Richtig finde ich aber, den Aspekt zu prüfen, ob wirklich die Klasse 6 oder 7 der einzig mögliche Zeitpunkt sein und bleiben muß, um diese Maßnahme anzusetzen. Ich kann mir sehr gut vorstellen – wie das Frau Koppke hier auch gesagt hat –, daß natürlich auch spätere Zeitpunkte noch geeignet sein können, etwa Kindern, die sich nach der Pubertät richtig berappelt haben, auch noch eine Chance zu geben, doch dann ein bißchen schneller den Rest zu erledigen. Ich kann mir eine Ausweitung des Springens auch für Schülerinnen und Schüler in höheren Klassen sehr gut vorstellen.
Drittens: Ich möchte noch eine Bemerkung zu der Beratungsstelle machen, die hier schon mehrmals genannt worden ist. Ich denke, sie hat anläßlich ihres fünfjährigen Bestehens wirklich einen Grund zum Feiern. Ihre Erfolge sind hier dargestellt worden. Ich kann das nur noch einmal unterstreichen. Insbesondere freue ich mich darüber, daß diese Stelle durchaus auch in die Breite wirkt, indem sie Modelle und Pilotprojekte in Szene setzt, die es dann ermöglichen, dieses auch an vielen Schulen durchzuführen, etwa – das ist hier, glaube ich, schon genannt worden – philosophieren mit Kindern, Kunstschule für Kinder und „Jugend-forscht-Cafés“.
Wichtig ist, daß man Lehrerinnen und Lehrer dazu ertüchtigt und ihnen die entsprechenden diagnostischen Kompetenzen ermöglicht. Das aber geht nicht ohne Forschung. Ich freue mich deswegen, daß wir in Kooperation mit dem Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Hamburg dieses bereits erwähnte Projekt „PriMa“ gestartet haben, in dessen Rahmen neue diagnostische Verfahren entwickelt und erprobt werden. Wir werden in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule auch ein weiteres Kooperationsprojekt durchführen.
Meine Damen und Herren! In dieser Debatte ist sehr deutlich geworden, daß Hamburg ein Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht hat. Meine Anstrengung wird dahin gehen, die erfolgreichen Maßnahmen fortzuführen, auszuweiten und mit Kreativität weitere Fördermaßnahmen in der Zukunft zu suchen, zu finden und umzusetzen. – Vielen Dank.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf, Drucksache 16/5790: Große Anfrage der GAL-Fraktion zum Thema „Zukunft der Berufsfachschule in Hamburg“.
[Große Anfrage der Fraktion der GAL: Zukunft der Berufsfachschulen in Hamburg – Drucksache 16/5790 –]
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte meiner Fraktion versprochen, daß wir um 20 Uhr fertig sind. Jetzt müssen wir vielleicht das akademische Viertel noch anhängen.
Meine Damen und Herren! Damit diese guten Wünsche in Erfüllung gehen, bitte ich Sie um etwas mehr Ruhe.
Zum Schluß beschäftigen wir uns mit dem Thema Ausbildung und Zukunft junger Menschen in Hamburg, das wir hier schon oft behandelt haben. Im Mittelpunkt steht die Große Anfrage Berufsfachschulen. Über 9000 Schülerinnen besuchen in Hamburg diese Schulform. Das sind fast soviel junge Menschen, die jedes Jahr in eine duale Ausbildung gehen.
Meine Damen und Herren! Darf ich noch einmal um etwas mehr Ruhe bitten. Gespräche lassen sich notfalls auch draußen führen.
Für die Kolleginnen hier im Hause, die keine Schulmeisterinnen, Fachleute sind, noch einmal eine kurze Erklärung, was Berufsfachschule überhaupt ist. Es gibt zwei verschiedene Typen. Die vollqualifizierende Berufsfachschule. Hier gehen Schülerinnen dann, wenn sie die Schule beendet haben, mit einem Beruf ab und sind anerkannt, zum Beispiel als Bauzeichnerinnen. Bekannt ist bei Ihnen sicherlich die PTA, die pharmazeutisch-technische Assistentin, der Uhrmacher – hieß es früher –, heute Zeitmeßtechniker und solche Berufe.
Es gibt aber auch die teilqualifizierende Berufsfachschule. Da erlangen die Schüler einen Realschulabschluß, lernen etwas Praxisanteile in ihren Bereichen, meist im Wirtschafts-/Handelsbereich, aber ohne einen vollständigen Beruf zu lernen. Soviel zu den Grundlagen.
