Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Sager, es ist nicht ganz einfach, auf Ihre Rede zu reagieren, angesichts dieses gesundheitlich angeschlagenen Zustands, den Sie auf mich machen.
Es ist keine falsche Rücksichtnahme, es ist schwierig; ich sage das ganz ehrlich. Trotzdem kann ich aber einige unbequeme Wahrheiten nicht unter den Tisch fallen lassen.
Auf welchem Boden gedeiht eigentlich das, was im UKE jetzt passiert ist? Ich glaube, es gedeiht auf einem Boden falsch verstandener Hierarchien, Duckmäusertum, mangelnder Aufsicht und letztlich auch Angst und Arroganz.
Fachlich gab es eine erste Klärung – das ist die Lösung mit Herrn Leichtweiß –, aber wir kommen um die politische Verantwortung nicht herum, Frau Sager, und die haben Sie in diesem Fall getragen.
In dem anonymen Brief wurden schwerste Vorwürfe erhoben. Sie haben die Sache meines Erachtens nach in neun Monaten standardmäßig, behördenmäßig und routinemäßig abgewickelt.
Das ist kein Quatsch. Ich weise nur darauf hin, daß die Senatorin durch das hätte gewarnt sein müssen, was ihrem Amtsvorgänger, Herrn Hajen, passiert ist. Da ist genau das gleiche geschehen, indem die Wahrheit kleckerweise an die Öffentlichkeit gekommen ist. Angesichts der dramatischen Vorwürfe, die in diesem Brief erhoben wurden, hätte sie diese Sache zur Chefsache machen müssen. Das hat sie nicht getan.
Ihnen ging es nur um eines: Sie wollten die Probleme deckeln, bis Sie das Gesetz hier in der Bürgerschaft unter Dach und Fach haben;
(Beifall bei der CDU und REGENBOGEN – für eine neue Linke – Antje Möller GAL: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!)
Frau Sager, es gibt das schöne Sprichwort: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Ich denke, es war kein normaler Fall, der dort abgelaufen ist. Die Senatorin hätte informiert werden müssen, wenn ein C4-Professor so schwer erkrankt ist und trotzdem an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt; das war nicht normal. Da haben Sie sich nicht genügend gekümmert.
Was ist denn aus den einstigen „Oberaufklärern“, den Grünen, geworden, nach Bernbeck, nach Hübener, nach Frischbier? Die GAL hat immer am lautesten gerufen. Ihr Schwerpunkt war die Qualitätskontrolle, die Dokumentationspflicht. Im UKE ist in dieser Frage aber seit dem Amtsantritt von Frau Sager so gut wie überhaupt nichts passiert. Sie haben bisher einfach nicht gehandelt.
Ich glaube, Sie haben das Gewissen, das ich eben angesprochen habe, an der Garderobe zum Senatsgehege abgegeben. Seitdem interessiert Sie Ihr Geschwätz von gestern nicht mehr.
Diese Sache ist ein Lehrstück zur Frage, wie verrate ich meine eigenen Interessen und schiebe die Schuld am besten anderen in die Schuhe. Das werden wir so nicht mitmachen.
Daher brauchen wir im Wissenschaftsausschuß eine sehr gewissenhafte Aufklärung. Sie haben in den letzten 15 Jahren mit dem PUA „Bernbeck“ – mit Herrn Herrmann ging es los –, die Ärzte und das Establishment an den Pranger gestellt. Uns haben Sie damals als Ärztepartei ausgewiesen und Herrn Dr. Kampf unterstellt, er würde dem Krähenprinzip nacheifern. Aber die Zeiten haben sich geändert, Frau Sager.
Im Jahr 2001 steht eine grüne Senatorin am Pranger und ist für diesen Skandal verantwortlich, weil sie politisch dafür zuständig ist.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Beuß und auch Herr Salchow, ich finde es schade, daß dieses Thema, das sehr wichtig ist und uns in den letzten acht Jahren intensiv beschäftigt hat, im Wahlkampf landet und so wenig argumentativ hinterlegt wird. Vor allen Dingen finde ich in dieser Argumentation am schwierigsten, daß das, was mit dem UKE-Gesetz verbunden wird, in diesem Haus – wenn ich es recht erinnere – von allen Parteien, vielleicht in Varianten, gewollt worden
ist. An dieser Stelle wird es nun in Frage gestellt und unterstellt, daß diese Vorfälle deshalb unter dem Deckel gehalten worden seien, um das UKE-Gesetz nicht zu behindern. Das ist doch wirklich blanker Unsinn, wenn man sich die Diskussionen der letzten drei bis sechs Jahre ansieht.
Ich habe mir in den letzten Tagen und Abenden die Mühe gemacht, einmal alles aus der letzten und aus dieser Legislaturperiode hervorzuholen.
(Antje Blumenthal CDU: Da waren Sie doch im Se- nat! – Gegenruf von Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Deshalb kann man sich doch trotzdem die Mühe machen!)
Deshalb habe ich es mir hervorgeholt. Beispielsweise war es hoch interessant, die Debatten im Plenum – zu Zeiten von Professor Hajen – nachzulesen, zum Strahlenskandal, zum Thema Therapiesimulator und was hier wie diskutiert worden ist.
Wenn Sie es auch einmal gemacht hätten, hätten Sie gesehen, daß es in dieser Stadt und in dieser Republik kein Klinikum gibt, das in derartiger Weise durchleuchtet worden ist, sowohl von den Medien als auch von der Justiz, von der Staatsanwaltschaft, parlamentarisch und auch von der Exekutive. Wie ist Professor Hajen getrieben worden, und was ist alles in der damaligen wie auch in der jetzigen Legislaturperiode erfolgt. Wenn Sie sich ansehen, was es alles gab, an Dienstanweisungen, Instrumenten und externen Kontrollen, und was sind da für Gutachten gelaufen.
Wir haben uns in dieser Legislaturperiode als Wissenschaftsausschuß, ich glaube, viermal mit dem Thema Qualitätssicherung beschäftigt.
Ich habe mir von Herrn Dr. Paaschen in der letzten Wissenschaftsausschußsitzung noch den Qualitätsbericht 2000 geben lassen; er ist sehr interessant. Darin steht als Qualitätskontrolle für diese Abteilung: Regelmäßige Komplikationskonferenzen.
All dieses, der öffentliche, der juristische und der parlamentarische Druck wie auch die Exekutive, alles, was im UKE selbst gelaufen ist, was wir begleitet und wo wir immer wieder Druck gemacht haben, hat nichts genutzt. Deswegen stimme ich Ihnen an der Stelle zu, daß es einen auf der einen Seite hilflos macht und auf der anderen Seite ziemlich empört.
Die Frage ist aber, was in diesem Klinikum los ist? 26 Monate nachdem der entsprechende Professor das erste Mal wieder operiert hat, kommt dieser anonyme Brief. Das muß man sich einmal vorstellen; über zwei Jahre hat es gedauert, bis jemand die Sache offengelegt hat.
Wir haben in diesem Klinikum aber doch für eine andere Unternehmenskultur gekämpft, damit es so etwas wie Offenheit und Transparenz gibt. Wir haben versucht, die Ärzte und das Pflegepersonal zu stärken, und trotzdem hat es nicht funktioniert.