Protocol of the Session on September 5, 2001

Wer meldet sich zu Wort? – Der Abgeordnete Zamory.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das UKE steht heute vor einem entscheidenden Schritt seiner Verselbständigung vom staatlichen Regiebetrieb zur Selbstverantwortung. Das ist ein dringend notwendiger Schritt, um das UKE vorzubereiten auf die ökonomischen Herausforderungen der nächsten Jahre, auf die diagnosebezogenen Abrechnungsgruppen und um letztlich beim Wettbewerb in der Krankenversorgung mit anderen Hamburger und norddeutschen Krankenhäusern wirklich konkurrenzfähig zu sein und zu bleiben. Wir haben das UKE über die Jahre im Wissenschaftsausschuß mehr als kritisch begleiten müssen, und mir ist klar, daß mit diesem Gesetz allenfalls wichtige Voraussetzungen und Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, daß wir uns hoffentlich in Zukunft weniger mit dem UKE werden beschäftigen müssen. Es hängt vom UKE ab, von den dort arbeitenden Wissenschaftlern, aber letztlich von allen Mitarbeitern, ob das UKE die Chancen, die dieses Gesetz bietet, nutzt, um seinem eigenen Anspruch, in Zukunft im ersten Drittel aller medizinischen Fakultäten der Republik qualitätsmäßig vertreten zu sein, wirklich gerecht zu werden.

Dieses Gesetz – ich fasse noch einmal die wichtigsten Punkte zusammen – sorgt dafür, daß der Anregung des Wissenschaftsrats gefolgt wird, Forschung und Lehre in der Universität verbleiben zu lassen und die Krankenversorgung davon zu trennen, was auch dazu führt, daß Dekan und Ärztlicher Direktor nicht mehr ein und dieselbe Person sein werden; ein sehr wichtiger Punkt.

Außerdem ermöglicht das neue Gesetz die Zentrenbildung innerhalb des UKE mit der Möglichkeit, kollegiale Leitungen zu installieren und damit auch etwas zur Enthierarchisierung beizutragen; es ist eine Chance. Ein Abteilungsleiter einer medizinischen Abteilung muß nicht unbedingt gleichzeitig C4-Professor, das heißt Lehrstuhlinhaber, sein. Auch das ist ein Schritt in Richtung Arbeitsteilung und kollegialer Leitung.

Ein weiterer Punkt, der hier immer strittig diskutiert wurde, ist die Zusammenführung der Personalräte in einen Personalrat. Ich weiß, daß das ein Punkt gewesen ist, der besonders hart und widersprüchlich innerhalb des UKE, aber natürlich auch bei uns im Ausschuß und im Parlament diskutiert wurde. Die Beibehaltung eines nichtwissenschaftlichen und eines wissenschaftlichen Personalrats damit zu begründen, daß es den wissenschaftlichen Mitarbeitern zeitlich nicht zumutbar sei, sich um die Belange der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter zu kümmern, halte ich für nicht akzeptabel.

(Dietrich Wersich CDU: Malen Sie doch keine Ge- spenster an die Wand! – Susanne Uhl REGENBO- GEN – für eine neue Linke: Wer sagt das denn?)

Wenn es den wissenschaftlichen Mitarbeitern nicht einmal gelingt, die basisdemokratischen und gewerkschaftlichen Rechte gegenüber ihren Vorgesetzten durchzusetzen, stellt sich für mich die Frage, wie sie überhaupt Mitarbeiterinteressen vertreten wollen.

Eine weitere Nebelkerze geistert im Moment durch die Stadt, die Frage des Widerspruchsrechts.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Im Moment nicht.

