Protocol of the Session on February 23, 2017

(Zurufe von der SPD)

Sogar das KiföG hat einen Beitrag zur kommunalen Entlastung geleistet. Auch das steht im Bericht: Rückgang des kommunalen Finanzierungsanteils an den Gesamtbetriebskosten um 2,4 %.

Drittens – jetzt komme ich zum Kern –: gebührenfreie Bildung von Anfang an. Das hört sich in Verbindung mit den schönen Zielen, die wir teilen, natürlich toll an.

(Gerhard Merz (SPD): Es ist auch toll!)

Es ist aber der falsche Weg zum Glück. Es ist ein Subventionsprogramm für Gut- und Besserverdienende; denn die Schwachen, von denen auch Herr Laumann gesprochen hat, werden überwiegend von den Gebühren bereits befreit oder erfahren Gebührenreduzierungen.

(Gerhard Merz (SPD): Das ist falsch! Wie oft muss ich Ihnen das noch erklären?)

Ihre Forderung mag einige Eltern entlasten. Die Rechnung zahlen aber die künftigen Generationen. Eine vollständige Übernahme des Elternanteils durch das Land würde den endlich ausgeglichenen Landeshaushalt mit hohen dreistelligen Millionenbeträgen belasten – unvereinbar mit der Schuldenbremse – oder zulasten imaginärer reicher Steuerzahler gehen, unter denen am Ende viele derer wären, die Sie zu entlasten vorgeben. Welchen Sinn macht das – außer vielleicht, es ist eine verfrühte Wahlkampfspekulation?

Letzter Punkt. Im Steuerrecht werden die Eltern, die Sie im Fokus haben, bereits heute signifikant entlastet. Sie haben die Möglichkeit, Kinderbetreuungskosten bis zu 6.000 € pro Kind und Jahr zu zwei Dritteln von der Einkommensteuer abzusetzen.

Frau Kollegin Wiesmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wollen Sie den Bund um diesen Aufwand entlasten, um in der Folge den Landeshaushalt zu ruinieren? Welchen Sinn macht das?

Ich will die allgemeinen Argumente nicht wiederholen, die wir schon tausendmal ausgetauscht haben. Ich fasse zusammen: Wir entlasten die Eltern, wir unterstützen die Kommunen, und es ist keine gute Idee, die Elternbeiträge abzuschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wiesmann. – Das Wort hat der Abg. René Rock, Seligenstadt, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Wiesmann, ich schätze Sie persönlich wirklich, aber Sie scheinen nicht zu verstehen – deshalb muss ich es Ihnen immer wieder deutlich sagen –, dass die Kinderbetreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Riesengeschäft für den Staat, nicht für die Familien sind. Das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Menge an Geld, die die Familien mehr erwirtschaften können, mehr ist als das, was der Staat aufwendet. Das einzige Problem ist, dass die Kommunen von diesem Mehrwert, der von den Familien erwirtschaftet wird, 13 % bekommen, während sich das Land und der Bund den Rest einstecken. Deshalb haben die Kommunen natürlich den Eindruck, dass sie die Veranstaltung bezahlen müssen und alle anderen einen finanziellen Vorteil davon haben. Versuchen Sie doch einmal, zu akzeptieren, dass die Familien den Staat nicht ausbeuten, sondern dass die Familien diesen Staat auf ihren Schultern tragen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Akzeptieren Sie das endlich, und behaupten Sie hier nicht immer das Gegenteil.

Denken Sie einmal zurück: Es war die CDU, die das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei stellen wollte. Damals haben Sie sicherlich ganz anders argumentiert.

(Zurufe von der CDU)

Wie kann eine Partei, die einmal dafür eingetreten ist, das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei zu stellen, mit den hier vorgetragenen Argumenten gegen solche Initiativen kämpfen? Das ist mir intellektuell nicht einsichtig – außer Sie sagen, diese Politik war falsch.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Das habe ich von Ihnen aber nicht gehört, und wenn Sie das sagen würden, dann gäbe es, glaube ich, in diesem Haus noch größeren Streit. Bitte hören Sie auf, diese Argumentation hier vorzutragen. Sie können immer argumentieren, dass Sie keine Ideologisierung der Familien haben wollen. Wer sein Kind selbst erziehen möchte, bekommt größten Respekt; wer sagt, er will arbeiten, bekommt ebenfalls größten Respekt. Wir schwingen uns nicht auf, den Familien ein Idealbild vorzuschreiben. Das sollten Sie nicht tun, und das sollten auch andere nicht tun.

