Warum wird nicht jeder, der eine solche Einrichtung betritt, vorher getestet? Wie kann es sein, dass wir richtigerweise zwar für Schulen Konzepte vorgelegt bekommen, dass Luftfilter angeschafft werden sollen, dass digitales Lernen ermöglicht werden soll, dass Lehrer in Zukunft auf Corona testen sollen, dass aber der gleiche Ansatz und die gleichen Anstrengungen für Alten- und Pflegeheime nicht aufzubringen sind? Bitte erklären Sie uns, wie diese Passivität zu rechtfertigen ist. Am Geld wird es nicht liegen, an der Verfügbarkeit der Tests auch nicht. Woran dann?
Anfang Oktober konnte ich in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage lesen, dass bei einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen in den Alten- und Pflegeheimen eine andere Ausgangslage als im März vorliege; daher seien erneute Beschränkungen nicht notwendig. Das haben Sie, Herr Staatsminister Klose, offenbar grundlegend falsch eingeschätzt. Mehr noch, es war zu lesen, dass im Hinblick auf die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen weder eine Notwendigkeit noch die erforderlichen Kapazitäten für anlasslose Testungen gesehen werden. Dass wir aber mit mehr Testungen mehr Infektionen und damit auch mehr schwere oder gar tödliche Verläufe hätten verhindern können, muss doch auch Ihnen einleuchten.
Warum gibt es keine Kampagne, die die Bürger anhält, einen Arzt aufzusuchen, wenn sie krank sind, eine Kampagne, die klarmacht, dass es sicher ist, zur Apotheke zu gehen oder den Arzt aufzusuchen? Viele Menschen verzichten auf dringend notwendige Behandlungen, weil sie Angst haben, sich anzustecken. Viele Vorsorgeuntersuchungen bleiben aus, die Schlimmeres verhindern könnten. Gerade kürzlich war zu lesen, dass sich weitaus weniger Menschen als früher auf HIV testen lassen. Diese Menschen können andere unwissend anstecken. „Hessen handelt besonnen“, so ist gelegentlich zu vernehmen. Seien Sie aber auch vorausschauend. Statt zu sagen, dass das Testen nichts bringe: Machen Sie es doch einfach einmal.
Der Lockdown zwingt immer mehr Menschen, ins Private auszuweichen. Für einige bedeutet das eine besondere Enge. Die Bewegungsmöglichkeiten werden eingeschränkt, die Einsamkeit nimmt zu. Ich habe nicht den Eindruck, dass allen hier Anwesenden klar ist, was das für Folgen haben kann, was das bezüglich der Suizidraten macht, was da an Traumata entsteht, die Generationen ein Leben lang begleiten werden. Kolleginnen und Kollegen von der Landesregierung, Sie sehen, Ihre Politik wirft mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt oder Lösungen schafft. Das, was jetzt falsch läuft, und die dadurch entstehenden Ängste werden Folgen haben, die uns noch viele Jahre begleiten werden. Das hat die Landesregierung anscheinend völlig übersehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Als Sozialpädagogin weiß ich, dass es immer gut ist, mit einem Lob zu beginnen, wenn man erreichen will, dass das Gegenüber einem zuhört. Nehmen Sie es sozusagen als ein Coaching von links: Ich habe wirklich drei Dinge in Ihrem Sozialhaushalt gefunden, die zu erwähnen und zu loben sind und zu denen ich etwas sagen möchte: Erstens. Sie führen endlich ein Sinnesbehindertengeld ein, welches auch gehörlose und taubblinde Menschen unterstützt. Zweitens. Sie stellen mehr Geld für die Kitas zur Verfügung. Drittens. Sie beginnen mit einer besseren Um
Ich will Ihnen aber nicht verhehlen: Jede dieser Botschaft enthält auch einen dicken Wermutstropfen. Das Sinnesbehindertengeld steht seit Jahren auf der Tagesordnung. Sie sind also ziemlich spät dran, auch im Vergleich der Bundesländer. Zudem soll dieses Geld nicht einmal ab Januar nächsten Jahres gezahlt werden, sondern erst ab April. Ich weiß wirklich nicht, warum Sie jetzt noch so lange zögern. Sie könnten das Gesetz rückwirkend in Kraft treten lassen. Danach steht Ihnen aber offensichtlich nicht der Sinn.
