Protocol of the Session on July 11, 2001

möchte ich trotzdem – zumindest einleitend – für den REGENBOGEN bemerken, daß wir Privatschulen genauso wie auch Privathochschulen nicht für notwendig erachten, weil wir eigentlich davon ausgehen, daß staatliche Bildungssysteme, so auch das deutsche und das hamburgische, in der Lage sein müßten, verschiedene pädagogische Ansätze und so weiter abzudecken.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das ist natürlich ein Wunschdenken, denn die Realität sieht anders aus. Es existieren Schulen in freier Trägerschaft. Sie sind Teil der Vielfalt des Bildungssystems und als solche gewünscht. Sie sind es auch, die sich vielfach durch innovative Konzepte auszeichnen, die im staatlichen System weitaus länger brauchen, um sich durchzusetzen, oder auch an systembedingten Hürden scheitern, die also pädagogische Unterrichtskonzepte ausprobieren und durchaus Anregungen für das staatliche Schulsystem darstellen, und der Staat fördert sie auch finanziell.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Opportunistisch!)

Vor diesem Hintergrund ist unsere Position zu dem SPD/GAL-Antrag auch eindeutig, denn, wenn der Staat – wie es der Fall ist – sich verpflichtet, Schulen in freier Trägerschaft finanziell zu unterstützen, dann muß er sich natürlich auch an die Gesetze halten und diese Schulen angemessen finanzieren.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Insofern ist es natürlich ein Unding, daß Hamburg den Schulen in freier Trägerschaft erst jetzt den Baukostenzuschuß gewährt, es ist aber ein noch größeres Unding, daß Rotgrün damit quasi ein Nullsummenspiel betreibt – und das ist und bleibt es, Frau Goetsch – und die neuerlichen Ausgaben für die Baukosten mit einer Kürzung bei den Lehrergehältern kompensiert.

Wir werden den Antrag ablehnen,

(Thomas Böwer SPD: Oh!)

und wir lehnen auch den darin enthaltenen Kompromißvorschlag ab. Dazu möchte ich noch ein paar Sätze sagen.

Eine besondere Förderung, also eine Erhöhung des Schülerkostensatzes um einen Zuschlag auf die Höhe des Satzes, den auch öffentliche Schulen bekommen, für solche private Schulen, die sich für die Integration behinderter Kinder, die Förderung von Kindern nichtdeutscher Muttersprache oder auch um den Ausbau des Ganztagsangebotes einsetzen, halten wir im Gegensatz zur CDU, die darin immer den Spaltpilz sieht und gesehen hat, für einen richtigen Reformansatz. Aber natürlich müßte der Basisbetrag unterhalb dieses Zuschlages stimmen. Das tut er aber nicht, und insofern ist der Kompromiß für uns auch als unredlich oder faul oder lächerlich einzustufen, weil es um eine Anhebung der Regelfinanzierung unterhalb dieses Zuschusses hätte gehen müssen. Das findet sich in diesem Antrag eben leider nicht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Frau Senatorin Pape.

Meine Damen und Herren! Wir führen die Debatte über das neue Gesetz zum Privatschulwesen in Hamburg das erste Mal heute hier in der Bürgerschaft. Das hat seinen Grund darin, daß dieses Gesetz bereits im Juli vorigen Jahres der Bürgerschaft überwiesen worden ist. Ich hatte die Präsidentin gebeten, es sofort in den Schulausschuß zu überweisen, damit das Parlament sich sofort damit befassen kann. Wenn man sieht, wie die Debatte gelaufen ist, erweist sich das im nachhinein eher als kein glücklicher Umstand. Man wäre besser beraten gewesen, schon damals das Gesetz in der Bürgerschaft zu debattieren, aber so haben wir heute eine erste Debatte über das Modernisierungsvorhaben zum hamburgischen Privatschulrecht, womit auch den Neuregelungen des Hamburgischen Schulgesetzes von 1997, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes sowie den Anregungen des Rechnungshofes nach mehr Gerechtigkeit unter den privaten Schulträgern Rechnung getragen werden soll.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und den Versuch nicht ungenutzt lassen, etwas zur Versachlichung dieser Debatte beizutragen, die in den vergangenen Wochen innerhalb und auch außerhalb des Parlamentes mit sehr viel Emotionen geführt worden ist.

