Ich hoffe sehr, daß der Senat weitere Anregungen aufnehmen wird, die vorhandenen Förderungsinstrumente noch zielgerichteter weiterzuentwickeln, und dabei insbesondere die Situation der Frauen und der Teilzeitgründungen nicht aus dem Auge verliert.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das, was hinsichtlich der Existenzgründer und zu einigen Schwächen schon gesagt worden ist, will ich nicht noch einmal wiederholen. Ich bin auch nicht in der Lage zu beurteilen, ob das Programm insgesamt so gut oder umfassend ist. Mir fällt immer nur auf, daß alle Bundesländer für sich behaupten, die Besten auf diesem Gebiet zu sein. Dementsprechend sind diese Vergleiche schwierig.
Ich möchte aber darauf hinweisen, daß es zumindest zwei sehr große Schwächen gibt. In einem Punkt kommt das in der Großen Anfrage deutlich zum Ausdruck, nämlich da, wo es um die ausländischen Mitbürger in dieser Stadt geht und um die Frage ihrer Existenzgründer. Jeder, der durch diese Stadt geht, merkt sehr genau, daß das die Weltmeister oder Weltmeisterinnen auf diesem Gebiet sind. Sie sind diejenigen, die vor allem Existenzen gründen. Das sieht man am äußeren Erscheinungsbild, und es ist insgesamt eine Erfahrung der Leute, die die Beratungen durchführen. Es ist sehr erstaunlich, daß die Wirtschaftsbehörde das noch nicht erkannt hat und sagt, daß da die gleiche Situation wie bei den Deutschen besteht. Es gibt aber einen signifikanten Unterschied. Diesen Unterschied aufzugreifen und aktiv zu werden, wäre eine wichtige Aufgabe.
Wir stellen fest, daß es hier kräftige Defizite gibt. Diese etwas deutsch zentrierten Defizite existieren nach allen Berichten, von denen ich erfahren habe, nicht nur in der Wirtschaftsbehörde, sondern auch in der Handwerkskammer sowie in der Handelskammer. Dort ist man nicht in der Lage, auf die neuen Mitbürger in der Stadt zuzugehen, um sie gewissermaßen zu animieren, Existenzen zu gründen, obwohl das Potential da viel größer ist. Seitens der Behörde und der Kammern sind die Ansätze bisher viel zu schwach, und es sind noch etliche Anstrengungen nötig. Die Wirtschaftsbehörde hat dieses Phänomen noch nicht erkannt.
Über eine zweite Angelegenheit bin ich völlig erschrocken. Viele Probleme sind in der Großen Anfrage auch angesprochen. Ein Punkt ist aber für jeden, der sich damit beschäftigt, besonders signifikant. Das hat Frau Ahrons auch angesprochen. Das Problem bei Existenzgründern ist gegenwärtig, daß so wenig verdient wird und so wenig Selbständigkeit vorhanden ist. Dies hat die rotgrüne Bundesregierung als solches auch erkannt. Auf der einen Seite gibt es die Frage der Scheinselbständigkeit. Wieviel Selbständigkeit ist überhaupt vorhanden? Darüber hat es in unserer Gesellschaft eine große Auseinandersetzung gegeben. In der Großen Anfrage kommt das Problem jedoch nicht einmal vor. Das finde ich etwas blind.
Ein zweites Problem ist es, wieviel Geld man damit verdienen und wie selbständig man handeln kann. Im Bereich der Selbständigen findet man mittlerweile sehr prekäre Beschäftigungen, von denen man nicht mehr normal existieren kann. Dementsprechend gibt es auch eine soziale Problematik, die zumindest berücksichtigt werden muß. Existenzgründungen können nicht nur gefeiert werden und ein Grund zur Freude sein, sondern es gibt viele Händler in der Stadt, die von ihrem Laden fast nicht mehr existieren können. Ich glaube, die Wirtschaftsbehörde hat sich damit noch nicht ausreichend beschäftigt. Wenn die Regierungsparteien die Bewältigung des Problems nicht schaffen und versagt haben, wird es eine wichtige Aufgabe der Bürgerschaft sein, dieser Frage nachzugehen und die Aufgabe zu untersuchen, um sie für eine weitere Große Anfrage zu nutzen. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es wurde hier darüber gesprochen, daß es in Hamburg eine überaus erfolgreiche Bilanz der Existenzgründungen gibt. Mein Vorgänger, Herr Rittershaus, ist dafür sogar von der Opposition gelobt worden, wie ich finde, zu Recht. Ich habe im vorigen Senat gern mit ihm zusammen gewirkt und sehe meine Aufgabe durchaus darin, in solchen Zusammenhängen an das anzuknüpfen, was in früheren Jahren gemacht worden ist, um herauszufinden, was man zusätzlich noch tun kann.