Bei den höheren Zuwendungen für die Kitas bin ich einmal gespannt, wie viel mehr an Landesmitteln tatsächlich ankommen wird. Wir wissen doch, dass die schwarz-grüne Landesregierung sehr gerne auf das Geld setzt, das von den Kommunen kommt – wie z. B. bei den Krankenhäusern. Gerade für die Kitas wird wesentlich mehr Geld von den Kommunen als vom Land ausgegeben. Selbstverständlich nimmt das Land auch gern die Bundesmittel mit, um seine eigenen Mittel schönzurechnen.
Auch wenn wir sagen, es gibt mehr Geld in der pädagogischen Arbeit – was dringend erforderlich ist –, fehlt trotzdem immer noch eine Menge. Der Fachkräftemangel wird mit den vorgesehenen 600 praxisintegrierten vergüteten Ausbildungsplätzen noch nicht behoben sein. Auch die mittelbare pädagogische Arbeit fehlt in Ihrem Haushaltsentwurf immer noch – es gibt noch nicht einmal eine gesetzliche Regelung dafür –, und auch dem Ziel der Kostenfreiheit der frühkindlichen Bildung kommen wir mit dem Haushaltsentwurf keinen einzigen Schritt näher.
Sie stellen zwar 1,7 Millionen € in den Haushaltsplan ein, um das Zukunftsprogramm Geburtshilfe voranzutreiben, allerdings ohne konkrete Projekte vorzusehen. Meine Vorrednerinnen haben dazu schon etwas gesagt. Wenn Sie das tatsächlich damit begründen, dass im November der runde Tisch wegen Corona abgesagt werden musste, dann lässt mich das wirklich mit einem Kopfschütteln zurück. Meinen Sie nicht, dass eine Videokonferenz allen Beteiligten lieber gewesen wäre, als diese Hängepartie weiterzuführen? Es scheint so zu sein, dass der digitale Notstand im Sozialministerium sehr groß ist – außer wenn die regelmäßig stattfindenden Video-Pressekonferenzen von Minister Klose ausgestrahlt werden. Dann funktioniert es nämlich.
Das Gutachten, auf das Sie sich beziehen, liegt seit einem Jahr vor. Das haben die in der Geburtshilfe Tätigen und die Schwangeren in diesem Land wirklich nicht verdient. Tun Sie endlich etwas, schieben Sie nicht weiterhin alles auf die lange Bank.
Lassen Sie uns mit der größten Lücke im Haushalt beginnen. Auch wenn Sie von einigen dafür gelobt werden, dass Sie mehr Geld für Investitionen in die hessischen Krankenhäuser zur Verfügung stellen – mir fehlen noch immer jährlich fast 200 Millionen € an Investitionsmitteln. Das wäre der Betrag, den die Krankenhäuser tatsächlich brauchen. Wenn ich Sie da an Ihren eigenen Koalitionsvertrag erinnern kann: Sie haben versprochen, dass Sie sie bis 2023 vollständig gewährleisten wollen. Wenn Sie allerdings mit diesen Trippelschrittchen weitermachen, muss 2023 noch in ganz ferner Zukunft liegen. Jetzt fangen Sie doch end
Nein, Sie verharren weiter in Halbheiten. Das ist wie in anderen Bereichen auch: Corona-Tests für Kita-Erzieherinnen, aber nicht für die Erzieherinnen und Erzieher in der offenen Jugendarbeit oder in der Kinderarbeit; Tests für Pflegeeinrichtungen viel zu spät, aber auch nicht für alle; Freihaltepauschalen für die großen Kliniken, aber nicht für die kommunalen; und selbst die neue Allgemeinverfügung, die die kleinen Häuser schützen soll, haben Sie immer noch nicht veröffentlicht. Ich hoffe, dass sie noch auf den Weg kommt.
Es gibt Pflästerchen für Jugendherbergen und Tafeln, aber keine Perspektiven. Sie sind wirklich nicht in der Lage, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen und tatsächliche Verbesserungen zu ermöglichen. Sie doktern lieber an den Symptomen herum, statt an die Ursachen zu gehen. So kann man weder eine Pandemie besiegen noch einen vernünftigen Landeshaushalt aufstellen.
