Von dort wird kritisiert, dass die Konferenzen keine Entscheidungs- und Verfügungskompetenzen haben. Das wäre aber notwendig, damit überhaupt ein Planungs- und Gestaltungsprozess auf den Weg gebracht werden kann. Die kreisfreien Städte und die Landkreise sind zwar in den Gesundheitskonferenzen vertreten, sie sind jedoch nicht stimmberechtigt. Obwohl sie für die stationäre Versorgung verantwortlich sind, dürfen sie nicht mitstimmen.
Das ist eine bedenkliche Änderung durch die Landesregierung im Gesetz, auch wenn sie sich erst einmal nach einer Kleinigkeit anhört. Denn das zeigt den fehlenden Willen – das ist bekannt –, eine Gesundheitsplanung in Hessen vorzunehmen. Die Landesregierung ist nicht bereit, sich festzulegen, welche Kriterien für eine gute gesundheitliche Versorgung erforderlich sind. Das Land ist allerdings in der Verantwortung – andere Bundesländer machen das durchaus vor –, eine landesweite Planung auf den Weg zu bringen. Sie möchten sich nicht mit den Trägern der Kliniken, mit den Kommunen, den Verbänden und denjenigen, die bisher auch in der ambulanten Versorgung tätig sind, zusammensetzen, um zu klären, welche Einrichtungen in welchen Regionen aufgrund der Bevölkerungsstruktur, der Entfernung, der Mobilität und anderer Kriterien tatsächlich erforderlich sind.
Sie sind nicht einmal in der Lage, den Krankenhausgipfel zu veranstalten, der von vielen Verbänden gefordert wurde und den Sie nach langem Drängen zugesagt haben – und das in einer Situation, in der auch die hessischen Kliniken die Alarmstufe Rot ausgerufen haben. Bisher hat fast die Hälfte der Kliniken Liquiditätsprobleme. Mit den Preissteigerungen und ohne staatliche Maßnahmen werden noch mehr Kliniken gefährdet sein und Insolvenz anmelden müssen. Denn ohne Liquidität keine Zahlungen – dann ist die einzige Möglichkeit die Insolvenz. Die Gefahr besteht sogar, dass weitere Kliniken schließen müssen.
Ist das der Strukturwandel auf dem kalten Weg: Nur die überleben, die die größten Finanzgeber hinter sich haben, die die Klinik nutzen, um ihre Produkte loszuwerden und Gewinne zu generieren? Dieses Nichthandeln unterstützt die Profite der Gesundheitskonzerne und gefährdet die Versorgung der Bevölkerung.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde möchte ich zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs gar nicht mehr so viel sagen. Schon mehrfach wurde betont, wie wichtig dieses Gemeinsame Landesgremium für die intersektorale Zusammenarbeit ist.
Dass wir die Hebammen jetzt mit Stimmrecht auch in dieses Landesgremium schicken können, wurde im Rahmen der Auswertung der Anhörung beraten. Einige Anzuhörende erachten das als schwierig. Ich erachte das immer noch als gut. Ich möchte auch gern klar den Unterschied benennen. Hebammen können sehr wohl im Gegensatz zu anderen Heilmittelerbringern eigenständig arbeiten. Sie brauchen keine Verordnung eines Arztes, um tätig zu werden. Deswegen sehen wir ganz klar die Wichtigkeit, auch weil Hebammen vor allem intersektoral arbeiten: sowohl in der Klinik als auch bei Hausbesuchen. Daher ist es wichtig, dass sie mitreden dürfen.
Gern gehe ich auf die zwei Änderungsanträge ein, die von der LINKEN und der SPD gestellt wurden. Ich möchte hierbei ganz klarmachen, dass die regionalen Gesundheitskonferenzen auch dann stattfinden können sollen und auch dann beschlussfähig sein sollen, wenn das Ministerium nicht anwesend sein kann. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Ministerien selbstverständlich eingebunden werden und immer dazukommen können. Im Nachhinein werden alle Beschlüsse selbstverständlich auch ans Ministerium übermittelt. Aber es davon abhängig zu machen, ob dieses Gremium überhaupt tagen kann – nur, wenn das Ministerium anwesend ist –, wird nicht als dringend notwendig erachtet. Deswegen werden wir diesen Änderungsanträgen nicht zustimmen.
