Protocol of the Session on March 31, 2022

Ja, ich kann auch mit guter Laune beginnen. – Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute in dieser Aktuellen Stunde über die Situation, über Reformen in der hessischen Finanzverwaltung. Ich möchte meine Rede tatsächlich mit guter Laune und einer ein bisschen anderen Perspektive als die Vorredner beginnen. Ich möchte nämlich damit beginnen, mich ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen der hessischen Finanzbehörden für ihre wichtige Arbeit für unser Gemeinwesen ganz ausdrücklich zu bedanken;

(Beifall DIE LINKE, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn, ich glaube, ich trete niemandem zu nahe, wenn ich sage, dass bei den beliebtesten Berufsgruppen der Job des Finanzbeamten nicht immer gleich ganz oben in den Top 10 zu finden ist.

(Zuruf: Was?)

Gleichzeitig sind die Finanzbehörden aber ein ganz wichtiger Grundstein für ein funktionierendes Gemeinwesen und

ein funktionierendes Gemeinwohl. Die Bereitstellung von Schulen, Hochschulen, Bibliotheken, Schwimmbädern, überhaupt die öffentliche Infrastruktur und soziale Sicherheit ebenso wie soziale Unterstützungsmaßnahmen sind allesamt Grundlagen unseres Gemeinwesens. Die werden aus Steuern bezahlt. Um diese einzuziehen, braucht es eine gut ausgestattete Finanzverwaltung. In diesem Sinne also herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen in der hessischen Finanzverwaltung.

Dafür brauchen sie aber eben auch genügend Personal. Sie brauchen auch attraktive Arbeitsbedingungen. Da sind wir der festen Meinung: Hier hapert es bei der schwarz-grünen Landesregierung noch gewaltig, hier ist noch sehr viel Luft nach oben.

Mit der Strukturreform, die wir heute diskutieren, hat Schwarz-Grün einige Hundert Arbeitsplätze in den ländlichen Raum verlegt. Es wurden Standorte erhalten. Es ist grundsätzlich auch zu begrüßen, die Arbeit wieder näher an die Menschen zu bringen, Pendelei zu reduzieren, Lebensqualität zu stärken und auch den ländlichen Raum, den Ballungsraum zu entlasten. All das findet unsere Zustimmung.

Am Ende ist die Frage aber auch: Haben Sie diese Strukturreform eigentlich systematisch mit den Kolleginnen und Kollegen ausgewertet? Welche positiven Effekte konnten Sie erzielen? Welche Schlüsse haben Sie daraus gezogen? Welche Schlüsse ziehen Sie daraus eigentlich für andere Bereiche der Landesverwaltung? Auf all diese Fragen haben Sie heute in der Debatte keine Antwort gegeben, meine Damen und Herren.

(Unruhe SPD – Silvia Brünnel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Können Sie die Seitengespräche bitte einstellen!)

Während Schwarz-Grün, die Landesregierung die Arbeitsplätze in den ländlichen Raum verlegt, fusionieren Sie andererseits die großen Ämter – allen voran Frankfurt am Main, das ist auch angesprochen worden.

Auch da bleibt offen, welche positiven Effekte es am Ende haben soll, wenn alle Betriebsprüfungen zentralisiert werden. Wie ist das eigentlich mit der räumlichen Ausstattung? Wie ist das mit den Arbeitsabläufen und auch mit den Arbeitsstrukturen? Solange das nicht angemessen rückgekoppelt wird, ist noch eine gewisse Skepsis angesagt.