Wo ist nun das Problem? Betrachten wir erst einmal die Antwort des Senats. Dort wird deutlich, daß vor allen Dingen die Anzahl in dem teilqualifizierenden Berufsfachschulbereich seit 1990 um ein Viertel gestiegen ist. Dort sind dreiviertel der Schülerinnen zu finden. Woher kommt das? Es ist so, daß sie tatsächlich in Scharen in diese Schulen gehen, einerseits, weil sie keinen Ausbildungsplatz finden. Es sind andererseits überwiegend Schülerinnen mit schwachem Hauptschulabschluß und natürlich auch Schülerinnen, die den Realschulabschluß nicht geschafft haben.
Wie sieht es denn mit dem Erfolg dieser Schulen aus? Ich glaube, da kommen wir in eine bedenkliche Erfolgsquote, einerseits zwar in den vollqualifizierenden Berufsfachschulen ein relativ hoher Erfolg zu sehen ist, aber in den teilqualifizierenden Berufsfachschulen teilweise die Ab
brecherquote bei circa 60 Prozent, zum Teil sogar bis zu 70 Prozent, liegt. Das ist ein bedenklicher Wert. Das heißt, es fangen zum Beispiel 230 Schülerinnen an, und im zweiten Jahr sind es noch 50. Was passiert mit denen? Es wird in der Antwort des Senats nicht gesagt, ob die Schülerinnen abgebrochen haben, ob sie einen Abschluß gemacht haben und ob sie das Probehalbjahr überstanden haben. Vor allen Dingen, wie sieht überhaupt die Anschlußperspektive aus? Wollen die Arbeitgeber hier in Hamburg diese Schüler überhaupt? Wir müssen also fragen, ob diese Schulform überhaupt Erfolg hat oder ob sie verändert werden muß. Insofern ist es dringend nötig, daß wir uns darüber Gedanken machen, gerade weil es um die Anschlußperspektiven bei einer solchen Schulform geht, die der Senat machen mußte, weil die Schüler sonst auf der Straße stehen würden. Das ist dieser Zwiespalt, wenn nicht genug Ausbildungsplätze vorhanden sind, was mit diesen Schülern passiert. Vor allen Dingen wird ein dringendes Problem deutlich, wenn wir uns die Zahlen anschauen, nämlich daß in dieser Schule ein sehr hoher Anteil von Migrantenschülerinnen ist, allerdings bei den Erfolgsquoten nicht aufgeschlüsselt nach Eingebürgerten und Aussiedlern. Auch diese stellen natürlich mit ihren spezifischen Bedürfnissen ein Problem dar und sind zu der Gruppe der Abbrecher zu zählen, die ich eben schon angesprochen habe.
Ich denke, daß hier einiges zu entwickeln ist, weil wir mehr über den Verlauf der Abschlüsse der Bildungsgänge wissen und uns fragen müssen, ob diese teilqualifizierende Schulforum tatsächlich ein Gewinn für die Schüler ist. Denn grundsätzlich – das ist mein vorläufiges Fazit, weil wir erst einmal eine Entwicklung feststellen – erfüllt diese Berufsfachschule eine Ausgleichsfunktion für die fehlenden Ausbildungsplätze. Das ist oft die einzige Chance, um überhaupt einen Anschluß zu kriegen.
Außerdem ist es ein Problem, daß es auch eine Ausgleichsfunktion dafür ist, einen Realschulabschluß zu bekommen. Das heißt, die Schüler kommen von Hauptschulen, teilweise von integrierten Haupt- und Realschulen, von Gesamtschulen, und sie kommen sogar vom Gymnasium, weil sie dort ihren Abschluß verpaßt haben, den sie hier nachholen.
Die Folge ist letztlich, daß diese teilqualifizierende Berufsfachschule ein Reparaturbetrieb ist und ein Auffangbecken für Schüler, insbesondere für Migrantinnen ohne Ausbildung. Die Schülerinnen, die in diese teilqualifizierenden Berufsfachschulen gehen, haben eine sehr unsichere Anschlußperspektive, einen Ausbildungsplatz zu finden; das ist so. Es ist, wie ich meine, eine Herausforderung für uns, strukturell etwas weiterzuentwickeln. Schulpolitik muß hier reagieren und Konzepte entwickeln. Deswegen müssen wir reformieren statt reparieren, das heißt, wir brauchen dringend eine Reform der Sekundarstufe I.
