Protocol of the Session on February 28, 2019

Wir wollten mit dem Angebot die Integration stärken und die Kinder und Jugendlichen durch einen verfassungskonformen Unterricht davor bewahren, auf die sogenannten religiösen Lehren in diesen sogenannten Hinterhofmoscheen zu bauen.

(Beifall Freie Demokraten)

Das Wissen und die kritische Auseinandersetzung, die in dem Curriculum angelegt ist, sollten als Gegenpol hierfür zur Verfügung stehen. Deshalb muss auch gewährleistet sein, dass die Auflagen, die im Dezember 2017 nach der Auswertung der drei Gutachten vom Hessischen Kultusministerium an DITIB herangetragen wurden, vorbehaltslos erfüllt werden. Die Unabhängigkeit vom Bundesverband und von der Türkei muss erfüllt werden.

(Beifall Freie Demokraten)

Genau diese Maßgaben waren bereits wesentlicher Bestandteil des damaligen Kooperationsvertrags. Wir wissen, dass der Landesverband im November 2018 eine Satzungsänderung verabschiedet hat. Er hat eine Stellungnahme gegenüber dem Kultusministerium abgegeben. Die Einschätzung und das weitere Vorgehen des Kultusministers sind seit letzter Woche allgemein bekannt.

Die Kommentierung in den Medien war unterschiedlich. Von „Lorz macht sich mit immer neuen Fristen unglaubwürdig“ bis „Lorz geht besonnen, aber konsequent vor“ war alles dabei.

Unabhängig davon, wie man zu dieser Kommentierung stehen mag, so ist und bleibt die heute angestoßene Debatte nicht zielführend. Dem Antrag kann auch nicht zugestimmt werden. Denn da werden die Ergebnisse vorweggenommen.

(Beifall Freie Demokraten, vereinzelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD)

Diese Vorwegnahme der Ergebnisse basiert auf Mutmaßungen und Spekulationen. Wenn man sich mit Vorurteilen zu Wort meldet, ist eine demokratische Debatte in der Regel vorbei.

(Beifall Freie Demokraten, Thorsten Schäfer-Güm- bel und Christoph Degen (SPD))

Die Lücken im Wissen sollten nicht mit Vorurteilen gefüllt werden, sondern sie sollten mit Fakten, Tatsachen und Erkenntnissen gefüllt werden.

Klar ist aber auch: Wenn die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Kooperationspartnerschaft nicht mehr vorliegen, dann müssen Konsequenzen gezogen werden. Das besagt das Gebot der Rechtsstaatlichkeit.

(Beifall Freie Demokraten)

Seit über zwei Jahren fordern wir Freie Demokraten von der Landesregierung ein Konzept, das auf den Weg gebracht und umgesetzt werden kann. Seit dieser Zeit vertröstet uns die Landesregierung und wird nicht aktiv. Beispielsweise wäre es interessant, zu erfahren, inwieweit die schulaufsichtlichen Maßnahmen, unter anderem in Form unangekündigter Unterrichtsbesuche, intensiviert wurden und zu welchen Ergebnissen die Schulaufsicht gekommen ist.

Vor allem erwarten wir eine rechtssichere und tragfähige Antwort auf die dringliche Frage, wie die Hessische Landesregierung langfristig – ich bemerke: langfristig – gewährleisten möchte – ich darf jetzt aus einer Pressemitteilung des Hessischen Kultusministeriums zitieren –,

dass es auch künftig ein religiöses Bildungsangebot für Kinder muslimischen Glaubens an Hessens Schulen geben wird – und damit eine der staatlichen

Schulaufsicht unterliegende Alternative zu Koranunterrichten in Moscheen oder Moscheevereinen,

falls die Beurteilung schlussendlich negativ ausfallen wird. Trotz oder gerade weil DITIB und nicht das Land unter Zugzwang steht, erwarten wir vom Kultusministerium in der Zwischenzeit eine detaillierte Darstellung aller rechtssicheren Handlungsoptionen für den Fall, dass man sich gegen eine Fortführung der Zusammenarbeit mit DITIB entscheidet. Es ist daher auch notwendig, dass wir zeitnah im zuständigen Ausschuss informiert werden, damit sämtlichen Spekulationen frühzeitig Einhalt geboten wird.

(Vereinzelter Beifall Freie Demokraten)

Ich komme zum Schluss meine Rede. Wir Freie Demokraten stehen für eine verfassungskonforme Lösung ein und für das Grundrecht auf Religionsfreiheit, das für uns zum Grundbestand der liberalen Menschenrechtstradition gehört. Dazu zählt in diesem Land auch die Möglichkeit eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts gemäß Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz sowie Art. 57 Abs. 1 der Verfassung des Landes Hessen. Vor diesem Hintergrund halten wir das Anliegen, mit dem in der 18. Legislaturperiode begonnen wurde, für grundsätzlich richtig. Wir möchten grundsätzlich, dass muslimische Schülerinnen und Schüler weiterhin einen bekenntnisorientierten Islamunterricht besuchen können. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall Freie Demokraten und vereinzelt SPD)

Herr Abg. Promny, vielen Dank. – Als Nächster hat sich Herr Abg. Daniel May für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet.

Hochverehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde vom Vorredner schon ausgeführt, dass wir eine eindeutige Verfassungslage haben, die eine sehr gute Tradition des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts in Hessen begründet. Dieser wird im Wesentlichen von den christlichen Kirchen angeboten, aber nicht nur. Darauf hat Herr Kollege Schwarz schon hingewiesen. Wir haben dort schon seit Längerem eine größere Bandbreite, die weit über den katholischen und evangelischen Religionsunterricht, die am gängigsten sind, hinausgeht.

Für uns GRÜNE ist klar: Alle, die das wollen, sollen ihren Glauben in unserem Land innerhalb der Regeln unserer Verfassung leben können. Für alle Religionen gilt das gleiche Recht. Das gilt auch in Bezug auf den bekenntnisorientierten Religionsunterricht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Unstreitig ist es positiv, dass viele Kinder in der Schule etwas über ihre Religion erfahren und ihren Glauben reflektieren können. Das ist eine Errungenschaft, die wir erhalten wollen. Die noch relativ junge Geschichte des Islams als Unterrichtsfach in Hessen ist laut der Rückmeldungen aus den Schulen ein Erfolg. Eltern, Lehrerkollegien und Bildungsexperten haben sich in der Vergangenheit gleichermaßen zufrieden geäußert.

Für mich bedeutet das, dass das Recht auf religiösen Unterricht grundsätzlich allen Kindern ermöglicht werden sollte.

Für muslimische Kinder sollte das von der Ausnahme zur Regel werden.

Hessen ist Vorreiter gewesen. Es hat den islamischen Religionsunterricht eingeführt. Es ist gut, dass wir ihn haben. Es wird somit ein aufgeklärter Islam durch hessische Lehrerinnen und Lehrer an hessischen Schulen nach einem hessischen Curriculum unterrichtet. An unseren Universitäten wird islamische Theologie wissenschaftlich betrieben. Das ist gelebte Integration.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Ich finde, dass die Vorvorgängerregierung in Hessen den Weg eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts eingeschlagen hat, ist aus zwei Gründen wohlbegründet gewesen. Erstens ist es meine feste Überzeugung, dass eine Reflexion des eigenen Glaubens am besten geschehen kann, wenn der Unterricht aus dieser Perspektive heraus stattfindet. Zweitens schafft man so keine Differenz, sondern einen Gleichklang zwischen dem im Wesentlichen christlichen Religionsunterricht und dem islamischen Religionsunterricht. Damit schafft man eine wahrgenommene Gleichwertigkeit.

Diese Überlegungen waren und sind richtig. Es ist wichtig, ja, notwendig, dass wir uns das immer wieder klarmachen. Wir müssen diese grundsätzliche Frage davon trennen, wie wir die Kooperation mit DITIB bewerten. Denn es ist klar: Ohne Religionspartner kann es keinen bekenntnisorientierten Religionsunterricht geben. Deswegen ist die Antwort auf die Frage wichtig, wer unser Partner ist.

Die Grundüberzeugung, dass wir alle Religionen gleich behandeln wollen und müssen, dass das uns unser Verfassungsrecht so vorgibt und dass das auch unsere innere Überzeugung ist, ist ein komplett anderes Thema. Frau Kollegin Kula hat Ihnen sehr gut nachgewiesen, dass Sie zwar von DITIB sprechen, aber in Wirklichkeit alle Muslime meinen.

Sie haben zwar in einer Kurzintervention versucht, das zu widerlegen. Sie werden sich das nachher im Protokoll anschauen können. Sie werden sich die Zwischenrufe aus Ihrer zweiten Reihe anschauen können. Frau Kula hat Ihnen vorgehalten, dass auch andere Moscheegemeinden und andere Islamverbände als Partner infrage kämen. Da gab es den Zwischenruf: „Sie wollen noch mehr?“

Sie hat Ihnen vorgehalten, dass in Ihrem Programm steht, Islam sei keine Religion, sondern eine politische Meinung. Darauf kam der Zwischenruf aus Ihrer zweiten Reihe „Das ist doch so!“ Wen verteidigen Sie eigentlich hier? Stehen Sie doch zu dem, was Sie hier versuchen – und das, was Sie hier versucht haben, war, DITIB zu schlagen, aber eigentlich alle Muslime zu meinen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und LINKE – Robert Lambrou (AfD): Das ist eine Unterstellung! Nehmen Sie unseren Antrag! Es gilt, was in unserem Antrag steht!)