(Beifall DIE LINKE)

Eine wichtige Grundlage für eine gut ausgestattete Steuerverwaltung sind ausreichend Personal, attraktive Arbeitsbedingungen usw. Schauen wir uns einmal die Personalausstattung an. Frau Schardt-Sauer, liebe Marion, liebe FDP, es ist eben nicht so, dass ein gewaltiger Personalaufbau in den hessischen Finanzbehörden stattgefunden hat. In der Zeit von 2010 bis 2020 sind die Zahl der Stellen und die Zahl der Vollzeitäquivalente nahezu gleich geblieben. Sicher, Arbeitsabläufe haben sich verändert. Die Digitalisierung hat manches erleichtert. Gleichzeitig wurde aber auch von immer komplexeren Anforderungen gesprochen. Da muss man doch einmal die Frage stellen: Reicht es eigentlich, mit dem Personalbestand von 2010 die Aufgaben der Zukunft für die Finanzbehörden zu bewältigen? Dazu habe ich von Schwarz-Grün in dieser Debatte nichts gehört.

Die Corona-Pandemie hat die Finanzbehörden zweifelsohne vor große Herausforderungen gestellt. Die Kolleginnen und Kollegen haben mit der ganzen Mehrarbeit ungeheuer viel geleistet. Auf Anfrage unserer Fraktion kam heraus, dass die Prüfquote über alle Betriebsgrößen hinweg während der Corona-Pandemie gesunken ist. Auch diese Zahl muss man doch zur Kenntnis nehmen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Jetzt kommt auch noch die Grundsteuerreform. Hier musste Hessen einen von uns scharf kritisierten Sonderweg gehen, der wenig mit Steuergerechtigkeit zu tun hat. Auch dafür braucht es mehr Personal. Auch hier müssen Sie am Ende die Frage beantworten, wie viele Kolleginnen und Kollegen Sie mehr einstellen wollen.

In den vergangenen Jahren haben Sie sich immer dafür gelobt, 800 Planstellen für die Ausbildung in die Haushaltspläne eingestellt zu haben. Haben Sie aber auch einmal geschaut, wie viele am Ende davon übrig bleiben? Wie viele Kolleginnen und Kollegen finden dann den Weg in die Finanzbehörden? Es scheint doch so zu sein, dass ein Drittel eines Ausbildungsjahrgangs gar nicht den Dienst in den Finanzämtern antritt. Meine Damen und Herren, das ist doch kein Grund zum Feiern, sondern das ist ein Problem – ein Problem des hessischen Finanzministers.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Herr Abg. Schalauske, ich warte auf Ihren letzten Satz.

Der letzte Satz. Dann kann ich Ihnen nicht mehr viel zu den Arbeitsbedingungen sagen, bei denen es auch noch viel Luft nach oben gibt. Ich komme zum Ende.

Wir brauchen einen handlungsfähigeren Staat. Wir brauchen ein gerechtes Steuersystem. Dafür braucht es eine gut ausgestattete Finanzverwaltung. Da ist bei Schwarz-Grün in Hessen aber noch sehr viel Luft nach oben, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Herr Abg. Schalauske. – Für die Landesregierung hat nun Staatsminister Boddenberg das Wort.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zugegebenermaßen fast ein wenig sprachlos, weil ich gar nicht weiß, auf welche der verschiedenen Punkte, die hier angesprochen worden sind – CDU und GRÜNE wollten heute eigentlich in erster Linie über den ländlichen Raum sprechen –, ich heute eingehen soll.

Ich will eingangs daran erinnern – das ist heute auch schon in einem Zwischenruf deutlich gemacht worden –: Ja, es ist kein Zufall, dass die CDU-Fraktion in dieser Plenarsitzungswoche über die Deutschland-Rente redet und über das Thema, über das wir heute in der Aktuellen Stunde sprechen. Das hat sehr viel mit meinem Vorgänger zu tun.

Wenn die Opposition mir vorgeworfen hätte, dass ich mich da mit fremden Federn schmücke, dann hätte ich den Vorwurf akzeptiert, weil es tatsächlich so ist, dass diese Überlegungen vom Grundsatz her sehr viel mit Thomas Schäfer zu tun haben. Über den ländlichen Raum kann man lange reden. Dazu kann man sehr viele Programme schreiben. Man kann es aber auch einfach machen.

