Protocol of the Session on June 27, 2001

Meine Damen und Herren, es wäre schön, wenn wirklich nur die Abgeordnete Koppke das Wort bekommt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie würden Sie einen Arbeitgeber charakterisieren, der seinen Beschäftigten acht Jahre keine Lohnerhöhung gewährt, obwohl im gleichen Zeitraum der Preisindex um 11,6 Prozent gestiegen ist, der gleichzeitig regelhaft kein Weihnachtsgeld zahlt und gerade so viel Urlaub gewährt, wie es das Gesetz vorschreibt, nämlich vier Wochen im Jahr, und der Arbeitsverträge so kurz befristet, wie es ihm beliebt. Wie wäre es da mit dem Wort Ausbeuter?

Dieser Arbeitgeber sind Hamburgs Hochschulen und damit der Senat, der die entsprechenden Verordnungen erlassen hat. Die betroffenen Beschäftigten sind die gleichen Studierenden, deren soziale Lage hier in der Vergangenheit regelmäßig von Ihnen allen beklagt wurde.

In Hamburg gibt es etwa 3000 Studierende, die die Aufsicht in Bibliotheken führen, Tutorien betreuen oder Professorinnen und Professoren bei unterschiedlichen Hilfstätigkeiten unterstützen. Ohne sie wäre der Hoch

schulbetrieb gar nicht aufrechtzuerhalten, sondern mit einem Schlag lahmgelegt. Studentische Hilfskräfte erhalten in Hamburg 15,68 DM pro Stunde als Entgelt für ihre Arbeit. Als Grundlage hierfür dient die Tarifgemeinschaft Deutscher Länder, die diesen Betrag als Höchstgrenze formuliert.

Diesen Betrag bekommen die Studierenden Hamburgs seit 1993 unverändert. Im gleichen Zeitraum sind die Arbeitsentgelte im öffentlichen Dienst um 13,8 Prozent gestiegen. Übertragen auf die Hilfskräfte würde das einen derzeitigen Stundenlohn von rund 18 DM bedeuten.

Meine Damen und Herren, wir haben im vergangenen Jahr den Bericht des Studentenwerks zur sozialen Lage der Studierenden in Hamburg beraten. Eines der auffallendsten Ergebnisse war, daß Hamburgs Studierende im Durchschnitt immer mehr Zeit für Erwerbsarbeit aufwenden müssen, und das haben alle Parteien beklagt. Aber Hamburg ist auch dafür mitverantwortlich, denn ein Viertel aller erwerbstätigen Studierenden jobt als studentische Hilfskraft. Wenn der Senat und damit Rotgrün die soziale Lage der Studierenden in Hamburg verbessern will, gibt es dazu mehrere Wege. Einer davon ist, den Hilfskräften eine angemessene Vergütung zukommen zu lassen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Inzwischen gibt es sogar Fachbereiche, in denen es bereits Probleme unter den Studierenden gibt, genug Tutorinnen und Tutoren zu finden. Darauf haben Vertreter der Hochschulen im Wissenschaftsausschuß am 8. Februar 2001 am Beispiel des Fachbereichs Informatik hingewiesen, und zwar explizit, „weil der finanzielle Anreiz zu gering ist“. Aus dem gleichen Grund fordern auch in anderen Bundesländern, beispielsweise in Baden-Württemberg, die Hochschulrektoren eine tarifvertragliche Regelung für studentische Hilfskräfte.

Ich gehe davon aus, daß die Vertreterinnen und Vertreter der Regierungskoalition gleich hier ans Rednerpult kommen und mit trauriger Mine bekunden werden, daß sie es gern ändern würden, aber an die tariflichen Richtlinien gebunden seien. Die Aussage ist falsch, das möchte ich gleich vorweg sagen, und sie ist eine billige Ausrede.

In einigen Ländern und Städten gibt es durchaus abweichende Regelungen. In Baden-Württemberg wird beispielsweise ein Weihnachtsgeld gewährt, in Frankfurt gibt es höhere Stundenlöhne, und selbst Hamburg setzt sich bereits über die Tarifgemeinschaft hinweg – und das ist auch löblich –, indem sie wenigstens allen Studierenden den gleichen Stundenlohn auszahlt, also den Studierenden an den Fachhochschulen den gleichen Stundenlohn wie den an den Universitäten. Das heißt, von einer unüberwindlichen Bindung an die Richtlinien der Tarifgemeinschaft kann überhaupt keine Rede sein, und das schon gar nicht, wenn man einmal nach Berlin guckt.