Gleichwohl ist die Frage notwendig und berechtigt, ob DITIB Kooperationspartner für das Land Hessen sein kann, ob die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Ich muss Ihnen auch nicht verheimlichen, dass es auch bei uns in der Fraktion sehr große Zweifel diesbezüglich gibt.

Ein wichtiger Punkt hierbei ist die mögliche Einflussnahme der Türkei über die Religionsbehörde dort und deren

Verbindung zu DITIB, die hier schon dargestellt wurde. Für uns GRÜNE ist vollkommen klar: Kein fremder Staat darf irgendwie auf irgendeine Art und Weise hessischen Unterricht mitbestimmen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und Christoph Degen (SPD))

Aber zur Wahrheit gehört auch dazu, dass die wissenschaftlichen Gutachten, die sehr fundiert sind, gesagt haben: Es gibt eine mögliche strukturelle Verbindung, aber sie hat in der Praxis bislang keinerlei Relevanz gehabt. – Es ist aber vollkommen klar, dass, auch wenn es nur eine Möglichkeit war, sie ausgeschlossen werden muss.

Trotzdem möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen – das hat der Kollege Schwarz sehr gut ausgeführt, und das war auch die Bewertung nach mehreren unangekündigten Unterrichtsbesuchen –: Der islamische Religionsunterricht in Hessen ist tadellos. Die Lehrerinnen und Lehrer, welche diesen erteilen, sind hessische Beamte und unterrichten ein staatliches Curriculum. Daher ist es wichtig, dass wir in dieser Debatte immer klar differenzieren zwischen DITIB und unseren Lehrerinnen und Lehrern und dass wir uns vor unsere Lehrerinnen und Lehrer stellen und ihnen für den guten Unterricht danken, den sie hier leisten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, ver- einzelt SPD, Freie Demokraten und DIE LINKE)

Dass DITIB Partner wurde, war an Bedingungen geknüpft. Es wurde im letzten Jahr noch einmal die Aufforderung erteilt, bis zum Fristende 31. Dezember 2018 der Landesregierung vorzulegen, dass es eine organisatorische Trennung gibt und dass die Eigenschaften einer Religionsgemeinschaft gegeben sind.

DITIB hat nach Aussagen der Landesregierung geliefert, aber nicht vollständig. Da aber dadurch das Bemühen kenntlich gemacht wurde, die Anforderungen der Landesregierung zu erfüllen, konnte logischerweise nicht aufgrund einer nicht vollständigen Erfüllung die Partnerschaft beendet werden, sondern es war geboten, eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen. Erst nach Ende dieser Nachfrist – und nur dann, wenn die Anforderungen nicht erfüllt werden – wäre es geboten, die Zusammenarbeit mit DITIB endgültig zu beenden. Wer zu diesem Zeitpunkt etwas anderes formuliert, tut das aus einer Situation von Vorurteilen und garantiert kein rechtsstaatliches Verfahren. Deswegen ist der heute vorliegende Antrag nicht zustimmungsfähig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und Ja- nine Wissler (DIE LINKE))

Sollte es so sein, dass auch die Nachfrist zu dem Ergebnis kommt, dass DITIB die Anforderungen nicht erfüllt, so müsste der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht in Islamkunde überführt werden.

Entscheidend für uns GRÜNE ist: Wir dürfen nicht in eine Situation kommen, in der es kein schulisches Angebot für muslimische Schülerinnen und Schüler mehr gäbe. Daher ist es auch richtig, dass jetzt ein Schulversuch für die Jahrgangsstufe 7, Islamkunde als Ersatzangebot, aufgebaut wird. Damit setzen wir ein klares Signal an die Lehrerinnen und Lehrer, an Eltern, an Schülerinnen und Schüler, im Übrigen auch an diejenigen, die jetzt gerade in einer Lehrerausbildung sind oder die in einer Lehrerausbildung tätig sind, dass es weitergehen wird. Ich finde es wichtig, dass wir heute dieses Signal der Verlässlichkeit setzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Aber es gibt noch eine andere Konsequenz, und die muss natürlich genauso klar sein. Das ist ein ergebnisoffener Prozess. Wenn DITIB das liefert, was wir von ihnen verlangen, geht es natürlich weiter mit ihnen als Kooperationspartner.

Sehr geehrte Damen und Herren, der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht war und ist die größtmögliche Analogie zur Organisation des christlichen Religionsunterrichts mit den evangelischen und katholischen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften. Die Politik hat den Wunsch, für Kinder einen wissenschaftlich fundierten islamischen Religionsunterricht anzubieten. Wir GRÜNE begrüßen diesen Ansatz der Gleichbehandlung der Weltreligionen in Bezug auf den Religionsunterricht. Ob wir dazu im Bereich des islamischen Religionsunterrichts in der Vereinigung DITIB noch einen Partner haben, das liegt jetzt bei DITIB. Die Anforderungen der Landesregierung müssen vollständig erfüllt werden, da wird es keinen Rabatt geben.