Drittens. Was kann Politik tun? – Politik macht eine ganze Menge. Wir setzen Rahmenbedingungen. Man kann sie für richtig oder falsch halten. Aber wir setzen sie. Wer technologische Standards vorschreibt, wer eine ständige Reduzierung der Schadstoffemissionen vorschreibt, der macht Politik. Das wollen wir. Wir können nicht auf der einen Seite über die Rettung des Klimas reden und auf der anderen Seite außer Acht lassen, was das ganz konkret bedeutet.
Dort einen klugen Weg zu gehen und beides im Blick zu haben und das, was sich diese Regierung besonders auf die Fahnen geschrieben hat, nämlich Ökologie und Ökonomie zusammenzubringen, das kann und das muss Politik tun.
Die Frage, ob ein Konzern im globalen Handel die Chance hat, sich zu positionieren, hängt extrem davon ab, welche Freihandelsabkommen es gibt und wie z. B. die Situation im Rahmen des Brexit geklärt wird. Wie werden denn die Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Europa sein? Das hängt extrem davon ab, ob es Märkte gibt, die geschlossen oder die offen sind. Das alles ist ohne Politik nicht leistbar.
Wenn es eines Beweises bedürfte: Warum eigentlich hat Herr Tavares, der Chef von PSA, das Gespräch mit der Bundeskanzlerin gesucht? Weil sich die beiden einmal treffen wollten? – Das ist doch Unsinn. Jedes große Unternehmen weiß, dass seine Zukunftsentwicklung ein ganzes Stück davon abhängig ist, wie sich die politischen Rahmenbedingungen entwickeln.
Deshalb sage ich: Wenn wir uns heute im Hessischen Landtag mit dem Thema Opel und seiner weiteren Entwicklung beschäftigen, dann tun wir das nicht, um uns wichtig zu machen und um uns zu inszenieren, sondern wir machen das deshalb, um deutlich zu machen, dass uns das Schicksal von Tausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und das Schicksal einer ganzen Region nicht egal sind. Deshalb ist es wichtig, dass der Hessische Landtag heute ein eindeutiges Signal setzt.
Hessen und die Hessische Landesregierung haben eine lange Geschichte in der Begleitung von Opel. Beim letzten Mal sind wir sogar mit einer sehr namhaften Bürgschaft in die Diskussion gezogen. Sie werden sich vielleicht noch erinnern. Da ging es um die Frage, ob fällige Rechnungen überhaupt noch bezahlt werden können. Darum kann es
heute nicht mehr gehen. Aber dass wir alles tun, was wir in dem beschriebenen Maße tun können, damit Opel in Rüsselsheim und natürlich auch an den anderen Standorten – aber heute reden wir über Opel in Rüsselsheim, das größte Industrieunternehmen, das wir in Hessen haben – eine erfolgreiche Zukunft hat, das ist unsere Agenda. Das ist nicht nur wegen Opel und nicht nur wegen des Standortes und der Region, sondern für unser ganzes Land wichtig.
Ich will nicht so weit gehen, zu sagen: Wenn es Opel gut geht, dann geht es auch Hessen gut. Aber wenn es Opel schlecht geht, ist uns das nicht egal, sondern das hat Auswirkungen weit über das Unternehmen hinaus. Deshalb ist es richtig, dass wir heute hier und an vielen anderen Stellen unsere Solidarität zeigen, unsere Hilfsbereitschaft zeigen und unsere politischen Möglichkeiten so einsetzen, dass wir nicht nur heute, sondern auch morgen noch sagen können: Das Werk, die Beschäftigten und dieses Land haben eine gute Zukunft. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Es beginnt die Aussprache mit dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Kollegen Michael Boddenberg. Sie haben 15 Minuten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen auch an die Vertreter der Stadt Rüsselsheim auf der Tribüne.
Ich gebe zu: Als wir über die Aktuelle Stunde und die Themensetzung der Aktuellen Stunde nachgedacht haben, war ich kurz im Zweifel, ob wir Opel zum Thema machen sollten – vor dem Hintergrund, dass es in den ersten Tagen – der Ministerpräsident hat gerade die Abläufe der letzten Tage kurz skizziert – durchaus Stimmen gab, die die Frage stellten, was denn die Politik in dieser Frage zu tun hat und welche Spielräume und Möglichkeiten sie hat. Der Ministerpräsident hat gerade, so glaube ich, zu Recht gesagt, dass wir sehr wohl eine ganze Reihe von politischen Maßgaben haben. Die Gespräche von Herrn Tavares mit der Kanzlerin, mit Frau May und anderen Politikern zeigen ja, dass auch das Unternehmen erkannt hat, dass es wohl klug ist, sich mit der Politik zu arrangieren.