(Beifall bei der FDP)

Warum ist das Thema Kindergartengebühren in Hessen wieder aktuell? Das liegt ganz einfach an der Finanzpolitik dieser Landesregierung, die die Kommunen indirekt zu Beitragserhöhungen zwingt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn eine Kommune vor der Entscheidung steht, ob sie 10.000 Haushaltungen mit einer Erhöhung der Grundsteuer oder 1.000 Familien durch Erhöhung der Gebühren für die Kinderbetreuung treffen soll, dann gibt es in Hessen leider eine Menge Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen, die sagen:

(Gerhard Merz (SPD): „Wir machen beides“!)

Wir lassen die 1.000 Familien den Großteil der Sanierung der kommunalen Haushalte tragen; weil das der teure Bereich im Haushalt ist, sollen die Familien dieses Haushaltsloch selbst decken; das ist besser, als dass wir uns mit 10.000 Hauseigentümern in der Kommune anlegen. – Diese Haltung ist wirklich nicht familienfreundlich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Grüttner wird sicherlich wieder etwas zur Finanzierung sagen. Ich will hier deutlich machen: Das Land Hessen gibt in diesem Bereich knapp 500 Millionen € aus. Herr Grüttner, von diesen 500 Millionen € kommen in den Kommunen für die Finanzierung der Betreuung der Dreibis Sechsjährigen vielleicht 200 bis 250 Millionen € an. Das sind aber weniger als 20 % der bei der Erfüllung dieser Aufgabe entstehenden Kosten. Das zwingt die Kommunen dazu, das Geld irgendwo herzubekommen. Die Kommunen profitieren von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eben nicht in dem Maße, wie das Land und der Bund davon profitieren. Darum ist zu Recht die Frage zu stellen: Wie können wir als Land und wie kann der Bund die Kommunen in dieser für die Gesellschaft wichtigen Aufgabe besser unterstützen?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Die Finanzierung dieser Aufgabe durch die Kommunen und die Höhe der Beiträge kann man logisch nicht trennen. Das hängt ganz einfach zusammen. Von daher kann ich die Einlassungen der Kommunen verstehen.

Ich möchte etwas Grundsätzliches zum Thema Bildung in Kindertagesstätten sagen. Wir müssen die Kindertagesstätten in Hessen zu echten Bildungseinrichtungen weiterentwickeln. Es gibt zwar schon gute Entwicklungen, aber es muss noch besser werden. An dem Tag, an dem Kindertagesstätten echte Bildungseinrichtungen sind, werden sie auch kostenfrei sein müssen.

(Beifall bei der FDP)

Von daher gesehen, müssen wir diesen Weg konsequent weitergehen. Hier muss in die jungen Köpfe in unserer Gesellschaft investiert werden. Es geht um Kinder und ihre Lebenschancen. Wir müssten uns deutlich einiger sein, dass hier mehr Geld investiert werden muss. Was bisher getan wurde, ist zu wenig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Das Wort hat Kollege Bocklet, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin über Ihren Ansatz freudig überrascht, weil es diesmal nicht um die Grundsatzfrage „Kostenfreiheit für Kindergärten“ geht, die Sie ja auch verfolgen. Diesmal be

schäftigen Sie sich mit der Belastung der Kommunen in dieser Frage.