Wenn die Besitzstandswahrung für die momentanen Arbeits- und Entgeltbedingungen abgesichert ist, und das ist sie, dann ist ein Widerspruchsrecht in der Form nicht nötig. Es wird dann nötig, wenn vollständig privatisiert wird. Im LBK, das möchte ich einmal als Vergleichsbeispiel nennen, sind 22 Gesellschaften ausgegliedert worden, ohne daß es irgendein Problem mit dem Personalrat gegeben hat. Man hat sich geeinigt und das tarifrechtlich entsprechend verhandelt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die finanzielle Absicherung des UKE durch die Übereignung der Grundstücke. Ein Punkt, der auch in der Debatte in der letzten Zeit wichtig geworden ist, ist, daß alle Beschäftigten des UKE demnächst der personalärztlichen Untersuchung des UKE unterstehen. Da gibt es nicht mehr den Unterschied zwischen beamteten Ärzten oder Gastärzten oder nichtbeamteten Mitarbeitern.

Das Gesetz leistet die Rahmenbedingungen für die Umsetzung des General- und Masterplans des UKE. Und gerade weil wir uns über acht Jahre im Wissenschaftsausschuß von allen Universitätsteilen am meisten mit dem UKE aus den leidlich bekannten Gründen beschäftigt haben, ist es um so wichtiger, deutlich zu machen, worauf es jetzt in der Umsetzung dieses Gesetzes im UKE selber ankommt. Da ist es wenig hilfreich, wenn Herr von Beust in seinem Zehn-Punkte-Programm darauf rekurriert, daß ein Hauptgrund für die Novellierung des Gesetzes nach einer beabsichtigten Übernahme des Senats sein soll, ärztlichen Sachverstand im Kuratorium einzuführen. Herr von Beust ist leider nicht hier, aber ich sage es auch noch einmal an die Adresse der CDU gerichtet:

(Dr. Roland Salchow CDU: Es gibt noch mehr Leute in der CDU!)

Ein paar mehr. – Ärztlichen Sachverstand gibt es im UKE genug, und jeder Wissenschaftssenator oder jede -senatorin der Zukunft kann in das Kuratorium selbstverständlich auch Ärzte berufen. Aber was das UKE im Moment braucht, ist psychologische und kommunikationswissenschaftliche Beratung und Sachkompetenz, denn in der letzten Wissenschaftsausschußsitzung hat der Kaufmännische Direktor deutlich gemacht, daß dort die schlimmsten Defizite des UKE liegen. Die Hierarchien, die einzelnen Berufsgruppen reden kaum miteinander, und wenn es dem UKE nicht gelingt, das grundlegend auf allen Ebenen zu verändern, werden sie ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreichen. Eine neue Unternehmenskultur ist notwendig, und deshalb ist es wichtig, in den jetzt folgenden Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen Senat und UKE Patientenschutz und Qualitätssicherung zu einem der zentralen Punkte zu machen. Patientenschutz, Patienteninteressen müssen im UKE weiter umgesetzt und durchgesetzt

(Vizepräsident Berndt Röder)

werden. Dazu ist dieses Gesetz weder der richtige Ort noch das richtige Mittel. Aber es wird Maßnahmen geben – die Senatorin wird dazu nachher noch etwas sagen –, um dies von Anfang an wirklich durchzusetzen. Bei der Berufung des Ärztlichen Direktors der Zukunft und auch bei der Berufung der Abteilungsleiter muß die Fähigkeit zu einer kollegialen Personalführung und der Wille zu einem umfassenden Qualitätsmanagement mindestens ein genauso wichtiges Kriterium sein wie die wissenschaftliche Qualifikation.

Wenn das im UKE zunehmend Wirklichkeit wird, wenn sich ein Generationswechsel vollzieht, dann habe ich Hoffnung, daß das UKE den selbstgesteckten Zielen in Zukunft gerecht werden wird.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Professor Dr. Salchow.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das UKE-Gesetz, das wir heute zusammen mit dem UKE-Operationsskandal diskutieren, hat eine Reihe von Problemen.

Erstens: Externer Sachverstand wird nicht systematisch einbezogen.

(Peter Zamory GAL: Woher wissen Sie das?)

Externe Leute sind aber nötig, um ein Schmoren und Verbleiben im eigenen Saft zu vermeiden. Und auch jetzt nach dem OP-Skandal versuchen Behörde und die anderen Externen, der Wahrheit näherzukommen.