Ansonsten sind wir auf einem guten Weg. Das Gemeinsame Landesgremium wird gut arbeiten können – gemeinsam mit den Hebammen und den vielen anderen wichtigen Playern im Gesundheitswesen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Anders. – Als Nächste Frau Dr. Sommer und danach Frau Ravensburg. Frau Dr. Sommer, bitte.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sektorenübergreifende Versorgung ist ein Dauerthema. Es steckt in Hessen in den Kinderschuhen. Um sektorenübergreifende und regionale Versorgungsnetzwerke aufzubauen, sind eine Bedarfsplanung, die Entwicklung der notwendigen Infrastruktur und vor allem ein Anreiz- und Steuerungssystem nötig. Deswegen haben wir unseren Änderungsantrag gestellt.
Es geht nicht darum, ob sie stattfinden oder nicht, sondern es geht darum, ob das Ministerium etwas mitbekommt. Die Landesregierung in Form des HMSI soll weiterhin an den Gesundheitskonferenzen teilnehmen, und zwar verbindlich. Denn die Kannoption lässt den Schluss zu, dass Sie gar nicht wollen. Und das bedeutet, nicht zu steuern, Verantwortung zu scheuen, nicht intensiv an der sektorenübergreifenden Versorgung zu arbeiten.
Die Landesregierung muss steuern und Verantwortung übernehmen, sonst sollte sie keine Legitimation haben. Es gibt nämlich den gesetzlichen Auftrag, dass Sie das zu machen haben. Deswegen sollten weder das Gremium noch die Gesundheitskonferenzen zahnlose Tiger sein.
Ich betone es noch einmal: Es braucht Steuerung, Führung und vor allen Dingen eine eigene Idee, eine Vision, ein Gesamtkonzept für die Gesundheitsversorgung in Hessen. Das vermissen alle sehr.
Wir fordern Sie auf, Verantwortung zu übernehmen und zu gestalten. Mehr Zusammenarbeit und eine bessere Vernetzung unterschiedlicher Versorgungsbereiche sind ein wichtiger Schlüssel für eine gute Versorgung, unabhängig von Alter, Wohnort oder Geldbeutel. Darauf muss das Land endlich Antworten geben.
Ich möchte das Entlassmanagement hier kurz in den Fokus rücken. Gerade nach einer akut-stationären Behandlung braucht es die Informationen, die dann an die nachbetreuenden Organisationen gehen, um die Anschlussversorgung vorzubereiten. Bislang sind das aber abgegrenzte Bereiche. Genau an den Schnittstellen gibt es dann oftmals keine Kontinuität der Versorgung. Das kann nicht sein. Menschen, die pflegebedürftig sind oder zu Hause pflegen, fühlen sich oftmals ohnmächtig, weil sie an den Sektorengrenzen scheitern. Hier braucht es innovative, bedarfsgerechte und flächendeckende Lösungen.
Meine Damen und Herren, wer pflegt, der hat keine Zeit, um auf die Straße zu gehen. Das hat der VdK mit seiner „Demonstration ohne Menschen“ hier in Wiesbaden gestern eindrucksvoll gezeigt. Ich danke allen Pflegenden, die sich liebevoll um die Pflege und die Betreuung kümmern. Wir wollen auf ihre oft schwierige Situation aufmerksam machen und endlich Abhilfe schaffen. Ziel muss es deswegen sein, Angebote und Maßnahmen so aufeinander abzustimmen, dass sie die Gesundheit aller Menschen stärken, dass die Betroffenen die Hilfe finden, die sie benötigen, und dass sie sich nicht länger alleingelassen fühlen.
Ich komme zum Schluss. Derzeit ist die Sektorentrennung stark. Es gibt einzig Insellösungen, deswegen braucht es –
ich habe es schon gesagt – ein Ausloten von existierenden Lösungen und Gestaltungspotenzialen, Kriterien für eine intersektorale Versorgung, die Ermöglichung der sektorenübergreifenden Daten, vor allem aber Gestaltungsanspruch und -willen sowie Steuerung dieser Landesregierung. Da haben Sie leider viel Luft nach oben. Ziehen Sie sich nicht zurück, gehen Sie – auch wenn es heute Abend schon spät ist – voller Power voraus, und stimmen Sie unseren Anträgen zu. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Dr. Sommer. – Claudia Ravensburg ist als Nächste dran und danach Kollege Promny für die FDP.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zu dieser späten Stunde will ich auch nur zu einigen wichtigen Punkten und zu der Anhörung Stellung nehmen. Wir sehen auf jeden Fall in der Verbesserung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit eine sehr wichtige Aufgabe. Die Bedeutung steigt. Da sind wir uns im Haus, glaube ich, einig. Das wurde auch in der Anhörung bestätigt. Wir müssen künftig vernetzter denken. Das sektorenübergreifende Denken ist notwendig. Aber ich sehe auch, dass das längst in der Patientenversorgung Einzug gehalten hat; denn wir haben eben einen Ärztemangel. Deshalb sind fachübergreifendes Denken und das Nutzen der in der jeweiligen Region vorhandenen Kompetenzen sehr wichtig, um eine ganzheitliche Betrachtung vorzunehmen und auch um Gesundheitsregionen zu vernetzen.