Man kann zusätzlich etwas machen, was vor wenigen Jahren noch nicht möglich war, nämlich einen verbesserten Zugang zum Kapitalmarkt für Existenzgründerinnen und Existenzgründer zu ermöglichen. Das Problem, das im Zusammenhang mit Existenzgründungen auch hier vielfach angesprochen wurde, ist, daß es für Banken oft nicht lohnend ist, sich zu engagieren. Unter dem Aspekt, daß wir wichtige Wachstumsbereiche haben, gerät es nun in ein völlig neues Licht, in denen die Banken heute hinsichtlich
der Versorgung mit Kapital erhebliche Konkurrenz haben, sei es im Wege von Fonds und institutionellen Anlegern, von Privatanlegern oder durch Börsengänge. Wenn man über Existenzgründungen spricht, ist es am Ende nicht allein relevant, welche Zahlen wir in der Statistik wiederfinden, sondern wichtig ist, ob wirklich ein Humus neuer Unternehmen entsteht, die auf längere Zeit lebens- und entwicklungsfähig sind und in nennenswerter Zahl Beschäftigung generieren. Wer sich die Hamburger Landschaft unvoreingenommen anguckt, wird feststellen, daß wir heute solche Wachstumsbereiche haben, in denen dies im beachtlichen Maße geschieht.
Erstens: Statistiken. Bis in die von mir geführte Behörde hinein gibt es bei solchen konkreten Debatten immer den Hinweis darauf, daß man eigentlich bessere Statistiken haben müßte. Die Kehrseite ist aber, daß ich kaum ein Gespräch mit kleinen und mittelständischen Unternehmen führe, in dem nicht darüber geklagt wird, daß es zu viele Statistiken gibt und daß man es leid ist, noch eine Statistik auszufüllen. Insofern werden wir uns wohl damit abfinden müssen, daß wir nicht über alles Erkenntnisse haben. Ob wir wirklich gut daran tun, Männer und Frauen danach zu fragen, ob sie verheiratet sind und wie viele Kinder sie haben und so weiter, scheint mir auch in seinem Nutzen eher zweifelhaft zu sein.
(Dr. Ulrich Karpen CDU: Wenn Sie ihnen die Kosten ersetzen, werden Sie leichter Statistiken bekom- men!)
Die zweite Bemerkung betrifft die Gewerbehöfe. Dort gibt es offenbar Mißverständnisse, Herr Müller. Gefragt wurde nach den Gewerbehöfen, die in der Stadt entstanden sind, und geantwortet wurde mit dem Hinweis darauf, daß das umfassend nicht möglich sei, beispielsweise nicht bezogen auf privat errichtete Gewerbehöfe. Daher sind die Gewerbehöfe aufgeführt, an denen sich die Wirtschaftsbehörde mit Fördermitteln beteiligt hat. Es ist nicht so, daß wir den Zusammenhang zur Stadtteilentwicklung neu erfinden müßten.
Wenn Sie sich die Statistik angucken – das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, weil ich daran zum Teil persönlich beteiligt war, sei es der Vehringhof, der Gewerbehof auf der Zirkuswiese in Bergedorf oder der Gewerbehof in der Krausestraße im Dulsberg –, sind das alles Gewerbehofprojekte, die im Rahmen und Zusammenhang mit stadtteilentwicklungspolitischen Programmen entstanden sind. Das heißt, der Zusammenhang von lokaler Gewerbeförderung und der Entwicklung von Gewerbehöfen ist den Behörden und dem Senat durchaus bewußt.
