Herr Präsident, sehr verehrte Abgeordnete! Bei der, wenn ich es richtig gezählt habe, fünften Debatte rund um das Thema öffentlicher Personennahverkehr, Infrastruktur etc. dürften wahrscheinlich die meisten jetzt schon gemerkt haben, dass wir den hier sehr verbreiteten Schienenfetisch nicht teilen.
Aber natürlich müssen wir uns dem Thema der gefühlt unendlich langen, geradezu sklerotischen Planungsverfahren stellen. Da sind wir erst einmal grundständig mit Sympathie jedem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen. Dass die FDP hier – so sage ich es einmal – eine Idee präsentiert, ist auf jeden Fall eine Überlegung wert.
Natürlich müssen wir schauen: Ist diese Idee auch geeignet, die Ziele zu erreichen? Bei solchen Fragen ist natürlich eine Anhörung immer ein sehr wichtiges Mittel. Es war wie immer: Alle Fraktionen ziehen aus diesen Anhörungen das heraus, was ihre Position, die sie vorher schon hatten, unterstützt. Im Übrigen gibt es da eigentlich keine Veränderung in der Sache. Aber gut, das gehört wahrscheinlich zu den Regeln des Spiels. Wir sind ja noch in der Lernphase.
So, jetzt lasst uns einmal überlegen, was nun inhaltlich in Ihrem Vorschlag steckt. Sie selbst haben die Planungsgesellschaft Regionaltangente West dargestellt, kurz RTW. Das ist die Blaupause für Ihr Vorhaben. Es ist auch schon zutreffenderweise gesagt worden – da muss ich der Kollegin Heitland durchaus einmal recht geben –: Es ist natürlich die Frage, ob das, was zum Erfolg der RTW-Planungsgesellschaft geführt hat, mit einer solchen Landesgesellschaft überhaupt funktionieren würde.
Es ist der regionale Bezug. Die Stakeholder sitzen direkt dort am Tisch und haben natürlich auch ein absolutes Interesse daran, dass das Ganze funktioniert. Auf Landesebene sieht das eben ein bisschen anders aus.
Wenn Sie das jetzt noch ein bisschen nachgeschärft haben, dann ist es eigentlich so, dass das, was die RTW-Planungsgesellschaft war und ist, jetzt gewissermaßen die Tochtergesellschaften innerhalb der Holdingstruktur wären und dass Sie jetzt mit der Landesgesellschaft ein Mutterschiff schaffen wollen. Wenn doch in diesen Planungsverfahren
oftmals die vielen Schnittstellen, die zu bedienen sind, das Problem darstellen und viele Räder ineinandergreifen müssen, damit sich diese Verfahren nicht endlos hinziehen, dann haben wir schon ein gewisses Problem, nachzuvollziehen, warum mit mehr Schnittstellen, mehr Gesellschaften das Ganze besser funktionieren soll.
Insofern können wir leider Ihren Gesetzentwurf so nicht mittragen. Wir bleiben bei der Enthaltung, möchten dem aber auch nicht aktiv entgegenstehen. Ich hoffe, auch wenn Sie jetzt wieder einmal meinen Beitrag hier maximal böswillig interpretieren werden, dass jetzt niemand ernsthaft auf die Idee kommt, mir Hass und Hetze gegen Schieneninfrastruktur zu unterstellen.
Aber, sehr verehrte Abgeordnete, so schlimm können unsere Beiträge und Argumente gar nicht sein. Denn Sie schaffen es ja nicht einmal, vernünftig zu zitieren, ohne eine böswillige Verzerrung dessen, was wir hier vortragen. Quer durch alle Debatten kommen Sie offensichtlich nicht ohne das aus. Das bestärkt uns in unserer Arbeit. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Lichert. – Uns liegen keine Wortmeldungen der Fraktionen mehr vor. Herr Staatsminister, it’s your turn.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zuallererst einmal sagen, dass mir Folgendes auffällt. Wenn im Koalitionsvertrag steht – das ist ja bewusst so gemacht worden –, dass man etwas prüft, dann macht man das, weil man überlegen will: Was gibt es für Pro-Argumente, was gibt es für Kontra-Argumente? Danach kommt man zu einer Entscheidung. Wir sind zu der Entscheidung gekommen, dass eine solche eigene Gesellschaft am Ende wahrscheinlich deutlich mehr Aufwand als Nutzen hervorbringen würde. Wir sind vor allem mit Blick darauf, dass es uns in den letzten Jahren gelungen ist, den Schienenausbau in Hessen voranzubringen, und mit Blick auf die gegenwärtigen Strukturen zu dem Schluss gekommen, dass das so keinen Sinn macht. Genau weil man das vorher nicht wusste, steht ein Prüfauftrag drin – und dann kommt man zu einem Ergebnis.