(Vizepräsidentin Sonja Deuter übernimmt den Vor- sitz.)

Zweitens: Die finanzielle Ausstattung ist unscharf begründet. Die Zahlen scheinen gegriffen zu sein. Mögliche Folgen aus dem OP-Skandal sind nicht einbezogen und können nicht ausgeschlossen werden. Mir hat der Vater des Lars dieser Tage gesagt, daß das UKE seit Monaten überhaupt nicht mehr auf Schreiben antwortet, die er in Sachen Schadensersatzforderungen an das UKE richtet. Wir wissen nicht, welche Haftpflichtversicherung eintreten soll. Erst auf meine Anfrage hat sich die Behörde für Wissenschaft und Forschung wenigstens einmal das Kleingedruckte der Haftpflichtversicherung angeschaut, ob Ausschlußgründe vorhanden sind.

Drittens: Eine Mitwirkung von UKE-Mitarbeitern bei der Auswahl des Kuratoriums ist in diesem Gesetz nicht ausreichend geregelt. Immerhin ist das Kuratorium das Lenkungsinstrument, das dieses UKE beherrschen wird. Da kann man die UKE-Mitarbeiter nicht draußen lassen oder unterbewerten. Wenn jetzt gesagt wird, der Staat soll eine starke Rolle haben, dann fragt es sich, wie es denn bisher war. Sie wissen auch, wie die Rollen festgelegt wurden, Herr de Lorent.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Demokratisch!)

Da ist automatisch die stärkste Gewerkschaft drin und so weiter. An uns wurde kritisiert, wir würden die Rolle des Staates herunterdrehen. Aber: Bisher war das UKE vollkommen in der Aufsicht des Staates, in der Direktive des Staates, und das hat diese Skandale nicht verhindert. Darum ist es kein Allheilmittel, den Staat Zugriff auf das Kuratorium haben zu lassen, und darum finden wir es nicht richtig.

(Beifall bei der CDU)

Dann wollen Sie mit diesem Gesetz den wissenschaftlichen Personalrat abschaffen. Der wissenschaftliche Personalrat hat jetzt 13 Mitglieder. Wenn Sie die Personalräte zusammenfassen, dann haben Sie statistisch vielleicht zwei, drei Assistenz- und Fachärzte aus dem Mittelbereich im Personalrat. Die Ärzte haben uns aber eindrucksvoll mitgeteilt, daß sie dann beim vollen Sitzungsprogramm des großen Personalrats dabei sein müßten. Das kann ein Arzt, der sich ja wissenschaftlich betätigt und nur nebenher im Personalrat ist, nicht leisten. Darum ist zu erwarten, daß kaum einer dieser Ärzte in dem neuen Personalrat sein kann, und dies hat tragische Folgen.

Wenn Sie beim OP-Skandal nachforschen, warum denn niemand von den Fach- und Assistenzärzten gegen das aufgemuckt hat, was C4-Professoren gedeckt haben, wird deutlich, daß dahinter die Abhängigkeit der mittleren Ärzte von den Top-Ärzten steht.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Da gab es doch ei- nen wissenschaftlichen Personalrat! – Dr. Martin Schmidt GAL: Da gab es einen Personalrat!)

Ja, der wissenschaftliche Personalrat war das einzige Medium, das dabei die Interessen der Assistenz- und Fachärzte gegen die C4-Professoren noch hat wahrnehmen können, nicht vollständig, aber doch zum Teil.

Dieses einzige Instrument schaffen Sie nun auch noch ab. Der Fehler wird sich rächen, weil Sie die Abhängigkeit der mittleren Ärzte noch erhöhen, statt strukturell zu verringern.

(Beifall bei der CDU)

Zum OP-Skandal. Wir haben in langen Sitzungen den OP-Skandal ausführlich behandelt. Es ist nicht die Zeit, das hier auszubreiten. Auffällig ist, daß wir auch bis heute, zwei Jahre und zehn Monate nachdem die Senatorin und die Staatsanwaltschaft durch anonyme Schreiben informiert worden sind, diverse Fragen nicht beantwortet bekommen haben.

