… in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen der Ausdruck historisch gewachsener ungleicher Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern ist, die zur Beherrschung und Diskriminierung der Frau durch den Mann und zur Verhinderung der vollständigen Gleichstellung der Frau geführt haben; …
Ich denke, dieser Satz zeigt deutlich: Es ist notwendig, diese Gewalt, die häusliche Gewalt und die Gewalt gegen Frauen insgesamt, anzugreifen, weil wir sonst nicht in der Lage sind, die Gleichstellung von Frauen mit Männern tatsächlich voranzutreiben.
Seit dem 1. Februar 2018 gilt die Konvention auch in Deutschland. Allerdings hatte sie bis heute, zumindest in der Minute, in der sie auf die Tagesordnung des Landtags gekommen ist, noch keine spürbaren Folgen in Hessen. Ich hoffe, dass daraus welche hervorgehen.
Deswegen haben wir unseren Antrag gestellt. Wenn ich mir allerdings den schwarz-grünen Antrag anschaue, muss ich sagen: Er ist teilweise wortwörtlich aus dem Koalitionsvertrag abgeschrieben worden. Das freut uns natürlich. Wir freuen uns über diese Bestrebungen.
Lassen Sie mich doch weiterreden; dann kommen wir vielleicht auch zu einem gemeinsamen Punkt. Danke schön. – Ich habe das natürlich mit Freude gesehen. Allerdings erwarte ich jetzt – ich glaube, Sie stellen die Landesregierung; da war doch etwas, habe ich in Erinnerung –, dass Sie sagen, welche Schritte gegangen werden müssen. Aber das ist leider nicht der Fall.
Ich will einen Punkt herausheben. Ich denke, deutlich ist der Mangel an Plätzen für Frauen, die aus Gewaltbeziehungen heraus fliehen müssen. Die Webseite der hessischen Frauenhäuser macht den Mangel an Frauenhausplätzen und Frauenschutzwohnungen sehr deutlich. Meist ist gar kein Platz in Hessen frei. Heute Morgen war es gerade einmal einer. Aber er wird ganz sicher am Wochenende längst besetzt sein.
Die Konsequenz ist, und das ist bitter, dass jede zweite Frau, die in Hessen Schutz vor häuslicher Gewalt sucht, von den Frauenhäusern abgewiesen werden muss. Das ist ein Skandal. Das darf in diesem reichen Land überhaupt nicht passieren.
Wir brauchen jetzt dringend – da gebe ich Ihnen Nachhilfe für Ihre Anträge und die Umsetzung des Koalitionsvertrags – nicht nur ein paar Zimmer mehr, sondern wir brauchen
300 zusätzliche Schutzplätze für Frauen. Wir brauchen Strategien, wie Frauen nach der Stabilisierung im Frauenhaus schnell einen Wohnraum bekommen. Wir brauchen auch dynamisierte Landesmittel für Frauenschutzprogramme und Beratungsstellen, damit die Tariferhöhungen weitergegeben werden können und die Frauenhauseinrichtungen nicht immer am Hungertuch nagen müssen.
Das alles muss sich in einem überarbeiteten Landesaktionsplan wiederfinden, der sich an den Maßstäben misst. Der jetzt vorliegende von 2011 verdient nicht einmal den Namen Landesaktionsplan. Dort ist weder eine Beschreibung der Situation noch der Aufgaben, noch der Aktionen, noch der Handlungen, noch der Zielstellung. Darin steht nur, was man sowieso machen muss, was man gerade macht.
Ich erwarte eine klare Analyse, eine Einbeziehung der Zivilgesellschaft, klare Zielstellungen und Meilensteine, ein Monitoring und eine Evaluation sowie den Fokus auf besonders von Gewalt und sexuellen Übergriffen betroffene Gruppen und besonders vulnerable Gruppen und auch auf neue Phänomene, wie sie über das Internet auftreten, z. B. Cyber-Grooming.