Wenn ich die Zahlen einmal ins Verhältnis setzen darf: In der Steuerverwaltung arbeiten rund 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn man das Ziel verfolgt, davon 1.200 in den ländlichen Raum zu verlagern – – Jetzt lasse ich einmal den ländlichen Raum Limburg-Weilburg außen vor. Sie müssen selbst damit klarkommen, wie Sie mit dieser leichten Dissonanz in Ihrer Rede vor Ort umgehen wollen. Im Ernst: Wir können den ländlichen Raum jetzt natürlich noch einmal durchdeklinieren, ab wann dieser denn beginnt.

Im Grundsatz ist es doch unstrittig, dass wir aus den Städten, insbesondere aus den größeren Städten, tatsächlich Verlagerungen vornehmen, übrigens immer im Einvernehmen mit den Mitarbeitern. Das ist mir ganz wichtig. Wie man auf die Idee kommen kann, daraus ein klimatisches Problem in der gesamten Steuerverwaltung zu machen, kann ich nicht erkennen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Dahlke hat zu Recht über die Launen gesprochen. Eigentlich haben Sie mir meinen Einstieg weggenommen, Frau Kollegin Dahlke. Ich wollte eigentlich den Satz sagen: Die Laune in der hessischen Steuerverwaltung ist offensichtlich deutlich besser als die in der SPD-Landtagsfraktion.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht dann doch noch zu zwei oder drei Punkten, die angesprochen worden sind. Wir können uns gerne auch einmal vertieft mit den Dingen befassen. Trotzdem möchte ich mir eine Bemerkung erlauben. Hin und wieder frage ich mich allen Ernstes, wozu wir eigentlich stundenlang im Haushaltsausschuss reden. Ich nehme einmal ein Beispiel heraus.

Sie haben von der Grundsteuer und einem zu erwartenden Chaos gesprochen. Ich habe im Haushaltsausschuss eine halbe Stunde lang darüber gesprochen, dass ich großen Respekt vor dieser Herausforderung habe. Sie werden sich erinnern. Das ist die größte Steuerreform, die es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland jemals gegeben hat, hinsichtlich der Umsetzung für die Steuerpflichtigen. 30 Millionen Menschen werden Steuererklärungen abgeben müssen. In Hessen werden es rund 3 Millionen Menschen sein. Da macht es doch Sinn, dass man sich im Haushaltsausschuss darüber unterhält und streitet, welches der beste Weg ist, um das am Ende ordentlich hinzubekommen, und zwar für die Verwaltung und vor allem für die betroffenen Steuerzahler. Ich habe Ihnen minutiös dargelegt, was wir da alles vorhaben.

Das beginnt natürlich bei Dingen, die man im Internet nachschauen und recherchieren kann. Da wir aber alle wissen, dass dieses Medium nicht von allen genutzt wird, wird es ganz viel darüber hinaus geben. Ich hatte bereits gesagt, dass wir gerade mit der Steuerverwaltung bzw. mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darüber reden, ob man die bisher schon sehr ausgedehnte Form, dass man am Freitag bis 18 Uhr dort anrufen und auch noch jemanden

erreichen kann, noch weiter ausdehnt, und zwar in den Wochen der Steuererklärungen im Zeitraum von Juli bis Oktober.

Hier einmal eine Randbemerkung. In Nordrhein-Westfalen ist es nicht gelungen, das mit den Beschäftigten hinzubekommen. Da ist Freitag um 16 Uhr Schluss. Was nach 16 Uhr passiert, hat man an private Dienstleister outgesourct.