Der Rechnungshof hatte bei seiner Prüfung Regelungen im geltenden Privatschulgesetz moniert, die einzelne Träger nach seiner Auffassung unangemessen begünstigt, nämlich – ich darf sie noch einmal nennen – den Berechnungsmodus für die Beobachtungsstufe und für die Klassen 11 und 12 der Rudolf-Steiner-Schule, die Berechnung des Schülerkostensatzes für Integrationsklassen, das so

(Christa Goetsch GAL)

genannte Beamtenprivileg und die Anerkennung von 10 Prozent für sogenannte sonstige Lehrertätigkeiten.

Diese Monita des Rechnungshofes wurden vom Senat umgesetzt, aber – und das wird zur Zeit gerne verschwiegen – sie belaufen sich auf ein Fördervolumen von zusammen 6 Millionen DM und wären eigentlich zu Lasten der betroffenen Schulträger gegangen. Es ist in Zeiten der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte nicht selbstverständlich, es ist kein Selbstgänger, daß der Senat die nicht eingespart hat, sondern den finanziellen Handlungsspielraum benutzt hat, um neue zusätzliche Akzente zum Wohle der Privatschulen zu setzen. Hierzu hat der Senat der Bürgerschaft nach umfänglichen, ausführlichen Erörterungen mit allen Schulträgern, die dem Gesetzentwurf vorausgegangen sind, im vergangenen August diesen Gesetzentwurf zukommen lassen, in dem das Fördervolumen beibehalten wird und den Schulen neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet werden. Die möchte ich gerne an dieser Stelle nennen.

Erstens: Soweit private Schulträger Schüler aus sozial schwachen Familien aufnehmen, von denen kein Schulgeld erwartet werden kann oder auch keine nennenswerte Kirchensteuer zu erwarten ist, beteiligt sich der Staat mit einem Betrag von 1200 DM jährlich. Diese Mittel sind nicht gedeckelt, sondern mit jedem Schüler mehr, der dieser Gruppe zugehört, steigt auch entsprechend die Finanzhilfe für die Schulen.

Zweitens: Wir modernisieren das Hamburger Privatschulgesetz und bringen nicht nur in dem Titel des neuen Gesetzes unsere Anerkennung für die pädagogische Arbeit der Schulen in freier Trägerschaft zum Ausdruck. Hier unterscheiden wir uns allerdings ganz klar von dem, was eben die Abgeordnete des REGENBOGEN geäußert hat. Das ist im übrigen auch nicht konform mit unserer Verfassung. Unsere Verfassung schreibt nämlich vor, daß das Privatschulwesen in unserem Lande gesichert sein muß, und dem fühlen wir uns allerdings verpflichtet. Wir finden es richtig, daß es auch die Möglichkeit für Menschen mit pädagogischen Innovationen gibt, neben dem staatlichen Schulwesen weitere Schulen zu gründen und, wenn sie denn entsprechend Zustimmung finden, diese Schulen zu betreiben.

Drittens: Wir ergänzen die Schülerkostensätze um einen Baukostenzuschlag, so wie es das Gericht gefordert hat, um damit die Finanzhilfen noch gerechter für die unterschiedlichen Schultypen zu machen. Wie bisher – und daran ändert sich nichts – bilden die Schülerkostensätze den Aufwand für das pädagogische Personal an einer entsprechenden hamburgischen Schule zu 100 Prozent ab. Wer also sagt, na ja, in Hamburg sind die Lehrer auch teurer, dem darf man auch sagen, genau das bildet sich aber auch in dem höheren Satz ab.

(Glocke)

Frau Senatorin, darf ich kurz unterbrechen. Es gibt zu viele Nebengespräche hier im Raum. Ich bitte Sie, etwas ruhiger zu sein. Sie haben das Wort, Frau Senatorin.

Viertens: Wir erkennen den Beitrag an, den auch private Schulen in Hamburg für die Erziehung von Kindern nicht deutscher Muttersprache leisten, und werden solche Unterrichtsangebote fördern, so wie es in dem Gesetzentwurf geschildert wird. Übrigens

auch hier: Mit jedem Schüler mehr, auf den das Merkmal zutrifft, kommt auch die entsprechende Unterstützung.