Das zeigt sich auch in der Psychiatrie. Der Maßregelvollzug bekommt wieder einmal eine Aufstockung in zweistelliger Millionenhöhe; die ambulante Versorgung in der Psychiatrie ist Ihnen lächerliche 400.000 € wert. Sie reagieren also erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und wenn man wirklich heftige Maßnahmen ergreifen muss, statt präventive Mittel deutlich auszubauen. Das ist doch der Irrweg.
Ich höre noch Herrn Klose, wie er kurz nach dem Erscheinen des Wallraff-Reports über den Skandal in FrankfurtHöchst mit vielen schönen Worten für eine bessere Psychiatrie geworben hat. Ganz still ist es um die Fragen inzwischen geworden. Nichts passiert. Das Ministerium weiß, dass es in der stationären Psychiatrie in Hessen Grundrechtsverletzungen gibt. Aber handelt es als Fachaufsicht? Nein.
Herr Dr. Kirschenbauer, der von Ihnen eingesetzte Experte, hat wesentliche Änderungen in der Psychiatrie verlangt. Was haben Sie denn davon umgesetzt? Kaum mehr als ein paar Eimer Farbe für die Flure der Station D 42 im Klinikum Frankfurt-Höchst. 400.000 € – damit können Sie nicht einmal die Voraussetzungen für die dringend notwendigen, von allen erwarteten und schon im letzten Haushalt stehenden Krisendienste schaffen.
Wir werden mit unseren Haushaltsanträgen deutlich machen, was in Hessen wirklich passieren muss, und es wird Zeit, dass Sie Ihren Ankündigungen einen Maßnahmenplan für eine moderne, gewaltfreie Psychiatrie mit guten Arbeitsbedingungen folgen lassen.
Meine Damen und Herren, es gibt unzählige Beispiele, in denen nichts passiert, aber ich will nur auf einen Bereich eingehen, nämlich auf den Gewaltschutz. Auch in Hessen gilt die Istanbul-Konvention. Ich weiß, Sie haben das schon einmal von mir gehört. Es haben auch alle Fraktionen ein Schreiben von den Frauenberatungs- und Interventionsstellen sowie von den Frauenhäusern bekommen.
Es ist klar: Hunderte Frauenhausplätze fehlen. Es fehlt die vorgeschriebene Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, und es fehlen die präventiven Maßnahmen, der Gewaltschutz und die Täterarbeit. Das alles
ist völlig unterfinanziert. Was ist Ihre Antwort im Haushaltsplanentwurf? Lächerliche 500.000 € Investitionsmittel, damit ein paar Räume barrierefrei umgestaltet werden können.
Schämen Sie sich nicht, nur auf Bundes- und kommunale Mittel zu verweisen? Mich ärgert diese Ignoranz. Sie lassen damit die Menschen im Stich, die Opfer häuslicher Gewalt werden, und Sie lassen die Haupt- und Ehrenamtlichen im Regen stehen. Das gilt für viele Bereiche dieses Einzelplans. Wir brauchen entschiedene Schritte, um ein soziales Hessen zu erreichen. Mit diesem Haushaltsplan werden Sie keinen Schritt weiterkommen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da wir nur so wenig Redezeit haben, werde ich jetzt auf das Loben verzichten. Es gibt von meiner Seite aus auch nicht so viel zu loben.
Ich muss sagen, bei den Ausgaben für die Integration der Flüchtlinge setzt sich eigentlich das fort, was meine Kollegin Frau Böhm schon vorgetragen hat. Zwischen dem Gewährten und dem Benötigten existiert immer noch eine sehr große Lücke.
Wir haben in diesem Jahr intensiv über die politische Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert. Eine Rolle spielten dabei die Ausländerbeiräte, deren Vertreter in der Anhörung eindrücklich schilderten, mit welchen geringen Mitteln sie versuchen, ihre Arbeit zu machen. Bei einigen Ausländerbeiräten reicht das Geld noch nicht einmal für Kopierpapier, ganz zu schweigen von einem Kopiergerät oder dergleichen.