Dort gibt es einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte mit folgendem Inhalt: Studierende Hilfskräfte in Berlin bekommen derzeit knapp 20 DM pro Stunde, 31 Werktage Urlaub, sie verfügen über eine eigene Personalvertretung, und ihre Einkommensentwicklung ist an die Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes gekoppelt. Daher können Sie nicht damit argumentieren, es wäre zwar wünschenswert, aber Ihnen seien die Hände gebunden. Es mangelt nicht an den rechtlichen Möglichkeiten. Sollten Sie den Antrag gleich ablehnen, mangelt es lediglich an Ihrem politischen Willen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

(Vizepräsident Berndt Röder)

A C

B D

Wir formulieren in unserem Antrag keine Maximalforderungen, sondern fordern lediglich, die Mindeststandards von Beschäftigten öffentlicher Einrichtungen auch auf die studentischen Hilfskräfte zu übertragen und sie ihnen zugute kommen zu lassen. Wir wollen, daß die Obergrenze der Vergütung von derzeit 15,68 DM durch eine Untergrenze von 18 DM ersetzt wird; das würde übrigens auch Fachbereichen wie der Informatik die nötige Flexibilität zurückgeben. Wir fordern sechs Wochen Erholungsurlaub und die Gewährung eines Weihnachtsgeldes, das anteilig nach den Arbeitsmonaten berechnet wird. Das sind in der Tat keine überzogenen Forderungen, sondern sie sollten für einen öffentlichen Arbeitgeber selbstverständlich sein.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Derzeit konstituieren sich bundesweit in zahlreichen Städten und Ländern Initiativen von Studierenden und Lehrenden für einen solchen Tarifvertrag; beispielsweise in Hannover und Bremen – dort übrigens von den Grünen unterstützt –, in Bayern und in Baden-Württemberg. Die Stadt Hamburg muß unserem Antrag gemäß für die Vergütungserhöhung zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, aber wir sind der Meinung, daß sie in der Vergangenheit genug an den Studierenden gespart hat. Wer behauptet, es sei nicht finanzierbar, trägt die Versäumnisse der letzten Jahre auf dem Rücken der Studierenden aus. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort erhält der Abgeordnete Riecken.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß einige wenige hier noch ausharren, denn es ist ein wichtiges Thema, das die REGENBOGEN-Gruppe mit ihrem Antrag auf die Hörner genommen hat.

Ich will gar nicht drum herumreden, denn natürlich haben die Studierenden und die studentischen Hilfskräfte seit 1993 massiv dazu beigetragen, den Staatshaushalt durch die nicht erfolgten Lohnerhöhungen zu entlasten. Klar ist, daß das irgendwann zu Ende sein muß.

Ich begrenze mich auf vier Punkte. Erstens: Der Stundenlohn von 15,68 DM kann kein Dauerzustand sein, es muß zu perspektivischen Erhöhungen, wie überall im öffentlichen Leben und in der privaten Wirtschaft, kommen; da sind wir selbstverständlich d’accord.

Zweitens: Der Lohn muß nicht bundesweit geregelt und an den Angestellten-Tarifverträgen gekoppelt sein. Es muß nicht alles über einen Kamm geschoren werden, und auch 15,68 DM ist kein Hungerlohn.

Drittens: Derzeit wird das Hamburger Hochschulgesetz gerade reformiert; es soll in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, so ist es zumindest geplant. Darin haben wir vorgesehen, daß die Hochschulen wesentlich stärker in der Verantwortung sind. Wir wollen dahin kommen, daß die Hochschulen mehr Verantwortung übernehmen und Vorschläge machen, wie sie studentische Hilfskräfte entlohnen wollen, und weiterhin anmelden, welche finanziellen Bedarfe sie dafür haben.

Viertens: Es ist nicht möglich, wie im Antrag gefordert, zum 31. August 2001 einen Bericht abzugeben und diesen möglichst noch in dieser Legislaturperiode zu behandeln – mit kurzem Blick auf die heiße Wahlkampfphase –, damit die REGENBOGEN-Gruppe vielleicht noch 1,5 Prozent

Studierende bewegen kann, diese Splitterpartei zu wählen. Das kann erst in der nächsten Legislaturperiode sein; dann steht es aber auf der Tagesordnung. Dann muß man überlegen, wie das zu finanzieren ist und wie man das Ziel erreicht.

Bei allen Anträgen der REGENBOGEN-Gruppe ist bedauerlich, daß gesagt wird, es müsse Geld vorhanden sein, die öffentliche Hand müsse es ausschütten, andererseits wird die Gruppe aber nicht konkret. Was ist denn das für eine Oppositionspolitik, die immer nur fordert, das Füllhorn aufzumachen. Ich frage Sie, wo das Geld konkret herkommen und was Sie dafür streichen wollen.

Deshalb mache ich zwar keine traurige Mine, bin aber der Meinung, das man nicht alles über einen Kamm scheren kann. Die Informatiker brauchen besondere Anreize, denn sie kommen mit 15,68 DM nicht aus. Ein normaler Informatiker bekommt schon während des Studiums wesentlich mehr Geld. Daher müssen wir erreichen, daß die Hochschulen in einigen Fachbereichen mehr und in anderen, gemäß Angebot und Nachfrage, weniger zahlen.

Die SPD-Fraktion wird den Antrag aus den hier genannten Gründen ablehnen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Buitrón.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir werden den Antrag ebenfalls ablehnen, nicht weil wir seine Zielrichtung falsch finden, sondern weil es uns bei der Forderung nach einem Tarifvertrag für die wissenschaftlichen Hilfskräfte ähnlich wie bei anderen Anträgen ging, mit denen im engeren oder im weiteren Sinn punktuelle Verbesserungsmaßnahmen im Hochschulbereich angestrebt werden.