Ich denke, es gibt weitere Bedarfe. Sie erwähnen die Fuldaer Schutzambulanz. Aber wie lange diskutieren wir schon darüber? Das ist ein Konzept, das einige schon machen. Es müsste aber eigentlich in allen Krankenhäusern möglich sein, dass eine Frau, wenn sie sich nach einer Vergewaltigung noch nicht entscheiden kann, ob sie eine Anzeige stellt, dort ordentlich behandelt wird und dass die Unterlagen gesichert werden.
Es darf nicht ewig ein Modell bleiben. Die Istanbul-Konvention verpflichtet Sie dazu, den Frauen den umfassenden Schutz und die Betreuung zu garantieren. Dazu gehört auch die Einführung eines anonymen Krankenscheins. Hier verweise ich auf Thüringen. Die haben das gemacht für Menschen ohne Papiere und ohne Versicherungsschutz. Es sollte gerade für Frauen und Mädchen gemacht werden, die nach einer Vergewaltigung anonym bleiben wollen.
Man kann sich in Thüringen erkundigen – die Wege sind nicht so weit –, wie das dort funktioniert. Das funktioniert gut in dem Maße, dass es keine riesige Zahl ist, aber eine notwendige Zahl. So wurden im ersten Jahr 90 anonyme Krankenscheine ausgestellt, mit denen diesen Frauen und Mädchen geholfen werden kann, die in einer medizinischen Notlage sind.
Danke schön. – Ich denke, wir haben einen gewissen Erfolg mit der Istanbul-Konvention. Wichtig ist, dass sie jetzt umgesetzt wird und dass wir alle Frauen und Betroffenen von Gewalt und sexuellen Übergriffen unterstützen und dass wir den in der Frauenbewegung Engagierten entschlossen den Rücken stärken.
Ich lade Sie dazu noch einmal ein. Beteiligen Sie sich an den Aktionen und Veranstaltungen zum 8. März, zum Internationalen Frauentag. Bringen Sie diese Themen dort mit ein. Die Frauen werden es Ihnen danken.
Frau Kollegin, herzlichen Dank. – Es finden hier Übergriffe auf der Regierungsbank statt. Solange das innerhalb der Regierung stattfindet, soll uns das recht sein.
Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD Herr Kollege Volker Richter. Herr Kollege Richter, Sie haben das Wort. Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eben einen Augenblick gedacht, ich hätte den falschen Antrag vor Augen, und war etwas irritiert, weil Sie auf die einzelnen Punkte Ihres Antrags zu wenig eingegangen sind. Das werde ich sehr gern für Sie übernehmen.
Mit der häuslichen Gewalt wird sich bereits seit Jahren intensiv beschäftigt. Es gibt für alle involvierten Zielgruppen Angebote in den kommunalen Selbstverwaltungen, bei der Polizei, der Justiz und dem Land Hessen. Dabei sind die Frauenbeauftragten und die freien Träger eingebunden.
Mit Punkt 1 des Antrags der Fraktion DIE LINKE werden umfassende Forderungen aufgestellt, die im Kern bereits umgesetzt werden.
Die Forderung in Punkt 2, der „Ausbau von mindestens 300 Frauenhausplätzen und Frauenschutzwohnungen“, geht auf einen Hinweis des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes aus dem Jahr 2018 zurück, dem zufolge Frauenhäuser in Hessen betroffene Frauen abweisen müssen. Dieser Zustand ist nicht akzeptabel und muss geändert werden, und zwar sowohl hinsichtlich der Prävention als auch der Schaffung von Frauenhausplätzen.
Der Antrag mit diesen Forderungen muss dem Ausschuss überwiesen werden, um mit den kommunalen Selbstverwaltungen ein tragbares Konzept ausarbeiten zu können.
Mit Punkt 3 wird auf eine „angemessene Zahl Schutzräume für von häuslicher Gewalt betroffene Männer, transund intergeschlechtliche Personen“ eingegangen, die geschaffen werden sollen. Die Bedarfsanalyse dafür ist von den Kommunen vorzunehmen. Bei Notwendigkeit ist das umzusetzen. Die entsprechenden Verantwortlichkeiten wurden bereits mit dem Landesaktionsplan festgelegt.