Zu diesem Zweck wurde das Gemeinsame Landesgremium geschaffen. Ich möchte hier ausdrücklich sagen: Bei diesem Landesgremium ist das Sozialministerium selbstverständlich immer vertreten. Dieses soll auch die Steuerung übernehmen. Denn es gehört auch hier die Zusammenarbeit der Gremienteilnehmer auf Augenhöhe dazu. Deshalb ist es auch richtig, dass alle mit Stimmrecht vertreten sein sollen. Die in der Anhörung geäußerte Kritik am Stimmrecht der Hebammen können wir überhaupt nicht teilen; denn gerade die Hebammen wechseln berufsbedingt regelmäßig zwischen dem ambulanten und stationären Sektor. Unser Ziel ist es, die Hebammen aufzuwerten und ihrer Bedeutung gerecht zu werden. Deshalb sollten sie mit eigenem Stimmrecht vertreten sein – ein wichtiger Schritt zur gleichwertigen Anerkennung der Arbeit der Hebammen rund um Schwangerschaft und Geburt.
Ich möchte zu den Anträgen der SPD und der LINKEN auch noch sagen, dass es bei den Gesundheitsregionen natürlich unser Ziel sein sollte, dass das neben den regionalen Gesundheitskonferenzen zukünftig noch weiter heruntergebrochen wird, z. B. auf die Kreisebene. Ich möchte unseren Landkreis erwähnen, Frau Dr. Sommer. In der Kreistagssitzung am kommenden Montag werden wir eine Vorlage über ein Rahmenkonzept zu einer kommunalen Gesundheitskonferenz haben. Das werden wir ganz sicher auch begrüßen; denn die Strukturen im Landkreis Waldeck-Frankenberg z. B. sind mit Strukturen im Rhein-Main-Gebiet überhaupt nicht zu vergleichen. Deshalb ist es wichtig, dass solche Gesundheitskonferenzen auch auf dieser Ebene stattfinden.
Wenn die Ministerien diese Entwicklung persönlich verfolgen, sind sie herzlich willkommen; aber sie können genauso gut die Erkenntnisse – das ist wichtig – zur Kenntnis nehmen, damit sie dann Einzug in das Gemeinsame Landesgremium finden. Daher sind wir gegen die Änderungsanträge und lehnen diese ab.
Ziel muss es auf jeden Fall sein, eine gute Versorgung in jeder Region Hessens sicherzustellen. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung heute zustimmen. – Herzlichen Dank und einen schönen Abend.
Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Promny für die FDP-Fraktion. Dann ist noch der Zettel von Frau PapstDippel hier.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte über den Gesetzentwurf zur Bildung von Gremien zu Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung ist wichtig. Es ist richtig, dass wir diese Debatte heute führen. Ich möchte ganz kurz für die Freien Demokraten Stellung beziehen.
Grundsätzlich begrüßen wir die Verlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes. Wenn einige Veränderungen bei Stimmrechten vollzogen wurden, ist es natürlich klar, dass das nicht alle Befragten glücklich gemacht hat. Das ist denklogisch auch nachzuvollziehen. Jeder Verband wünscht für sich selbst natürlich eine möglichst starke Stimme in diesen Gremien.
Wir Freie Demokraten merken an dieser Stelle noch an, dass eine zu große Teilnehmerzahl der Gesundheitskonferenz die Arbeitsfähigkeit des Gremiums einschränken könnte. Wir plädieren daher dafür, die Stimmrechtsvergabe und die Anzahl der Stimmberechtigten in regelmäßigen Abständen zu evaluieren und dann gegebenenfalls auch anzupassen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren heute wieder über Änderungen zu einem auslaufenden Gesetz, das die komplexe sektorenübergreifende Versorgung im Gesundheitswesen weiter verbessern soll. Eine auf den Patienten bezogene, sektorenübergreifende Versorgung muss zunächst kommunal gut koordiniert werden. Daher ist es begrüßenswert, dass noch einmal „insbesondere regionale und fachspezifische Versorgungsnotwendigkeiten berücksichtigt werden“.