Was mir schon auffällt, und zwar generell, ist, dass es hier sehr oft einen Wunsch nach Zentralisierung gibt. Das hatten wir auch schon bei dem Gesetzentwurf der FDP zu der Frage, Radschnellwege in die Baulast des Landes zu nehmen, und Ähnlichem. Jetzt ist es eine grundsätzliche Frage, ob wir glauben, dass alles besser läuft, wenn man eine Landesgesellschaft gründet, alles in die eigene Verantwortung nimmt und Kommunen oder andere Player in dem Fall aus der Verantwortung entlässt. Meine Erfahrung aus den letzten Jahren ist, dass dann oft genau das Gegenteil passiert.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. – Herr Kollege Dr. Naas, wenn ich Ihre Aufmerksamkeit haben dürfte.
Wir sind elfeinhalb Jahre nach Fukushima. Danach hat man gesagt: Atomausstieg – und jetzt muss ganz schnell das Stromnetz ausgebaut werden mit Gleichstromleitungen. – Vor elf Jahren hat man gesagt: Damit das schneller geht, zentralisieren wir das bei der Bundesnetzagentur. – Ich glaube, verantwortlicher Minister war Philipp Rösler. Elf Jahre später stellen wir fest: Es ist kein Meter gebaut – kein Meter.
Ich wiederum kann sagen: In den Bereichen, wo wir als Länder noch zuständig waren – beispielsweise bei den 380-kV-Leitungen –, haben wir die hessische Variante, den hessischen Teil von Wahle–Mecklar, in eigener Verantwortung gemacht. Sie werden es kaum glauben. Wir haben es geschafft, alle zusammenzubringen, weil wir immer schön viel kommuniziert haben, weil wir näher dran waren, weil wir auch in eigener Verantwortung waren. Wir haben es am Ende geschafft, einen Planfeststellungsbeschluss hinzubekommen. Niemand hat dagegen geklagt, und die Leitung ist im Bau.
Manchmal macht es auch Sinn, irgendetwas zu zentralisieren. Aber eben nicht immer, wir müssen uns schon überlegen, ob das am Ende wirklich im Sinne der Erfinder ist.
Deswegen ist meine Erfahrung der letzten Jahre: Ja, man muss mit den Kommunen viel reden. Übrigens gab es auch bei der Planungsgesellschaft der Regionaltangente West viele muntere Diskussionen, auch mit Kommunen. Die tollsten Diskussionen hatte ich mit Fritz Krüger und Mathias Geiger – nur einmal so in Ihre Richtung, aber die kennen Sie ja auch.
Dementsprechend ist klar: Da muss man viel kommunizieren. – Wir haben es am Ende geschafft, dass wirklich etwas vorangegangen ist. Und ja, es stimmt, wir sind als Land beigetreten, aber eben nicht als Mehrheitsgesellschafter, sondern als Unterstützer, und wir haben die Kommunen auch in der Mitverantwortung gelassen. Genau das, diese partnerschaftliche Zusammenarbeit, die bei der RTW gut funktioniert hat, zeigt, dass wir die Kommunen mit im Boot brauchen, dass wir aber nicht so tun sollten, als würden wir als Land quasi alles besser können. Wir wollen, dass auch weiterhin vor Ort entschieden wird und mitgearbeitet wird; denn das bringt am Ende schnell ein Ergebnis.
Zum zweiten Punkt, der mir wichtig ist. Die meisten Projekte, die wir hier in Hessen beim Schienenausbau haben – wir haben ja etliche; ich habe vorhin in der Debatte vor zwei Stunden viele genannt –, sind natürlich im Bereich von DB Netz, also der Deutschen Bahn. Da will ich dann schon einmal sagen: Auch da braucht es Veränderung. Deswegen ist es gut, dass im Koalitionsvertrag auf Bundesebene steht – ich hoffe, dass Herrn Wissing da nicht der Mut verlässt –, dass man DB Netz und DB Station & Service zu einer Infrastrukturgesellschaft zusammenlegt, die – Achtung – keinen Gewinn mehr machen muss, sondern gemeinwohlorientiert arbeitet. Das ist Infrastruktur. Das würde helfen, dass wir da vorankommen.
Ich schaue einmal in die Reihen der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Sie müssen auch beachten: Manche Gewerkschaften finden das nicht gut – aus Gründen, die ich nicht verstehen kann. Ich glaube, am Ende müssen wir
alle ein gemeinsames Interesse daran haben, dass wir das wirklich wieder gemeinwohlorientiert machen können. Ich fände es gut, wenn uns das gelingt. Das würde sicherlich helfen in den vielen Bereichen, die noch vor uns liegen.
Ja, wir haben auch noch kommunale Projekte, die wir übrigens immer mit viel Geld unterstützen, beispielsweise die Reaktivierungsprojekte oder auch – ganz wichtig – die kommunalen Stadtbahnprojekte, die U-Bahn-Projekte. Auch da haben sich in den letzten Jahren die Bedingungen deutlich verbessert. Das Bundes-GVFG wurde gerettet, es wurde aufgestockt, und der Fördersatz wurde noch einmal erhöht auf 75 %. Ich glaube, an diesem Punkt kann man sehen, dass wir in diesem Bereich insgesamt schnell vorankommen und dass wir das in den gegenwärtigen Strukturen schaffen.