Trotzdem hat es eine Reihe von Überschriften gegeben, die das völlig anders sehen. Ich gebe zu, dass ich mich ein bisschen ärgere. Ich darf das einmal hochhalten: Das ist die „Neue Zürcher Zeitung“. Da steht etwas von „profilierungssüchtigen Politikern“. Ich stelle mir schon die Frage – und deswegen habe ich auch nur wenige Sekunden zum Nachdenken darüber gebraucht, ob wir das heute hier thematisieren –: Was hätte eigentlich die eine oder andere Journaille geschrieben, wenn wir das hier völlig außer Acht gelassen hätten?
(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der SPD – Zuruf von der SPD: So sieht es aus!)
Insofern will ich auch gerade deutlich machen – der Ministerpräsident hat das eben gesagt –, dass es hier auch um ein deutliches Signal an die vielen Tausend Beschäftigten geht. Wenn Ludwig Erhard einmal davon gesprochen hat,
dass 50 % der Wirtschaft Psychologie sind, dann hat sich, so glaube ich, an diesem Umstand wenig bis gar nichts geändert. Diese Psychologie hat nicht nur etwas mit den Konsumenten und dem Verhalten von Konsumenten in den Märkten zu tun, sondern sie hat auch etwas mit der Aufstellung von Unternehmen zu tun. Gerade mit Blick auf Opel sage ich einmal: Sie hat auch deutlich mit der Frage zu tun, ob ein Unternehmen aus guten Gründen selbstbewusst auf diesen Märkten auftritt.
Wenn man sich einmal die Geschichte der letzten Jahre von Opel anschaut – nicht der letzten 88 Jahre, als damals Opel von GM übernommen wurde –, dann muss man zunächst eines feststellen: Was dieses Unternehmen und die Beschäftigten gerade in den letzten 16 oder 17 Jahren geleistet haben, ist außergewöhnlich. Das betrifft zum einen die betriebswirtschaftliche Seite. Das Unternehmen ist und war jüngst auf einem guten Weg zunächst zu einer schwarzen Null und dann in die Gewinnzone und hat dummerweise einmal wieder durch äußere Umstände, durch den Brexit, dort einige Rückschläge hinnehmen müssen.
Der Opel-Vorstandsvorsitzende hat vor wenigen Monaten auf einer Veranstaltung, die wir gemeinsam hier im RheinMain-Gebiet durchgeführt haben, gesagt: Na ja, wir haben 85 % Importe der Zulieferer zu Vauxhall in England, also nur eine Wertschöpfung von Vauxhall in England von 15 %.
Bei einem Verfall des Pfundes – nach dem Brexit hat es diesen gegeben – bedeutet dies mehrere 100 Millionen € Mehraufwand in der Produktion in England für die dort produzierten Fahrzeuge. Also ein Umstand, mit dem, glaube ich, niemand von uns, aber möglicherweise auch nicht viele Unternehmen gerechnet hatten: dass die Engländer sich so entscheiden würden, wie sie es im Juni getan haben.
Dass wir aus ganz anderen geopolitischen Gründen mit den Russen zurzeit große Auseinandersetzungen haben, die sich dann aber durch die Maßnahmen der westlichen Welt, der Europäischen Union und der Amerikaner, im Sinne von Handelsboykotten und -beschränkungen niederschlagen, hat Opel auf dem Weg in die Märkte der Russischen Föderation ebenfalls massiv beeinträchtigt und dazu geführt, dass sich Opel dort weitestgehend – eigentlich komplett – zurückgezogen hat.
Um nur einmal zwei Bereiche zu nennen: Obwohl das Unternehmen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Forschungsabteilung tolle Erfolge für sich verbuchen können, sehr fleißig gearbeitet haben, Verzicht geübt haben – ich erinnere noch einmal daran: um die Jahrtausendwende hat GM an allen Standorten in Europa 12.000 Beschäftigte abgebaut –, ist es leider bis heute so, dass auch äußere Umstände dazu führen können, dass Unternehmen in Schwierigkeiten geraten.