Wir wissen nicht, warum auf der Ebene der C4-Professoren der operativen Tätigkeit des Professors D. nicht Einhalt geboten wurde. Wir wissen nicht, warum und ob gewisse Assistenzärzte die Aktivität des Herrn D. gestützt und kaschiert haben. Wir wissen nicht, welche Versicherung zahlen wird, obwohl die Rechtsabteilung des UKE seit zwei Jahren darüber nachgedacht hat. Die BWF hat erst jetzt ein bißchen näher geguckt, der Vater von Lars wird über Jahre vertröstet; das ist alles ungeklärt. Wir wissen nicht, woher und aus welcher Perspektive die anonymen Schreiben aus dem UKE kommen. Ich habe gehört, daß bis zum heutigen Tag der Vater von Lars anonyme Schreiben und Faxe aus dem UKE bekommt, die ihm helfen wollen; das ist unglaublich. Wir wissen nicht, warum der Ärztliche Direktor nicht kritischer mit seinen Kollegen umgegangen ist. Wir wissen nicht, wie es zur Wiederaufnahme der Tätigkeit von Professor D. gekommen ist, wer davon Kenntnis gehabt hat. Wir wissen nicht, ob Direktorium oder Behörde für Wissenschaft und Forschung Aufsichts- und Informationspflichten verletzt haben.

Das alles steht in einem Katalog, den man nunmehr einer Kommission übergeben hat. In einem solchen Moment, heute über das UKE-Gesetz beschließen zu müssen, ist nicht richtig. Es sind so viele Fragen offen. Und warum sind sie offen? Weil, Frau Senatorin, die Kommission genau diese Fragen, die ich eben zitiert habe, untersuchen soll.

(Peter Zamory GAL)

Erst jetzt, nachdem alles öffentlich geworden ist, weil die Presse es veröffentlicht hat, haben Sie diese Kommission mit zehn Monaten Verspätung eingesetzt. Eine zweite Kommission für die medizinische Seite startet erst Mitte September.

Meine Damen und Herren, diese Verspätung der Untersuchungen geht ausschließlich zu Lasten der BWF und der Senatorin, und damit ist auch die Aufklärung um zehn Monate nach hinten gerückt.

Hinweise auf die Staatsanwaltschaft ziehen auch nicht. Wir haben festgestellt, daß die Staatsanwaltschaft faktisch kaum daran arbeitet. Sie nimmt mit großem Aufwand Akten in Beschlag, aber ich vermute beinahe, daß die Akten sehr spät weiter durchgeschaut werden. Ich sage das negativ, weil es, wie wir im Ausschuß gehört haben, keine Hoffnung darauf gibt, daß vor Monaten überhaupt etwas Ernsthaftes dabei herauskommt.

(Peter Zamory GAL: Die Staatsanwaltschaft hat festgestellt, daß Akten gefälscht wurden!)

Es wurde gerade mal ein einziges Gutachten vergeben. Der Oberstaatsanwalt hat gesagt, der behandelnde Staatsanwalt habe schließlich noch andere Dinge zu tun. Auf diese Staatsanwaltschaft hat sich die Behörde für Wissenschaft und Forschung verlassen. Bezeichnend war auch die Antwort des Oberstaatsanwalts auf meine Frage, ob denn die Behörde für Wissenschaft und Forschung, die gesagt hatte, daß die Staatsanwaltschaft alles richten werde, überhaupt einmal nachgefragt hat. Die Antwort des Staatsanwalts lautete: Nein, das hat sie nicht. Erst nachdem es die Presseveröffentlichungen gegeben hat, hat die Behörde für Wissenschaft und Forschung überhaupt bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt, wie denn der Gang der Dinge sei.

(Peter Zamory GAL: Das ist nicht wahr!)

Daran sehen Sie, daß

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Stimmt nicht!)