Ja, ich glaube, dass es dazu auch die Unterstützung des Landes braucht. Unterstützung in dem Fall, dass wir sagen, dass wir alles möglich machen, um finanzielle Förderung sicherzustellen, dass wir auch Druck machen. Bei der RTW war es so – Herr Naas, das war ein Projekt, das lange brachlag, wenn ich das einmal so sagen darf –: Der Planungsauftrag des Magistrats der Stadt Frankfurt war von 2005. Die Gesellschaft wurde 2008 gegründet, und 2014 war immer noch nichts passiert. Das war der Moment, wo wir gesagt haben: „Wir treten bei“, und wir haben es am Ende geschafft, diesen Laden wirklich ins Laufen zu bringen. Aber eben nicht, indem wir den Eindruck vermittelt haben, das machen jetzt alles wir, sondern indem wir die unterschiedlichen Verantwortlichen dazu gebracht haben, ihre Verantwortung auch wahrzunehmen. Das werden wir weiterhin tun.
Aber jetzt eine neue Gesellschaft zu gründen ist aus unserer Sicht nicht zielführend, sondern würde eher dafür sorgen, dass es erst mal langsamer geht. Und das können wir wirklich nicht brauchen. – Vielen Dank.
Wir bedanken uns bei dem Staatsminister. – Ich stelle fest, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Debatte schließe.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der Freien Demokraten „Schnelle Schiene Hessen“. Den Rest erspare ich uns und Ihnen. Ich frage: Wer ist für den Gesetzentwurf? – Die Fraktion der FDP. Wer ist gegen den Gesetzentwurf? – Die Fraktionen von CDU, GRÜNEN, DIE LINKE und Herr Kahnt. Wer enthält sich? – Das sind die Sozialdemokraten und die AfD. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt worden.
Zweite Lesung Gesetzentwurf Landesregierung Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Bildung von Gremien zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung – Drucks. 20/9110 zu Drucks. 20/8768 –
Da es sich um die zweite Lesung handelt, bitte ich um Berichterstattung. Frau Ravensburg steht hier schon mit einem Zettel in der Hand. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung anzunehmen, mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freien Demokraten bei Enthaltung von SPD, AfD und DIE LINKE.
Vielen Dank. – Damit beginnt die Debatte zur zweiten Lesung. Ich habe bisher eine Wortmeldung von Frau Böhm. – Frau Böhm wird behindert durch ihren parlamentarischen Geschäftsführer. Das wollte ich jetzt einmal zu Protokoll geben. – Frau Böhm, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich lasse ich mich von niemandem hindern, meine letzte Rede für diese Woche zu halten. Denn das wird langsam Zeit.
„Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung“ hört sich gut an; das brauchen wir. Wir würden das Ganze allerdings „sektorenfrei“ nennen und dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten immer die beste Versorgung bekommen – ambulant, wenn es möglich und die entsprechende Nachversorgung zu Hause gegeben ist, stationär, wenn es notwendig ist, und gegebenenfalls die Übergangspflege in der Klinik.
Ich bleibe allerdings weiterhin skeptisch, dass uns dieses Gremium weiterhilft. Ich habe das schon im Rahmen der ersten Lesung gesagt und auf die Protokolle hingewiesen, die nur aufzeigen, dass man sich zu wenigen Themen austauscht. Warum man sich da über Stimmrechte streitet, ist für mich ein Rätsel. Aber wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass die Verbände auch sonst den Eindruck haben, dass sie an der Politik der Landesregierung insgesamt nicht angemessen beteiligt sind. Das Gute ist, dass der Hebammenverband Mitglied dieses Gremiums wird, zumal er gut hineinpasst, weil er die Sektorenfreiheit lebt.
Aber ein Thema – deswegen habe ich mich gemeldet; insgesamt werden wir uns zum Gesetzentwurf enthalten – möchte ich hervorheben, nämlich die Gesundheitskonferenzen. Nicht zufällig liegen zwei Änderungsanträge, nämlich von der LINKEN und der SPD, zu diesem Gesetzentwurf vor, die beide dasselbe wollen, es nur etwas anders formulieren.
Ich stimme der Einschätzung des Hessischen Städtetags eindeutig zu, dass diese Gesundheitskonferenzen für eine ortsnahe und flächendeckende Gesundheitsversorgung wichtig sind. Deswegen müssen sie gestärkt werden. Das ist gerade, wie der Städtetag sagt, im ländlichen Raum erforderlich, wo vermehrt ältere oder benachteiligte Men
schen wohnen und die Infrastruktur viel zu wünschen übrig lässt. Ich kann nicht verstehen, warum die Hessische Landesregierung die Beteiligung des Sozialministeriums an den regionalen Gesundheitskonferenzen nicht mehr verpflichtend vorsieht und diese damit vorsätzlich schwächt. Das ist ein großer Fehler.
Bisher beschäftigen sich diese Gesundheitskonferenzen, die eigentlich die gesamte Gesundheitsversorgung in der Region beraten sollen, vorwiegend mit der stationären Versorgung. Wie der Städtetag informiert, erschöpft sich die Beratung meist in der Diskussion um Bettenabbau.