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke: Besser als gar nichts!)

Das kann man so sehen, muß man aber nicht!

Man kann bei diesen Anträgen mit dem Ziel punktueller Verbesserungen oft zustimmen, aber aus unserer Sicht eigentlich so richtig erst dann, wenn die Grundversorgung für die Studierenden stimmt.

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke: Da stimmen wir ja überein!)

Das ist aber nicht der Fall, diese Voraussetzung ist in Hamburg nicht gegeben! Deshalb wollen wir das Thema der Besser- oder Gerechtstellung der wissenschaftlichen Hilfskräfte in Hamburg nicht – auch wenn hier grundsätzlich Handlungsbedarf besteht – prioritär behandeln. Unsere Priorität ist und bleibt die Sicherung der Grundversorgung.

Ich weiß, daß Ihnen diese Sicht jetzt nicht gefällt, aber Sie werden die Defizite, die in diesem Bereich herrschen, ja auch nicht bestreiten.

Ich möchte noch eine Anmerkung zum Regelungsbedarf machen, den Herr Riecken in seinem Punkt 2 angesprochen hat. Mich würde in der Tat auch einmal interessieren, ob die Informationen, Frau Koppke, die Sie haben, über bessere Zuwendungs- und Vergütungshöhen beziehungsweise über das Vorhandensein von Tarifverträgen in anderen Bundesländern, tatsächlich stimmen. Der Senat behauptet nein.

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Das stimmt auch nicht!)

Unterstellt man, daß Ihre Variante korrekt ist, dann zeigt das klar – darin hat Herr Riecken recht –, daß wir keinen bundeseinheitlichen Regelungsaufwand betreiben müssen, um die Situation hier zu verbessern, weil unter den bereits heute gegebenen Voraussetzungen andere Bundesländer ihre wissenschaftlichen Hilfskräfte anders bezahlen und mit den Zuwendungen besserstellen. Wenn die finanzielle Grundausstattung im Hochschulbereich in Hamburg also so wäre wie notwendig, würde ich sagen, daß wir in Hamburg in dieser Frage auch ohne bundeseinheitliche Grundlage im Sinne Ihres Antrags verfahren könnten und auch sollten.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dr. de Lorent.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! So locker ist es leider alles nicht, und das sage ich als ehemaliger Vorsitzender einer der Gewerkschaften, die diese Tarifverträge mit ausgehandelt haben.

Bleiben wir gleich beim letzten Punkt. Die Tarifgemeinschaft der Länder, der Hamburg angehört, Berlin jedoch nicht, hat keinen solchen Tarifvertrag ausgehandelt; dazu komme ich gleich noch mal. Es gibt in keinem Bundesland einen solchen Tarifvertrag. Den kann es auch nicht geben, wenn die TdL dem nicht zustimmt. Berlin gehört nicht dazu, sondern hat eine andere Regelung, weil es kein Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder ist.

Frau Koppke, meine grundsätzliche Sympathie für die Überlegung habe ich vorhin genannt. Das hängt ein wenig mit meiner Biographie zusammen, aber nicht alles, was man möchte, ist auch realisierbar. Ihr Argument, Hamburg sei ein mieser Arbeitgeber, kann ich nicht akzeptieren. Hamburg hat im Rahmen seiner Möglichkeiten – das haben Sie selbst zugegeben – die Stundenvergütung für die studentischen Hilfskräfte an der Universität und den Hochschulen genauso wie an den Fachhochschulen gewährt. Das konnte Hamburg entscheiden. Es gibt in Hamburg für wissenschaftliche Hilfskräfte ab dem fünften Semester, die monatlich eine bestimmte Mindeststundenzahl arbeiten, eine jährliche Zuwendung. Diese Zuwendung ist möglich, und Hamburg gewährt sie auch.

Zu den Fakten möchte ich folgendes sagen. Das ist eine ganz einfache Geschichte. Seit November 1992 hat es zwischen den Gewerkschaften und Arbeitgebern Tarifverhandlungen gegeben, und man war sich in drei Punkten einig, die hier von der REGENBOGEN-Gruppe favorisiert werden und die auch ich grundsätzlich für richtig halte, nämlich eine generelle Anhebung der Stundensätze, Gewährung von Kinderzuschlag und jährliche Zuwendungen. Diese tariflichen Regelungen sind aber von den meisten Ländern abgelehnt worden. Für die Zustimmung zu einem solchen Tarifvertrag braucht man aber die Mehrheit, die Zustimmung der Tarifgemeinschaft.

Das wesentliche Argument der neunziger Jahre, insbesondere der Finanzminister, war – das wundert uns nicht –, daß die Mehrbelastung, die dann auf die Länder zukäme, finanziell nicht realisierbar sei, weil sich alle Länder in relativ komplizierten Haushaltssituationen befunden haben.