Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir können eigentlich nahtlos an die Debatte anknüpfen, die wir
eben geführt haben. Ich kann sogar nahtlos an das Stichwort von Herrn Harlinghausen anknüpfen, nämlich, daß es wichtig und dringend ist und daß auch alles dafür getan wird, daß sich die Situation von Flüchtlingen verbessert. Das war das Versprechen von SPD und GAL. Das ist ein Teil der Begründung für diese Koalition. Was wir nach zweieinhalb Jahren feststellen und insbesondere nach der Entwicklung im letzten Jahr, ist, daß das Gegenteil passiert ist. Das Papier, das die Innenbehörde – ein Geheimpapier, so wurde das damals genannt – im letzten April veröffentlichte, hat eine Reihe von Verschärfungen der Hamburger Abschiebepraxis angekündigt. Es sollten ärztlich attestierte Kranke schneller abgeschoben werden, es sollte ein ärztlicher Dienst eingerichtet werden, um genau diese Aufgabe mit zu erfüllen. Es sollte die getrennte Abschiebung von Familien stattfinden und verstärkt werden. Es sollten verschiedene Maßnahmen zur Sicherstellung der Durchführung einer Abschiebung eingeführt werden, zum Beispiel das Aufsuchen von Flüchtlingen am Vorabend oder in den Morgenstunden eines für diese überraschend angesetzten Abschiebungstermins, gegebenenfalls mit Unterstützung der Polizei. Es sollten im Rahmen von Vorsprachen bei der Ausländerbehörde vermehrte Festnahmen stattfinden und eine unverzügliche Abschiebung stattfinden. All dies war damals angekündigt, all dies findet heute statt, all dies an vielen, vielen Beispielen. Vier davon aus nur einer Woche können Sie in unserem Antrag nachlesen.
Es gab damals in diesem Hause verschiedene Debatten und Aufregungen, auch bei der SPD und GAL Empörung über die Maßnahmen, die angekündigt wurden. Es kam zu einer politischen Verständigung zwischen SPD und GAL sozusagen auf Grundlage des Tumultes, der in der Stadt war, von Rechtsanwältinnen, Ärztinnen, REGENBOGEN, Kirchen und vielen mehr, die gesagt haben, diese Maßnahmen dürfen keinesfalls durchgesetzt werden, wenn die Flüchtlingspolitik in Hamburg noch irgend etwas mit Grundrechten und Menschenwürde zu tun haben soll.
Die Verständigung von SPD und GAL schließt diese Maßnahmen, die das Papier der Innenbehörde damals genannt hat und die jetzt durchgeführt werden, nicht aus. Genau deswegen passieren diese Maßnahmen. Das angstbesetzte frühmorgendliche Abholen von Menschen, die Trennung von Familien, die Abschiebung trotz Attesten, all dies passiert nicht trotz, sondern es passiert wegen der Verständigung zwischen SPD und GAL.
Wir möchten mit unserem Antrag ein absolutes Minimum erreichen. Wir möchten, daß die Verschlechterungen der letzten Monate zurückgenommen werden. Wir möchten, daß diese rotgrüne Regierung auf Basis von Menschenwürde agiert, auf Basis der Gewährleistung von Rechten. Beides passiert nicht mehr und ist nicht mehr gewährleistet. Das ist mir absolut unverständlich. Das ist etwas, was nicht nur wir feststellen, was nicht nur die Stadt feststellt, sondern das ist etwas, was auch die GAL weiß, daß es passiert.
Jetzt kommt ein Antrag von der GAL, der von der Innenbehörde einen Bericht abfordert, wie sie ihre Abschiebepraxis darstellt, insbesondere in bezug auf die politische Verständigung zwischen SPD und GAL. Ich kann euch heute schon sagen, was dort drinstehen wird. Dort wird drinstehen, daß sich die Innenbehörde auf Basis des Koalitionsvertrages verhält. Dort wird drinstehen, daß sie sich analog zu der politischen Verständigung zwischen SPD und GAL verhält und sich ansonsten nichts verändert hat. Das Problem ist, daß sie damit dann auch noch recht hätte. Es hat sich wieder nichts verändert an dieser Frage. Hier
geht es nicht um Papierproduktion, sondern hier geht es darum, daß sich für Leute etwas verändert, die gegenwärtig angstbesetzt durch diese Stadt laufen. Darum geht es, nicht um mehr und auch nicht um weniger.