In der Kürze der Zeit konnten wir zwei Zahlen recherchieren: Die Gesamtverbundmasse des Kommunalen Finanzausgleichs beträgt dieses Jahr 4,55 Milliarden €. Die Gesamtverbundmasse ist im Vergleich zum letzten Jahr – 4,36 Milliarden € – um über 200 Millionen € gestiegen. Im Vergleich dazu: Vor zwei Jahren, als es noch ein anderes Abrechnungssystem gab, waren es 4,1 Milliarden €. Die Kommunen haben also in den letzten Jahren über 400 Millionen € mehr vom Land bekommen. Ich finde, daher kann man nicht davon sprechen, dass wir die Kommunen in irgendeiner Art und Weise alleinlassen. – Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das sind die nackten Zahlen. Was mich auch noch interessiert hat – da wäre ich den Finanzfachleuten ebenfalls für einen Hinweis dankbar –, ist, dass die Kosten für die Kinderbetreuung ohne Abschläge berechnet worden sind. Die Staatssekretärin im Finanzministerium sitzt hier; sie wird es bestimmt besser erklären können, denn ich bin keiner, der jeden Tag in der Haushaltspolitik unterwegs ist. Das Gesagte bedeutet aber, dass den Kommunen ihre Kosten bei der Berechnung des Kommunalen Finanzausgleichs voll angerechnet wurden.

Herr Merz und Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, ich finde, das alles muss Ihnen zu denken geben, wenn Sie sich die Argumentation zu eigen machen, dass das Land bei der kommunalen Aufgabe Kinderbetreuung den Zuschuss über den Kommunalen Finanzausgleich erhöht, obwohl die Kinderbetreuungskosten in voller Höhe angerechnet werden. Ich finde, somit fällt Ihre These in wesentlichen Punkten zusammen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Rock hat die Frage nach der Beitragsfreiheit aufgeworfen – auch die SPD wirft sie immer wieder auf –: kostenlose Bildung für alle. Lassen Sie mich nur zwei Zahlen nennen: Seit dem 1. Januar 1996 – also seit 20 Jahren – gibt es den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab drei Jahren. Für Kinder unter drei Jahren ist dieser Rechtsanspruch erst vor wenigen Jahren in Kraft getreten. In diesem Bereich geht es um die Qualität der Betreuung, um einen quantitativen Ausbau, also darum, dass man überhaupt einen Betreuungsplatz für sein Kind findet – nur wenn Betreuungsplätze vorhanden sind, kann man auch deren Qualität verbessern –, um die Möglichkeit einer Ganztagsbetreuung für diejenigen, die sie brauchen, um die Gewährleistung einer guten Qualität im Sinne des Bildungs- und Erziehungsplans und um den Ausbau der Infrastruktur.

Man muss das einmal mit dem gesamten Bildungssystem vergleichen. Lassen Sie mich dazu nur eine Sache sagen: Am 1. Januar 1919 wurde in ganz Deutschland die allgemeine Schulpflicht eingeführt. Die allgemeine Schulpflicht wird also bald 100 Jahre alt. In den Jahren der Weimarer Republik wurde dieser Bereich massiv ausgebaut: Schulgebäude, Turnhallen und vieles andere mehr. Wenn wir die Schulinfrastruktur mit der Infrastruktur der Kindergärten vergleichen, stellen wir fest, dass wir da einen Nachholbedarf haben. Quantitativ und qualitativ muss die Kindergartenbetreuung noch ausgebaut werden. Für mich ist es keine

ideologische Frage, ob wir für den Kindergartenbesuch Kostenfreiheit herstellen, sondern es ist eine finanzpolitische Prioritätensetzung.

(Nancy Faeser (SPD): Das stimmt!)

Wenn wir den Nachholbedarf an quantitativem und qualitativem Ausbau gestillt haben, können wir uns fragen, ob wir es uns leisten können – wir haben damals kritisiert, dass das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt wird; wir hätten die Beitragsfreiheit lieber für das erste Kindergartenjahr gehabt; aber das mag dahingestellt sein –, die Eltern so zu entlasten, dass sie weniger für den Kindergartenbesuch ihrer Kinder zahlen müssen. Das ist keine ideologische, sondern eine finanzpolitische Frage. Aber es ist zunächst einmal wichtig, überhaupt einen Betreuungsplatz zu finden, der so gut ausgestattet ist, dass man sein Kind dort gern hinschickt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)