Seit den Vorberatungen des Gesetzes mit den Privatschulverbänden bis zur Einbringung des Senatsentwurfes in die Bürgerschaft hat nie ein Zweifel darüber bestanden, daß dieser Entwurf das Förderniveau nicht grundsätzlich verändern wird und soll, und zwar weder nach oben noch nach unten. Das ist niemals anders hier angekündigt worden. Das ist, meine Damen und Herren, auch keine Selbstverständlichkeit, sondern eine durchaus geldwerte Geste gegenüber den Privatschulen. Dabei heißt Festhalten am Förderniveau selbstverständlich nicht, daß die Finanzhilfen auf einen bestimmten Betrag, etwa die 127 Millionen DM, die dafür zur Zeit gezahlt werden, eingefroren würden, sondern wir haben einen Mechanismus, der sicherstellt, daß die Privatschulen mit jedem neuen Schüler, bei jeder Verbesserung der personellen Ausstattung an staatlichen Schulen, bei jeder Besoldungserhöhung für die Lehrer an staatlichen Schulen und über den neu eingeführten Baukostenaufschlag auch in Zukunft bei jeder Kostensteigerung in der Bauunterhaltung mit einer höheren Finanzhilfe rechnen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Verständnis für Eltern, Lehrer, Schüler, Familienangehörige, wen auch immer, privater wie staatlicher Schulen, die sich für mehr finanzielle Investitionen in die Bildung engagieren. Aber gerade, weil ich auch für die Zukunft die schulpolitischen Handlungsspielräume sichern möchte, halte ich an den Haushaltszielen dieses Senats fest. Die von den privaten Schulträgern gewünschte Erhöhung der Finanzausstattung in einem erheblichen Umfang ist für die privaten Schulen ebenso wie für die staatlichen Schulen unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht finanzierbar. Deswegen war und kann sie auch nicht Gegenstand unserer Gesetzesreform sein.

Kein Zweifel besteht daran, daß die privaten Schulen eine gleichberechtigte Alternative zum staatlichen Schulwesen darstellen und entsprechend auch eine gleichberechtigte Förderung erhalten. Bei der Bemessung der gerechten Finanzhilfe für private Schulen sind aber auch Unterschiede zum staatlichen Schulwesen zu beachten.

Erstens: Private Schulen können ihre Schüler auswählen.

(Hartmut Engels CDU: Das stimmt so nicht! Belie- big nicht! Es darf keine Sonderung nach Besitz ge- ben!)

Der Staat muß jeden Schüler fördern, wie schwierig er auch immer im Einzelfall sein mag, und ein entsprechendes schulisches Angebot darstellen.

Aber, verehrter Herr Engels, wir haben eine Schulpflicht, und das beinhaltet auf der anderen Seite auch die Pflicht des Staates, für jeden Schüler ein Angebot zu machen.

Zweitens: Private Schulen können ihre Größe und ihre Standorte betriebswirtschaftlich planen. Der Staat hat eine Infrastrukturverantwortung für jeden, egal, ob Kinder in einem aufwachsenden Neubaugebiet wohnen, wo also die Schule nicht ausgelastet ist, oder in einem Stadtteil mit abnehmender Kinderzahl oder auf Neuwerk. Wir haben eine Gewährleistung einer staatlichen Infrastruktur zu finanzieren.

Drittens: Private Schulträger sind und wollen mehr sein als nur Ersatz für staatlichen Unterricht. Sie machen deswegen in der Regel zusätzliche pädagogische Angebote, die unter Umständen aber auch erhebliche zusätzliche Kosten

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

A C

B D

auslösen. Daraus ergibt sich keine Pflicht für Steuerzahler, diese zusätzlichen Angebote zu finanzieren, so wie sie sich auch nicht für Eltern ergibt, die ihre Kinder in staatliche Schulen schicken und zusätzliche pädagogische Angebote, zum Beispiel Musikerziehung, wünschen. Sie müssen hierfür auch extra bezahlen.