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Frau Uhl, Sie haben ausgeführt, daß Sie nur das Minimum fordern. Aber wenn man die Forderungen genau durchliest, dann geht es nicht um das Minimum. Deswegen möchte ich auf einige wenige Passagen Ihrer Forderungen, die wir heute beschließen sollen, eingehen.
„Flüchtlinge, denen per ärztlichem Attest eine Krankheit oder Traumatisierung bescheinigt wird, werden nicht abgeschoben.“,
Wollen Sie damit aussagen, daß ein Ausreisepflichtiger, der eine Grippe oder eine andere leichtere Erkrankung hat, nicht abgeschoben werden kann?
„Die Hinzuziehung von Ärzt/innen zur Vorbereitung und Begleitung einer Abschiebung unterbleibt ausnahmslos.“
Warum eigentlich? Ist es nicht auch in dem einen oder anderen Fall sinnvoll, daß es eine ärztliche Begleitung gibt? Warum sind Sie da so radikal und wenden sich gegen die Interessen der Betroffenen?
„Die Praxis der ,Ingewahrsamnahme‘, das heißt Festnahme auf der Ausländerbehörde einen Tag vor einer geplanten Abschiebung, unterbleibt ausnahmslos.“
Es gibt Fälle – da machen wir uns gar nichts vor –, wo es notwendig ist, die Ingewahrsamnahme vorzunehmen.
„Familien werden zum Zweck der Abschiebung in keinem Fall auseinandergerissen. Familien werden nicht getrennt.“
Grundsätzlich ist das richtig. Familien sollten gemeinsam abgeschoben werden. Wenn sich aber herausstellt – und so ist wohl auch das praktische Leben –, daß sich einzelne Familienmitglieder der Abschiebung entziehen, muß es auch möglich sein, in diesen Einzelfällen die Abschiebung von Teilen der Familie vorzunehmen.
Es darf nicht verkannt werden, daß es sich grundsätzlich um Personen handelt, die der Aufforderung, Hamburg zu verlassen, nicht nachgekommen sind. Diese Menschen halten sich illegal in Hamburg auf, und das wissen sie auch. Es ist falsch, den Eindruck zu erwecken, als ob Menschen,
die abgeschoben werden, völlig ahnungslos sind. Sie wissen, daß ihr Aufenthalt in Kürze beendet wird. Es gibt immer wieder individuelle Gründe dafür, daß Menschen ihre Ausreise aus Deutschland hinauszögern oder sogar verhindern wollen. Dies ist auch menschlich verständlich. Daß sie alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen, wird von uns keinesfalls kritisiert. Das ist das Prinzip eines demokratischen Rechtsstaates. Wir als Abgeordnete haben auch die Aufgabe, die Rechtsstaatlichkeit einzufordern. Dieses gilt besonders für staatliches Handeln, ohne Frage, dieses gilt aber auch für die Menschen, deren Asylverfahren aufgrund eines rechtskräftigen Urteils negativ beschieden wird. Sie müssen ausreisen, und daran dürfen wir auch keinen Zweifel lassen. Auch das gehört zur Rechtsstaatlichkeit.
Abschiebungen werden aus der Sicht der Betroffenen nie menschlich sein, nie und nimmer, Frau Uhl. Da werden Sie keinen einzigen Fall finden, und das wissen Sie genausogut wie ich. Gerade deshalb müssen wir auch die Abschiebungspraxis, soweit es irgendwie geht, human gestalten, obwohl diese Begrifflichkeit in den Ohren der Betroffenen als zynisch empfunden werden wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute wieder einen Antrag der REGENBOGEN-Gruppe, den wir im Juni 1999 schon einmal gehabt haben. Damals haben wir Ihren Antrag abgelehnt, und wir werden ihn heute auch wieder ablehnen.
