Den Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, helfen weder Verweise aufs Wetter noch YouTube-Kanäle mit Energiespartipps – egal, wie viele Klickzahlen sie auch haben.
Die Bundesregierung – das ist, glaube ich, deutlich geworden – versagt bei wichtigen Maßnahmen. Statt einer dauerhaften Unterstützung gibt es nur Einmalzahlungen. Statt Preise für Gas und Strom zu deckeln, werden die Kosten der Krise über die Gasumlage auf breite Teile der Bevölkerung abgewälzt. Statt endlich eine existenzsichernde Grundsicherung einzuführen, wird Hartz IV einfach in „Bürgergeld“ umbenannt, und die Erhöhung wird sogleich von der Inflation aufgefressen. Statt mit einer Übergewinnsteuer und mit einer gerechten Vermögensbesteuerung die Krisengewinner und Superreichen zur Kasse zu bitten, kommen bei den Steuerreformen und Entlastungspaketen 70 % der Entlastungen den 30 % mit den höchsten Einkommen zugute. Statt das 9-€-Ticket einfach zu verlängern, wird über 49-€- oder 69-€-Tickets debattiert. Nein, meine Damen und Herren, man muss es so sagen: Die Bundesregierung versagt dabei, die soziale Krise zu bewältigen.
Aber sie ist dabei auch nicht alleine; denn Schwarz-Grün in Hessen – das hat auch die gestrige Debatte gezeigt – scheint sich mehr mit der Frage zu beschäftigen, wie hoch der Anteil der Finanzierung an den Bundespaketen ist, statt eigene Aktivitäten zu entwickeln. Ein Gasgipfel ohne konkrete Ergebnisse, die Ankündigung eines runden Tisches mit Sozialverbänden und Energiesparpläne bei öffentlichen Einrichtungen: Mehr ist bisher bei Schwarz-Grün in Hessen nicht herumgekommen.
Wir haben kein Verbot von Energiesperren, keinen Härtefallfonds, kein Verbot von Zwangsräumungen. Das zeigt noch einmal deutlich: Diese Regierung ist ein Totalausfall im Kampf gegen die wachsende soziale Kluft im Land.
Kein Mensch darf in einer solch schwierigen Situation ohne Strom, ohne warmes Wasser und ohne Heizung leben; und kein Mensch darf seine Wohnung verlieren.
Andere Länder sind da übrigens weiter. In Bremen wird ein landesweiter Gaspreisdeckel diskutiert. Berlin plant einen Energiekostenzuschuss und einen Stromrabatt für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen. Und in Hessen: Fehlanzeige.
Ich komme zum Schluss. Für uns bleibt es auch nicht entscheidend, an welchem Wochentag die Menschen auf die Straße gehen. Entscheidend ist, dass sie auf die Straße gehen und Druck auf die Politik für Solidarität, für Gerechtigkeit und für soziale Sicherheit ausüben. Eines ist für uns klar: Dabei kann es keine gemeinsame Sache mit den braunen Hetzern von rechts geben;
denn deren Geschäft ist die Spaltung. Unser Geschäft ist die Solidarität. In Frankfurt sagen die Leute: Ebbe langts. Genug ist genug.
Nein, das ist keine Ehre. Meine Damen und Herren, ich bitte einfach, dass wir uns im Ton etwas vernünftig und
parlamentarisch benehmen. Der Begriff „braune Hetzer“ geht gar nicht. Nur, damit wir uns einig sind.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Land befindet sich unbestritten in einer schwierigen Lage. Explodierende Preise, insbesondere für Artikel des täglichen Bedarfs, für Dienstleistungen und vor allem für Energie, belasten die Menschen.
Es ist ja nicht so, dass die Politik das nicht wahrgenommen hat und nicht versucht, die Menschen zu unterstützen. Wir streiten leidenschaftlich um Lösungsansätze, um Entlastungspakete und um die Frage, wie man die bestehenden Lasten gerecht verteilen kann. Niemand in diesem Land will kalte Wohnungen, Insolvenzen und soziale Not.
Jetzt habe ich zwar auch nicht den Eindruck, dass das, was die Ampel in Berlin bietet, ein gutes Krisenmanagement und die höhere Regierungskunst wäre – keinesfalls. Andererseits haben wir zuletzt bei der Bewältigung der CoronaPandemie gesehen, dass wir als Gesellschaft leistungsfähig und meist auch solidarisch sind. Das schafft Vertrauen.