Ich bin den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der hessischen Steuerverwaltung sehr dankbar, dass sie so flexibel sind. Das ist alles, aber kein Zeichen für schlechte Laune und schlechte Stimmung, sondern für Kooperationsbereitschaft und Engagement.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann kommt die Partei „Digital first. Bedenken second“. Frau Schardt-Sauer, ich frage Sie: Wozu reden wir überhaupt im Haushaltsausschuss über solche Themen? Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich haben Ihnen dezidiert dargelegt, weshalb eine automatische elektronische Überleitung der Daten, die wir zur Ermittlung der Steuermesszahlen der Grundsteuer brauchen, nicht geht. Erstens stammen die Daten aus dem Jahr 1964, wie Sie wissen. Sie sind in weiten Teilen unvollständig oder veraltet. Zweitens sind die Bemessungen und die Bewertungen definitiv veraltet. Wir können diese Daten nicht übertragen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nehmen Sie es doch hin, und fragen Sie erst gar nicht, wenn Sie die Antwort sowieso nicht interessiert.

Jetzt machen wir das, was alle machen. Wir werden natürlich zunächst einmal eine elektronische Erfassung machen. Das machen alle Länder. Es steht im Gesetz, dass diese Erklärungen elektronisch abgegeben werden müssen. Ich habe das hier schon einmal gesagt. Dann erhalte ich die Frage, auch aus den Reihen der CDU-Fraktion: Was macht ihr mit denen, die das nicht können? – Dazu gibt es Härtefallregelungen. Auch das habe ich erläutert.

Es gibt Erklärungsbögen. Wenn Sie diese in die Hand bekommen, werden Sie als Steuerzahler bzw. als Betroffener als Allererstes sagen: Ach du liebe Zeit. Was für ein Papierwust. Das sind zehn bis zwölf Seiten. – Das sind aber nicht die Seiten der hessischen Steuerverwaltung, die es natürlich analog im Netz gibt. Das sind nicht die Seiten der hessischen Steuerverwaltung, sondern es gibt eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die, um es zu standardisieren, für Hunderte verschiedene Formen von Grundstückseigentum das entwickelt hat, sodass am Ende ein Erklärungsvordruck dabei herauskommt, den ich lieber auf einer Seite gehabt hätte. Wenn es nur das hessische Modell gäbe, wäre es übrigens auch nur eine Seite.

(Beifall CDU)

Herr Staatsminister Boddenberg, ich darf Sie an die Redezeit erinnern.

Sie sprechen immer Bayern an. Sie können sich das demnächst einmal anschauen, wenn Sie mögen. Bayern hat zwei Seiten zur eigentlichen Erklärung des Grundstücks.

Bei uns reicht aber eine Seite. Hören Sie doch bitte einmal mit dem Märchen auf, dass in Bayern alles besser, schöner und einfacher sei. Das stimmt schlichtweg nicht.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Jetzt geht es darum – da sind alle 16 Länder in der Pflicht und gleichermaßen gefordert –, mit dieser Reform möglichst professionell umzugehen.

Ich will noch einmal ausdrücklich sagen: Wir arbeiten an jedem einzelnen Brief. Ich sage meinen Mitarbeitern: Wenn im Juni 3 Millionen Briefe verschickt werden und ein Satz darin Fragen aufwirft, dann führt das zu 394.000 Rückfragen bei der Hotline. Deshalb sollten wir uns jeden einzelnen Satz anschauen, um zu prüfen, ob Oma Lena – ich muss wieder auf mittelhessische Bürgerinnen und Bürger zurückgreifen, Herr Ministerpräsident – den genauso versteht wie wir, die wir diesen Satz formuliert haben. – So weit geht das. Ich habe mich noch mit keinem Thema so sehr im Detail beschäftigt wie mit diesem.

Ich habe das Gefühl, dass irgendwie alle vom Grundsatz her gut finden, was wir machen, Stichwort: ländlicher Raum. Es haben sich aber alle schwer damit getan, zu sagen, dass sie das gut finden. Das muss die Opposition aber mit sich selbst ausmachen. Ich finde es nach wie vor gut. Ich bin Thomas Schäfer und den Vorgängern dankbar, dass sie in diese Richtung marschiert sind. – Vielen Dank.