„Der Aufenthalt von ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern, deren Verfahren auf der Basis des geltenden Rechts vollziehbar abgeschlossen ist, wird konsequent und zügig beendet.“
Ich meine, so sollte es umgesetzt werden. Die CDU tritt für eine konsequente Abschiebepraxis ein, aber unter Wahrung der Menschlichkeit.
Für Härtefälle, wie Sie sie, Frau Uhl, in Ihrem Antrag schildern, gibt es den Eingabenausschuß, dem auch Sie und ich angehören. Dort hat es doch auch schon Erkenntnisse darüber gegeben, wie man mit vielerlei Tricks versucht, einer Abschiebung zu entgehen. Wie aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage hervorgeht, gibt es etwa 700 Menschen in Hamburg, die bleiben, weil medizinische Atteste vorliegen, worin bestätigt wird, daß aus gesundheitlichen Gründen von einer Abschiebung abgeraten wird. Meistens werden psychische Gründe angeführt. Es sind fast immer – und das muß ich leider sagen – dieselben Ärzte, die diese Atteste ausstellen, und es geschieht fast immer kurz vor der Ausweisung. Merkwürdig finde ich das.
Deshalb – vielleicht hören Sie jetzt einmal zu – halten wir die amtsärztliche Überprüfung für unerläßlich, um die Aussagen der Atteste zu untermauern oder aber in Frage zu stellen,
Notwendige Untersuchungen bei Abschiebefällen werden oftmals – bedingt durch Kapazitätenmangel – nach einer Wartedauer von drei bis vier Monaten durchgeführt. Das hat zur Folge, daß ausgestellte Paßersatzpapiere teilweise ihre Gültigkeit verlieren und eine weitere unvertretbare Verlängerung des Aufenthaltes eintritt. Verzögerungen erwecken Hoffnungen, die zum Teil nicht erfüllbar sind. Das muß man doch einmal zugeben. Darum ist hier ein konsequentes und bedachtes Handeln erforderlich. Es ist zweifelhaft, wenn eine sechs- oder siebenköpfige Familie in Deutschland bleiben kann, weil ein Familienmitglied ein ärztliches Attest vorlegt. Das geht nicht.
(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Sie halten doch sonst immer die Familie so hoch! Minderjährige Kinder sollten allerdings niemals allein ab- geschoben werden, sondern in Begleitung eines Eltern- teils. Richtig ist auch, daß Abzuschiebende von Ärzten oder ausgebildeten medizinischen Hilfskräften – wenn es nötig ist – begleitet werden. Die Maßnahme der Innenbehörde findet bei uns Unterstützung, Abzuschiebende in deren Wohnung aufzusuchen, um ein Abtauchen in die Illegalität zu verhindern. Allerdings sollte auch hier die Verhältnis- mäßigkeit gewahrt bleiben; eine Nacht-und-Nebel-Aktion halte ich für unsensibel und unwürdig. Wie Sie sicherlich in der Presse gelesen haben, mußten wir uns gerade leider in letzter Zeit mit unsensiblen Verhal- tensweisen der Ausländerbehörde befassen. Ich erinnere an den afghanischen Bürger, der zwei Wochen vor der Prü- fung seines Hauptschulabschlusses in Abschiebehaft ge- nommen wurde, allerdings am selben Tag auf Initiative des Eingabenausschusses wieder entlassen wurde. Ein weite- res Beispiel: Eine Kurdin wurde nachts mit ihren kleinen Kindern aus der Wohnung geholt, obwohl sie noch eine Duldung hatte. In den letzten Tagen berichtete die Presse von einem wei- teren Fall. Ein junger Türke wurde im Eilverfahren abge- schoben, obwohl eine Eingabe an die Bürgerschaft vorlag. Der Petitionsausschuß wurde somit umgangen. Solche Dinge dürfen einfach nicht passieren. Ein derartiges Fehl- verhalten der Ausländerbehörde muß vermieden und, falls geschehen, gerügt werden. (Beifall bei der CDU und der GAL)