Punkt 4 sieht vor, ein „Verfahren zu entwickeln, dass Betroffenen häuslicher Gewalt bevorzugt Wohnraum zur Verfügung gestellt bekommen, um Frauenschutzprojekte nicht unnötig zu blockieren“. Die Prüfung des Vorliegens einer Notfallsituation kann nur vor Ort stattfinden. Mit der Schaffung weiterer Frauenhausplätze in Zusammenarbeit mit den Städten und Kommunen kann die Zuordnung durch die kommunalen Selbstverwaltungen am besten stattfinden.
Die in Punkt 5 geforderte Dynamisierung „kommunalisierter Landesmittel für Frauenschutzprojekte, Beratungsstel
len etc.“ erachten wir wiederum für falsch. Richtig wäre es, die Kosten über Bedarfsanalysen anzupassen, um so auf einen höheren Bedarf ebenso wie auf geringere Kosten reagieren zu können. Die Dynamisierung würde zu einer unflexibleren Handlungsweise führen. Das würde für meine und für unsere Begriffe somit der Intention des Antragstellers nicht gerecht werden.
Punkt 6 korreliert mit Punkt 5. Wenn die kommunale Selbstverwaltung mehrsprachige Informationsmaterialien benötigt oder Dolmetscher vor Ort gebraucht werden, dann müsste das nach einer Bedarfsanalyse eingefordert und abgedeckt werden.
Eine fallunabhängige Finanzierung der Frauenhäuser und der Frauenschutzprojekte festzuschreiben und diese dann noch zu dynamisieren, wie es in den vorhergehenden Punkten gefordert wird, und das dann in Punkt 7 noch weiter zu verankern, ist falsch. Besser wäre es, Präventionsmaßnahmen auszubauen, sodass der Rückgang der häuslichen Gewalt zu weniger Opfern führt. Dann könnte man die entsprechend benötigten Projekte zurückfahren.
Mit Punkt 8 wird die Einführung des Modellprojekts „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ gefordert. Das wird in Hessen bereits umgesetzt. Ob dies bis spätestens Ende 2021 flächendeckend möglich ist, sollte bitte in einer Ausschusssitzung besprochen und geklärt werden.
Mit Punkt 9 wird der anonyme Krankenschein gefordert. Das bedarf ebenfalls der Aufarbeitung in einer Ausschusssitzung. Es wird notwendig sein, den möglichen Missbrauch eines solchen Krankenscheins auszuschließen.
Uns ist bewusst, dass die gesundheitliche Versorgung innerhalb unseres Landes Lücken aufweist, die geschlossen werden müssen. Wir sehen dies als eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe an. Dabei geht es vor allem um Menschen, die aus dem privaten Krankenversicherungssystem herausgefallen sind. Es geht auch um Menschen, die obdachlos sind, und um weitere Gruppen.
Mit Punkt 10 wird auf Gewaltschutzkonzepte eingegangen. Das wird bereits in Flüchtlingsunterkünften umgesetzt. Dass diese nicht ausreichend sind und in den Flüchtlingsunterkünften Frauen und schwächere Personen einer erheblichen Belastung ausgesetzt sind, haben wir, die Mitglieder der hessischen AfD, bereits im Jahr 2015 thematisiert.
Diese Thematisierung wurde natürlich diffamierend als rechts dargestellt. Richtig ist, dass uns Frauen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen darauf angesprochen haben. Auch dieses Thema gehört in eine Ausschusssitzung, damit auch die LINKEN diskutieren, welche Probleme sich in Deutschland aufgrund patriarchalischer Strukturen anderer Kulturkreise ergeben.
Das kommt insbesondere in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften zum Tragen. Vielleicht sollten Sie öfter in Erstaufnahmeeinrichtungen gehen und sich mit den betroffenen Frauen unterhalten.
(Beifall AfD – Janine Wissler (DIE LINKE): Der AfD liegen die Frauen und die Flüchtlinge am Herzen!)
Das tun sie. – Es ist unerträglich, dass die Rechte der Frauen aus anderen Kulturen und Glaubensrichtungen nicht ebenso wie die Rechte der Frauen aus unserem Kulturkreis verteidigt werden.