Eine dritte Bemerkung. Einige von Ihnen mögen der Presse entnommen haben, daß wir bei der Hamburger Gründerinitiative H.E.I. in der Partnerschaft der Haspa hin zur Vereins- und Westbank eine Staffelholzübergabe hatten. Das ist nicht nur insofern bemerkenswert, als die Vereins- und Westbank die Verantwortung weiter trägt, die die Haspa – wie ich finde, in vorbildlicher Weise – drei Jahre lang mitgetragen hat, sondern auch deswegen, weil die Vereinsund Westbank dies damit verbunden hat, ein eigenes unternehmerisches Konzept unter der Überschrift „Konzept“ zu entwickeln. Es soll einerseits genau diese Schwellenängste bei Existenzgründerinnen und Existenzgründern gegenüber Banken abbauen und enthält umgekehrt eine aktive Anstrengung der Bank, auf Existenzgründerinnen
und Existenzgründer zuzugehen. Das drückt sich unter anderem darin aus, daß das Team, das dafür eingerichtet worden ist, nicht in einem der Frontoffices mit besonders breitem marmornen Eingang in der Innenstadt tätig ist – denn das könnte den einen oder anderen davon abhalten, dort einzutreten –, sondern in einem eigens dafür eingerichteten, wenn man so will, eher bescheidenen Gebäude in Wandsbek, in der Wandsbeker Zollstraße. Hier stellt die Bank ein Team zusammen, um mit sehr jungen Leuten Beratungsleistungen tätigen zu können.
Der entscheidende Punkt für die nächsten Jahre wird sein, daß wir uns mit zwei Kernfragen befassen. Die eine Frage lautet, ob es mit größerem Erfolg als in den letzten Jahren und angesichts einer gewachsenen Notwendigkeit im Rahmen der Beratungen gelingt, das Nachfolgeproblem mit Existenzgründerinitiativen zu lösen.
Bei einer Vielzahl von Kleinbetrieben haben wir es in den nächsten Jahren insbesondere im Handwerk mit ungelösten Folgeproblemen zu tun. Das heißt, wir müssen nicht nur über Beratung, sondern auch gemeinsam über eine generelle Atmosphäre dazu beitragen, daß man junge Leute dafür gewinnt, diese Betriebe zu übernehmen. Das wird man übrigens nicht dadurch erreichen, Frau Ahrons, daß man allzulaut jammert, wie schwer es das Handwerk hat. Wenn die jungen Leute das tagein, tagaus hören, wird der Appetit, sich selbst vielleicht in eine solche Aufgabe hineinzubegeben, begrenzt sein.
Die zweite fundamentale Aufgabe, die ich für die nächsten Jahre sehe, ist, die jungen Leute in den Schulen und Hochschulen, auch im Bereich der dualen Ausbildung, für die Neugründung von Unternehmen zu gewinnen und ihre Laufbahn- und Zukunftsorientierung nicht allein auf die großen Unternehmen zu richten. Das sage ich, weil ich einerseits feststelle, daß es dafür durchaus Ansätze gibt. Wir haben heute in Hamburg eine Gründergeneration, wie wir sie lange nicht mehr gehabt haben; das habe ich von dieser Stelle schon einmal gesagt.
Ich sage es aber auch, weil ich glaube, daß man berücksichtigen muß, daß für Neu- und Existenzgründungen eine spezielle Mentalität gebraucht wird. Die Menschen, die man in den kleinen Unternehmen für Neugründungen braucht, sind andere. Sie haben ein anderes Anforderungsprofil als die Menschen, die von großen Unternehmen gesucht werden.
Bereits in den Schulen – es gibt auch Kooperationsprojekte mit der Schulbehörde, um genau das zu leisten –, sollte man durchgängig über die duale Ausbildung bis hin zu den Universitäten Freude darauf entstehen lassen, Existenzgründungen zu wagen, selbständig und auch freiberuflich zu arbeiten und die Zukunft außerhalb der ganz großen Apparate zu suchen. Wenn wir diese beiden Dinge in den nächsten Jahren zusätzlich zu dem bewältigen, was geschieht, tun wir etwas, das sich nicht allein in Zahlen und Statistiken niederschlägt, sondern etwas, das für die Breite und die Kraft der Hamburger Wirtschaftsstruktur insgesamt außerordentlich positiv ist. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es sehr erfreulich, daß die Kolleginnen und Kollegen von der GAL in ihrer Einlei
tung zu der hier zu behandelnden Anfrage anerkennen, daß Hamburg die Wirtschafts-, Wissenschafts-, Technologie-, Bildungs- und Kulturmetropole des Nordens sein soll. Weniger erfreulich ist es, daß Sie anscheinend fest entschlossen sind, das bald zu ändern, wenn ich mir Ihre Pläne zum autofreien Tag in Hamburg ansehe.