Umso mehr ist und war uns eines wichtig. Ich bin ausdrücklich auch den Sozialdemokraten als in dieser Frage genauso involvierter Oppositionspartei dankbar, dass wir heute einen gemeinsamen Antrag verfasst haben, in dem wir sehr klar zum Ausdruck bringen, dass wir einerseits ein Signal an die Beschäftigten und an die Unternehmensleitung senden wollen, andererseits aber auch deutlich machen wollen: Das, was jetzt passiert, ist ein Wandel, ist eine Veränderung, in der auch Chancen und nicht nur Risiken, Lasten und Unzumutbares liegen.
Der Ministerpräsident hat die Automobilwirtschaft und die Entwicklung dort angesprochen. Ja, wir reden heute nicht mehr nur über die klassische „Old Economy“ oder die klassische Automobilwirtschaft der letzten Jahrzehnte. Die Produkte, die dort gefertigt werden und die der Markt sucht, sind Mobilitätsprodukte.
Wenn man sich in den etablierten Automobilindustrieunternehmen seit Jahren darauf vorbereitet, aber weiß, dass sich Märkte teilweise dramatisch verändern, was die Beschäftigung von Unternehmen mit neuen Produktzweigen und Entwicklungen anbelangt, könnte man, wenn es um die Digitalisierung geht – das ist ja nicht nur die Verbesserung der Technik im Auto selbst, sondern das ist Satellitennavigation, das ist Vernetzung von Fahrzeugen untereinander, die am Ende zu besserer Mobilität und mehr Effizienz in der Mobilität führen, aber am Ende auch dazu, dass wir uns ökologisch mit den Produkten, die dort unterwegs sind, besser aufstellen –, auf die Idee kommen, dass im Silicon Valley einige große Unternehmen sitzen, die sich bisher im digitalen Sektor eher im klassischen Bereich beschäftigen und dort enorme Gewinne und Eigenkapital-Größenordnungen angesammelt haben. Ich nenne einmal Alphabet.
Nur mal als eine Zahl zwischendrin: 150 Milliarden € Eigenkapital bei Alphabet, der Mutter von Google, mit einem hohen Liquiditätsgrad in den Bilanzen, was wiederum bedeutet: Wenn die eines Tages sagen: „Das Einzige, was wir in der Frage Mobilität noch nicht können, ist das eigentliche Autobauen“, könnte man ja auf deren Seite auch auf die Idee kommen: Dann kaufen wir uns ein Automobilunternehmen.
Ich will das nur mal als mögliche Skizze für das, was da passieren kann, hier in den Raum stellen und sagen: In einer solchen Zeit ist es wichtig, dass die klassischen Automobilhersteller Ihre Kräfte bündeln. Deswegen ist das eine oder andere, was in den Zeitungen steht, jedenfalls aus meiner Sicht plausibel, wenn dort zu lesen ist, dass PSA als die potenzielle Käuferin in den letzten Jahren die Forschungs- und Entwicklungskosten deutlich zurückgeführt hat, um das Unternehmen betriebswirtschaftlich wieder auf Kurs zu bringen. Andererseits liegt – auch darauf ist eben von Volker Bouffier hingewiesen worden – gerade dort seit vielen Jahren mit dem Forschungszentrum eine wirklich herausragende überdurchschnittliche Schwerpunktsetzung bei Opel in Rüsselsheim. Dann kann man ja vielleicht auf die Idee kommen, dass die Dinge gar nicht so schlecht zueinanderpassen und dass PSA ein hohes Interesse daran hat, gerade auch das Know-how, das dort entwickelt worden ist, zu erwerben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will einen Punkt nicht auslassen. Ich will deutlich sagen, dass wir aber auch nicht aus dem Blick verlieren dürfen, dass es am Ende des Tages bei dem, was sich dort entwickelt, immer darauf ankommen wird, dass unser Land und die Standorte der Unternehmen in unserem Land wettbewerbsfähig bleiben. Das erfüllt mich dann schon auch mit der einen oder anderen Sorge.
Da haben Sozialdemokraten und Christdemokraten in den nächsten Monaten vieles in einer grundsätzlichen Auseinandersetzung zu tun, nämlich bezüglich der Frage, ob wir wettbewerbsfähig sind und bleiben. Wenn der Verband der Automobilindustrie erklärt – darauf ist der Ministerpräsi
dent ebenfalls eingegangen –, wir brauchen eine Balance zwischen Industriepolitik und dem, was Klimaschutz heißt, dann ist das genauso richtig, wie wenn Sie zu Recht darauf hinweisen, dass in den letzten Jahren viele deutsche Unternehmen, auch Unternehmen der Automobilindustrie, eine etwas aufgehende Schere zwischen Produktivitätssteigerung und Kostensteigerung haben, insbesondere im Bereich der Arbeitskosten.
