Protocol of the Session on June 13, 2001

Hören Sie auf zu schreien, hören Sie sich meine Rede zu Ende an, und dann können wir darüber diskutieren.

Oder: Wo ist beispielsweise die Debatte in der Justiz darüber, daß sich die Untersuchungshaft...

(Glocke)

Frau Dr. Kähler, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu; erst hier herumschreien und dann Zwischenfragen stellen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Also: Wo ist beispielsweise die Beteiligung der Richterinnen und Richter an der Debatte über die Untersuchungshaft, die sich immer mehr zu einem eigenständigen Sanktionsinstrument entwickelt und mit dem eigentlichen Zweck der Verfahrenssicherung nur noch sehr begrenzt etwas zu tun hat und hauptsächlich arme Ausländer und Unterprivilegierte trifft?

(Glocke)

Frau Dr. Kähler, Ihre Redezeit ist ausgeschöpft.

Ich habe noch einen halben Satz.

Wenn schon Richterinnen und Richter Erklärungen verfassen, warum nicht einmal in diese Richtung denken? Und warum, liebe CDU, denken auch Sie nicht einmal in diese Richtung? Das wäre kreativer, als immer nur mehr Stellen zu fordern.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

(Dr. Bettina Kähler GAL)

Das Wort hat Frau Sudmann.

Bei der SPD fällt auf, daß sie erkannt hat, daß Angriff die beste Verteidigung ist.

(Dr. Holger Christier SPD: Genau! Altes Motto!)

Herr Christier, Sie stimmen mir zu, Sie haben auch eine entsprechende Rede gehalten.

Gestern hatten wir das seltene Erlebnis, daß zwei führende SPD-Abgeordnete, Herr Zuckerer und Herr Ehlers, quasi öffentlich mit der Presse sprachen und das Pressegespräch sogar noch dokumentierten. Pressekonferenzen der SPD habe ich hier noch nicht erlebt, daran kann ich mich kaum noch entsinnen, aber das war schon interessant.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das gibt es öfter!)

Eines kann man eindeutig feststellen, und das ist schon beunruhigend: Der SPD geht wirklich der Arsch auf Grundeis.

(Beifall bei der CDU)

Entschuldigung, der Allerwerteste. Das ist zwar auch ein Wort mit A, aber der Allerwerteste geht Ihnen auf Grundeis, und das ist schon erstaunlich.

(Dr. Holger Christier SPD: Würden Sie sich bitte dif- ferenzierter zu meinem Beitrag äußern!)

Es ist wirklich bedenklich – das sehen auch meine Gruppe und Außenstehende so –, wenn 200 von 207 Richterinnen und Richtern am Landgericht eine Erklärung unterzeichnen und davon reden, daß der Kollaps nicht mehr allzuweit sei. Aber die Richter und Richterinnen müssen sich auch die Frage gefallen lassen – das sprach Frau Kähler eben schon an –, was denn mit dem nichtrichterlichen Dienst ist. Da haben heftige Einsparungen stattgefunden, und der nichtrichterliche Dienst – das mögen mir die Richter jetzt verzeihen – hat nicht so viele Privilegien wie die Richter und Richterinnen. Der nichtrichterliche Dienst kann nicht sagen, ich komme heute nicht, ich arbeite zu Hause oder ich arbeite später. Das ist ein Privileg, das sich sicherlich viele wünschen, das aber nicht immer vorteilhaft ist; darüber muß man reden.

Man muß auch darüber reden, ob nicht in Hamburg, wie es ein führender Rechtsanwalt, Herr Meffert, sagte, viel zu schnell Verhaftungen vorgenommen werden. Ich kann Ihnen nur sagen, was Rechtsanwälte sagen.

Aber eines ist nicht lächerlich, wenn mir verschiedene Rechtsanwälte und auch Richter und Richterinnen bestätigen, daß zum Beispiel Ausländerinnen und Ausländer für dieselben Delikte wesentlich schneller verhaftet werden als Deutsche, daß alleine die Ausländereigenschaft dazu führt, daß Menschen festgesetzt werden; das darf nicht sein.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Es wird sicherlich auch zu diskutieren sein, was mit den Bagatelldelikten ist, was mit der fehlenden Legalisierung von Haschisch und Marihuana ist, wozu es immer noch Rechtsverfahren gibt. Auch der Senat muß sich fragen lassen – unser neuer schnittiger Innensenator verkündet hier, 61 neue Polizeistellen würden nicht eingespart, das Rechtsverfahren gegen Drogendealer werde man weiterhin so laufen lassen, daß, wenn das Amtsgericht als erstes

Gericht entscheidet und uns die Entscheidung nicht paßt, wir die nächste Stufe haben, das heißt, er macht den Richtern und Richterinnen noch einmal mehr Arbeit –, wo denn die Personalaufstockung bleibt. Darüber haben Sie nicht gesprochen.