Ein weiterer Punkt ist, daß die vollqualifizierenden Berufsfachschulen sehr erfolgreich sind. Daher sollten die teilqualifizierenden in vollqualifizierende Schulen umgewandelt werden, um hier bessere Erfolge zu erzielen.
Ich denke, wir haben einige gute Erfolge vorzuweisen. Einige Schulen sind in vollqualifizierende umgewandelt worden, die gut und zielgerecht für den Arbeitsmarkt ausbilden, wie beispielsweise die Haus- und Familienpflegerinnen. Das sind Wege, die auch für andere Bereiche beschritten werden müssen. Die Schüler bekommen dann einen Abschluß, der auch auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist. Das sind beispielhafte Weiterentwicklungen, die ausge
baut werden müssen. Schließlich sollen alle Jugendlichen in der Stadt eine Chance auf Ausbildung und Arbeit haben.
Die andere Frage ist, wie wir die Sekundarstufe I verändern. Es wurde schon oft angesprochen, inwieweit betriebliche Anteile bereits in die Haupt-, Real- und Gesamtschulen gebracht werden müssen, um diese Karrieren zu verhindern. Daran arbeiten wir. Das Ergebnis der Großen Anfrage ist der Aufhänger, um diese Abbrecherquote zu verändern und den Übergangsbereich von der Schule in den Beruf konzeptionell, wie wir es schon die ganzen Jahre tun, weiterzuentwickeln. – Danke.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist ein sehr spezielles Thema und sehr schwierig für so eine Debatte hier in der Bürgerschaft.
Wenn Sie mir jetzt einräumen, Stunden reden zu dürfen, würden Sie heute nicht mehr nach Hause kommen. Ich versuche es relativ kurz zu machen.
Ich setze ein paar andere Akzente, weil ich den Bereich der Berufsfachschulen sehr viel positiver beurteile, als Frau Goetsch es hier vorgetragen hat. Dieser Bereich ist sicher reformbedürftig, darüber sind wir uns einig, aber grundsätzlich muß man zunächst einmal festhalten, daß Hamburg wie kein anderes Bundesland ein sehr breites Angebot im vollschulischen Bereich vorzuweisen hat. Das drückt sich auch in Zahlen aus, über 9000 allein im Berufsfachschulbereich – darin werden wir nur noch von Baden-Württemberg übertroffen –, im gesamten vollschulischen Bereich sind es über 12 000 Schülerinnen und Schüler.
Die Berufsfachschulen erfüllen sehr wichtige Funktionen; es sind ja mehr als nur eine. Die eigentliche und wichtigste Aufgabe liegt darin, fehlende Ausbildungsplätze zu kompensieren. Hier leistet Hamburg sehr viel; die Zahlen habe ich genannt. An dieser Stelle versagt das duale Ausbildungssystem. Das kann man unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten debattieren, aber es ist uns an dieser Stelle sehr wichtig, daß jeder Schüler und jede Schülerin, die nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule im dualen Ausbildungsmarkt nicht aufgenommen wird, in weiterführende Schulen im berufsbildenden Bereich eine Anschlußperspektive findet. Insofern bleibt der Berufsfachschulbereich von großer Bedeutung.
Eine weitere Funktion liegt darin – das ist ein breiter und vielschichtiger, differenzierter Bereich – , daß Tausende von Schülerinnen und Schülern die Chance erhalten, einen höheren Schulabschluß zu erwerben. Das heißt, daß die Durchlässigkeit unseres Schulsystems auch an dieser Stelle gewährleistet ist. Aber sie erreichen ja nicht nur höhere Schulabschlüsse, sondern sie erhalten auch eine Berufsqualifikation und verbessern ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt.
Ich will zum Thema Warteschleife nichts weiter sagen; das ist auch ein ernstes Thema, das unter den verschiedensten Gesichtspunkten einer Überprüfung bedarf.
