistungen erbringen. Dazu gehört es, daß er selbständig seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt, die er aus den Zahlungen der Sozialhilfe leistet.

Das Gesetz ermöglicht bereits, auf Wunsch, aber auch in begründeten Einzelfällen, direkte Mietzahlungen des Sozialamtes an den Vermieter vorzunehmen. Es ist gängige Praxis in Hamburg, daß dies regelmäßig auch geschieht, wenn Sozialhilfeempfänger ihr Geld für andere Dinge ausgegeben haben und somit ihren Leistungen nicht mehr nachkommen. Um es auf den Punkt zu bringen: Der vorliegende Antrag bevormundet und entmündigt Hilfeempfänger pauschal

(Beifall bei Andrea Franken GAL und Dr. Andrea Hil- gers SPD)

und schießt eindeutig über das Ziel hinaus. Er beschneidet Eigeninitiative und Eigenverantwortung und hätte zudem den Effekt, daß der Sozialhilfeempfänger nicht mehr erfahren würde, daß Wohnen auch Geld kostet, und daß er keine Bindung mehr im Umgang mit seiner eigenen Wohnung hat, wie er sie vielleicht hätte, wenn er seine Miete selbst mit der Sozialhilfe begleichen würde. Es würde vielleicht auch ein blindes Vertrauen in die Unerschöpflichkeit staatlicher Ressourcen entstehen.

Den namentlichen Antragstellern, die scheinbar alle Mitglieder des Bauausschusses der Bürgerschaft sind, kann ich nur empfehlen, einen Blick in dieses Papier zu werfen.

(Die Rednerin hält ein Papier hoch)

Das ist eine Presseerklärung Ihrer Sozialpolitiker von einer Pressekonferenz aus dem letzten Jahr. Darin können Sie alle die von mir zuletzt genannten Schlagworte, die aus dem Bauch heraus formuliert wurden, hervorragend nachlesen. Wenn Sie das von Ihnen Geschriebene ernst meinen, dann müßten Sie Ihren eigenen Antrag ablehnen. Wir werden es auf alle Fälle tun.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der GAL und bei Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke – Volker Okun CDU: Dann geht es Ihnen ja nicht um die Sache!)

Ja, wegen der pauschalen Verurteilung.

In Richtung Senat sage ich, daß wir dieses Thema mit Sicherheit im Auge behalten und begleiten werden, denn Sozialpolitiker sitzen auch im Haushaltsausschuß. Ihrem Antrag werden wir aber nicht zustimmen. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Franken.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU weist in ihrem Antrag auf hohe Mietrückstände bei den stadteigenen Wohnungsgesellschaften, auf die Steigerung der Anzahl von Zwangsräumungen und auf Mietdoppelzahlungen für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger hin. Die CDU spricht drei Bereiche an, die zunächst nichts miteinander zu tun haben.

(Antje Blumenthal CDU: Ach, du Schreck!)

Die genannten Umstände sind der GAL und der SPD bekannt;