Wenn ich als Unternehmer plane, einen Handwerksbetrieb oder ein Geschäft zu eröffnen, dann steht am Anfang eine Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die ich an meinem zukünftigen Standort vorfinden werde. Dazu gehören Steuern und Abgabenlast, Kundenstruktur, Verkehrsanbindung, Gewerbeflächenangebot und Produktionskosten, kurz: eine umfassende Kosten- und Absatzanalyse. Erst wenn die Entscheidung zu einer Gründung steht, werden sinnvollerweise Fragen nach möglichen Unterstützungen durch die öffentliche Hand gestellt. Deshalb ist mir die Fragestellung Ihrer Großen Anfrage zu eng.
Wenn wir wirklich wissen wollen, warum Unternehmen gegründet werden und was wir von seiten der Politik tun können, damit neue Unternehmen erfolgreich am Markt bestehen können, müssen wir nicht in den Kategorien von Förderprogrammen denken, sondern nach wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fragen, für die wir als Politiker verantwortlich sind.
Genau das tun Sie in Ihrer Anfrage nicht. Sie fragen nach ehrenwerten, aber nicht wirklich relevanten Dingen. Bevor wir nach der Vereinbarkeit von Existenzgründung und Familie fragen, sollten wir uns darum kümmern, daß es unter unserer politischen Verantwortung überhaupt zur langfristig erfolgreichen Gründung kommt. Ich honoriere Ihr Ansinnen, aber ich möchte die Frage nach Unternehmerkultur und Existenzgründung nicht zuerst als Frage der Migrationsoder Frauenpolitik behandelt wissen, sondern als das, was es ist: eine Frage der Wirtschaftspolitik.
Sie selbst haben sich in Ihrer Koalitionsvereinbarung die Förderung des lokalen Gewerbes auf die Fahnen geschrieben. Während Großprojekte mit viel Geld und großem Medienaufwand vorangetrieben werden, bleiben die kleinen und mittleren Unternehmen in den Quartieren auf der Strecke. Herr Müller hat die quartiersbezogene Hilfe gerade eingefordert.
Die Handwerkskammer hat dazu viele praktikable Vorschläge gemacht, die Sie bis heute nicht aufgenommen haben. Warum gibt es in den Bezirken immer noch kein wirksames Management der Gewerbeflächen? Warum werden in den Bebauungsplänen nicht 15 Prozent der Flächen für Gewerbe vorgehalten, damit in jedem Quartier kundennahe Betriebsflächen zur Verfügung stehen?
Ein weiteres grundsätzliches Problem gerät uns so häufig aus dem Blickwinkel, das gerade uns im Handwerk betrifft. Wir alle schätzen Existenzgründer, weil sie fast immer zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Deshalb ist die Förderung solcher Gründungen auch wichtig. Doch mir gerät dabei zu häufig aus dem Blick, daß viele bestehende Betriebe, die
stabil im Markt verankert und seit Jahrzehnten erfolgreich sind, beim Ausscheiden des Inhabers schließen, weil die Hürden für eine Übergabe zu hoch sind oder die Modernisierung und Erweiterung des Betriebes angesichts dicker Aktenordner voller Vorschriften und Genehmigungsanträge wenig Sinn zu machen scheinen.
Auf der einen Seite stecken wir viel Geld in die Förderung von Existenzgründungen, auf der anderen Seite lassen wir es zu, daß ein Inhaber lieber sein Geschäft schließt, weil sich der Genehmigungsaufwand für eine notwendige Erweiterung des Betriebes nicht zu lohnen scheint. Herr Senator, Sie haben das Problem benannt. Setzen wir uns zusammen, um Verbesserungen zu schaffen. Ihre Anfrage bringt es ans Licht. Zu viele Unternehmen überleben die ersten Jahre nicht, weil ihnen zwar die Gründung erleichtert wurde, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dann aber ein ertragreiches Wirken nicht zulassen.
Noch etwas steht in der Anfrage. Häufig führt nur eine einzige Fehlentscheidung Neugründungen in den Ruin, weil sie weitere Fehlentscheidungen nach sich zieht. Genau das passiert einem Handwerker nur selten. Durch die umfassende, eben auch betriebswirtschaftliche Meisterausbildung, durch die langjährige Arbeit in einem ähnlichen Betrieb, sind unsere jungen Meister besser auf die Selbständigkeit vorbereitet als viele andere, die ohne umfassende Kompetenz einen Betrieb eröffnen und dann bald vor den Scherben ihrer Existenz stehen.