Wer sich an diesen Bereich kritisch heranmacht – das ist grundsätzlich richtig – , muß sehr sorgfältig prüfen, was, wie und in welcher Qualität zu ändern ist. Wir finden
zunächst einmal sehr gut, daß es ein so breites Angebot gibt. Auf der anderen Seite wäre für unseren Haushalt und auch für die Jugendlichen nichts besser, als hätten sie alle einen Ausbildungsplatz im dualen System. Aber solange das nicht der Fall ist, benötigen wir diesen Bereich. Er ermöglicht Durchlässigkeit, höhere Qualifikationen und verbessert die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt, das ist unbestritten. Es wäre bildungspolitisch völlig falsch, den Berufsfachschulbereich abschaffen zu wollen. Das hat auch niemand gesagt oder gefordert. Ich sage es einmal vorsorglich. Das gilt ebenso für die Handelschule wie für die Höhere Handelsschule.
In der Senatsantwort wird zum Beispiel sehr deutlich, daß im teilqualifizierenden Berufsschulbereich immerhin rund 50 Prozent der Schüler anschließend eine Berufsausbildung beginnen. Diese Chance haben sie vorher gar nicht gehabt; und das sind Tausende von jungen Menschen. Über Maßnahmen nachzudenken, wie die Quote der Abbrecher gesenkt werden kann, ist immer richtig.
Es liegt gerade eine Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung mit folgendem Ergebnis vor – das bezieht sich allerdings auf den vollqualifizierenden Bereich in der gesamten Bundesrepublik: Ein erstes Ergebnis zeigt, daß sich die Zahl von Schülerinnen und Schülern von 1990 bis 1999 mehr als verdoppelt hat, was auch ein Schlaglicht auf die Realitäten des Ausbildungsmarktes wirft. Des weiteren wurde im Ergebnis festgehalten, daß 20 Prozent mit dem Berufsabschluß tatsächlich den mittlere Schulabschluß und 17 Prozent sogar eine Studienberechtigung erworben haben. Die Hälfte konnte nach Abschluß der Berufsfachschulausbildung eine Berufsausbildung aufnehmen. Das ist ein Plädoyer für den Berufsfachschulbereich.
Natürlich gibt es hier Probleme, die sich aber nicht verallgemeinern lassen, weil der Bereich zu vielschichtig ist. Alle Berufsfachschulen haben natürlich die Aufgabe, so arbeitsmarktorientiert und so qualifiziert wie möglich zu arbeiten, methodisch, didaktisch und inhaltlich. Bezogen auf diese Anforderungen können sich die meisten Schulen in Hamburg sehen lassen. Wenn in manchen Ausbildungsgängen die Abbrecherquote unerfreulich ist, so muß jedoch sehr genau hingeschaut werden, woran das liegt und wie man das verändern kann.
Verbleibanalysen, das haben Sie in der Drucksache lesen können, gibt es wenige oder gar keine, so daß man zur Frage des Übergangs auf dem Ausbildungsmarkt wenig sagen kann; bis auf die Zahlen, die ich vorhin genannt habe, wie auch der Hinweis auf die Untersuchung des BIBB, mit den doch sehr positiven Zahlen.
Die Drucksache nennt jedoch Erfolgsquoten, die je nach Schülerschaft und Berufsbild sehr unterschiedlich sind. Von den 22 Bildungsgängen, die ich gezählt habe, liegt die Erfolgsquote bei acht über 60 Prozent, bei vier zwischen 70 und 95 Prozent und bei 40 immerhin noch über 50 Prozent. Das heißt, der größte Teil der Schülerinnen und Schüler hat sich beruflich oder hinsichtlich des Abschlusses höher qualifizieren können. Es wäre falsch, hier generell größere Einschnitte vornehmen zu wollen.
Man muß aber die Ursachen für Probleme erkennen, wovon ich einige nennen will. Ein Teil der Schüler kommt mit zu wenig Kompetenzen in die Schule. Da muß man sehr sorgfältig überprüfen, woran das liegt. Die Anforderungen auf dem Ausbildungsmarkt entsprechen nicht immer den Möglichkeiten, die die Schülerinnen und Schüler mitbringen. Ferner sind zahlenmäßig auch zu wenig Ausbil
dungsplätze in Hamburg vorhanden. Wir haben eine Ausbildungsquote von 97,5 Prozent; das ist zu wenig. Des weiteren gibt es zu wenig Ausbildungsmöglichkeiten für sogenannte Lernschwächere. Wir stellen auch fest, daß der gewerbliche Bereich von den Schülerinnen und Schülern zu wenig angewählt wird. Das ist also eine Aufgabe von Schulen, Kammern und Betrieben. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, daß die Initiative für Ausbildung und Arbeit beim Ersten Bürgermeister dieser Stadt angesiedelt ist.