Auch die agah sieht sich derzeit vor sehr große Herausforderungen gestellt. Sie muss schließlich Informations- und Wahlveranstaltungen für die kommenden Ausländerbeiratswahlen initiieren, und das unter Corona-Einschränkungen. Trotz umfänglicher Aufgaben stagniert die finanzielle Unterstützung der agah seit Jahren auf niedrigstem Niveau. Ein kaputtgespartes Gremium kann aber nicht angemessen arbeiten.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir zahlen bundesweit das meiste! – Weitere Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe – Glockenzeichen)
Bitte? – Ich kann es Ihnen gerne noch einmal sagen: Ein kaputtgespartes Gremium kann nicht vernünftig arbeiten. Meine Damen und Herren, dessen müssen Sie sich bewusst sein.
Sie planen außerdem, weniger Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen auszugeben. Das ist für uns absolut nicht nachvollziehbar. Zum einen waren weltweit noch nie so viele Menschen auf der Flucht wie heute. Zum anderen wissen wir doch, wie unzumutbar und unmenschlich die Unterbringung geflüchteter Menschen in Hessen ist.
Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, spätestens jetzt wird es doch Zeit, hier mehr Geld in die Hand zu nehmen und diese Menschen wie Menschen zu behandeln.
Das wurde heute schon zur Genüge gesagt: Wir brauchen hierfür eine Wohnraumoffensive. Am wichtigsten ist natürlich eine Kehrtwende hin zur dezentralen Unterbringung, aber kurzfristig brauchen wir auch Mittel, um in CoronaZeiten die Belegungsdichte in den Unterkünften zu verringern. Da sehen wir leider keinerlei Initiative der Landesregierung, obwohl in diesem Bereich Angebote z. B. von den Landesjugendherbergen gemacht wurden. Es geht eigentlich nur darum, dass Sie Liegenschaften anmieten müssen, um die Belegungsdichte zu verringern. Sie wehren sich aber seit Monaten vehement dagegen. Wir verstehen nicht, warum.
Zwar haben Sie recht: Dass in diesem Jahr weniger Menschen in Hessen angekommen sind, trifft zu. Die Zahlen der Unterzubringenden sind dementsprechend auch gesunken. Aber das liegt doch nicht daran, dass nicht mehr Menschen fliehen, sondern nur daran, dass an den europäischen Außengrenzen tagtäglich die Menschenrechte verletzt werden. Wenn Sie darauf bauen, dass weiter Flüchtlinge illegal davon abgehalten werden, hier ihren Asylantrag zu stellen, können Sie natürlich weniger Mittel einstellen. Dann haben Sie recht. Wenn Sie aber nicht darauf vertrauen wollen, dass die Deals mit Diktatoren halten und die Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen weitergehen, wäre es meines Erachtens sinnvoll, die Gelder nicht zurückzufahren.
Eines noch: Nicht nur im Hinblick auf Corona, sondern generell im Hinblick auf den gesundheitlichen Versorgungszustand von Menschen mit Migrationshintergrund ist in Hessen noch viel zu tun. Noch immer gibt es z. B. kein medizinisch geschultes Personal, also keine Fachdolmetscherinnen und Fachdolmetscher; noch immer ist die psychosoziale Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund allgemein unzureichend, insbesondere aber die der geflüchteten Menschen, und noch immer gibt es viele unversicherte Menschen, darunter auch viele mit Migrationshintergrund, die nicht wissen, wohin sie sich im Krankheitsfall wenden sollen. Sie wollen zwar den von uns ausgearbeiteten und eingereichten Gesetzentwurf nicht annehmen, machen aber auch keine eigenen Vorschläge, wie diese Menschen gesundheitlich versorgt werden können. Aber auch in diesem Bereich werden wir weiter Mittel für Clearingstellen und für unseren Gesetzentwurf beantragen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es hat sich im Grunde durch alle Reden zu allen Einzelpläne gezogen: Das zu Ende gehende Jahr war in jeder Hinsicht ein besonderes, und das gilt in besonderem Maße natürlich auch für das Hessische Ministerium für Soziales und Integration als oberste Gesundheitsbehörde. Diese Corona-Pandemie hat
vieles überschattet, und auch das nächste Jahr wird, wenn auch unter anderen Vorzeichen – ich glaube, dafür gibt es wirklich Hoffnung –, wieder stark von Corona geprägt sein. Deshalb will ich eingangs den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Ministeriums von hier aus ausdrücklich Danke sagen. Neben vielen anderen tragen sie seit elf Monaten zusätzlich zu ihren sonstigen Aufgaben und weit über jedes Normalmaß hinaus zur Pandemiebekämpfung bei.