Vor diesem Hintergrund sind in den Bundesländern sehr unterschiedliche Systeme der Bemessung der Finanzhilfen entwickelt worden. Vielfach scheitern Vergleiche daran, daß man sich nicht auf die Zahlenbasis verständigen kann, daß Zahlen nicht akzeptiert und angenommen werden. Die vielen Zahlen, die in der letzten Zeit hier in der Debatte genannt worden sind, sind ein beredtes Beispiel dafür, daß es ganz schwierig ist, sich irgendwie auf die Zahlen zu verständigen, weil es so schwierig ist festzustellen, wieviel DM eigentlich den 100 Prozent zugrunde gelegt worden sind.

(Uwe Grund SPD: Sehr richtig!)

Hamburg orientiert sich an den tatsächlichen Betriebskosten, die auf der Basis des Gutachtens der Beratungsfirma Arthur Anderson 1999 einvernehmlich – das betone ich an dieser Stelle noch einmal – mit den Trägern der freien Schulen festgestellt wurden. Das wäre auch gar nicht anders gegangen. Wenn nämlich die Träger freier Schulen nicht ihre Kosten dargelegt hätten, wüßten wir sie gar nicht genau. Es ist also gelungen, sich jedenfalls hier in Hamburg auf eine Datenbasis zu verständigen. Das sind tatsächliche Betriebskosten, die das Gutachten ausweist. Und nach diesen einvernehmlich festgestellten Grundlagen beträgt das Förderungsniveau durchschnittlich – Sie kennen das jetzt inzwischen alle – 67,4 Prozent.

In absoluten Zahlen zahlt Hamburg damit Schülerkostensätze, die im oberen Drittel der Länder der Bundesrepublik Deutschland liegen. Um das einmal zu präzisieren und einen Blick auf den Vergleich mit Baden-Württemberg zu werfen, das zugegebenermaßen das Land mit den niedrigsten Schülerkostensätzen ist: Nach Mitteilung der christlich-liberalen Landesregierung an den Landtag vom 27. Dezember 2000, dessen Feststellungen allerdings von den Privatschulverbänden als schönfärberisch bezeichnet werden, zahlte das Land Baden-Württemberg im Jahre 1999 einen Schülerkostensatz von 3765 DM für einen Grundschüler und entsprechend höhere Beträge für Schüler anderer Schulformen; ich will mich einmal auf diesen Vergleich beschränken.

Zum Vergleich: Hamburg hätte nach dem neuen Gesetz für einen Grundschüler etwa 5600 DM gezahlt, das sind knapp 2000 DM mehr, als Baden-Württemberg pro Schüler zahlt. Dazu ist noch die Möglichkeit des Zuschlags von 1200 DM für Kinder aus sozial schwachen Familien zu rechnen. Dann käme man auf 6800 DM, ein Betrag, der fast doppelt so hoch ist wie in Baden-Württemberg, nicht ganz, aber fast doppelt so hoch.

Es spricht nichts dafür, daß der in Baden-Württemberg gezahlte Betrag von aufgerundet 3800 DM das Existenzminimum sichert, auskömmlich und damit verfassungsgemäß ist. Daß aber ein Betrag von 5600 DM oder 6800 DM in Hamburg das nicht sein soll, daß ein fast doppelt so hoher Betrag unter dem Existenzminimum liegen

(Hartmut Engels CDU: Der Vergleich paßt nicht!)

und nicht auskömmlich sein soll, das kann nicht plausibel sein.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sage ich an dieser Stelle: Der Blick auf das Hamburger Privatschulwesen, auf die Schulen in freier Trägerschaft in dieser Stadt zeigt eine blühende Landschaft. Wir haben nach Bayern mit 8,3 Prozent den höchsten Anteil von Schülerinnen und Schülern in diesen freien Schulen. Wir freuen uns darüber, und das soll auch so bleiben. Deswegen bin ich der Auffassung, daß die Fortschreibung des bestehenden Hamburger Niveaus, so wie ich es eben dargestellt habe, rechtlich in Ordnung und schulpolitisch ein faires Angebot an die Schulen in freier Trägerschaft ist, und wir freuen uns, wenn es bei dieser blühenden Landschaft bleibt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat Herr Beuß.