Sie wollen diese 61 neuen Polizeistellen auch dafür nutzen, im Bereich der Jugenddelinquenz mehr Flagge zu zeigen, das heißt, Sie wollen mehr Jugendlichen ans Leder, aus welchen Gründen auch immer. Da wird man sich auch fragen, wo denn die Aufstockungen beim Jugendgericht bleiben.

Sie reagieren zur Zeit wie eine Herde wildgewordener – ich weiß nicht, welche Tiere ich jetzt benennen sollte –,

(Ole von Beust CDU: Lemminge!)

ja, Lemminge und überlegen nicht. Sie versuchen, mit der Fliegenpatsche irgendwelche kleinen Brände auszuschlagen, die die CDU oder auch Herr Schill legen. Es sollte auch einmal geguckt werden, ob es nicht vielleicht sinnvoller ist, den alten, ursprünglich sozialdemokratischen Gedanken der Prävention mal wieder zu beleben, ob es vielleicht mehr Sinn macht, Geld in Sozialpolitik zu stecken, in Jugendpolitik,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Da stecken wir auch viel Geld rein!)

in Arbeitsmarktpolitik, das nicht als Selbstbedienung der SPD ausgelegt wird, und dann vielleicht dafür zu sorgen, daß weniger passiert.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Der Hilfeschrei der Justiz ist angekommen, aber ich möchte ihn nicht so unkritisch aufnehmen wie die CDU, die sofort populistisch sagt, alles richtig, ganz toll, wir wollen mehr Stellen. Wir brauchen darüber eine ernsthafte Debatte und nicht einen Schlagabtausch über die Medien in der Aktuellen Stunde.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat jetzt Frau Senatorin Dr. Peschel-Gutzeit.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist eigentlich geschehen, was liegt dieser Aufregung, die wir in den Medien verfolgen konnten, von der wir auch in der Stadt hören, zugrunde?

Ich will berichten: Am Abend des 22. Mai sprach mich die Landgerichtspräsidentin anläßlich einer Abendveranstaltung an und sagte, sie hätten große Schwierigkeiten, ihre Einsparverpflichtungen für das laufende Jahr 2001 zu erbringen. Sie sei mit den Richtern und Richterinnen und auch mit dem nichtrichterlichen Personal im Gespräch, und sie hätten große Schwierigkeiten. Ich habe gesagt, das verstehe ich natürlich, das weiß ich auch von meinen vielen Verhandlungen mit allen Teilen der Justiz, habe aber darauf hingewiesen, daß die Streichverpflichtungen für 2001 im Augenblick noch nicht fällig seien. Für 1999 und für 2000 hat das Landgericht seine Verpflichtungen vollständig erbracht.

In diesem Gespräch ergab sich dann die Bitte von Frau Görres-Ohde, ob ich in eine Personalversammlung kommen und selbst mit den Richtern sprechen würde, was ich natürlich zugesagt habe. Wer mich kennt, weiß auch, daß ich den offenen Dialog sehr schätze, im Gegensatz zu de

nen, die hintenherum und anonym ganz mutig nach vorne gehen, schätze ich diejenigen, die unter Namensnennung sagen, so und so ist es und das und das habe ich zu beanstanden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es geht und ging insgesamt um eine Konsolidierungsverpflichtung von 1,07 Millionen DM. Das ist der Gegenwert von etwa sieben bis acht Richterstellen plus sonstiges Personal. Ich habe Frau Görres-Ohde gefragt, wenn es Schwierigkeiten vor allem auf der Strafseite gebe – das ist immer das besonders Spektakuläre –, was sie im Augenblick brauchten, um aus der größten Bredouille herauszukommen. Sie hat mir gesagt, wir brauchen zu den ohnehin einige Wochen vorher schon freigegebenen zwei zusätzliche Kammern, nämlich zwei Vorsitzende- und zwei bis drei Beisitzer-Richterstellen.

Ich habe daraufhin die Zeit zwischen diesem 22. und dem 31. Mai, als die Personalversammlung war, genutzt und – das ist hier schon erwähnt worden – unter Mithilfe wirklich aller, die dafür zuständig sind, eine Vereinbarung erreichen können, fünf weitere Richterstellen besetzen zu dürfen, also zwei große Strafkammern oder, anders ausgedrückt, in Höhe von etwa 600 000 DM eine Stundung der an sich rechnerisch bestehenden Konsolidierungspflichten.

Mit dieser Auskunft bin ich in diese Personalversammlung gegangen, die natürlich lebhaft war, aber im Stil vollkommen angemessen. Ich habe mich diesem Gespräch nicht mal eben gestellt, sondern wir haben über zwei Stunden ausführlich diskutiert. Als ich mich verabschiedet habe, bin ich mit einem langanhaltenden Beifall verabschiedet worden,

(Rolf Harlinghausen CDU: Die haben sich gefreut, daß Sie gegangen sind!)

was nicht der Fall ist, wenn man herausgeht und sagt, um Gottes willen, das war ja alles gar nichts. Wenn die mich hätten heraushaben wollen, hätten sie mich gar nicht erst eingeladen; das wäre einfacher gewesen.