Das kann man nun doof finden. Ich glaube, wir sollten es ernst nehmen, wenn das als Problem beschrieben wird, was wiederum bedeutet, wir müssen als Politik darauf achten, dass die Arbeitskosten in unserem Land wettbewerbsfähig bleiben. Das heißt nicht Dumpinglöhne. Das heißt aber auch nicht – da bin ich schon auch ein bisschen im Bundestagswahlkampf, und darüber werden wir streiten müssen –, dass der designierte Kanzlerkandidat der SPD unterwegs ist und Dinge als Tatsachen behauptet, die er ein paar Tage später – Gott sei Dank heute geschehen – zurücknehmen muss, die aber in den Kern dieser Problematik reichen, nämlich beispielsweise zu behaupten, dass 40 % – –
(Günter Rudolph (SPD): Was soll denn das jetzt? – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Holger Bellino (CDU): Was denn? – Unruhe bei der SPD und der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)
Wenn Sie mich ausreden lassen – Herr Schäfer-Gümbel kann das ja nachher kommentieren –: Also, wenn dort in den letzten Tagen behauptet – –
Nein, ich komme zum Thema, Herr Kollege. – Also, wenn dort behauptet wird, dass 25- bis 35-Jährige zu 40 % befristete Arbeitsverhältnisse haben, und heute die „Bild“-Zeitung sagt – Sie können ja sagen, ob das falsch ist oder nicht –, eigentlich sind es aber nur 12 %, dann zeigt das, dass wir Acht geben müssen. Das ist ein Problem, das ich nicht wegrede.
Ich hätte auch lieber nur dauerhafte und unbefristete Arbeitsplätze. Aber dann zeigt das doch, dass wir über diese Fragen reden müssen; denn das haben wir seinerzeit – Agenda 2010 als Stichwort – nicht gemacht, um die Leute zu ärgern,
sondern das haben wir gemacht, um genau die Wettbewerbsfähigkeit, über die wir jetzt wieder häufiger reden müssen, in diesem Land aufrechtzuerhalten. Das Ergebnis kann man besichtigen: Rekordzahlen auf dem Arbeitsmarkt, aber eben auch großartige Erfolge der deutschen Wirtschaft, auch der Automobilwirtschaft.
Darauf wird es am Ende des Tages ankommen: dass wir das nicht aus dem Auge verlieren, aber durchaus auch diesen Streit führen. Deswegen verstehe ich die Aufregung überhaupt nicht, dass wir darüber streiten, was dort der ausbalancierte Weg ist, der einerseits den Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gerecht wird, andererseits aber dafür sorgt, dass die deutsche Automobilwirtschaft auch zukünftig hier ihre Standorte hat, hier die Arbeitsplätze stellt, und hier ihre Zukunft hat. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Kollege Boddenberg. – Das Wort hat der Abg. Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zunächst grundsätzlich dankbar, dass es gelungen ist, hier einen gemeinsamen Antrag zu der Frage, die uns seit einer Woche beschäftigt, nämlich der Frage der Zukunft von Opel, am Ende hinzukriegen.
Herr Boddenberg, lassen Sie mich das zumindest ganz am Anfang allerdings auch klarstellen: Da Sie ja am Dienstag schon mein Interview im Deutschlandfunk ausgewertet haben – ich habe es ja gesehen –, hätten Sie wissen können, wie die Auflösung des Problems mit den 40 % ist. Und wenn Sie mit mir über die Agenda 2010 und möglichen Reformbedarf reden wollen, machen Sie einen eigenen Antrag. Das diskutieren wir am Ende der Tagesordnung. Aber wir sollten es nicht bei dem Thema Opel aufrufen.
Damit will ich zum Kern des eigentlichen Themas kommen. Das ist – ich will das wiederholen – der Klassiker für Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition, deswegen habe ich unmittelbar nach Bekanntwerden auch mit dem Ministerpräsidenten genau zu dieser Frage gesprochen: Natürlich nutzen wir wechselseitig alle Kanäle, die uns zur Verfügung stehen, um in dieser Situation Opel zu begleiten, vor allem aus meiner Sicht natürlich auch die Betriebsräte, die Gewerkschaft und die Beschäftigten, und das ist auch notwendig – nicht nur mit Blick auf die Tradition des Unternehmens, sondern auch mit Blick auf die ökonomische und soziale Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und letztlich auch mit Blick darauf, dass Opel derzeit schlicht und einfach gute Autos baut.