Protocol of the Session on June 27, 2001

Zum anderen können Migrantinnen, die hier studiert haben, zwei Jahre arbeiten, um so eine Aussicht auf einen dauerhaften Aufenthalt zu erhalten. Hamburg würde überproportional von hochqualifizierten Menschen profitieren, weil hier auch die entsprechenden Firmen ansässig sind. Ebenso wird das gesamte Arbeitserlaubnisrecht entstaubt – verstaubt ist es allemal – und ist dann hoffentlich Geschichte. Auch die Aufenthaltsgenehmigungen werden wesentlich vereinfacht.

Gleichzeitig muß aber neben der Quotendebatte eine gute Gleichstellungs- und Integrationspolitik für die hier lebenden und die kommenden Einwanderer ernsthaft betrieben werden. Insofern nimmt der Bericht der Kommission beim Thema Integrationspolitik auch einen großen Raum ein. Da haben wir in Hamburg eine wichtige Aufgabe vor uns. Es geht nämlich darum, vom Kindergarten bis zum Rentenalter positiv besetzte Einwanderung konkret zu gestalten.

Bisher haben wir die Potentiale, die Innovationen und die Kreativität der schon hier lebenden Einwanderer überhaupt nicht ausreichend gewürdigt. Es ist bemerkenswert, daß die Experten in dieser Kommission in ihrem vorläufigen Bericht interessante Vorschläge dazu machen.

Zum einen sollen ausländische Unternehmensgründer viel mehr Unterstützung erfahren. Für uns in Hamburg besonders wichtig, sollen jugendliche Flüchtlinge endlich einen Zugang zur Ausbildung erhalten. Es ist doch verrückt, daß wir hier jahrelang Jugendliche qualifizieren, und dann dürfen sie nicht ausgebildet werden und nicht arbeiten. In der Schule soll selbstverständlich Deutsch als Zweitsprachenunterricht in den Stundenplan aufgenommen werden.

Einwanderung ist eine Querschnittsaufgabe, sie wird in allen Hamburger Behörden einen Raum einnehmen müssen. Auch die politischen Leitlinien sind vorher überfällig. Zum Beispiel muß das Sprachkursangebot gewährleistet werden, wenn wir Einwanderung entsprechend gestalten wollen. Genauso muß die restriktive Arbeitsmarktpolitik verändert werden.

Noch wichtiger und als Voraussetzung für eine konkrete Ausgestaltung ist eine breit angelegte Akzeptanzkam

(Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

pagne, um überhaupt einmal die Alltäglichkeit der Einwanderung – nicht nur zaghaft – in die Köpfe zu tragen. Ich glaube, wir Politikerinnen und Politiker müssen zu dieser Akzeptanz beitragen, Sie unter Ihren Genossinnen und Genossen oder wir unter den Freundinnen und Freunden. Meine Damen und Herren von der CDU! Ich setze hier auf Ihre Mitwirkung.

(Dr. Michael Freytag CDU: Wir sind auch Freundin- nen und Freunde!)

Die Kinder und Enkel der Eingewanderten sind hier schon längst fester Bestandteil der Gesellschaft. Deutschland ist ihre Heimat. Die in Deutschland niedergelassenen Einwandererfamilien sind weder Gäste noch Ausländer, auch nicht ausländische Mitbürger. Der erste Schritt zu einer gestaltenden Einwanderungspolitik ist durch den Kommissionsbericht gemacht.

(Glocke)

Sie müssen zum Schluß kommen.

Ich komme zum Schluß.

Das systemlose Flickwerk der jahrelangen schwarzen Ausländerpolitik in Bonn wird unter Rotgrün in Berlin endlich beendet.

(Glocke – Frank-Thorsten Schira CDU: Ja, was ma- chen die denn in Berlin?)

Frau Goetsch, Ihre Redezeit ist um.

Ich denke, die Wahrheit ist nächste Woche in Sicht. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Tun wir alles, daß Ausländer Inländer werden können.

(Beifall bei der GAL und bei Dietrich Ellger SPD)

Das Wort hat Frau Dr. Hilgers.

(Barbara Duden SPD: Darf sie auch ein bißchen länger?)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Deutschland ist ein Einwanderungsland. Die Erkenntnis ist mittlerweile auch im Süden Deutschlands angekommen. Die Art und Weise der geführten Debatte hat sich in den letzten zwei Jahren entscheidend verbessert.

Das neue Staatsangehörigkeitsrecht zieht eine erkennbare und sehr zu begrüßende Einbürgerungswelle nach sich. Die unsägliche Unterschriftenkampagne, die von der hessischen CDU initiiert wurde, und die Rüttgersche „Kinderstatt-Inder-Kampagne“ waren hoffentlich die letzten Aktionen der Instrumentalisierung dieses Themas zu Wahlkampfzwecken.

Im „Spiegel-Online-Angebot“ tauchte vor einiger Zeit für wenige Tage ein zweihundertsiebzigseitiger Entwurf des Kommissionsberichts auf. Offensichtlich war ein Exemplar versehentlich auf einem Scanner gelandet. Dieser für nächste Woche erwartete Bericht trägt – so wie abzusehen ist – weiter zum konstruktiven Dialog bei. Dafür einen Dank an Frau Süssmuth und die anderen Kommissionsteilnehmer und -teilnehmerinnen. Denn für die weitere Debatte ist

der gesellschaftliche Konsens und nicht die ressentimentsgeladene Schlammschlacht vonnöten.