Aber was Sie von der Linkspartei hier veranstalten wollen, ist durchschaubar und perfide. Sie rufen einen „heißen Herbst“ aus. Das machen Sie, um die Stimmung in unserem Land anzufachen. Sie hoffen, aus der Sorge der Menschen vor steigenden Kosten Profit zu schlagen. Sie wittern vor allem ein Konjunkturprogramm für Ihre darniederliegende Partei.
Seit Langem schon suchen Sie ein Thema, um wieder als Protestpartei wahrgenommen zu werden und um Unzufriedenheit in politisches Kapital umzumünzen.
Was latent mitschwingt: Sie wollen die Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation auch dazu nutzen, um die Systemfrage zu stellen.
Die Sicherheitsbehörden, insbesondere im Osten Deutschlands, sorgen sich, dass soziale Themen durch extremistische Gruppen sowohl von rechts als auch von links für eine verfassungsfeindliche Agenda genutzt werden. Darauf zahlen Sie am Ende auch voll ein.
Kolleginnen und Kollegen, was ich besonders geschichtsvergessen und deplatziert finde – Herr Schalauske, Sie haben versucht, dies ein bisschen zu relativieren –, ist: Sie rufen zu Montagsdemonstrationen auf. Sie kapern damit den historischen Begriff der „Montagsdemonstrationen“ der Menschen in der ehemaligen DDR, die gegen das SED-Unrechtsregime demonstriert haben, für Ihre Vorhaben. Ausgerechnet Sie, Herr Schalauske, das ist einfach nur schlimm.
Im Deutschlandfunk war dieser Tage ein Bericht über Ihre Montagsdemo auf einem Platz in Leipzig zu hören. Auf der einen Seite des Platzes standen Sie, auf der anderen Seite rechte Gruppen rund um AfD und Co. Nun möchte ich nicht so weit gehen, Sie gleichzusetzen; aber der Mechanismus, der dahinter steckt, ist genau der gleiche: Mobilisierung gegen das System.
Die alte Theorie: „les extrêmes se touchent“, bekommt dadurch eine traurige, eine neue, eine körperliche Komponente, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dazu passt, dass vor einer Woche im Thüringer Landtag ebenfalls eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „heißer Herbst“ eingereicht wurde, allerdings nicht durch DIE LINKE, sondern durch die AfD; und genau dies sollte Ihnen zu denken geben.
Kolleginnen und Kollegen, auf besagter Demo in Leipzig kamen bekannte Politiker der LINKEN zu Wort, unter anderem auch Gregor Gysi. Mit deutlichen Worten wurden dort die Kosten für die notwendige Aufrüstung der Bundeswehr gegen die Kosten der sozialen Sicherung aufgewogen und ausgespielt. Mich erinnert dies alles an die Agitation der Kommunisten gegen den NATO-Doppelbeschluss und Co., was am Ende nur dem undemokratischen Osten in die Karten gespielt hat.
Man hat den Eindruck, mit einem schwachen Deutschland, das sich nicht gegen die Bedrohung aus Russland zur Wehr setzen kann, wären Sie am Ende ganz einverstanden.
Was mich besonders geärgert hat: In dieser Rede wurde wieder behauptet – das haben Sie schon öfter gesagt –, dass der Westen und die NATO am Krieg in der Ukraine am Ende eine Mitverantwortung trügen, weil man mit der NATO-Osterweiterung zu nahe an die russische Einflusszone herangerückt sei. Man muss sich dies einmal auf der Zunge zergehen lassen: Im Jahr 2022 gibt es noch immer einflussreiche Politiker in Deutschland, die nicht das Selbstbestimmungsrecht der Völker zur Grundlage ihres Denkens nehmen, sondern die glauben, sie hätten das Recht, andere Staaten über deren Köpfe hinweg in Einflusszonen einzuordnen. Das ist einfach nur unfassbar.
Ich komme zum Schluss. Wir nehmen die Sorge der Menschen um ihre wirtschaftliche Lage ernst. Ich habe am Ende – trotz aller Kritik an der Ampel – ein Grundzutrauen, dass wir diese Krise gemeinsam meistern werden; denn wir führen auch einen Kampf der freiheitlichen Demokratien gegen autoritäre Systeme wie vor allem in Russland. Dafür müssen wir zusammenstehen. Und Sie von der Linkspartei müssen sich entscheiden, wo Sie stehen – im Lager der freiheitlichen Demokratien oder bei denjenigen, die unsere Gesellschaft schwächen. Um in Ihrem Jargon zu sprechen: „Sag mir, wo du stehst.“ Genau auf diese Aktivitäten hin werden wir Sie in der nächsten Zeit hinterfragen. – Herzlichen Dank.