In Nordrhein-Westfalen ist es sogar gelungen, am 22. Juni einen interfraktionellen Entschließungsantrag von SPD, CDU, FDP und den Grünen für eine Integrationsoffensive zu verabschieden. Das alles sind ermutigende Zeichen.

Die erkennbaren Klärungen, die sich aus dem SüssmuthBericht ergeben:

Erstens: Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen wird angestrebt, sogar gefördert. Hier hat auch die sogenannte Green-Card-Debatte ein gutes Fundament gelegt.

Zweitens: Einwanderinnen sind im eigentlichen Sinne Menschen, die aus freien Stücken in die Bundesrepublik einreisen, um hier auf Dauer ihren Lebensmittelpunkt zu finden. Menschen, die in Deutschland um Asyl nachsuchen oder vor einem Bürgerkrieg flüchten, werden nicht unter diesen Einwanderungsbegriff subsumiert.

Drittens: Ein zu definierender Arbeitskräftebedarf soll nicht nur aus Anwerbung befriedigt werden. Das Augenmerk muß auch auf Inländer mit oder ohne deutschen Paß, das heißt auch auf hier lebende Flüchtlinge gerichtet werden, hat also auch mehrere Zielgruppen. Dieser Punkt erfordert mittel- und langfristige Qualifikationsanstrengungen und gegebenenfalls Umwandlungen von nicht gesicherten in gesicherten Aufenthaltsstatus und eine Vereinfachung der vielfachen Aufenthaltstitel.

(Beifall bei Farid Müller GAL)

Last, but not least: Wer Einwanderung will, muß Integration gestalten. Wir können die Debatte um die Qualität von Integrationspaketen für bereits hier lebende beziehungsweise noch kommende Einwanderinnen über Rechte und Pflichten, über Anreiz- statt Sanktionssysteme, aber auch über persönliches Verhalten führen. Diese Debatte wird die politischen Querschnittsaufgaben der Zukunft bestimmen und Gott sei Dank nicht mehr die Frage, wo gegen die Ausländer unterschrieben werden kann.

Ich hoffe auf diesen Konsens und freue mich auf die inhaltlichen Neubestimmungen, die durch eine verantwortliche Regierungspolitik und die Vorlage des Berichts möglich und nötig werden.

Wir müssen unsere Sichtweise dahin gehend ändern, daß wir ausländische Mitbürger als Bürger und nicht als Ausländer betrachten. Herr von Beust will erklärtermaßen mit einer Partei koalieren, deren Spitzenkandidat das Asylrecht abschaffen will. Wenn also die liberalen Teile der CDU noch etwas zu sagen haben, erwarte ich hier eine deutliche Distanzierung von Ihrer Seite. Das sollte möglich sein, denn Schill selbst hat Sie ja als zu linkslastig bezeichnet.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Schira.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man merkt, Frau Hilgers, daß Ihre Partei im Gegensatz zu der unsrigen gar kein Gesamtkonzept vorgelegt hat.

(Dr. Andreas Hilgers SPD: Haben wir!)

Haben Sie nicht.

(Dr. Andreas Hilgers SPD: Doch!)

(Christa Goetsch GAL)

Bisher haben Sie noch nichts gemacht, weil Herr Schröder alles zurückhält. Ich glaube, am 4. Juli bekommen Sie aus Berlin Ihre Direktiven.

(Oh-Rufe bei der SPD)

Anfang des Monats hat die CDU als erste Partei ihre Vorstellung zur Zuwanderung und Integration vorgelegt.

(Beifall bei der CDU)

Wir sprechen uns für ein Zuwanderungsbegrenzungs- und Integrationsgesetz aus, in dem festgelegt wird, wie viele Menschen nach welchen Kriterien in unserem Land aufgenommen werden. Wir sagen klar und deutlich:

(Uwe Grund SPD:... was der BDA will!)

Zuwanderung muß nach nationalen Interessen gesteuert werden. Unsere humanitären Verpflichtungen bleiben natürlich ebenfalls bestehen, das Asylrecht soll unangetastet bleiben. Asylverfahren müssen aber beschleunigt und der Mißbrauch stärker bestraft werden. Wir sagen zu den Vorstellungen – wie sie zum Beispiel auch von einigen Industrievertretern geäußert wurden –, circa 400 000 Menschen jährlich zuwandern zu lassen, sind für uns unvorstellbar und eine nicht machbare Größe. Denn solange es in Deutschland circa 3,7 Millionen Arbeitslose gibt, müssen wir über die Frage sprechen, wie wir diese Menschen in Lohn und Beschäftigung bekommen. Ausbildung und Qualifizierung geht vor Zuwanderung.

Anders ist natürlich die Situation bei Facharbeitern und Höchstbegabten. Nur durch attraktive Rahmenbedingungen werden wir beim Werben um die besten Köpfe international wieder konkurrenzfähig. Die Green Card ist dafür keinesfalls ausreichend.

In dieser Diskussion stellt sich meines Erachtens eine ganz wichtige Frage: Was will die SPD eigentlich?